Arbeitsrecht

Entlassung aus der Bundeswehr

Aktenzeichen  M 21b K 19.3470

Datum:
26.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 42266
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114, § 121
SG § 55 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt  L.
wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger stand als Soldat auf Zeit im Dienstgrad eines Hauptgefreiten (Besol dungsgruppe A 4) im Dienst der Beklagten. Aufgrund einseitiger Verpflichtungserklärungen vom 22. März 2016 und vom 20. Februar 2017 wurde sein Dienstzeitende letztendlich auf den 31. August 2020 festgesetzt. Zuletzt wurde er beim
1. /Gebirgsjägerbataillon … in M. als Informationstechniksoldat Streitkräfte verwendet.
Unter dem 9. September 2016 wurde der Kläger u.a. über die Möglichkeit belehrt, für „Anträge auf (…) [die] Genehmigung von Nebentätigkeit[en] die Anhörung der Vertrauensperson bzw. der Gruppe der Soldaten im Personalrat zu beantragen“.
Aufgrund Ermittlungen der Wehrdisziplinaranwaltschaft wegen Ausübung unerlaubter Nebentätigkeiten teilten die Pl. UG und die P. GmbH unter dem 11. Juli 2018 mit, dass der Kläger für sie als Tippgeber tätig sei, und machten Angaben zum Umfang der Tätigkeit. Der Kläger habe unter anderem der Pl. UG fünf Vertragspartner vermittelt.
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 17. September 2018 befahl der Disziplinarvorgesetzte des Klägers diesem, die Tätigkeit als Tippgeber umgehend zu unterlassen.
Am 18. Oktober 2018 wurde gegen den Kläger eine Disziplinarbuße wegen der Ausübung unerlaubter Nebentätigkeiten in Höhe von 1.200 Euro verhängt. Begründet wurde dies damit, dass er trotz entgegenlautenden Befehls zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in der 38. Kalenderwoche 2018, nach dem 17. September 2018, in einem Gasthof in M. erneut einen Soldaten einem Versicherungsvertreter zugeführt habe.
Mit Bescheid vom … April 2019 wurde der Kläger gemäß § 55 Abs. 5 SG fristlos aus der Bundeswehr entlassen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, er habe als Tippgeber für Versicherungsgesellschaften Provisionen erhalten. Hierdurch habe er schuldhaft gegen die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG, die Gehorsamspflicht nach § 11 SG, die Pflicht, Nebentätigkeiten nach § 20 Abs. 1 SG anzumelden und gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verstoßen. Deswegen sei die militärische Ordnung durch Dienstpflichtverletzungen im Kernbereich der soldatischen Pflichten ernstlich gefährdet, da er nicht nur ungenehmigt Gesamtprovisionen in erheblicher Höhe erhalten, sondern auch gegen einen expliziten Befehl verstoßen habe.
Hiergegen ließ er unter dem 17. Mai 2019 Beschwerde erheben. Zur Begründung ließ er im Wesentlichen vortragen, er sei lediglich als Tippgeber in geringem Umfang tätig gewesen. Seit er erfahren habe, dass diese Tätigkeit als Nebentätigkeit genehmigungspflichtig sei, habe er sie unverzüglich unterlassen. Des Weiteren sei er nicht über die Genehmigungspflichtigkeit von Nebentätigkeiten belehrt worden. Dem Kameraden, den er in das Gasthaus mitgenommen habe, habe er lediglich informieren und helfen wollen. Schließlich stünde die ausbezahlte Vergütung unter einem Vorbehalt der Rückzahlung, wenn ein Kamerad einen Versicherungsvertrag kündige oder widerrufe.
Mit Beschwerdebescheid vom … Juni 2019 wies die Beklagte die Beschwerde zurück. Zur Begründung wurde das bisherige Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und vertieft. Selbst wenn man keine Verletzung des militärischen Kernbereichs annehme, sei Wiederholungsgefahr gegeben. Trotz der verhängten disziplinarischen Buße habe der Kläger die Verträge nicht gekündigt und weiterhin versucht, Kameraden für Versicherungen anzuwerben. Des Weiteren sei auch Nachahmungsgefahr anzunehmen. Denn es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Anbahnung der Vermittlung von Versicherungsleistungen zum persönlichen Vorteil sei auch nur ansatzweise in der Bundeswehr geduldet.
Hiergegen ließ er am 23. Juli 2019 Klage erheben. Er beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom … April 2019 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom … Juni 2019 zu verpflichten, ihn mit allen Rechten und Pflichten in der Bundeswehr bis zum Ablauf der festgesetzten Dienstzeit am 31. August 2020 einzusetzen. Zur Begründung ließ er im Wesentlichen vortragen, es sei richtig, dass er Kameraden auf einen ihm bekannten Versicherungsvertreter verwiesen habe. Er habe diese jedoch nie persönlich beraten oder selbst Versicherungen verkauft oder vermittelt. Er sei sich der Vorschriften- und Gesetzeslage nicht bewusst gewesen, da er auch nie darüber belehrt worden sei.
Unter dem 26. August 2019 erhob er Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Er beantragt,
ihm unter Beiordnung seines Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragte unter dem 12. August 2019, die Klage abzuweisen. Zur Begründung wurde das bisherige Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und vertieft. Ergänzend trug sie vor, die an den Kläger ausbezahlten Beträge seien nicht als gering einzuschätzen, da sie sein Nettomonatsgehalt deutlich überstiegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichend sind die Erfolgsaussichten in der Klage jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG, B.v. 28.01.2013 – 1 BvR 274/12 – juris) oder wenn der von dem Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint (Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 166 Rn. 26). Dabei sollen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes nicht überspannt werden, um zu vermeiden, dass der unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten der grundrechtlich garantierte Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz unverhältnismäßig erschwert wird (vgl. BVerfG a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen hat die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg und daher war der Antrag abzulehnen. Der angefochtene Bescheid vom … April 2019 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom … Juni 2019 ist nach der im Prozesskostenhilfeverfahren durchzuführenden summarischen Prüfung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.
Gemessen hieran ist die Entlassung des Klägers nach dem im Verfahren der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu beachtenden Maßstab voraussichtlich als rechtmäßig anzusehen. Der Kläger hat wiederholt im Dienst gegen Bezahlung für Versicherungsagenturen bzw. deren Angebote geworben und damit seine Dienstpflichten, insbesondere das Verbot der Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten, § 20 Abs. 1 SG, und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten – auch außer Dienst -, § 17 Abs. 2 SG sowie die Pflicht zur Kameradschaft, § 12 SG, schuldhaft verletzt (vgl. auch BayVGH, B.v. 19.6.2019 – 6 CS 19.940 – juris; v. 28.5.2018 – 6 CS 18.775 – juris).
Der Kläger hat auch schuldhaft im Sinne des § 23 Abs. 1 SG gehandelt. Selbst wenn er wirklich geglaubt haben sollte, dass seine Vermittlungen keiner vorherigen Nebentätigkeitsgenehmigung bedürften, könnte er sich insoweit nicht auf einen Verbotsirrtum berufen, weil dieser vermeidbar gewesen wäre. Denn auch nach seiner Vor- und Ausbildung ist davon auszugehen, dass Umfang und Inhalt der Dienstpflicht nach § 20 Abs. 1 SG im weitesten Sinne von ihm erfasst werden können. Davon ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Regelfall schon aufgrund der Ausbildung des Soldaten auszugehen. Im Zweifel wird von diesem erwartet, dass er sich bei seiner Dienststelle rechtzeitig über Umfang und Inhalt seiner Dienstpflichten erkundigt (vgl. BVerwG, U.v. 13.9.2011 – 2 WD 15/10 – juris Rn. 35 f. m.w.N.).
Dem Kläger ist zwar nach alldem keine Dienstpflichtverletzung im militärischen Kernbereich anzulasten (BayVGH, B.v. 28.5.2018 – 6 CS 18.775 – juris Rn. 15). Bei einer einzelfallbezogenen Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzungen besteht aber jedenfalls Nachahmungsgefahr, weil es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die um sich zu greifen droht, und die eine ernstliche Gefahr für die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr darstellt (BayVGH, B.v. 28.5.2018 – 6 CS 18.775 – juris Rn. 15).
Die von der Beklagten getroffene Maßnahme ist auch nicht ermessensfehlerhaft. Alleiniger Zweck der fristlosen Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 SG ist es, eine – sich im Grunde bereits aus der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift ergebende – drohende Gefahr für die Bundeswehr abzuwenden. Die Frage der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zu dem bestimmten Zweck ist in Gestalt einer Vorabbewertung durch den Gesetzgeber jedenfalls im Wesentlichen bereits durch die Vorschrift selbst – und zwar auf der Tatbestandsebene – konkretisiert worden. Für zusätzliche Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist somit auch nach der Gesetzeskonzeption im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG (grundsätzlich) kein Raum (vgl. OVG NRW, B.v. 20.1.2005 – 1 B 2009/04 – juris Rn. 34. m.w.N.). Ein atypischer Sachverhalt, der eine andere Betrachtungsweise rechtfertigt, liegt nicht vor.
Folglich war der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten abzulehnen.
Die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ergeht gebührenfrei. Kosten der Beklagten werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).


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