Arbeitsrecht

Ermessensentscheidung bei Aufschiebung von Übergangsgebührnissen

Aktenzeichen  M 21 K 14.2441

Datum:
2.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 123611
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SVG § 11 Abs. 6 S. 2, § 53
VwGO § 114

 

Leitsatz

Für die Ermessensentscheidung bei der Aufschiebung von Übergangsgebührnissen (§ 11 Abs. 6 S. 2 Alt. 2 SVG 2012) wegen Vorhaben, die – wie ein Promotionsstudium – eine der Eingliederung in das zivile Erwerbsleben dienliche Qualifikation haben können, aber nicht die für ein förderungsplanfähiges Bildungsverhältnis typischen Lernverhältnisse beinhalten, kommt es darauf an, ob durch ein solches Vorhaben die Chancen im zivilen Erwerbsleben erhöht und damit eine Eingliederung gefördert wird. Wird eine solche Prüfung unterlassen, ist die Entscheidung ermessensfehlerhaft. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid vom 12. August 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2014 werden aufgehoben und die Beklagte verpflichtet über den Antrag vom 4. Juli 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gericht neu zu entscheiden.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage wird mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Gegenstand der Klage ist nach Maßgabe von § 88 VwGO die Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom … August 2013 und des Widerspruchsbescheids vom … Mai 2014 sowie die Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Entscheidung über den Antrag vom … Juli 2013 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts. Anhaltspunkte für eine Verpflichtungsklage auf Verpflichtung der Beklagten zur antragsgemäßen Aufschiebung der Übergangsgebührnisse entgegen dem eindeutig formulierten Klageantrag des anwaltlich vertretenen Klägers bestehen – ungeachtet der (im Übrigen in der Sache nicht zutreffenden) Ausführungen zum Vorliegen eines entsprechenden Anspruchs in der Klagebegründung – nicht.
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinem Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag vom … Juli 2013 (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Entscheidung über den Antrag auf Aufschiebung der Übergangsgebührnisse ist § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG in der bis 22. Mai 2015 geltenden Fassung des Bundeswehrreform-Begleitgesetzes vom 21. Juli 2012 (BGBl. 2012 I S. 1583 ff. – im Folgenden § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012), die nach der Übergangsregelung in § 102 Abs. 1 Satz 4 SVG auch für Soldaten anzuwenden ist, die vor dem Inkrafttreten des Bundeswehrreform-Begleitgesetzes in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden sind. Nach § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012 kann die Zahlung von Übergangsgebührnissen auf Antrag längstens für sechs Jahre aufgeschoben oder unterbrochen werden, wenn dadurch Nachteile für die Umsetzung eines Förderungsplans oder für die Eingliederung vermieden werden können.
§ 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012 räumt als Kann-Regelung nicht nur eine Entscheidungsbefugnis ein, von der bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen Gebrauch zu machen wäre, sondern begründet eine Ermessensentscheidung auf der Rechtsfolgenseite. Es handelt sich um eine Vorschrift, bei der das Ermessen auf der Rechtsfolgenseite und ein unbestimmter Rechtsbegriff – die „Vermeidung von Nachteilen für die Umsetzung des Förderungsplans oder für die Eingliederung“ auf der Tatbestandsseite nebeneinander stehen. Inwieweit bei solchen Vorschriften eine Kopplung dergestalt stattfindet, dass die Rechtsfolgenseite durch die Tatbestandsseite beeinflusst wird, kann nur nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift entschieden werden (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, B.v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70 – BVerwGE 39, 355 = juris Rn. 24).
Die Möglichkeit zur Aufschiebung von Übergangsgebührnissen nach § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012 wurde durch das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz vom 5. Dezember 2011 (BGBl. 2011 I, S. 2458 ff.) geschaffen. Die Gesetzesbegründung (BR-Drs. 17/7143, S. 15) führt dazu Folgendes aus:
„Übergangsgebührnisse dienen vornehmlich dazu, die Zeiten der in einem Förderungsplan festgelegten Maßnahmen der zivilberuflichen Bildung und Qualifikation sowie die anschließende Beschäftigungssuche finanziell abzusichern. Nach § 11 Absatz 1 Satz 1 entsteht der Anspruch auf Zahlung der Übergangsgebührnisse im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Wehrdienst. Teilweise beginnen die im Förderungsplan vorgesehenen Maßnahmen jedoch nicht unmittelbar nach der Beendigung der Wehrdienstzeit oder müssen verschoben oder unterbrochen werden. Dies hat zur Folge, dass Ausbildungs- oder Qualifizierungszeiträume nicht oder nicht mehr vollständig von den Übergangsgebührnissen abgedeckt werden können. Um sicherzustellen, dass die Übergangsgebührnisse ihrem Zweck entsprechend den Soldatinnen auf Zeit und Soldaten auf Zeit in den Zeiträumen einer Ausbildung oder beruflichen Qualifizierung oder einer sonstigen Eingliederungsmaßnahme zur Absicherung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung stehen, kann auf Antrag die Zahlung verschoben oder unterbrochen werden. Die Frist von längstens sechs Jahren orientiert sich an der Regelung in § 16 Absatz 5 der Berufsförderungsverordnung.“
Im Hinblick auf den Regelungszweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012 kommt eine Ermessensentscheidung zwar regelmäßig nicht mehr in Betracht, soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufschiebung zur Vermeidung von Nachteilen für einen Förderungsplan oder die Eingliederung eindeutig vorliegen. Allerdings bedarf es zur Wahrung des Regelungszwecks sowohl im Hinblick auf die Art einer Eingliederungsmaßnahme als auch auf die erforderliche Abgrenzung der vom Soldaten auf Zeit selbst zu vertretenden Umstände einer Abgrenzung zwischen einer dem Regelungszweck entsprechenden Aufschiebung von Übergangsgebührnissen für ein späteres konkretes berufliches Eingliederungsvorhaben zu einer zweckwidrigen Zurückstellung von Übergangsgebührnissen „auf Vorrat“ mit Nachteilen für die Eingliederung bzw. zur Umgehung der Ruhensvorschrift in § 53 Abs. 9 SVG über die Anrechnung von Erwerbseinkommen auf Übergangsgebührnisse.
Übergangsgebührnisse sollen im Zusammenhang mit den Besonderheiten der Zeitsoldatenverhältnisse den Übergang aus einem solchen Verhältnis in das zivile Erwerbsleben erleichtern und Maßnahmen der zivilberuflichen Bildung und Qualifikation sowie die anschließende Beschäftigungssuche finanziell absichern. Der Beginn von Eingliederungsmaßnahmen und dementsprechend die Zahlung der Übergangsgebührnisse unmittelbar nach Dienstzeitende ist dabei die Regel. Eine Aufschiebung bzw. Unterbrechung zur Vermeidung von Nachteilen ist als Ausnahme nur nach Maßgabe des Regelungszwecks zu erteilen. Dem liegt die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, die Soldaten auf Zeit nach Ende der Dienstzeit gewährte Versorgung solle der beruflichen Förderung dienen. Er hat die Berufsförderung und die Dienstzeitversorgung von Soldaten auf Zeit miteinander verknüpft und als Ganzes angesehen. Nach seiner Vorstellung soll die Fachausbildung grundsätzlich unmittelbar im Anschluss an die Wehrdienstzeit bei weitgehender wirtschaftlicher Absicherung durch die Zahlung von Übergangsgebührnissen durchgeführt werden (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 42/10 – juris Rn. 9). Die durch das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz eingeführte Möglichkeit einer Aufschiebung der Übergangsgebührnisse in Ausnahmefällen hat an dem insoweit bestehenden Grundsatz ebenso wenig etwas geändert wie das Bundeswehrreform-Begleitgesetz, das vorsieht, die Leistungen der Berufsförderung aus der aktiven Dienstzeit in die Zeit nach Dienstzeitende zu verlagern, um die Verwendungsdauer der Soldaten auf Zeit auf Dienstposten zu erhöhen (vgl. dazu BR-Drs. 17/9340, S. 25).
Die Abgrenzungsproblematik stellt sich vor allem für solche Eingliederungsvorhaben, die nicht auf der Grundlage eines Förderungsplans erfolgen. Die Vielzahl und Inhomogenität derartiger Maßnahmen bedingt erhebliche Unschärfen und wirft mangels Strukturierung durch einen Förderungsplan regelmäßig Abgrenzungsfragen zwischen einer vom Regelungszweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012 gedeckten Aufschiebung der Übergangsgebührnisse für ein späteres konkretes Eingliederungsvorhaben gegenüber einer zweckwidrigen Aufschiebung der Übergangsgebührnisse für unbestimmte, überflüssige oder nur vorgeschobene Eingliederungsmaßnahmen auf. Die Abgrenzungsproblematik stellt sich umso mehr im Hinblick auf den erheblichen Zeitraum von sechs Jahren, der für die Aufschiebung der Übergangsgebührnisse zur Verfügung steht. Im Hinblick auf die unvermeidlichen Unschärfen bei der Beurteilung, ob eine Aufschiebung von Übergangsgebührnissen für eine nicht unmittelbar nach Dienstzeitende aufgenommene Eingliederungsmaßnahme ohne Förderungsplan dem Regelungszweck von Übergangsgebührnissen entspricht, eröffnet § 11 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 SVG in diesen Grenzen Ermessen.
Entsprechend diesem Maßstab war über den Antrag des Klägers vom … Juli 2013 im Hinblick auf § 11 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 SVG ermessensfehlerfrei zu entscheiden.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 11 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 SVG liegen vor. Unabhängig von der Bewertung der Vertragsverlängerung bei der … über das Dienstzeitende hinaus stellt die Beschäftigung bei der … auf Grund ihrer Befristung und der fehlenden Sozialversicherungspflicht keine Erwerbstätigkeit dar, durch die bereits eine Eingliederung in das Erwerbsleben erfolgt. Die Regelungen der Berufsförderung und der Dienstzeitversorgung zielen auf eine Eingliederung in ein dauerhaftes und sozial abgesichertes Beschäftigungsverhältnis ab. Eine Übergangsbeschäftigung ohne Sozialversicherungspflicht, deren Befristung auf zwei Jahre von vornherein feststeht und die mithin deutlich vor Ablauf der Höchstfrist von sechs Jahren für die Aufschiebung von Übergangsgebührnissen endet, kann nicht als bereits umgesetzte Eingliederung angesehen werden (VG München, U.v. 17.3.2014 – M 21 K 12.5647 – juris Rn. 32; U.v. 14.4.2014 – M 21 K 13.2820 – juris Rn. 26).
Andererseits ist die Aufnahme eines Promotionsstudiums als jedenfalls grundsätzlich denkbares Eingliederungsvorhaben ohne Förderungsplan parallel zur Vollzeitbeschäftigung bei der … entsprechend den unbestrittenen Aussagen des Klägers in seinem Antrag nicht möglich bzw. zumutbar. Die Eingliederungsproblematik stellt sich damit mit Ablauf der befristeten Beschäftigung bei der … Durch die Aufschiebung von Übergangsgebührnissen bis Ablauf der zweijährigen Beschäftigung bei der … können insofern Nachteile für die Eingliederung des Klägers vermieden werden.
Bei der Überprüfung einer Ermessensentscheidung beschränkt sich die gerichtliche Prüfung gemäß § 114 Satz 1 VwGO darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind, von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist oder die Behörde verkannt hat, dass ihr ein Ermessen zusteht.
Zwar liegt kein Ermessensausfall vor, denn die Beklagte hat zumindest im Widerspruchsbescheid auch zur Frage einer Vermeidung von Nachteilen für die Eingliederung gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 SVG 2012 dem Grunde nach Ermessenserwägungen angestellt. Die Erwägungen leiden jedoch an einem Ermessensdefizit und beruhen auf einer unzureichenden Ermittlung und Würdigung der ermessensrelevanten Gesichtspunkte.
Die Beklagte ist zunächst zutreffend entsprechend der geltenden Erlasslage (BMVg P III 3 Az 20-05-03 vom 8.5.2014) und in Übereinstimmung mit dem Regelungszweck von Übergangsgebührnissen vom Erfordernis eines konkreten Eingliederungsvorhabens ausgegangen. Sie hat bei ihren Erwägungen zu den Anforderungen an ein konkretes Eingliederungsvorhaben im Wesentlichen zwei Punkte in den Mittelpunkt gestellt, (1) die Anforderungen an das Eingliederungsvorhaben selbst (II. 2. des Widerspruchsbescheids) und (2) Umstände in der Sphäre des Klägers (II. 3. und II. 4. des Widerspruchsbescheids). Die Beklagte hat damit im Ausgangspunkt zutreffend eine Gesamtbetrachtung der Anforderungen vorgenommen, die neben den staatlichen Interessen entsprechend dem Regelungszweck von Übergangsgebührnissen auch die übrigen relevanten Umstände, insbesondere solche in der Sphäre des Klägers, einbezieht. Sie hat jedoch die erforderliche einzelfallbezogene Zuordnung nicht vorgenommen und ermessensrelevante Umstände nicht ermittelt und berücksichtigt. Teilweise werden auch verschiedene Aspekte ohne ausreichend erkennbaren Bezug zur intendierten Zielrichtung der Ermessenserwägungen aneinandergereiht.
(1) Bereits im Hinblick auf die Anforderungen an das Eingliederungsvorhaben selbst fehlt die erforderliche Auseinandersetzung zu den aus Sicht der Beklagten notwendigen Voraussetzungen für ein Eingliederungsvorhaben ohne Förderungsplan. Die Beklagte erkennt zwar, dass eine Eingliederung in das zivile Arbeitsleben auch ohne Erstellung eines Förderungsplans verfolgt werden kann, wenn ein konkretes Eingliederungsvorhaben vorliegt, und benennt hierzu die in dem o.a. Erlass vom 8. Mai 2014 angegebenen Beispiele, versäumt es jedoch, das vom Kläger geltend gemachte Promotionsstudium unter dem Aspekt einer Eingliederung ohne Förderungsplan zu würdigen und beschränkt sich auf allgemeine Ausführungen zum Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 11 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 SVG 2012. Der Umstand, dass eine Eingliederung ohne Förderungsplan vor allem dann in Betracht kommt, wenn es um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. eine Existenzgründung ohne Erfordernis einer weiteren Qualifikation geht, bedeutet nicht, dass § 11 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 SVG 2012 ausschließlich auf solche Fallkonstellationen beschränkt ist. Ein solches enges Verständnis würde dem Regeölungszweck von § 11 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 SVG 2012 nicht gerecht. Bei Vorhaben, die – wie ein Promotionsstudium – eine der Eingliederung in das zivile Erwerbsleben dienliche Qualifikation haben können, aber nicht die für ein förderungsplanfähiges Bildungsverhältnis typischen Lehr- und Lernverhältnisse beinhalten, kommt es darauf an, ob durch ein solches Vorhaben – ähnlich wie durch Existenzgründungsmaßnahmen – die Chancen im zivilen Erwerbsleben erhöht und damit eine Eingliederung gefördert wird. Eine solche Prüfung wurde seitens der Beklagten nicht vorgenommen. Im Zusammenhang mit dem bestehenden Hochschulabschluss des Klägers als Diplom-Informatiker verweist die Beklagte lediglich auf das Fehlen eines Berufsförderungsplans und die fehlende Förderungswürdigkeit nach der Stellungnahme des Berufsförderungsdienstes. Der Berufsförderungsdienst nahm die erforderliche Würdigung des beabsichtigten Promotionsstudiums als Eingliederungsvorhaben ohne Förderungsplan aber gerade nicht vor und wies ausdrücklich darauf hin, die Ausführungen des Klägers zu seiner Promotion seien nachvollziehbar, eine positive Beurteilung sei aber mangels Förderungsplan nicht möglich. Der in der Stellungnahme des Berufsförderungsdienstes darüber hinaus angesprochene fehlende Nachweis eines Studienplatzes kann im Hinblick darauf, dass eine Anmeldung zum Zeitpunkt der Antragstellung noch gar nicht möglich war, nicht berücksichtigt werden. Die weiteren Hinweise in der Stellungnahme darauf, dass der Kläger darüber informiert war, dass die Promotion (auf der Grundlage eines Förderungsplans) grundsätzlich nicht förderungsfähig sei und der Hinweis auf die Ruhensvorschrift des § 53 SVG ersetzen die erforderliche Bewertung des Promotionsstudiums als Eingliederungsvorhaben ohne Förderungsplan nicht. Bei Zweifeln an der Ernsthaftigkeit oder Förderlichkeit des beabsichtigten Eingliederungsvorhabens für eine Eingliederung in das zivile Erwerbsleben wäre es der Beklagten im Übrigen unbenommen gewesen, den Regelungszweck der Übergangsgebührnisse durch geeignete Nebenbestimmungen zur Aufschiebung der Übergangsgebührnisse i.S.v. § 36 VwVfG abzusichern.
Bereits die unzureichende Auseinandersetzung mit den Anforderungen an das Eingliederungsvorhaben selbst führt zur Fehlerhaftigkeit des Ermessens und zur Aufhebung der Entscheidung. Denn die weiteren Erwägungen der Beklagten im Zusammenhang mit Umständen aus der Sphäre des Klägers haben einen engen Bezug zur Art und Konkretheit des Eingliederungsvorhabens und können ohne dessen ausreichende Würdigung nicht ermessensfehlerfrei herangezogen werden.
(2) Im Übrigen beruhen auch die angestellten Erwägungen zu Umständen aus der Sphäre des Klägers für sich gesehen auf einer unzureichenden Grundlage und einer dadurch bedingten falschen Gewichtung ermessensrelevanter Belange. Die Beklagte stellt in diesem Zusammenhang zentral auf (a) die Nachteile der verzögerten Eingliederung auf Grund einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Klägers für eine Verlängerung der Beschäftigung bei der … und die Gefahr einer Umgehung der Ruhensvorschrift des § 53 SVG ab und weist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit der Änderung der bisherigen Praxis zur Dienstzeitverlängerung von Zeitsoldaten, die bei der … beschäftigt sind, und die Folgen für die Übergangsgebührnisse hin. Zudem stellt sie (b) darauf ab, dass der Kläger als Diplom-Informatiker bereits über eine ausreichende Qualifikation für eine Eingliederung verfüge und stellt dies in einen Bezug zu der Verzögerung der Eingliederung auf Grund der eigenverantwortlichen Entscheidung des Klägers zu einer Fortführung des Vertrags bei der … über das Dienstzeitende hinaus.
(a) Nachteile einer verzögerten Eingliederung sind den Gründen für eine Aufschiebung von Übergangsgebührnissen immanent und können daher nicht ohne Berücksichtigung der Ursachen für die Verzögerung gewürdigt werden. Die Gründe für eine Aufschiebung von Übergangsgebührnissen können auch nicht von vornherein auf Elternzeit, Kinderbetreuung oder die Verfügbarkeit eines Ausbildungsplatzes beschränkt werden. Auch wenn dies die typischen Gründe für eine Aufschiebung von Übergangsgebührnissen sind, kann eine Einschränkung hierauf weder aus dem Wortlaut, den Gesetzesmaterialien zu § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012 oder aus dem Regelungszweck abgeleitet werden. Eine pauschale Übertragung der Regelungen zur Berufsförderung auf die Dienstzeitversorgung im Allgemeinen und die Regelung für Übergangsgebührnisse in § 11 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 SVG 2012 im Besonderen ist – ungeachtet der Verknüpfung von Berufsförderung und Dienstzeitversorgung und der Anlehnung der Höchstfrist in § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012 an die für die Nutzung von Berufsförderungsmaßnahmen geltende Höchstfrist – nicht möglich. Das gilt insbesondere für die bereits durch die Verordnungsermächtigung in § 10a SVG von vornherein auf die Berufsförderung beschränkten Regelungen in § 16 Berufsförderungsverordnung (BFöV). Abgesehen davon räumt auch § 16 Abs. 5 BFöV (in der bis 26.8.2015 geltenden Fassung) ausnahmsweise die Möglichkeit des Beginns einer Berufsförderungsmaßnahme bis zum Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung des Dienstverhältnisses u.a. für den Fall ein, dass der unverzügliche Beginn der beruflichen Bildung den Förderungsberechtigten nicht zumutbar ist.
Allerdings ist die Berücksichtigung einer vom Zeitsoldaten zu vertretenden Verzögerung der Eingliederung auf Grund einer eigenverantwortlichen Entscheidung zu dessen Lasten im Hinblick auf die damit verbundenen Nachteile für eine Eingliederung und zur Vermeidung einer Umgehung der Ruhensvorschrift des § 53 Abs. 9 SVG entgegen der Auffassung des Klägers vom Regelungszweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012 gedeckt. Zwar kann die Umgehung der Ruhensvorschrift des § 53 SVG als solches der Aufschiebung von Übergangsgebührnissen nicht entgegengehalten werden. Die Nichtanrechnung von Erwerbseinkommen auf die Übergangsgebührnisse als Folge einer Aufschiebung von Übergangsgebührnissen für ein konkretes Eingliederungsvorhaben ist gerade der Regelungszweck von § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012 (VG München, U.v. 17.3.2014 a.a.O. – juris Rn. 33; U.v. 14.4.2014 a.a.O. – juris Rn. 27). Bei den Nachteilen einer vom Anspruchsberechtigen zu vertretenden Verzögerung der Eingliederung durch eine eigenverantwortliche Aufnahme oder Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit nach Beendigung der Dienstzeit handelt es sich jedoch ausschließlich um Nachteile, die aus der persönlichen Lebensplanung resultieren. Die Auffassung der Beklagten, dass die Vermeidung solcher Nachteile nicht vom Regelungszweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012 gedeckt ist, begegnet im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Aufschiebung von Übergangsgebührnissen keinen Bedenken. Das gilt – ungeachtet des Umstands, dass eine befristete Erwerbstätigkeit regelmäßig noch keine Eingliederung darstellt – umso mehr, wenn Zweifel an der Ernsthaftigkeit eines Eingliederungsvorhabens bestehen. Eine Aufschiebung der Übergangsgebührnisse für ein Eingliederungsvorhaben „auf Vorrat“ dient nicht dem Regelungszweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 SVG 2012 und kann zur Vermeidung einer unzulässigen Umgehung der Ruhensvorschrift des § 53 SVG ermessensfehlerfrei abgelehnt werden.
Die Beklagte hat jedoch die für die im Zusammenhang mit einer eigenverantwortlichen Entscheidung maßgeblichen Begleitumstände der Verlängerung des Vertrags bei der … nicht aufgeklärt. Insbesondere wurde nicht geklärt, ob der Kläger bei der Vertragsverlängerung Kenntnis über die geänderte Verwaltungspraxis zum Gleichlauf der Dienstzeit der bei der … beschäftigten Zeitsoldaten mit der Vertragslaufzeit bei der … und der sich hieraus ergebenden Konsequenzen für seine Übergangsgebührnisse hatte. Die Tätigkeit von Offizieren der Luftwaffe bei der … steht im Interesse des Dienstherrn, dementsprechend werden Soldaten während ihrer Dienstzeit für eine Beschäftigung dort nach § 9 Soldatenurlaubsverordnung freigestellt. Zudem wurde vor diesem Hintergrund in der Vergangenheit die Dienstzeit von Soldaten auf Zeit an die jeweilige Vertragslaufzeit bei der … angepasst. Das bedeutet zwar nicht, dass die Tätigkeit bei der … auch nach Ende der Dienstzeit als Fortführung der bisherigen militärischen Verwendung zu werten wäre. Auch ist die Beklagte weder gehalten, den bisherigen Gleichlauf der Dienstzeit von Zeitsoldaten mit der Vertragszeit bei der … fortzuführen noch der Fortsetzung von Verträgen über das Dienstzeitende hinaus unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung oder im Hinblick auf ein besonderes Interesse an der Tätigkeit der … im Rahmen der Übergangsgebührnisse Rechnung zu tragen. Die Beklagte weist insofern zu Recht darauf hin, die Änderung der bisherigen Praxis zur Dienstzeitverlängerung sei im Hinblick auf damit verfolgte legitime Zwecke der Bundeswehr zulässig und eine Beschäftigung bei der … nach dem Dienstzeitende nicht mehr im Interesse des Dienstherrn. Allerdings ist für die Würdigung der Eigenverantwortlichkeit der Entscheidung des Klägers von erheblicher Bedeutung, ob der Kläger die beabsichtigte Verlängerung des Anstellungsvertrags bei der … dem Personalamt der Bundeswehr rechtzeitig angezeigt hatte und ob er in diesem Zusammenhang über die Änderung der früheren und bei ihm angewandten Behördenpraxis des Gleichlaufs von Dienstzeit und Vertragslaufzeit bei der … sowie die Auswirkungen einer Vertragsverlängerung bei der … auf seine Übergangsgebührnisse informiert worden war. Diesen Gesichtspunkten ist die Beklagte nicht nachgegangen.
Zudem wären für die Bewertung einer eigenverantwortlichen Entscheidung weitere Gesichtspunkte im Zusammenhang mit den Besonderheiten der Beschäftigung bei der … einzubeziehen gewesen. Das gilt insbesondere im Zusammenhang mit dem herangezogenen Gesichtspunkt einer Vermeidung der Umgehung der Ruhensvorschrift des § 53 SVG durch eine Aufschiebung der Übergangsgebührnisse. Der damit einhergehende Vorwurf einer Aufschiebung von Übergangsgebührnissen „auf Vorrat“ ohne ein konkretes Eingliederungsvorhaben erfordert im Hinblick darauf, dass die Beschäftigung bei der … zeitlich befristet und nicht sozialversicherungspflichtig ist und zudem in engem Zusammenhang mit der Tätigkeit steht, für die der Kläger bis zum Dienstzeitende aus dienstlichen Gründen freigestellt war, einer besonderen Begründung. Eine von vornherein auf einen festen und relativ kurzen Zeitraum von zwei Jahren befristete Fortsetzung einer Beschäftigung bei der … nach Dienstzeitende wird daher in der Regel nicht auf eine Eingliederung in das Berufsleben abzielen, sondern die Eingliederung lediglich begrenzt verschieben. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang zudem die Konkretheit des nach Ablauf der Vertragslaufzeit bei der … beabsichtigten Eingliederungsvorhabens selbst. Die Beklagte hat sich mit diesen Gesichtspunkten nicht auseinandergesetzt.
(b) Die Ausführungen dazu, der Kläger verfüge als Diplom-Informatiker bereits über eine ausreichende Qualifikation für eine Eingliederung und die in diesem Zusammenhang erfolgte Aneinanderreihung verschiedener Gesichtspunkte, u.a. der Hinweis darauf, eine weitere Qualifikation auf betriebswirtschaftlichem Gebiet möge zwar für eine Eingliederung in das zivile Erwerbsleben dienlich sein, sei aber vom Berufsförderungsdienst offenbar nicht als förderungswürdig erachtet worden und es fehle daher ein Förderungsplan, der Hinweis darauf, dass der Kläger weiter bei der … tätig sei anstelle sich nach Ende der Dienstzeit um einen unbefristeten Arbeitsplatz zu bemühen oder ein Studium aufzunehmen, das fehlende dienstliche Interesse für eine Tätigkeit bei der … nach dem Dienstzeitende, die Zulässigkeit der Änderung der Praxis über die Dienstzeitverlängerung der bei der … beschäftigten Zeitsoldaten und der Hinweis darauf, dass eine Verschiebung der Übergangsgebührnisse die berufliche Qualifizierung oder dauerhafte Eingliederung in das zivile Erwerbsleben unnötig verzögere, lassen bereits nicht ausreichend erkennen, welche Bedeutung der Qualifikation des Klägers im Zusammenhang mit der Ermessensausübung beigemessen wird (vgl. zu den formalen Begründungsanforderungen eines schriftlichen Bescheids § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG). Eine sachgerechte Auslegung der Erwägungen ist auch aus dem sonstigen Akteninhalt nicht möglich.
Im Hinblick auf eine erneute Entscheidung über den Antrag des Klägers wird die Beklagte im Zusammenhang mit dem bestehenden Hochschulabschluss des Klägers Folgendes zu berücksichtigen haben: Ein bestehender Hochschulabschluss als solches steht dem Regelungszweck der Berufsförderung (vgl. § 5 Abs. 9 SVG) und der Zahlung von Übergangsgebührnissen nicht entgegen. Eine ermessensgerechte Berücksichtigung einer vorhandenen Qualifikation ist daher lediglich im Zusammenhang mit dem angestrebten Eingliederungsvorhaben denkbar. Insofern ist zu klären, ob das angestrebte Promotionsstudium die Eingliederung in das zivile Erwerbsleben verbessert, wobei auch die bestehende Qualifikation berücksichtigt werden kann. In diesem Zusammenhang ist nochmals hervorzuheben, dass die Ausführungen des Klägers zu dem angestrebten Promotionsstudium vom Berufsförderungsdienst ausdrücklich als nachvollziehbar bezeichnet wurden.
Auf die Tragfähigkeit der seitens der Klägerseite vorgetragenen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Höhe des Verdienstes bei der NETMA und die Möglichkeit einer Bildung von Rücklagen – vermutlich im Zusammenhang mit Erwägungen der Beklagten, die in den o.a. Urteilen des VG München vom 17. März 2014 und 14. April 2014 behandelt worden waren – kommt es nicht an, da diese Punkte den angefochtenen Bescheiden nicht zu Grunde lagen.
Eine Reduzierung des der Beklagten zustehenden Ermessens auf Null kommt weder zu Lasten noch zu Gunsten des Klägers in Betracht. Die angefochtenen Bescheide sind daher aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Aufschiebung der Übergangsgebührnisse unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO


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