Arbeitsrecht

Entlassung  eines Beamten auf Widerruf wegen charakterlicher Nichteignung

Aktenzeichen  M 5 K 18.3333

Datum:
24.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25545
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 23 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4, § 34 S. 3
VwGO § 114 S. 1

 

Leitsatz

Es begründet erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung, wenn ein Beamter auf Widerruf ohne besondere Notlage sein „Polizist-Sein“ im privaten Bereich einsetzt, um sich einer Machtstellung zu berühmen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Entlassungsbescheid des Präsidiums der Bayerischen Bereitschaftspolizei vom … Februar 2017 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom … Mai 2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
1. Die streitgegenständliche Entlassung beruht auf § 23 Abs. 4 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (BeamtStG). Demnach können Beamtinnen und Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden, wobei ihnen Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden soll. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt die Entlassung eines Beamten auf Widerruf nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG einen sachlichen Grund voraus (BVerwG, B.v. 7.9.1980 – 2 B 8/90 – juris, Rn. 5 m.w.N.; Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Mai 2019, § 23 BeamtStG, Rn. 194). Einen solchen sachlichen Grund kann das Fehlen der persönlichen, insbesondere charakterlichen Eignung des Beamten darstellen. Derartige Eignungsmängel müssen nicht positiv festgestellt werden; es genügen vielmehr bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche Eignung für sein Amt besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48/78 – BVerwGE 62, 267 ff., juris Rn. 20). Soweit nach § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG dem Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit zu dessen Beendigung und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden soll, bedeutet das lediglich eine Einschränkung des dem Dienstherrn eingeräumten weiten Ermessens dahin, dass die Entlassung nur aus Gründen statthaft ist, die mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Beamtenverhältnis auf Widerruf in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 9.6.1981, a.a.O., Rn. 21; BayVGH, B.v. 3.3.1994 – 3 CS 93.3817 – juris Rn. 21; B.v. 7.1.2005 – 3 CE 07.2688 – juris Rn. 30).
Der Dienstherr verfügt insoweit über einen Beurteilungsspielraum, als die Einschätzung der persönlichen und charakterlichen Eignung ein personenbezogenes Werturteil voraussetzt (VG München, U.v. 6.7.2004 – M 5 K 03.3884 – Rn. 19). Das Gericht kann die Entscheidung des Dienstherrn daher nur daraufhin überprüfen, ob sie an Beurteilungsfehlern leidet, insbesondere, ob der Dienstherr den anzuwendenden gesetzlichen Rahmen sowie die anzuwendenden Begriffe richtig erkannt, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe beachtet, den Sachverhalt richtig erfasst und keine sachfremden Erwägungen angestellt hat (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 11.12.2017 – M 5 K 16.2713 – juris Rn. 16).
2. Die Annahme von Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Klägers durch den Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ermessensfehler hinsichtlich der Entscheidung, den Kläger aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen, sind nicht erkennbar. Es ist insbesondere nichts gegen die Einschätzung des Beklagten einzuwenden, das Verhalten des Klägers werde nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht, das der Polizeiberuf erfordere. Denn der Kläger hat in erheblicher Weise schuldhaft gegen die in § 34 Satz 3 BeamtStG normierte Dienstpflicht verstoßen.
a) Das Fehlverhalten manifestierte sich in erster Linie anlässlich des Ereignisses vom … Mai 2016, als er den Zeugen Z. aufforderte, sich hinzuknien und die Taschen zu leeren. Dabei gab er an, dass er „bei der Polizei“ oder „Polizist“ sei. Auf den genauen Wortlaut kommt es nicht an. Maßgeblich ist, dass der Kläger sich in einer Situation in der Freizeit auf seine Dienststellung bezogen hat, obwohl keine akute Notlage gegeben war, die einen entsprechenden Hinweis erfordert hätte. Es kommt maßgeblich auch nicht darauf an, dass der Beamte auf Widerruf insbesondere gegenüber dem Zeugen Z. zur Bekräftigung seiner Weisung angegeben hat, er habe eine Waffe dabei. Entscheidend ist für die Wertung des Dienstherrn, dass beim Kläger erhebliche Zweifel an dessen charakterlicher Eignung bestehen, dass er ohne besondere Notlage sein „Polizist-Sein“ im privaten Bereich eingesetzt hat, um sich einer Machtstellung zu berühmen. Das ist eine Vorstufe zu einem Missbrauch der besonderen Befugnisse, die Polizeibeamten zukommen. Das rechtfertigt die Schlussfolgerung des Dienstherrn auf die charakterliche Nichteignung eines Polizeibeamten.
Dass der Vorfall zu einer strafrechtlichen Verurteilung des Beamten geführt hat, mag die Schwere des Vorwurfs unterstreichen, ist aber für die Bewertung des Dienstherrn, dass durchgreifende Zweifel an der charakterlichen Eignung des Polizeimeisteranwärters vorliegen, keine zwingende Voraussetzung. Insbesondere besteht im Entlassungsverfahren aufgrund fehlender Eignung keine Bindungswirkung an das Ergebnis eines strafgerichtlichen Verfahrens, da eine entsprechende ausdrückliche gesetzliche Anordnung für eine solche zwingende Bindung fehlt (BVerwG, U.v. 24.1.2017 – 2 B 75/16 – NJW 2017, 2295, juris Rn. 8; SächsOVG, B.v. 15.5.2017 – 2 B 124/17 – LKV 2017, 378, juris Rn. 11). Da der Kläger im Entlassungsverfahren den Tathergang am … Mai 2016 bestritten hat, war eine Beweisaufnahme durch Einvernahme der Zeugen Z. und H. durch das Verwaltungsgericht erforderlich, auch wenn im strafgerichtlichen Verfahren bereits eine Beweisaufnahme erfolgt war.
Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass sich der Vorfall am … Mai 2016 gegen 2:50 Uhr in W. im Wesentlichen so zugetragen hat, wie ihn die Zeugen Z. und H. geschildert haben. Beide Zeugen haben übereinstimmend geschildert, dass der Zeuge Z. vom Kläger aufgefordert wurde, sich hinzuknien und seine Taschen zu leeren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Sachverhalt im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlungen vom 3. April 2019 und 24. September 2019 über drei Jahre zurücklag. Von den Zeugen angegebene Erinnerungslücken sind daher normal und sprechen nicht für deren Unglaubwürdigkeit. Der im hier streitgegenständlichen Entlassungsverfahren maßgebliche Umstand, dass sich der Widerrufsbeamte im privaten Bereich ohne Notlage seiner Stellung als Polizeibeamter berühmt hat, wurde von beiden Zeugen übereinstimmend geschildert. Insbesondere der Zeuge Z. hat den Sachverhalt klar und nachvollziehbar geschildert. Dabei war kein Belastungseifer zu erkennen. Insbesondere kannten sich der Zeuge Z. und der Kläger vor dem Vorfall nicht. Auch der Umstand, dass der Zeuge Z. bei der Polizei im Rahmen seiner ersten Vernehmung am … Mai 2016 angegeben hat, er habe sich entgegen der Aufforderung des Klägers nicht hingekniet, hat er am … Mai 2016 telefonisch klargestellt, dass er sich kurzzeitig hingekniet hat (Bl. 27 der Strafakte). Ein Hinknien hat der Zeuge auch im Rahmen seiner Einvernahme vor der Kammer am 3. April 2019 ausdrücklich angegeben. Auch das spricht für die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 3. April 2019 geschildert hat, dass die beiden Zeugen Z. und H. ihn in eine Ecke gedrängt und nicht vorbeigelassen hätten, und er seine Berufstätigkeit als Polizist zur Deeskalation angegeben habe, ist das als unglaubhaft zu bewerten. Zum einen hat der Kläger unmittelbar nach der Tat gegenüber Polizeiobermeister A. (Bl. 42/43 der Strafakten) angegeben, die beiden Zeugen hätten von ihm Geld gefordert. Das hat er in seiner Aussage am 3. April 2019 (und auch in seinen Einlassungen im Strafverfahren) nicht wiederholt. Ausschlaggebend für die Unglaubhaftigkeit der Einlassung des Klägers ist aber der Umstand, dass nach der Zeugenerklärung des Polizeiobermeisters B. vom … Mai 2016 (Bl. 36 der Strafakte) beim Eintreffen der Polizei Wertgegenstände am Boden lagen, insbesondere eine Geldbörse. Das lässt sich mit der Schilderung des Klägers nicht in Einklang bringen. Vielmehr bestätigt es die Aussagen der Zeugen, insbesondere des Zeugen Z., er habe seine Taschen auf Anweisung des Klägers geleert. Der vom Kläger erstmals in der Verhandlung am 3. April 2019 geschilderte Umstand, dass er den Zeugen Z. mit Herrn S. verwechselt haben will, mit dem er zuvor an diesem Abend einen Streit gehabt habe, bedingt nichts anderes. Denn der beamtenrechtlichen Pflichtenverstoß bleibt dadurch unberührt.
Abgerundet und bestätigt wird die Neigung des Polizeibeamten, im privaten Bereich seinen Beruf hervorzukehren, um sich eine „Machtposition“ gegenüber anderen zu verschaffen, durch das Vorkommnis am … Mai 2016. Dabei hat der Kläger bei einem Disput mit Herrn Hel. angegeben, das „es ihm jetzt reiche“ und er seine Kollegen anrufen werde – was er allerdings trotz eines fingierten Anrufs tatsächlich nicht gemacht hat. Das wurde auch durch Herrn Has. bestätigt. Das Gericht hat keinerlei Anlass, an den von der Polizei aufgenommenen, detaillierten Aussagen der beiden als Zeugen vernommenen Personen zu zweifeln. Dieses Geschehen wurde vom Kläger auch nicht bestritten.
b) Auf der Grundlage dieser Vorfälle durfte der Dienstherr Zweifel an der charakterlichen Geeignetheit des Beamten hegen und diesen aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen. Der Dienstherr hat im Entlassungsbescheid vom … Februar 2017 für seine Bewertung nicht nur auf den Vorfall vom … Mai 2016 abgestellt, sondern durch entsprechende Formulierungen unterstrichen, dass er auch weitere Vorkommnisse – eben auch das am … Mai 2016 – zugrunde legt. Der im streitgegenständlichen Bescheid unter Nr. II. 3 angeführte Vorfall am … August 2015 kann für die Einschätzung der fehlenden charakterlichen Eignung nicht herangezogen werden, da er sich vor der Berufung des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Widerruf am … September 2015 zugetragen hat und auch nicht die Neigung zur Geltendmachung des Polizeiberufs im Privaten zum Gegenstand hat. Darauf kommt es jedoch nicht an, da die angeführten Vorfälle vom *. und … Mai 2016 die Wertung der charakterlichen Nichteignung tragen.
Dabei steht der Wertung des Dienstherrn nicht entgegen, dass der Beamte am … Mai 2016 nach Schilderung von Herrn Hel. und Herrn Has. angetrunken und am … Mai 2016 ganz erheblich betrunken war (AAK 1,08 mg/l, Bl. 7 der Strafakte), gelallt und einen unsicheren Gang gezeigt hat. Denn der Kläger war noch in der Lage, sich bewusst und gezielt zu artikulieren. Insbesondere konnte er ein Telefonat mit dem Notruf der Polizei führen und schildern, dass Personen Autos „abklappern“ und andere Personen bedrohen würden. Dem Beamten war daher bewusst, was er tat.
Die Bewertung des Dienstherrn, dass sich der Kläger nicht für den Polizeiberuf eignet und daher den für eine ordnungsgemäße Dienstleistung erforderlichen charakterlichen Anforderungen nicht genügt, ist aufgrund der Vorkommnisse vom *. und … Mai 2016 rechtlich nicht zu beanstanden. Diese beiden Vorfälle belegen die Neigung des Klägers, seine berufliche Stellung ohne Notlage in den Vordergrund zu stellen, um sich einer Machtposition zu berühmen. Mit Blick auf die besonderen Eingriffsbefugnisse, die Polizeibeamten zukommen, darf der Dienstherr das dem Kläger zur Last gelegte Verhalten als Beleg dafür heranziehen, dass er der Achtung und dem Vertrauen nicht gerecht wird, das der Polizeiberuf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Die Neigung zu einem nicht erforderlichen Berufen auf die Stellung als Polizeibeamter im Privatbereich stellt vielmehr eine Vorstufe zu einem Missbrauch der Befugnisse dar. Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Polizeipräsidium bei einer entsprechenden Neigung einen strengen Maßstab anlegt und hieraus durchgreifende Zweifel an der charakterlichen Eignung ableitet. Das hält sich innerhalb des dem Dienstherrn zukommenden Beurteilungsspielraums.
c) Die Entlassung des Klägers ist verhältnismäßig und zulässig. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass er sich im Vorbereitungsdienst befand und nach der gesetzlichen Regelung des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG Gelegenheit zu dessen Beendigung gegeben werden soll. Denn die Entlassung des Widerrufsbeamten beruht auf Gründen, die mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang – der Bewährung für die erstrebte Laufbahn – stehen. Das dem Kläger zur Last gelegte Fehlverhalten ist so schwerwiegend, dass ein Abschluss der Ausbildung als Polizeibeamter nicht zumutbar ist. Gegen die im Entlassungsbescheid vom … Februar 2017 ausgeführten Gründe für eine solche Ermessensentscheidung, die durch das Gericht nur eingeschränkt zu überprüfen sind (§ 114 Satz 1 VwGO), ist rechtlich nichts zu erinnern.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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