Arbeitsrecht

Eingruppierung, Unterlassungsanspruch, Einstellung, Zustimmungsverweigerung, Verletzung, Ermessensentscheidung, Zustimmung, Mitbestimmung, Versetzung, Taschengeld, Wiederholungsgefahr, Form, Unterlassungsbegehren, Bundesamt, anwaltliche Vertretung, Zulassung der Revision

Aktenzeichen  1 MV 1/20

Datum:
8.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 47980
Gerichtsart:
Kirchliches Arbeitsgericht
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Kirchengerichte
Normen:

 

Leitsatz

1. Zur Zulässigkeit von vergangenheitsbezogenen Feststellungsanträgen
2. Wird mit einer Dienstleistenden ein Taschengeld nach § 8 Abs. 1 Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG ) vereinbart, stellt dies keine Eingruppierung im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr.1 MAVO dar. Dies gilt auch dann, wenn sich der Dienstgeber dabei an einer Empfehlung des jeweiligen Diözesancaritasverbandes orientiert.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die notwendigen Auslagen der Klägerin (einschl. anwaltliche Vertretung) für dieses Verfahren trägt die Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Feststellungs-, Unterrichtungs- und Unterlassungsansprüche wegen der Personalmaßnahme C. gegen die Beklagte nicht zu.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
A.
Zu den Anträgen bezüglich „Einstellung“:
I. Dem Feststellungsantrag fehlt die Zulässigkeit (§§ 27 KAGO, 46 Abs. 2 ArbGG, 256 ZPO).
Zwar ist der Rechtsweg/ die sachliche Zuständigkeit des Kirchlichen Arbeitsgerichts gegeben, da eine Streitigkeit aus dem Mitarbeitervertretungsrecht vorliegt (§ 2 Abs. 2 KAGO).
Das Kirchliche Arbeitsgericht für die Bayerischen (Erz-) Diözesen ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KAGO auch örtlich zuständig, weil die Beklagte ihren örtlichen Sitz in dessen Gerichtsbezirk hat. Weiter begegnen der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) keine rechtlichen Bedenken.
Ein Feststellungsantrag muss sich jedoch auf ein feststellbares Rechtsverhältnis beziehen. Nicht genügend sind Einzelelemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 39. Auflage, § 256 Rdnr.10). Weiter muss das Rechtsverhältnis gegenwärtig sein. Rechtsbeziehungen der Vergangenheit können nur dann herangezogen werden, wenn sie Bedeutung für Gegenwart und Zukunft haben. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, im Nachhinein gutachterlich zu klären, wer von den Parteien Recht hatte (BAG v. 20.01.2015, 1 ABR 1/14). Entsprechend besteht das rechtliche Interesse nur dann, wenn eine tatsächliche Unsicherheit das Rechtsverhältnis gefährdet, also eine streitige Rechtsfrage zwischen den Parteien gelöst werden soll. Schließlich ist die Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der vorrangigen Leistungsklage zu beachten (KAG Köln v. 12.02.2020, MAVO 25/2019).
All dem wird der klägerische Feststellungsantrag nicht gerecht. So macht er nicht das Rechtsverhältnis „Beteiligungsrecht Einstellung“ zum Gegenstand des Antrags, sondern die isolierte Einzelfrage, ob ein Rechtsverstoß seitens der Beklagten vorliegt. Solche nachträglichen Rechtsgutachten sind jedoch nicht Aufgabe der Gerichte. Es ist auch kein gegenwärtiges Rechtsverhältnis erkennbar. Die Einstellung der DL C. ist in der Vergangenheit längst abgeschlossen. Eine Bedeutung für das zukünftige Geschehen kann die Kammer nicht erkennen. Zwar hat die Klägerin eine Reihe von Vorgängen geschildert, in denen nach Klägerinvortrag die Unterrichtung zu Personalmaßnahmen verspätet oder ohne Beachtung der Anhörungsfrist vorgenommen wurde. Jedoch liegen diese Ereignisse alle länger zurück (Oktober/Nov. 2019) und die Beklagte hat glaubhaft erklärt, dass dies gerade zum Anlass genommen wurde, die gesetzesgemäße Vorgehensweise zu stabilisieren. In diesen Zusammenhang ist auch der Vorgang „Einstellung C.“ einzuordnen. Der Beklagten war bewusst, dass der Zeitablauf für die Einstellung am 01.02.2020 sehr knapp war. Dies erkennend wandte sich die Personalabteilung der Beklagten am 30.01.2020 per E-Mail an die Klägerin, um nachzufragen, welche sinnvolle Verfahrensweise hier möglich sei. Daraus wird deutlich, dass der Beklagten die Rechtstreue sehr wichtig war. Es wird aber weiter deutlich, dass eine offene – klärungsbedürftige – Rechtsfrage zwischen den Parteien überhaupt nicht vorlag. Der Beklagten war die zu beachtende Wochenfrist nach § 33 Abs. 2, S.2 MAVO nicht nur bewusst, sondern sie wollte sie auch beachten bzw. ein geeignetes Procedere mit der Klägerin verabreden. Dies misslang nur, weil die Personalabteilung der Beklagten die Antwort-E-Mail der Klägerin vom 30.01.2020 unrichtig interpretierte. Die Beklagte hat schließlich in der mündlichen Verhandlung deutlich erklärt, dass sie auch zukünftig ernsthaft bestrebt sein wird, die Fristen nach § 33 Abs. 2 MAVO korrekt zu beachten. Der allgemeinen, nichtprüfungsfähigen Behauptung der Klägerin, wonach es auch nach Ende Januar 2020 zu Versäumnissen bei der Unterrichtungspflicht gekommen sei, ist die Beklagte deutlich entgegengetreten.
Bei all dem ist kein Raum für das klägerische Feststellungsbegehren. Damit ist die Klägerin auch nicht rechtlos gestellt: Ihr stehen bei einer solchen Rechtslage Leistungsanträge zur Seite. So kann sie bei einer Beschäftigung von Mitarbeiter/-in ohne Unterrichtung oder nicht abgeschlossenem Beteiligungsverfahren Unterlassungsanträge – ggf. im Eilverfahren – vor dem KAG anhängig machen.
II. Die (hilfsweisen) Unterrichtungs- und Unterlassungsansprüche sind zulässig, aber sachlich unbegründet.
Soweit die Klägerin weitere Unterrichtungsansprüche reklamiert, folgt dies daraus, dass das Beteiligungsverfahren „Einstellung C.“ abgeschlossen ist. Der Umfang der Unterrichtung im Falle der Einstellung ergibt sich aus § 34 Abs. 3 MAVO. Der von der Beklagten vorgelegte Personalbogen v. 29.01.2020 enthält die notwendigen Angaben nach S.1 u. 2 der vorgenannten Bestimmung. Das von der Klägerin geltend gemachte erweiterte Unterrichtungsbegehren nach S.4 erfordert ein ausdrückliches Verlangen der MAV. Ein solches ist nicht geschehen. Vielmehr hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie innerhalb der Anhörungsfrist eine zusätzliche oder ergänzende Information zur „Einstellung C.“ gerade nicht verlangt hat. Dieses ist jedoch erforderlich, wenn der Dienstgeber den Umfang der Information für ausreichend ansehen durfte, insbesondere weil er der bisherigen Übung entsprach (Eichstätter Kommentar [EK]/Reiter, MAVO, 2. Auflage, § 34 Rdnr.94).
Wegen der ordnungsgemäßen Unterrichtung seitens der Beklagten ist das Beteiligungsverfahren mit Fristablauf am 05.02.2020 abgeschlossen. Eine Zustimmungsverweigerung durch die Klägerin ist unstreitig nicht geschehen. Es tritt die gesetzliche Zustimmungsfiktion nach § 33 Abs. 2, S.2 MAVO ein. Der Tätigkeitsbeginn der DL C. vor Ablauf der Wochenfrist führt nicht zur Unwirksamkeit des Unterrichtungsverfahrens. Es handelt sich um unterschiedliche Rechtsebenen, die getrennt zu betrachten sind. Die Aufnahme der Tätigkeit erfolgt auf der einzelvertraglichen Ebene zwischen Dienstgeber bzw. zuständigem Bundesamt und der DL C.. Das Beteiligungsverfahren nach §§ 33 ff. MAVO betrifft die kollektive Ebene zwischen Dienstgeber und MAV. Das fehlende oder noch nicht beendete Beteiligungsverfahren lässt zur Sicherung des Mitwirkungsrechts der MAV nur den Unterlassungsanspruch für die tatsächliche Beschäftigung entstehen (KAGH v. 25.11. 2016, M 06/2015). Auf den Lauf der Wochenfrist ist er ohne Auswirkung.
Wie geschildert besteht der Unterlassungsanspruch grundsätzlich. Er kann jedoch nur solange durchgesetzt werden, als das Mitwirkungsverfahren noch nicht rechtswirksam beendet ist. Dies ist hier allerdings mit Fristablauf am 05.02.2020 geschehen und es gilt die bereits genannte Zustimmungsfiktion.
Damit ist ab 06.02.2020 der ursprünglich – wenn auch nur ganz kurzzeitig – bestehende Unterlassungsanspruch in Fortfall geraten.
B.
Zur Eingruppierung gilt:
I. Zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags bestehen grundsätzlich die nämlichen Bedenken wie oben unter A. I. ausgeführt. Der/die „Rechtsverstoß/Rechtsverletzung“ stellen kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO dar. Jedoch will die Kammer dies an der Stelle dahingestellt lassen.
II. Die klägerischen Anträge sind jedenfalls unbegründet.
Sie müssen schon deshalb scheitern, weil die Beklagte zur Eingruppierung der DL C. nicht verpflichtet war und eine solche auch nicht vorgenommen hat.
Eingruppierung im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr.1 MAVO ist die dienstgeberseitige Einreihung in eine (vorhandene) kollektive Vergütungsordnung, also die Zuordnung zu einer in der Norm vorgesehenen Lohnoder Gehaltsgruppe (EK/Schmitz, § 35 MAVO Rdnr.6; Freiburger Kommentar/Sroka, § 35 Rdnr.8). Eine Vergütungsordnung liegt nur dann vor, wenn ein Entgeltschema besteht, das die Zuordnung zu einer von mehreren (also mindestens zwei) Vergütungsgruppen nach abstraktgenerellen Merkmalen vorsieht. Die Pflicht zur Eingruppierung ergibt sich nicht aus der betrieblichen Mitbestimmung selbst (BetrVG oder MAVO), sondern muss aus den für das Arbeitsverhältnis geltenden Bestimmungen folgen, für die kirchlichen Arbeitsverhältnisse, also aus AVR oder ABD (vgl. KGH/EKD v. 28.11. 2011, ZMV 2012, 160; EK/Schmitz, aaO, Rdnr.8, mwN). Die so dem Dienstgeber auferlegte Eingruppierung stellt Rechtsanwendung als reinen Normenvollzug dar und enthält keinerlei (rechts-) gestaltende Elemente.
All dies kann für das hier vereinbarte Taschengeld (§ 2 Nr.4 BFDG) nicht gelten. Dabei soll die Frage, inwieweit ein „Taschengeld“ überhaupt dem hier maßgeblichen Begriff „Entgelt/Vergütung“ (-Ordnung) zugeordnet werden kann, außen vor bleiben.
Entscheidend ist vielmehr, dass eine (kollektive) Vergütungsordnung überhaupt nicht vorliegt. Soweit sich die Beklagte mit der Vereinbarung des Monatsbetrages von 195,- EUR an den Richtwert des Diözesancaritasverbandes Augsburg anlehnt oder anschließt, liegt darin keine kollektiv vorgegebene Entgeltordnung. Damit geschieht nur eine Handreichung im Sinne einer technischadministrativen Unterstützung für die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen aus dem BFDG. Die Höhe des Taschengelds nach dem BFDG kommt gerade nicht durch unmittelbare Rechtsanwendung des Dienstgebers zustande, vielmehr bedarf es einer Vereinbarung nach § 8 Abs. 1 BFDG. Die Einsatzstelle wirkt dabei nur über den gemeinsamen Vorschlag zwischen ihr und der DL nach § 8 Abs. 1, S.1 BFDG mit. Für den jeweiligen Betrag selbst besteht Ermessensspielraum, er kann also verhandelt werden. Es sind lediglich die Ermessensgrenzen nach § 2 Nr. 4 a) – c) BFDG zu beachten. Mit der Vereinbarung des Monatsbetrages von 195,- EUR (als mittelbares Vertragsangebot) übt die Beklagte den vorhandenen Ermessensund Verhandlungsspielraum aus. Dass sie sich dabei der administrativen Unterstützung des Diözesancaritasverbandes bedient, ist unschädlich. Auch wenn die Beklagte mit guten Gründen wiederholt die gleiche Ermessensentscheidung trifft, wird allein daraus keine kollektive Entgeltordnung. Von daher ist es schlicht rechtsirrig, wenn die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, Eingruppierung liege immer da vor, wenn der Dienstgeber eine Geldleistung erbringe. Damit wird der systematische Begriff der Eingruppierung grundlegend verkannt.
Zentral bleibt, dass mit der Abrede des angemessenen Taschengeldes eine das Recht erst gestaltende Entscheidung geschieht, nicht eine (aus anderen Gründen) bereits vorhandene Rechtsposition lediglich angewendet oder vollzogen wird – die DL nach dem BFDG ist nicht eingruppiert. Jede andere rechtliche Bewertung der hiesigen Taschengeldvereinbarung würde nämlich letztlich dazu führen, dass der MAV eine Mitwirkung/Mitbestimmung bei dem Vertragsinhalt zugebilligt würde, die ihr nach den Regeln der betrieblichen Mitbestimmung (§§ 33 ff. MAVO) gerade nicht zukommt (BAG v. 27.10. 2010, NZA 2011,418; EK/Schmitz, § 33 MAVO Rdnr.46).
Da es an einer Eingruppierung fehlt, ist der darauf zielende Feststellungsantrag unbegründet.
In gleicher Weise ist kein Raum für die hilfsweise begehrten Unterrichtungspflichten hinsichtlich der (behaupteten) Eingruppierung. Da keine Eingruppierung vorliegt, bestehen auch dahingehenden Informationspflichten (§ 35 Abs. 1 Nr.1 i. V. m. § 33 Abs. 2, S.1 MAVO) nicht.
Schlussendlich ist der Unterlassungsanspruch hinsichtlich der (behaupteten) Eingruppierung zu monatlich 195,- EUR unbegründet.
Ein solcher „Unterlassungs“-Anspruch bestünde auch dann nicht, wenn die Beklagte eine (echte) Eingruppierung ohne Beachtung des Beteiligungsrechts der MAV vorgenommen hätte. Wie dargestellt handelt es sich bei der dienstgeberseitigen Eingruppierung um Rechtsanwendung und deren Kundgabe. Die Aufhebung/Unterlassung einer Rechtsanwendung ist aber kein klagbarer Anspruch (BAG v. 30.09. 2014, 1 ABR 32/13). Jedoch darf die MAV auch in einem solchen Fall nicht rechtlos stehen. Ihr Mitwirkungsrecht ist deshalb darauf gerichtet, dass ihr ein Anspruch auf „ordnungsgemäße Durchführung des Beteiligungsverfahrens zur Eingruppierung der DL C.“ zuzubilligen wäre. Dieser Anspruch könnte klageweise vor dem KAG durchgesetzt werden (EK/Schmitz, § 35 MAVO Rdnr.109).
Selbst wenn der klägerische Unterlassungsantrag dahingehend auszulegen wäre (§ 139 Abs. 1 ZPO), kann er aber nicht durchgreifen. Wie oben gezeigt, fehlt es an der Eingruppierung der DL C..
Die Klage musste im vollen Umfang erfolglos bleiben.
C.
Auf den entsprechend auszulegenden Antrag der Klägerin waren deren notwendige Auslagen dieses Verfahrens, nämlich diejenigen ihrer anwaltlichen Vertretung vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht, der Beklagten – unabhängig von der Entscheidung in der Sache – aufzuerlegen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 KAGO i. Verbindung mit §§ 17 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, 4.Spiegelstrich MAVO). Das Erfordernis der anwaltlichen Vertretung zur Rechtswahrung folgt zunächst aus der streitgegenständlichen Rechtsmaterie. Die Rechtsverfolgung selbst war nicht von vorneherein so offensichtlich ohne Erfolgsaussicht, dass die materielle Pflicht zur Kostenübernahme hätte verneint werden müssen.
Gerichtgebühren werden vor den kirchlichen Arbeitsgerichten nicht erhoben (§ 12 Abs. 1, S.1 KAGO).
D.
Die Zulassung der Revision kam nicht in Frage, da die (kirchen-) gesetzlichen Voraussetzungen nach § 47 Abs. 2 KAGO nicht vorlagen. Es war der vorgefundene Einzelfall zu entscheiden. Eine Divergenz ist nicht zu erkennen.


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