Arbeitsrecht

Erforderlichkeit der Kosten für ein Sachverständigengutachten

Aktenzeichen  B 5 M 17.193

Datum:
26.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 142280
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
JVEG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die geltend gemachte und tatsächlich aufgewandte Zeit für die Bearbeitung eines Sachverständigenauftrags ist nur insoweit zu vergüten, als sie erforderlich war. Dies ist grundsätzlich die Zeit, die ein mit der Materie vertrauter Sachverständiger zur Beantwortung der Beweisfrage in der Regel benötigt, wobei der Umfang des dem Sachverständigen unterbreiteten Streitstoffs, die Schwierigkeit der zu beantwortenden Frage, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache angemessen zu berücksichtigen sind (ebenso OVG Bln-Bbg BeckRS 2016, 45809). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Frage, ob eine schwere Kieferanomalie vorliegt, erfordert ein Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad, wenn nach der Darstellung des Sachverständigen für die Beantwortung dieser Frage eine Differenzialdiagnostik gemacht werden muss. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Erinnerung gegen den Kostenansatz in der Gerichtskostenrechnung vom 12. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
2. Der Erinnerungsführer trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
Mit der Erinnerung wendet sich der Erinnerungsführer als Kostenschuldner gegen den in der Kostenrechnung des Gerichts erfolgten Kostenansatz für Sachverständigenentschädigung.
Mit Beschluss vom 28. April 2016 ordnete das Gericht im Verfahren B 5 K 15.218 ein kieferorthopädisches Sachverständigengutachten an. Dieser Beschluss war folgendermaßen formuliert:
„Es ist durch Einholung eines kieferorthopädischen Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben zu der Frage, ob beim Kläger
1.eine schwere Kieferanomalie vorliegt,
2.die entweder eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert oder
3.eine alleinige kieferorthopädische Behandlung nach dem Heil- und Kostenplan des Dr. …, Kieferorthopäde in … (Anlage 1) ausreichend ist.
Auf Frage 2 soll nur eingegangen werden, wenn diese Kombination im Therapiekonzept (Heil- und Kostenplan des Dr. …, Kieferorthopäde in … -Anlage 1) vorgesehen ist.
Es soll auch auf die Frage eingegangen werden, ob die vom behandelnden Arzt vorgeschlagenen kieferorthopädischen Behandlungsgeräte trotz der umfangreichen und multiplen Zahnfehlstellungsanomalien und den zur Korrektur erforderlichen schwierigen Zahnbewegungen erfolgreich eingesetzt werden können.“
Mit Schreiben vom 13. Juli 2016 bezifferte der Sachverständige im Verfahren B 5 K 15.218 die Kosten für sein am selben Tag erstelltes Gutachten auf 2.403,92 EUR. Die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Bayreuth setzte daraufhin mit Kostenansatz vom 12. Oktober 2016 eine Sachverständigenentschädigung in der beantragten Höhe fest. Hiergegen ließ der Kläger im Verfahren B 5 K 15.218 (Erinnerungsführer) durch seine Prozessbevollmächtigten Erinnerung erheben. Der Ansatz von 20 Stunden für die Erstellung des Gutachtens könne zwar als gerade noch gerechtfertigt gesehen werden, es fehle jedoch der Anhaltspunkt dafür, weshalb ein Stundensatz von 100 EUR angesetzt worden sei, da für das Gutachten allenfalls die Honorargruppe M 2 gerechtfertigt gewesen wäre. Es sei nicht dargelegt worden, warum es sich um ein Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad handele. Der Beschluss des Gerichts gehe eindeutig dahin, dass zunächst geprüft werden müsse, ob eine schwere Kieferanomalie vorliege. Nur dann hätten die Fragen 2 und 3 beantwortet werden müssen. Da im Gutachten die schwere Kieferanomalie verneint worden sei, hätte auf die beiden anderen Fragen nicht eingegangen werden müssen. Der Gesamtansatz von 20 Stunden sei daher in Zweifel zu ziehen.
Hiergegen erwiderte der Sachverständige mit Schreiben vom 23. Februar 2017, dass beim Erinnerungsführer zwar keine schwere Kieferanomalie vorgelegen habe. Bei ihm liege aber eine ausgeprägte dentoalveoläre Problematik vor verbunden mit deutlichem Platzmangel im Unterkiefer. Da in einem solchen Fall häufig Kieferanomalien vorliegen würden, hätte mittels Differenzialdiagnostik abgegrenzt werden müssen. Die Differenzierung zwischen einer rein kieferorthopädischen Therapie und der Notwendigkeit einer kombinierten kieferchirurgischen-kieferorthopädischen Vorgehensweise erfordere eine hohe Fachexpertise, weshalb es sich um ein differenzialdiagnostisches Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad handele.
Hierauf erwiderten die Bevollmächtigten des Erinnerungsführers mit Schreiben vom 24. April 2017, dass nur die Stunden als honorarfähig angesehen werden könnten, die auch erforderlich gewesen seien. Hier könne die vom Sachverständigen angesetzte Zeit nicht als erforderlich angesehen werden, da mit dem Gutachten Fragen beantwortet worden seien, die nach der Formulierung des Beweisbeschlusses nicht notwendig gewesen seien.
Die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Bayreuth half der Erinnerung nicht ab und legte sie der Kammer zur Entscheidung vor.
II.
Die Erinnerung hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 GKG werden für Verfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung Gebühren und Auslagen erhoben, wobei zu den Auslagen auch Zahlungen an Sachverständige zählen, die aufgrund der Bestimmungen der § 98 VwGO in Verbindung mit § 413 ZPO nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz – JVEG – erfolgt sind.
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG werden Sachverständige für ihre erbrachten Leistungen entschädigt, wobei sie gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG für jede Stunde ein Honorar erhalten. Hinsichtlich der Frage, wie viele Stunden honorarfähig sind, enthält das Gesetz keine Bestimmungen. Allerdings ist die im Rahmen eines Auftrags geltend gemachte und tatsächlich aufgewandte Zeit für die Bearbeitung eines Sachverständigenauftrags nur insoweit zu vergüten, als sie erforderlich war. Dies ist grundsätzlich die Zeit, die ein mit der Materie vertrauter Sachverständiger zur Beantwortung der Beweisfrage in der Regel benötigt, wobei der Umfang des dem Sachverständigen unterbreiteten Streitstoffs, die Schwierigkeit der zu beantwortenden Frage, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache angemessen zu berücksichtigen sind (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 24.03.2016 – OVG 6 K 28.16 – juris).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe rechtfertigt das Vorbringen des Erinnerungsführers keine Kürzung des Sachverständigenhonorars. Der Sachverständige gab mit Schreiben vom 20. November 2016 an, dass er für das Gutachten 5 Stunden 40 Minuten für Aktenstudium, 5 Stunden 20 Minuten für Literaturstudium und 9 Stunden für die Abfassung des Gutachtens benötigt habe. Die Frage, ob eine schwere Kieferanomalie vorliegt, erfordert nach Ansicht des Gerichts im Fall des Erinnerungsführers ein Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad, da nach der Darstellung des Sachverständigen für die Beantwortung dieser Frage eine Differenzialdiagnostik gemacht werden muss. Der hierfür benötigte Stundenansatz von 20 Stunden kann hierbei nicht beanstandet werden, da auch für die Prüfung der schweren Kieferanomalie sowohl ein Akten-, als auch ein Literaturstudium und die Abfassung des Gutachtens durchzuführen sind. Dass auf den letzten beiden Seiten des Gutachtens (ab „Nach der Stellungnahme der DGKFO…“) noch auf die Frage eingegangen wurde, ob eine alleinige kieferorthopädische Behandlung ausreichend ist, ändert hieran nichts. Zwar mag der Beweisbeschluss in den Nummern 1 bis 3 so zu verstehen sein, dass auf diese Frage nur im Fall der schweren Kieferanomalie einzugehen war. Diese Lesart ergibt sich insbesondere aus der Kenntnis des § 15 Bayerische Beihilfeverordnung (BayBhV). So sind kieferorthopädische Leistungen bei Erwachsenen nur bei Vorliegen einer schweren Kieferanomalie beihilfefähig. Liegt eine schwere Kieferanomalie vor, so kommt es entweder darauf an, ob eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderlich ist oder ob ein besonderer Ausnahmefall vorliegt und eine alleinige kieferorthopädische Behandlung medizinisch ausreichend ist. Für den Sachverständigen als juristischen Laien ist diese Lesart des Beschlusses im vorliegenden Fall aber nicht selbstverständlich, zumal im letzten Satz des Beschlusses formuliert war, dass auch darauf eingegangen werden soll, ob die kieferorthopädischen Behandlungsgeräte erfolgreich eingesetzt werden können (ohne Bezug zum Vorliegen einer schweren Kieferanomalie).
Zudem wurde von beiden Beteiligten des Verwaltungsverfahrens die Frage problematisiert, ob die vorgesehene Behandlungstechnik als adäquat und Erfolg versprechend angesehen werde kann. Der Widerspruchsbescheid des Landesamts für Finanzen vom 23. März 2015 wurde nicht nur damit begründet, dass keine schwere Kieferanomalie vorliege, sondern auch damit, dass die Behandlungsgeräte nicht erfolgreich eingesetzt werden könnten. Auch der Erinnerungsführer stützt sich in seiner Klagebegründung (Schreiben vom 11. August 2015) darauf, dass eine kieferorthopädische Behandlung beim Kläger medizinisch ausreichend sei. Da diese Frage also im Verfahren des Klägers eine Rolle spielte und auch für eine Entscheidung des Gerichts hätte herangezogen werden können, war die Beantwortung der Frage für den Prozess sachdienlich. Die Beantwortung der Frage Nr. 3 des Beweisbeschlusses war demnach nicht überflüssig, weshalb der Zeitansatz angemessen ist und auch von einem hohen Schwierigkeitsgrad der Beantwortung der Frage ausgegangen werden muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.


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