Arbeitsrecht

Erfolgsaussicht, Prozesskostenhilfe, Bewilligung, Verwaltungsrechtsweg, Prozesskostenhilfeantrag, Auslegung, Sozialleistungen, Betreuungssache, Rechtsverfolgung, Verfahren, Mitwirkung, Prozesskostenhilfeverfahren, Feststellung, Klage, Treu und Glauben, hinreichende Aussicht auf Erfolg, Bewilligung von Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  RO 5 K 21.1869

Datum:
9.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49496
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für seine Klage, mit der er die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihm „andere Hilfen“ im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 des Betreuungsbehördengesetzes (BtBG) zu vermitteln.
Mit Computerfax vom 25.7.2021, das eine eingescannte Unterschrift enthält, erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg. Das Verfahren wurde zunächst bei der 4. Kammer geführt (RO 4 E 21.1733), da es zunächst ausschließlich auf die Gewährung von Sozialleistungen gerichtet schien. Aufgrund eines Schreibens vom 1.9.2021 wurde festgestellt, dass der Kläger (auch) die Verpflichtung der zuständigen Betreuungsbehörde begehrt, ihm „andere Hilfen“ im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 BtBG zu gewähren. Deshalb wurde bei der 5. Kammer ein weiteres Verfahren angelegt.
Obwohl die vom Kläger eingereichten Schriftsätze in weiten Bereichen nur schwer verständlich sind und aus ihnen insbesondere nicht klar hervorgeht, welches Klageziel der Kläger eigentlich verfolgt, kristallisierte sich im Verlauf des weiteren Verfahrens heraus, dass es dem Kläger um die Gewährung von Hilfen durch die zuständige Betreuungsbehörde geht. Eine nähere Präzisierung der von ihm benötigten Hilfen gab er nicht an. Zum Teil lässt sich seinen Schreiben entnehmen, dass er wohl auch Hilfen zur Bewältigung des bei ihm anfallenden Schriftverkehrs wünscht.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine Beratung als eine der Betreuung vorgehende Hilfe gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 BtBG zuteilwerden zu lassen, Zugleich beantragt er, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO sei nicht eröffnet. Bei den vom Kläger begehrten Hilfen handele es sich um solche nach dem BtBG, weshalb gemäß § 23a Abs. 2 Nr. 1 GVG eine Betreuungssache vorliege, die in die Zuständigkeit der Amtsgerichte falle.
Auch wenn dies nicht so gesehen werde, fehle der Klage vor dem Verwaltungsgericht jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis. Der Beklagte sei ohne Anerkennung einer Rechtspflicht für die Zukunft generell bereit, dem Kläger weiterhin Beratungen anzubieten, sodass aufgrund dieses Angebots das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Kläger habe in der Vergangenheit bereits mehrfach Beratungen durch den Beklagten erhalten. Auch Beratungsversuche seien bereits erfolgt. Der letzte Hausbesuch der Betreuungsstelle des Beklagten habe am 19.6.2018 stattgefunden, wobei der Kläger anlässlich dieses Besuchs umfassend über eine mögliche Betreuung und andere Hilfestellungen beraten worden sei. Dabei habe der Kläger eine rechtliche Betreuung abgelehnt. Weitere Hilfsangebote, wie etwa betreutes Einzelwohnen oder Schuldnerberatungen, hätte der Kläger selbst in die Wege leiten müssen, was jedoch nie geschehen sei.
Bereits mit Schreiben vom 19.2.2020 sei der Kläger seitens des Beklagten darauf hingewiesen worden, dass bei bereits geleisteten Hilfestellungen auch ein Maß an Mitwirkung erforderlich und notwendig sei. Darüber hinaus sei mehrfach auf das Beratungsangebot des Beklagten hingewiesen worden. Gespräche oder persönliche Kontakte seien vom Kläger selbst abgelehnt worden. Außerdem habe der Kläger ein Hausverbot gegen sämtliche am Betreuungsverfahren beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgesprochen, welches bis jetzt noch gelte. Aus den Grundsätzen von Treu und Glauben und des vorangegangenen widersprüchlichen Verhaltens des Klägers sei ein weiterer Beratungsanspruch nicht erkennbar. Im Übrigen werde nochmals darauf hingewiesen, dass der Beklagte für die Zukunft bereit sei, dem Kläger Beratungen anzubieten. Eine derartige Beratung setze aber auch eine Mitwirkung des Klägers voraus, die bisher nicht gegeben sei.
Der Kläger erwiderte hierauf mit Schreiben vom 26.10.2021, dass er an seinem Begehren auf die Vermittlung von Hilfe sowie „Wiederherstellung für die Vergangenheit“ festhalte. Soweit der Beklagte der Ansicht sei, dass er seiner Verpflichtung bereits nachgekommen sei, möge er die vermittelten Hilfen benennen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Behördenakten der Beklagten wurden nicht beigezogen. Die Beklagte hat dazu mit Schreiben vom 2.11.2021 mitgeteilt, dass die im Fall des Klägers angefallenen Behördenakten bislang bereits so umfangreich seien, dass eine vollständige Übermittlung der Behördenakten an das Verwaltungsgericht nicht für sinnvoll erachtet werde. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass mit Schreiben des Beklagten vom 19.2.2020 der letzte Kontakt mit dem Kläger bestanden habe. In der Vergangenheit seien dem Kläger bereits mehrfach Beratungsangebote unterbreitet worden. Der Kläger habe allerdings niemals die erforderliche Mitwirkung bei den angebotenen Beratungen geleistet. Außerdem werde dem Kläger für die Zukunft nochmals ein Beratungsangebot unterbreitet, weshalb der Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehle.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen. Die vom Kläger erhobene Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Nach den §§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die nach § 114 Satz 1 ZPO vorzunehmende Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung steht im engen Zusammenhang mit der Feststellung und Würdigung des Sachverhaltes und der Auslegung und Anwendung des jeweils einschlägigen materiellen und prozessualen Rechts. Die auf die hinreichende Erfolgsaussicht gerichtete rechtliche Prüfung ist eine nur summarische; denn die Prüfung der Erfolgsaussicht dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern. Bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmales der hinreichenden Erfolgsaussicht darf kein Auslegungsmaßstab verwendet werden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Dies wäre namentlich dann der Fall, wenn die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung überspannt würden, weil dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe deutlich verfehlt werden würde (BVerfG, B.v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 – juris = NJW 1991, 413; BayVGH, B.v. 8.1.2003 – 23 CS 02.2995 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 166, Rn. 8). Gemessen an diesen Anforderungen muss ein Prozesskostenhilfeantrag bereits dann Erfolg haben, wenn die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage bei einer summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage offen sind (BVerwG, B.v. 8.3.1999 – 6 B 121.98 – juris = NVwZ-RR 1999, 587).
Die vom Kläger geplante Rechtsverfolgung ist voraussichtlich bereits unzulässig.
1. Die mit Computerfax eingereichte Klage vom 25.7.2021 enthält eine eingescannte Unterschrift und ist damit ordnungsgemäß. Es liegt schriftliche Klageerhebung im Sinne des § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor. Insbesondere handelt es sich beim Computerfax nicht um ein elektronisches Dokument im Sinne des § 55a VwGO. (so statt vieler: Ulrich in: Schoch/Schneider, 40. EL Februar 2021, VwGO § 55a, Rn. 33; Hoppe in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 55a, Rn. 5; vgl. auch BVerwG, U.v. 25.1.2021 – 9 C 8.19 – juris, Rn. 34, 55).
2. Ferner ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben. Bei der Streitigkeit handelt es sich unzweifelhaft um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art. Ferner liegt auch keine abdrängende Zuweisung zum Amtsgericht als Betreuungsgericht vor. Als Betreuungsgerichte sind die Amtsgerichte gemäß § 23 a Abs. 2 Nr. 1 GVG für Betreuungssachen, Unterbringungssachen sowie betreuungsrechtliche Zuweisungssachen zuständig. Im vorliegenden Fall könnte es sich allenfalls um eine Betreuungssache handeln. Insoweit findet sich eine Legaldefinition in § 271 FamFG. Betreuungssachen sind danach Verfahren zur Bestellung eines Betreuers und zur Aufhebung der Betreuung (Nr. 1), Verfahren zur Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts (Nr. 2) sowie sonstige Verfahren, die die rechtliche Betreuung eines Volljährigen (§§ 1896 bis 1908i des Bürgerlichen Gesetzbuchs) betreffen, soweit es sich nicht um eine Unterbringungssache handelt (Nr. 3). Hier kommt von vorneherein nur ein Fall der Nr. 3 infrage. Gegenstand des Verfahrens muss insoweit jedoch die rechtliche Betreuung einer volljährigen Person sein. Die Anordnung einer Betreuung strebt der Kläger aber gerade nicht an. Vielmehr geht es ihm ausschließlich um Hilfen im Vorfeld einer rechtlichen Betreuung, worauf er mehrfach hingewiesen hat. Nach alledem ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
3. Der Beklagte hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht.
Nur derjenige hat einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung, der mit seinem Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, Vorb. § 40, Rn. 30 ff.). Ein derartiges Interesse besteht jedenfalls dann nicht, wenn der Kläger noch keinen konkreten Anspruch bei der Behörde angemeldet hat und die Beklagtenseite grundsätzlich bereit ist, den geltend gemachten Anspruch zu erfüllen.
Persönlichen Kontakt mit dem Landratsamt Regensburg hatte der Kläger zuletzt im Jahr 2018 (Hausbesuch der Betreuungsstelle vom 19.6.2018). Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger danach einen konkreten Beratungsbedarf gegenüber dem Beklagten angemeldet hat, der noch nicht erfüllt worden ist. Der Kläger scheint offenbar davon auszugehen, dass das Landratsamt ihm im Rahmen des § 4 Abs. 2 Satz 2 BtBG ganz konkrete Hilfen zuteilwerden lassen muss, die über eine Beratung oder Hilfevermittlung hinausgehen, ohne andererseits aber konkrete Hilfen zu benennen, derer er bedarf. Nach der genannten Vorschrift sind die örtlichen Betreuungsbehörden vielmehr lediglich verpflichtet, Bürger zu beraten und bei der Suche nach Hilfen zu unterstützen, wenn Anhaltspunkte für eine eventuelle Betreuungsbedürftigkeit vorliegen. Durch den Wortlaut „Beratungsangebot“ ist klargestellt, dass das Einverständnis des Betroffenen Voraussetzung für diese Hilfestellung der Behörde ist (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 2 BtBG, BT-Drucks. 17/13419, S. 10). Dementsprechend ist eine gewisse Mitwirkung des Betroffenen erforderlich. Die Betreuungsbehörde unternimmt damit eine Filterfunktion. Durch Beratung und Unterstützung im Vorfeld sollen solche Fälle herausgefiltert werden, bei denen eine rechtliche Betreuung nicht erforderlich ist. Die Betreuungsbehörde hat damit ausdrücklich die Aufgabe, andere Hilfen zu vermitteln und dazu mit den Sozialleistungsträgern zusammenzuarbeiten. Auch hierbei handelt es sich um eine Form der Beratung (vgl. dazu Jürgens, Betreuungsrecht, 6. Aufl. 2019, § 4 BtBG, Rn. 5 ff.).
Die von der Betreuungsbehörde aufzuzeigenden und gegebenenfalls zu vermittelnden Hilfen setzen jedoch immer voraus, dass der Hilfesuchende auch mitwirkt, wozu der Kläger offenbar nicht bereit ist. Ein persönlicher Kontakt hat seit dem 19.6.2018 nicht mehr stattgefunden. Im gerichtlichen Verfahren hat der Beklagte mehrmals seine Bereitschaft erklärt, dem Kläger im Rahmen der Möglichkeiten der Betreuungsbehörde ein Beratungsangebot zu machen. Der Kläger hat allerdings hiervon keinen Gebrauch gemacht. Er hat vielmehr im Gegenteil den Mitarbeitern der Beklagten in der Vergangenheit Hausverbot erteilt, sodass eine entsprechende Beratung schon aufgrund des kontraproduktiven Verhaltens des Klägers nicht möglich war.
Im Ergebnis handelt der Kläger damit rechtsmissbräuchlich, wenn er einerseits vom Beklagten eine Beratung verlangt, ohne andererseits aber selbst dem Beklagten aufzuzeigen – zum Beispiel im Rahmen eines persönlichen Gesprächs -, welche Hilfen für ihn in Betracht kommen und in welcher Art und Weise der Beklagte den Kläger zur Erlangung dieser Hilfen unterstützen kann.
Nach der im Prozesskostenhilfeverfahren erforderlichen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage somit aller Voraussicht nach erfolglos bleiben.
Der Prozesskostenhilfeantrag war daher abzulehnen, ohne dass es noch darauf ankäme, ob der Kläger aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage wäre, die Kosten der Prozessführung selbst zu tragen.


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