Arbeitsrecht

Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss

Aktenzeichen  W 3 M 19.307

Datum:
19.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30903
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151, § 162 Abs. 2 S. 1,  § 162 Abs. 2 S. 3, § 165
VV-RVG Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Auch wenn sich eine juristische Person des öffentlichen Rechts eines Rechtsanwalts bedient, sind die (gesetzlichen) Gebühren und die Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig, selbst wenn sie über Mitarbeiter mit der Befähigung zum Richteramt verfügen sollte. Dabei ist grundsätzlich nicht zu prüfen, ob eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich gewesen ist (Anschluss an VGH München BeckRS 2014, 52575 Rn. 4). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine restriktiv zu behandelnde Ausnahme gilt nur dann, wenn die anwaltliche Vertretung offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen (Anschluss an VGH München BeckRS 2014, 52575 Rn. 4) (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Entfernung des Sitzes eines beauftragten Rechtsanwalts vom Verwaltungsgericht hat für das Anfallen der Terminsgebühr keine Relevanz. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung des Klägers vom 26. März 2019 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des gebührenfreien Erinnerungsverfahrens trägt der Kläger.

Gründe

I.
Im Verfahren W 3 K 17.649 wandte sich der Kläger – der Erinnerungsführer im vorliegenden Verfahren – gegen mit Festsetzungsbescheiden vom 2. März 2015, vom 1. April 2015, vom 1. September 2015, vom 2. Oktober 2015 und vom 3. Januar 2016 festgesetzte Rundfunkbeiträge. Beide Parteien stimmten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu.
Mit Urteil vom 4. Mai 2018 wies das Gericht im Verfahren W 3 K 17.649 die Klage ab und legte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf. Der Streitwert wurde auf 550,26 EUR festgesetzt.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2019 beantragte der Bevollmächtigte des Beklagten im Verfahren W 3 K 17.649, die Kosten des Beklagten auf 281,80 EUR festzusetzen. Hierbei wurden Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 261,80 EUR geltend gemacht. Dieser Betrag setzt sich aus einer 1,3 Verfahrensgebühr gemäß § 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 104,00 EUR, einer 1,2 Terminsgebühr gemäß § 13 RVG, Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 96,00 EUR, einer Pauschale für Post und Telekommunikation (Nr. 7002 VV RVG) in Höhe von 20,00 EUR sowie 19 Prozent Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) in Höhe von 41,80 EUR zusammen. Darüber hinaus wurde eine eigene Verwaltungspauschale des Beklagten in Höhe von 20,00 EUR geltend gemacht.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Februar 2019 setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Würzburg im Verfahren W 3 K 17.649 die außergerichtlichen Aufwendungen des Beklagten auf 281,80 EUR fest.
Mit Schreiben vom 27. Februar 2019 wandte sich der Kläger hiergegen mit der Begründung, die Beauftragung einer externen Rechtsanwaltskanzlei durch den Beklagten sei nicht notwendig gewesen, da dieser als Behörde selbst über fachkundiges Personal verfüge. Darüber hinaus liege die Kanzlei der beauftragten Rechtsanwälte noch etwa 100 Kilometer weiter vom Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg entfernt als der Sitz des Beklagten in München. Weiterhin hätte die angesetzte eigene Verwaltungspauschale des Beklagten nicht festgesetzt werden dürfen.
Die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Würzburg half der Erinnerung mit Schreiben vom 26. März 2019 nicht ab und legte sie dem Gericht zur Entscheidung vor. Zur Begründung führte sie aus, § 162 VwGO regele den Umfang der Kostenpflicht. Hiernach seien Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Das bedeute, dass grundsätzlich auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die selbst über rechtskundige Beamte verfüge, einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung betrauen und Erstattung der ihr dadurch entstandenen Kosten verlangen dürfe. Es liege im eigenen Ermessen des Beklagten, ob er sich im gerichtlichen Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten lasse oder er sich für die Prozessführung eigenen Personals bediene. Eine Prüfung, ob es dem Beklagten zumutbar gewesen sei, das Verfahren im Hinblick auf die eigene Rechtsabteilung selbst zu führen, habe in der Regel nicht zu erfolgen. Ein Hinweis darauf, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gegen Treu und Glauben verstoße, sei angesichts der Vielzahl an Klagen und Anträgen, mit denen der Beklagte konfrontiert sei, nicht ersichtlich. Die weiterhin gerügte Festsetzung der Terminsgebühr habe ihren Grund nicht in der Beauftragung einer Kanzlei, die ihren Sitz ca. 100 Kilometer vom Sitz der Beklagten entfernt habe, was für den vorliegenden Kostenfestsetzungsbeschluss ohnehin keine Relevanz habe, da Reisekosten weder entstanden noch beantragt worden seien. Die Terminsgebühr entstehe vielmehr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werde. Beide Parteien hätten ihr diesbezügliches Einverständnis erteilt.
Nach § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO könne der Beklagte als juristische Person des öffentlichen Rechts anstelle seiner tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nr. 7002 VV RVG bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern. Die Pauschale sei unzweifelhaft auch beim Beklagten entstanden, da für die Erteilung des Mandats an den Bevollmächtigten eine entsprechende Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt unerlässlich sei.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragte, die Erinnerung zurückzuweisen. Zur Begründung wurde auf die Ausführungen der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 26. März 2019 verwiesen.
Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Beklagten und auf den Inhalt der Gerichtsakte W 3 K 17.649, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
II.
Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 12. Februar 2019 erhobene Erinnerung ist nach § 165, § 151 VwGO zulässig, jedoch nicht begründet.
Zu den Kosten, die der Kläger nach der Kostenlastentscheidung im Urteil vom 4. Mai 2018 – W 3 K 17.649 – dem Grunde nach zu tragen hat, gehören nach § 162 Abs. 1 VwGO die zur Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Beklagten. Neben den Aufwendungen, die im Prozess selbst entstanden sind, gehören dazu auch die Aufwendungen, die der Beklagte zur Vorbereitung oder Durchführung des Prozesses machen musste, sofern sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Prozess stehen. Ergänzend bestimmt § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, dass die (gesetzlichen) Gebühren und die Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig sind. Das gilt grundsätzlich auch für den Fall, dass sich – wie hier – eine juristische Person des öffentlichen Rechts eines Rechtsanwalts bedient, auch wenn sie über Mitarbeiter mit der Befähigung zum Richteramt verfügen sollte. Auch in diesen Fällen ist grundsätzlich nicht zu prüfen, ob eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich gewesen ist (vgl. nur BayVGH, B.v. 2.6.2014 – 6 C 14.903 – juris Rn. 4 m.w.N.; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn. 19; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 162 Rn. 57). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die anwaltliche Vertretung offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen (BayVGH, B.v. 2.6.2014 – 6 C 14.903 – juris Rn. 4 m.w.N.). Hierbei handelt es sich um einen restriktiv zu behandelnde Ausnahmefall (NdsOVG, B.v. 18.5.2005 – 8 OA 317/04 – juris Rn. 2). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine Behörde zunächst von der Beauftragung eines Rechtsanwalts absieht und ihn erst in einem Verfahrensstadium als Prozessbevollmächtigten bestellt, in dem bereits feststeht, dass sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt hat und durch die beklagte Behörde lediglich eine das Verfahren auch formal beendende Erledigungserklärung abgegeben wird (vgl. VGH BW, B.v. 28.2.1991 – NC 9 S 98/90 – juris).
Nach diesem Maßstab sind die Rechtsanwaltskosten, die dem Beklagten durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Würzburg entstanden sind, erstattungsfähig. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt demgemäß gerade kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in der Gestalt vor, dass eine Erstattungsfähigkeit erst dann vorliegt, wenn der Rechtsstreit schwierige und bislang ungeklärte Rechtsfragen aufwirft. Da § 162 Abs. 1 VwGO bestimmt, dass die Gebühren und die Auslagen eines Rechtsanwalts s t e t s erstattungsfähig sind und insoweit auch bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts keine Ausnahme vorgesehen ist, liegt der gesetzliche Regelfall auch in dieser Fallgestaltung bei der Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts. Dafür, dass die Beauftragung des Rechtsanwalts im konkreten Fall in der Gestalt rechtsmissbräuchlich ist, dass diese offensichtlich nutzlos und objektiv n u r dazu angetan ist, dem Kläger Kosten zu verursachen, ist nichts ersichtlich und wurde im Übrigen vom Kläger auch nicht vorgetragen.
Auch mit seiner Rüge gegen die Festsetzung der Terminsgebühr kann der Kläger nicht durchdringen. Gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gemäß § 307 ZPO oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Vorliegend hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 25. August 2017 und der Kläger mit Erklärung vom 20. Februar 2018 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Da mit Urteil vom 4. Mai 2018 (W 3 K 17.649) im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wurde, ist demgemäß die 1,2 Terminsgebühr entstanden.
Das Vorbringen des Klägers, dass der Sitz des beauftragten Rechtsanwalts nochmals 100 Kilometer weiter vom Verwaltungsgericht Würzburg entfernt sei als der Sitz des Beklagten ist unbehelflich. Für den Kostenfestsetzungsbeschluss hat dieses Vorbringen keine Relevanz, da die Terminsgebühr unabhängig davon angefallen ist. Darüber hinaus sind Reisekosten weder angefallen noch geltend gemacht worden.
Nach § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO können juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern. Soweit der Kläger hier geltend macht, dass lediglich entweder die Kosten der Rechtsverteidigung durch den Prozessbevollmächtigten oder die Kosten des Beklagten für seine eigenen Post- und Telekommunikationsleistungen geltend gemacht werden könnten, entspricht dies nicht der Regelung des § 162 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 VwGO. Durch § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO wurde eine die öffentliche Hand privilegierende Sonderregelung zu § 162 Abs. 1 VwGO geschaffen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nr. 7002 VV RVG bestimmten Höchstsatz der Pauschale (derzeit 20 EUR) fordern. Dies gilt auch dann, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts oder die Behörde für das gerichtliche Verfahren einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten bestellt hat und dieser ebenfalls Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen geltend macht (Kunze in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 50. Edition Stand: 1.7.2019, § 162 Rn. 87; VG Neustadt, B.v. 12.2.2014 – 1 K 71/12.NW – juris Rn. 6). Anhaltspunkte dafür, dass dem Beklagten keine notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen entstanden wären, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen und sind auch aus der Verwaltungsgerichtsakte nicht ersichtlich. Mithin ist die pauschalierte Festsetzung der von dem Beklagten beantragten Kosten durch die Urkundsbeamtin des Gerichts im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Februar 2019 nicht zu beanstanden.
Entgegen der hypothetischen Erwägung des Klägers würde auch der Umstand, dass eine Behörde im Verfahren ausschließlich elektronisch kommuniziert und dabei einen Flatrate-Tarif ihres Telekommunikationsdienstleisters genutzt hat, der Geltendmachung der Pauschale nicht entgegenstehen (vgl. VG München, B.v. 6.3.2018 – M 25 M 17.45954 – juris).
Nach alledem war die Erinnerung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Mangels Kostentatbestands fallen zwar keine Gerichtsgebühren an, es können jedoch Rechtsanwaltsgebühren entstehen. Außerdem können Auslagen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten zu erstatten sein (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 165, Rn. 10).
Die Festsetzung eines Streitwerts ist entbehrlich, da keine Gerichtsgebühren anfallen. Die Festsetzung eines Gegenstandswerts nach § 33 RVG hat nicht ohne Antrag von Amts wegen zu erfolgen (vgl. Schneider, NJW Spezial 2012, 603).

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