Arbeitsrecht

Erfolglose Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss bzgl. Kopierkosten

Aktenzeichen  5 M 19.2487

Datum:
18.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2020, 535
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151, § 162, § 165
RVG VV 7000 Nr. 1 lit. a

 

Leitsatz

1. Auslagen eines Rechtsanwaltes für Kopien und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten sind erstattungsfähig, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Bei der Beurteilung der Gebotenheit für eine sachgerechte Prozessführung ist eine ex-ante-Sicht maßgebend, wobei dem Rechtsanwalt ein gewisser Beurteilungsspielraum zukommt und eine kleinliche Handhabung nicht angezeigt ist.  (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Einzelfall kann auch die Kopie der kompletten Akte erforderlich sein. Eine gängige Praxis der pauschalen Kürzung der Kopierkosten um die Hälfte ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifttum nicht anerkannt. (Rn. 7 – 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsgegner wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, mit dem der Urkundsbeamte des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Kopierkosten des Rechtsanwalts des Antragstellers in Höhe von 77,35 Euro als erstattungsfähig anerkannt hat.
Im zugrundeliegenden Normenkontrollverfahren hatten die Beteiligten nach Ankündigung der Aufhebung der streitgegenständlichen Satzung den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 23. Oktober 2019 stellte der Senat das Verfahren ein; die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsgegner auferlegt. Auf entsprechenden Antrag setzte der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 5. Dezember 2019 die vom Antragsgegner an den Antragsteller zu erstattenden notwendigen Aufwendungen auf 1.125,44 Euro fest; in diesem Betrag war u.a. eine Dokumentenpauschale für Kopien aus Behördenakten (Ablichtungen von 399 Seiten) in Höhe von 77,35 Euro enthalten.
Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Antragsgegners, der auf eine „gängige Praxis der pauschalen Kürzung der Kopierkosten um die Hälfte“ verweist. Der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichtshofs half der Erinnerung nicht ab und legte sie dem Senat zur Entscheidung vor.
II.
1. Über das Rechtsmittel entscheidet der Senat in voller Spruchkörperbesetzung gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil die Kostengrundentscheidung ebenfalls vom Senat getroffen wurde (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 165 Rn. 7).
2. Der nach § 165 i.V.m. § 151 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. Dezember 2019 bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Urkundsbeamte des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat die Kopierkosten des Antragstellerbevollmächtigten zu Recht in voller Höhe als erstattungsfähig anerkannt.
Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig, soweit sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinn des § 162 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind. Die Notwendigkeit einer Aufwendung ist aus der Sicht einer verständigen Partei zu beurteilen; hierbei gilt für die Beteiligten eine allgemeine Kostenminimierungspflicht (stRspr; vgl. nur BVerwG, B.v. 4.7.2017 – 9 KSt 4.17 – NJW 2017, 3542 Rn. 2 m.w.N.). Die Auslagen eines Rechtsanwalts sind erstattungsfähig, soweit sie für die Bearbeitung eines konkreten Mandats anfallen und daher nicht als allgemeine Geschäftskosten mit den Gebühren abgegolten sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Vorbem. 7 Abs. 1 des Vergütungsverzeichnisses – VV). Ein gesonderter Ansatz ist nach VV 7000 Nr. 1 Buchst. a zulässig für Kopien und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Bei der Beurteilung der Gebotenheit für eine sachgerechte Prozessführung ist eine ex ante-Sicht maßgebend, wobei dem Rechtsanwalt ein gewisser Beurteilungsspielraum zukommt und eine kleinliche Handhabung nicht angezeigt ist (vgl. Kunze in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.10.2019, § 162 Rn. 75.1 m.w.N.).
Hieran gemessen sind die geltend gemachten Kopierkosten für alle 399 Seiten als erstattungsfähig anzuerkennen. Bei dem Ausgangsrechtsstreit handelte es sich um ein komplexes Normenkontrollverfahren aus dem Gebiet des Wasserverbandsrechts, zu dessen Beurteilung – wie dem Gericht aus dem damaligen Verfahren bekannt ist – umfangreiche Behördenakten des Antragsgegners, die in die Zeit bis 1949 zurückreichten, zu sichten und auszuwerten waren. Angesichts des Umfangs des – aus einer Akte und drei Aktengeheften bestehenden – Verwaltungsvorgangs sowie der knappen Frist zur Einsichtnahme durfte der Rechtsanwalt des Antragstellers die Herstellung der Kopien im genannten Umfang für erforderlich halten. Zwar sind Kopierkosten nicht erstattungsfähig, wenn die betreffenden Aktenteile schon auf den ersten Blick irrelevant für die weitere Sachbearbeitung sind; einer detaillierten Lektüre jeder einzelnen Seite vor der Fertigung einer Kopie bedarf es jedoch nicht. Im Einzelfall kann daher auch die Kopie der kompletten Akte erforderlich sein (Kunze in Posser/Wolff a.a.O.), so etwa im vorliegenden Normenkontrollverfahren, bei dem grundsätzlich jeder formelle oder materielle Fehler auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hätte durchschlagen können.
Anhaltspunkte dafür, dass die Einschätzung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zur Notwendigkeit der gefertigten Kopien fehlerhaft gewesen wäre, sind nicht ersichtlich und wurden auch vom Antragsgegner nicht dargelegt. Dieser hat die vom Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichtshofs gewährte Gelegenheit, zum Kostenfestsetzungsantrag Stellung zu nehmen, im Übrigen nicht genutzt. Die vom Antragsgegner unter Hinweis auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg (B.v. 4.5.2012 – W 6 M 12.30074 – juris) angeführte „gängige Praxis der pauschalen Kürzung der Kopierkosten um die Hälfte“ ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifttum nicht anerkannt.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Erinnerungsverfahrens folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei (vgl. BVerwG, B.v. 4.7.2017 – 9 KSt 4.17 – NJW 2017, 3542 Rn. 7). Eine Streitwertfestsetzung war somit entbehrlich.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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