Arbeitsrecht

Ermittlung des Schwerpunkts der Lebensverhältnisse

Aktenzeichen  L 9 EG 24/16

Datum:
8.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14209
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BEEG § 1
SGB I § 30 Abs. 3 S. 1
SGB IV § 4
AO § 9

 

Leitsatz

1. Bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt kommt es für die Frage, ob ein Wohnsitz in Deutschland aufrechterhalten bleibt, darauf an, ob in Deutschland weiterhin ein Schwerpunkt der Lebensverhältnisse besteht. (Rn. 25)
2. Die Dauer des Auslandsaufenthalts ist nicht unmittelbares und alleiniges Kriterium für die Beurteilung; feste zeitliche Grenzen existieren nicht. Sie geht vielmehr als wichtiger Gesichtspunkt in eine Abwägung aller Umstände ein. (Rn. 32)

Verfahrensgang

S 37 EG 230/14 2016-05-10 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Denn zutreffend hat der Beklagte die Gewährung von Elterngeld abgelehnt.
Streitgegenstand der hier vorliegenden kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der Bescheid des Beklagten vom 18.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.11.2014. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage und Berufung eine Verurteilung des Beklagten zur Leistung von Elterngeld dem Grunde nach. Dementsprechend ist der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens beschränkt.
Der geltend gemachte Anspruch auf Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate von A. steht der Klägerin, wie der Beklagte und das Sozialgericht zutreffend entschieden haben, in der Tat nicht zu. Denn es fehlt am Vorliegen derjenigen Tatbestandsvoraussetzung, die eine räumliche Beziehung der Betreuung und Erziehung des Kindes zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verlangen.
1. Die Leistungsvoraussetzungen dem Grunde nach sind im Wesentlichen in § 1 Abs. 1 BEEG in der bis 31.12.2014 geltenden Fassung (aF) statuiert. Nach § 1 Abs. 1 BEEG aF hat Anspruch auf Elterngeld, wer
1.einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Die in Nummer 2 bis 4 genannten Voraussetzungen erfüllte die Klägerin zweifellos. Sie lebte mit A. in einem Haushalt, betreute und erzog sie selbst und übte während des gewünschten Bezugszeitraums keine Erwerbstätigkeit aus (vgl. § 1 Abs. 6 BEEG aF). Ein ordnungsgemäßer Antrag lag vor. Der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 8 BEEG aF ist nicht erfüllt, weil das zu versteuernde Einkommen beider Elternteile zusammen im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt deutlich unter 500.000 EUR blieb. Allerdings hatte die Klägerin während des gesamten Zeitraums vom 02.08.2013 bis 01.08.2014 weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, wie es Nummer 1 verlangt.
a) Ein Wohnsitz in Deutschland war während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht vorhanden. Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I, der gemäß § 37 Satz 1, § 68 Nr. 15a SGB I grundsätzlich auch für das Elterngeldrecht gilt, hat jemand den Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Eng am Wortlaut orientiert, muss im ersten Schritt eine vorwiegend objektive Tatsache festgestellt werden, nämlich das Innehaben einer Wohnung. Das Innehaben einer Wohnung fällt nicht dadurch weg, dass sich der Betroffene vom Ort des Wohnsitzes entfernt. Zum Zweiten bedarf es objektiver, aber auch subjektiver Umstände, welche die Beziehung des Betroffenen zu einer Wohnung definieren. Und drittens müssen die im zweiten Schritt ermittelten Tatsachen den prognostischen Schluss zulassen, dass eine Beibehaltung und Benutzung der Wohnung erfolgen wird. Die Benutzung muss ihrer Qualität nach so sein, dass dort der Lebensmittelpunkt liegt.
Die Rechtsprechung des BSG baut zumeist nicht auf dieser Strukturierung auf. Vielmehr nimmt das BSG häufig eine Gesamtbetrachtung vor (Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, vgl. nur Urteil vom 30.09.1996 – 10 RKg 29/95; Urteil vom 31.10.2012 – B 13 R 1/12 R; Urteil vom 17.12.2014 – B 8 SO 19/13 R) und hat dazu seinerseits Obersätze entwickelt. Bei der Analyse dieser Rechtsprechung muss beachtet werden, dass die generelle Aussagekraft der Judikate eingeschränkt ist. Denn die Rechtsfindung zeigt sich im hier vorliegenden Problembereich sehr einzelfallabhängig, was nicht zuletzt auf der Methodik einer Gesamtbetrachtung und Gesamtbeurteilung aller relevanten Aspekte beruht. Falsch wäre daher, im Rahmen der Rechtsprechungsexegese Aussagen des BSG ohne Ansehen des konkreten Sachverhalts zu verallgemeinern. Hinzu kommt, dass die Voraussetzungen für die Neubegründung eines Wohnsitzes anders zu beurteilen sein werden als die – und das ist auch hier das Problem – für die Beibehaltung beziehungsweise Aufgabe eines einmal begründeten Wohnsitzes (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.1988 – 10 RKg 4/87).
Trotzdem lassen sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewisse Fixpunkte für die Prüfung entnehmen:
* Seit 1984 (Urteil vom 12.12.1984 – 10 RKg 6/84) ist es ständige BSG-Rechtsprechung, dass trotz Begründung eines ausländischen Wohnsitzes ein inländischer beibehalten werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass die inländische Wohnung jederzeit zur Verfügung steht und auch benutzt wird.
* Gleichsam ist seit 1985 (Urteil vom 10.12.1985 – 10 RKg 14/85) ständige BSG-Rechtsprechung, dass es bei der Beurteilung des Wohnsitzes auf den Lebensmittelpunkt („Schwerpunkt der Lebensverhältnisse“, vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2013 – B 11 AL 5/12 R) ankommt: Die Unterhaltung eines Wohnsitzes erfordert ein reales Verhalten in Bezug auf einen Lebensmittelpunkt.
Auch der für das Elterngeldrecht zuständige 10. Senat des BSG hat verallgemeinerungsfähige Vorgaben für die Prüfung des Wohnsitzes geliefert. So hat er im Urteil vom 20.12.2012 – B 10 EG 16/11 R judiziert, der bloße Besitz einer Wohnung reiche nicht aus. Vielmehr müsse eine ausreichende Benutzung hinzukommen. Da ein Wohnsitz auch dann gegeben sein könne, wenn eine Wohnung nicht ständig benutzt werde, könne eine Person auch mehrere Wohnsitze haben. Gemäß dem Urteil des 10. Senats des BSG vom 03.12.2009 – B 10 EG 6/08 R soll entscheidend sein, ob ein an den objektiven Verhältnissen zu messender realisierbarer Wille vorhanden sei, an einem bestimmten Ort zu wohnen. In der gleichen Entscheidung wurde unterstrichen, das Vorliegen eines Wohnsitzes sei im Weg der vorausschauenden Betrachtung (Prognose) zu beurteilen.
Im vorliegenden Verfahren haben sich die Beteiligten intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob und inwieweit feste zeitliche Vorgaben existieren, welche Dauer eines Auslandsaufenthalts „wohnsitzschädlich“ sein könnte. Bei der Auswertung der hierzu ergangenen BSG-Rechtsprechung besteht das oben erwähnte Erfordernis, sich der Vergleichbarkeit der Sachverhalte genau zu vergewissern, im Besonderen. So ist es im Hinblick auf das Weiterbestehen eines Wohnsitzes im Inland höchst signifikant, ob die gesamte Familie im Ausland lebt oder aber nur ein Mitglied, während der Rest der Familie im Inland am Wohnsitz zurückgeblieben ist. Aus diesem Grund dürfen gerade zahlreiche BSG-Entscheidungen zum Kindergeldrecht nur mit großer Zurückhaltung als Quelle der Rechtsfindung herangezogen werden; häufig lag dort die Konstellation zugrunde, dass lediglich das Kind im Ausland lebte (vor allem zum Zweck einer Schul- oder Hochschulausbildung), nicht aber der Rest der Familie. Für den vorliegenden Fall sind dagegen nur diejenigen BSG-Entscheidungen von Interesse, bei denen sich die ganze Familie ins Ausland begeben hatte.
Die im Sachverhalt mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren BSG-Entscheidungen könnten auf den ersten Blick tatsächlich den Eindruck entstehen lassen, es existiere eine zeitliche Grenze, unterhalb der ein Auslandsaufenthalt nicht im Stande sei, den Wohnsitz im Inland zu tangieren. So hat der 10. Senat des BSG im Urteil vom 20.12.2012 – B 10 EG 16/11 R ausgeführt, wer sich bei einer mehrjährigen Auslandsbeschäftigung in seiner beibehaltenen Wohnung nur noch im Urlaub aufhalte, habe keinen Wohnsitz im Inland mehr. Die Wohnung bilde für ihn dann keinen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse. Dies gelte jedenfalls dann, wenn jemand bereits seit mindestens sechs Jahren im Ausland lebe und arbeite, die inländische Wohnung jedoch nur wenige Wochen im Jahr vorübergehend bewohne. Das Abstellen des BSG auf die mehrjährige Dauer des Auslandsaufenthalts mag Mancher als Ausdruck einer konkreten zeitlichen Untergrenze auffassen. Hinzu kommt, dass zahlreichen weiteren BSG-Entscheidungen, die vom Sachverhalt her ähnlich gelagert waren (Urteil vom 27.04.1978 – 8 RKg 2/77; Urteil vom 26.07.1979 – 8b RKg 12/78; Urteil vom 28.02.1980 – 8b RKg 6/79; Urteil vom 07.09.1988 – 10 RKg 4/87; Urteil vom 03.11.1993 – 14b REg 5/93), von vornherein längere Auslandsaufenthalte zugrunde lagen.
Nichtsdestotrotz proklamiert keines der genannten BSG-Urteile eine fixe zeitliche Untergrenze. Der Duktus der Judikate zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass „jedenfalls“ bei einer Dauer des Auslandsaufenthalts wie im jeweiligen konkreten Fall kein Wohnsitz mehr im Inland bestünde. Und auch das BSG-Urteil vom 20.12.2012 – B 10 EG 16/11 R enthält nicht die Aussage, ein nur einjähriger Auslandsaufenthalt könne keinesfalls den inländischen Wohnsitz entfallen lassen.
Hohe Aussagekraft haben die Beteiligten, aber auch das Sozialgericht, dem BSG-Urteil vom 28.05.1997 – 14/10 RKg 14/94 beigemessen, obwohl es sich dabei just um einen derjenigen Kindergeldfälle handelte, wo sich lediglich das Kind im Ausland zu Studienzwecken aufhielt, die Familie dagegen in Deutschland geblieben war. Das BSG entschied, bei Auslandsaufenthalten, die auf eine Dauer von nicht mehr als einem Jahr angelegt seien, könne im Regelfall davon ausgegangen werden, dass ein Schwerpunkt der Lebensverhältnisse weiterhin am bisherigen Wohnort liege, sofern Vorsorge dafür getroffen sei, dass eine dauerhafte Rückkehr in die Wohnung jederzeit möglich sei. Ansonsten aber, also bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten, reichten die Feststellung der Rückkehrabsicht und der Möglichkeit der jederzeitigen Rückkehr in die Wohnung allein nicht aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen.
Obwohl diese Aussagen des BSG allgemeine Geltung zu beanspruchen scheinen, sieht der Senat im vorliegenden Fall davon ab, die im BSG-Urteil vom 28.05.1997 genannte Zeitschwelle von einem Jahr zu verabsolutieren. Würde man die Jahresgrenze als „hartes Kriterium“ heranziehen, würde sich die Folgefrage stellen, aus welcher Perspektive zu beurteilen ist, ob die Jahresgrenze überschritten ist oder nicht. Das Sozialgericht hat sich in seiner Begründung explizit damit befasst. Es hat gemeint, maßgebender Beurteilungszeitpunkt sei der der Behördenentscheidung. Auf diese Weise hat es die Verlängerungsphase in die maßgebende Dauer des Auslandsaufenthalts einbezogen und ist so zu einer Überschreitung der Jahresgrenze gekommen. Die Klägerin vertritt dagegen die Ansicht, die Prognose müsse aus der Perspektive eines früheren Zeitpunkts getroffen werden, zu dem die Verlängerung bis Oktober 2014 noch nicht absehbar gewesen sei. Hält man wie der Senat nicht die Auffassung des Sozialgerichts, sondern die der Klägerin für richtig (im BSG-Urteil vom 31.10.2012 – B 13 R 1/12 R scheint der „Beginn des entscheidungserheblichen Zeitraums“ als maßgeblich erachtet worden zu sein), wäre es sogar vorstellbar, zu einem „geteilten“ Ergebnis zu kommen: Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Verlängerung absehbar war, könnte man noch einen Wohnsitz in Deutschland annehmen, für die Zeit danach dagegen nicht mehr (in diese Richtung wohl BSG, Urteil vom 12.12.1995 – 10 RKg 7/95).
Der Senat muss sich nicht auf solche Überlegungen einlassen, weil er die Dauer des Auslandsaufenthalts zwar als wichtigen Aspekt und Anhaltspunkt im Rahmen der Gesamtbetrachtung ansieht, der vom BSG thematisierten Jahresgrenze aber keine Verbindlichkeit unabhängig von anderen relevanten Gesichtspunkten beimisst. Das gilt umso mehr, als das BSG wiederholt ausdrücklich betont hat, feste zeitliche Grenzen könne es nicht geben (vgl. Urteil vom 25.06.1987 – 11a REg 1/87; Urteil vom 30.09.1996 – 10 RKg 29/95; Urteil vom 31.10.2012 – B 13 R 1/12 R). Vielmehr verwendet der Senat das Kriterium „Schwerpunkt der Lebensverhältnisse“ als Ausgangs- und Angelpunkt der Rechtsfindung. Über die bloße räumliche Bleibe hinaus umfasst der Wohnsitzbegriff den räumlichen Bereich, in dem jemand den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.1996 – 10 RKg 29/95). Mittels einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände ist ähnlich einer Abwägung festzustellen, wo der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse liegt. Hier kommt der Senat zum Ergebnis, dass der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse sich im streitgegenständlichen Zeitraum in China befand (dazu unten aa). Währenddessen, und zwar schon von Beginn des Auslandsaufenthalts an, gab es keinen zweiten Schwerpunkt mehr in Deutschland (dazu unten bb). Von daher existierte damals kein Wohnsitz im Sinn von § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I in Deutschland.
aa) Dass die Familie mit der Ankunft in China Anfang Juli 2013 dort einen Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse begründete, kann nicht wirklich bezweifelt werden. Der Umstand, dass der Umzug mit vergleichsweise wenig Gepäck und Umzugsgut erfolgt war, ist angesichts der schieren Entfernung nicht wirklich von Belang. Die Familie hatte in China eine eigene Wohnung. Auch wenn die Bleibe möbliert war, so handelte es sich doch eindeutig nicht um eine „hotelmäßige“ Unterbringung. Die Familie lebte dort so, wie man es eben zuhause tut. Sie hatte sich dort „eingerichtet“ (was sich nicht auf das Mobiliar, sondern auf das Leben überhaupt bezieht). Sie war für ihre Versorgung im weiteren Sinn (z.B. Lebensmittel, Essenszubereitung, Wäsche, Reinigung der Wohnung) selbst verantwortlich. Dass die Wohnung nur wenig individuell ausgestattet wurde, vermag nicht, diesen Eindruck in Frage zu stellen. Die Familie lebte ihr Leben in China in all seinen Facetten, was einen fundamentalen Unterschied beispielsweise zu einem längeren Urlaubsaufenthalt im Ausland bedeutet. So ging sie von der chinesischen Wohnung aus ihrer Erwerbstätigkeit nach und verdiente damit den Lebensunterhalt. Dabei ist von großer Wichtigkeit, dass der Ehemann der Klägerin durch die arbeitsvertraglichen Regelungen an den Aufenthalt in China rechtlich gebunden war (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.1980 – 8b RKg 6/79; Urteil vom 28.05.1997 – 14/10 RKg 14/94). Nicht zuletzt wurde in China das erste Kind geboren und in seiner ersten, für die weitere Persönlichkeitsentwicklung überaus wichtigen Lebensphase vom Säugling zum Kleinkind betreut und erzogen; diesen Umstand hält der Senat für besonders einschneidend.
Der Umstand, dass der Aufenthalt von vornherein nur für eine überschaubare Zeit geplant war, tut dem keinen Abbruch. An dieser Stelle sei angemerkt, dass, auch wenn bei Ex-ante-Betrachtung der Aufenthalt in China auf ein Jahr angelegt war, eine Verlängerung schon von Anfang an im Bereich des Möglichen lag. Die zuständige Personalreferentin der B. AG hat dem Senatsvorsitzenden telefonisch mitgeteilt, dass in vergleichbaren Situationen Verlängerungen keineswegs selten seien; dessen waren sich auch die Klägerin und ihr Ehemann bewusst. Konkret wies der vom Kläger geschlossene Global Assignment Vertrag in dessen Nr. 8.7 sogar auf die Option einer Verlängerung hin. Auch wenn nach der schriftlichen Auskunft der B. AG gerade im Fall des Klägers anfänglich keine allzu hohe Wahrscheinlichkeit für eine Verlängerung bestanden haben mag, so muss doch konstatiert werden, dass die Dauer von einem Jahr nicht fix war.
Ein Wohnsitz wird nicht nur dann begründet, wenn dessen spätere Aufgabe nicht absehbar ist. Auch Aufenthalte mit absehbarer oder definitiv feststehender Rückkehr können geeignet sein, einen Wohnsitz zu begründen, sofern nur wie hier das Leben der Betroffenen in all seinen Ausprägungen verlagert wird. Andererseits setzt die Wohnsitzbegründung sehr wohl voraus, dass der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht nur für kurze Zeit im Ausland liegt; die Schwerpunktnahme darf nicht nur vorübergehend sein (so BSG, Urteil vom 27.09.1990 – 4 REg 30/98). Die im vorliegenden Fall prognostizierbare Dauer des Aufenthalts in China war nicht in diesem Sinn kurz oder vorübergehend. Vielmehr war klar, dass man mindestens ein Jahr in China bleiben und dort das Leben in allen Facetten verbringen werde. Der Chinaaufenthalt erschien nicht nur als ferienähnliches Intermezzo. Die im Fall der Klägerin prognostisch festzustellende Dauer des Auslandsaufenthalts von zunächst einem Jahr darf nicht unterschätzt werden. Auch wenn das BSG wiederholt darauf hingewiesen hat, die Regelung des § 9 der Abgabenordnung (AO), die eine zeitliche Grenze von sechs Monaten vorsieht, sei ein Spezifikum des Steuerrechts und dürfe nicht auf das Sozialrecht übertragen werden (grundlegend Urteil vom 22.03.1988 – 8/5a RKn 11/87; vgl. auch Urteil vom 31.10.2012 – B 13 R 1/12 R), und auch wenn § 9 AO für das Steuerrecht den gewöhnlichen Aufenthalt und nicht den Wohnsitz regelt, so indiziert die Norm gleichwohl, dass es nicht abwegig ist, auch eine kürzere Aufenthaltsdauer als die im Urteil vom 20.12.2012 genannte „mehrjährige“ für eine Wohnsitzbegründung im Ausland genügen zu lassen.
Der Einwand der Klägerin, sie selbst sei nicht in gleicher Weise wie ihr Mann an China gebunden gewesen, sie habe sogar überlegt, mit A. vorzeitig nach Deutschland zurückzukehren, ist unerheblich. Stellt man nämlich im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung richtiger Weise auf die Verhältnisse zu Beginn des Chinaaufenthalts ab, darf nicht übersehen werden, dass es der Klägerin gerade auf die Herstellung der familiären Gemeinschaft ankam; das überhaupt war für sie der Grund, ihren Ehemann zu begleiten. Die Herstellung der familiären Gemeinschaft stellte für sie das Leitmotiv dar, an das sie sich gebunden fühlte. Dass dann möglicherweise im Lauf der Zeit Rückkehrgedanken aufgekommen sein mögen, spielt bei der gebotenen Ex-ante-Betrachtung keine Rolle. Die Gebundenheit an die Familie war für die Klägerin in vergleichbarer Weise verpflichtend wie der berufliche Aspekt für ihren Ehemann. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Klägerin letztlich sogar in die Verlängerung einwilligte und während der gesamten Verlängerungsphase in China geblieben war. Die Tendenz zu einer vorzeitigen Rückkehr war also nicht wirklich tiefgreifend.
bb) Zeitgleich mit der Begründung eines Wohnsitzes in China fiel der bisherige Wohnsitz in Deutschland weg. Der Senat vermag somit nicht den Ausnahmefall festzustellen, dass zwei Wohnsitze gleichzeitig vorhanden waren (vgl. dazu BSG, Urteil vom 20.12.2012 – B 10 EG 16/11 R).
Im Einzelfall können allerdings zwei Wohnsitze nebeneinander bestehen, wenn nach den äußeren Umständen der Lebensmittelpunkt zeitlich und örtlich zwei Wohnungen in verschiedenen Orten zuzuordnen ist und so zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse gebildet worden sind. Das kann aber nur dann in Betracht gezogen werden, wenn bei einem Auslandsaufenthalt die bisherige Wohnung im Inland bei prognostischer Beurteilung weiter benutzt wird; dieses Erfordernis ist in § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I verankert und entspricht ständiger BSG-Rechtsprechung (vgl. nur BSG, Urteil vom 12.12.1984 – 10 RKg 6/84; Urteil vom 07.09.1988 – 10 RKg 4/87). Der bloße Besitz einer Wohnung genügt nicht (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2012 – B 10 EG 16/11 R).
„Benutzen“ ist hier in einem spezifisch rechtlichen Sinn zu interpretieren. Dabei handelt es sich um einen vielschichtigen Begriff. So könnte man „Benutzen“ ganz konkret verstehen: Man benutzt die Wohnung, solange man sich dort aufhält. Man benutzt sie aber beispielsweise nicht mehr während einer urlaubsbedingten oder sonstigen Abwesenheit. Im Kontext von § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I bedarf es dagegen eines abstrakteren Verständnisses des Tatbestandsmerkmals Benutzen. So hat das BSG im Urteil vom 20.12.2012 – B 10 EG 16/11 R ausgeführt, ein Wohnsitz sei auch dann gegeben, wenn eine Wohnung nicht ständig benutzt werde. Die für die Aufrechterhaltung des Wohnsitzes erforderliche Benutzung ist also eine andere als diejenige, die als „tatsächliche Anwesenheit“ definiert wird. Ein mehrwöchiger Urlaub beendet die im Gesetz verankerte, weiter zu interpretierende „Benutzung“ nicht. Diese abstraktere Form der Benutzung endet vielmehr erst dann, wenn die Wohnung das aufhört zu sein, was sie eigentlich ist: der Lebensmittelpunkt. Der Wohnsitz wird dann beseitigt, wenn eine Abwesenheit so gestaltet ist, dass bei wertender Betrachtung die Wohnung ihre Funktion als räumlicher Lebensmittelpunkt einbüßt.
Das war hier im Hinblick auf die Wohnung in G. der Fall, als die Familie im Juli 2013 nach China reiste. So wie ab diesem Zeitpunkt der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse in China begründet wurde, wurde er von der deutschen Wohnung wegverlagert. Die Wohnung in Deutschland hat der Klägerin nicht in der Weise als Bleibe gedient, dass diese sie regelmäßig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit benutzt – hier ist gemeint im konkreten Sinn – hätte (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1984 – 10 RKg 6/84). Notwendig wäre eine „horizontale“ Aufteilung der Lebensverhältnisse dergestalt gewesen, dass das alltägliche Leben sowohl in China als auch in Deutschland stattgefunden hätte; in der BSG-Rechtsprechung wird diesbezüglich von einem „zwischenzeitlichen Wohnen“ gesprochen (BSG, Urteil vom 24.06.1998 – B 14 KG 2/98 R). Daran fehlte es. Dass die Wohnung in G. zur sofortigen, zäsurlosen Benutzung zur Verfügung stand, genügt nicht. Der kurze Besuch der Klägerin in Deutschland ist nicht geeignet, eine Benutzung dergestalt zu erzeugen, dass auch von einem „Leben“ in Deutschland gesprochen werden könnte (vgl. zur Insuffizienz bloßer besuchsweiser Aufenthalte BSG, Urteil vom 28.05.1997 – 14/10 RKg 14/94). Die etwas häufigeren beruflichen Aufenthalte des Ehemanns in Deutschland vermitteln der Klägerin keine engere Bindung zu der Wohnung in G..
Die BSG-Rechtsprechung verzichtet auf eine tatsächliche Benutzung der inländischen Wohnung dann, wenn Vorsorge getroffen ist, dass eine dauerhafte Rückkehr in die Wohnung jederzeit möglich ist (vgl. Urteil vom 03.11.1993 – 14b REg 5/93; Urteil vom 28.05.1997 – 14/10 RKg 14/94). Im vorliegenden Fall bestand gerade nicht die Möglichkeit einer jederzeitigen Rückkehr in die Wohnung in G.. Denn der Ehemann der Klägerin war arbeitsrechtlich an die Volksrepublik China gebunden, die Klägerin ihrerseits dadurch, dass sie die Familiengemeinschaft aufrechterhalten wollte. Diese Art der Bindung schließt die jederzeitige Rückkehrmöglichkeit aus (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.1980 – 8b RKg 6/79 in Abgrenzung zu BSG, Urteil vom 26.07.1979 – 8b RKg 12/78; vgl. weiter BSG, Urteil vom 07.09.1988 – 10 RKg 4/87).
Der Aufenthalt in China, und damit die Abwesenheit von Deutschland, war auch nicht zu kurz, um die Eigenschaft der Wohnung in G. als Wohnsitz zu beseitigen. Indes leuchtet ein, dass insoweit auch die Dauer eines Auslandsaufenthalts berücksichtigt werden muss (vgl. BSG, Urteil vom 22.05.1984 – 10 RKg 3/83). So hat das BSG schon früh klargestellt, dass eine kurzfristige und unbeachtliche Unterbrechung eines sonst andauernden Zustands an der Wohnsitzeigenschaft nicht zu rütteln vermag. Durch eine vorübergehende Unterbrechung im Innehaben einer inländischen Wohnung wird der inländische Wohnsitz nicht beendet, falls die Umstände bestehen bleiben, die auf die Beibehaltung einer Wohnung im Inland schließen lassen (vgl. Urteil vom 27.04.1978 – 8 RKg 2/77). Das lässt sich im vorliegenden Fall nicht feststellen. Die gleichen Gründe, derentwegen der Aufenthalt in China nicht nur ein unbeachtlicher kurzer, vorübergehender war (vgl. dazu oben aa), bewirken, dass das Verlassen der Wohnung in G. seinerseits nicht nur als vorübergehend einzustufen ist. Dass eine Rückkehr definitiv beabsichtigt war, ändert daran nichts. Bei wertender Betrachtung vermag der Senat auch nicht den Eindruck zu gewinnen, das Wohnen in G. habe – auf welche Weise auch immer – „angedauert“; denn während der streitigen Phase lag der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse ausschließlich in China.
b) Während der Phase 02.08.2013 bis 01.08.2014 hatte die Klägerin auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.
Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I, der gemäß § 37 Satz 1, § 68 Nr. 15a SGB I grundsätzlich auch für das Elterngeldrecht gilt, hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Nach der BSG-Rechtsprechung (Urteil vom 16.06.2015 – B 13 R 36/13 R) ist die Frage des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts anhand einer dreistufigen Prüfung zu klären. Ausgangspunkt ist ein „Aufenthalt“. Sodann müssen die mit dem Aufenthalt verbundenen „Umstände“ festgestellt werden. Diese sind schließlich daraufhin zu würdigen, ob sie „erkennen lassen“, dass der Betreffende am Aufenthaltsort oder im Aufenthaltsgebiet „nicht nur vorübergehend“ verweilt. Ob jemand sich gewöhnlich an einem Ort oder in einem Gebiet aufhält oder nur vorübergehend dort verweilt, lässt sich ebenso wie beim Wohnsitz nur mittels einer vorausschauenden Betrachtungsweise entscheiden. Diese Prognose bleibt auch dann maßgebend, wenn der „gewöhnliche Aufenthalt“, wie hier, rückblickend zu ermitteln ist. Auch beim gewöhnlichen Aufenthalt muss die Prognose alle mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände berücksichtigen. Anders als beim Wohnsitz kann es jeweils immer nur einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt geben.
Das Tatbestandsmerkmal „Aufenthalt“ darf jedoch ebenso wie „Benutzung“ nicht zu konkret verstanden werden. Denn ein gewöhnlicher Aufenthalt erfordert nicht, dass man „nie abwesend“ ist. Voraussetzung ist keine Lückenlosigkeit des Aufenthalts, sondern nur eine gewisse Stetigkeit und Regelmäßigkeit (BSG, Urteil vom 31.10.2012 – B 13 R 1/12 R). Mit dem Verlassen der Wohnung in G. im Juli 2013 wurde hier der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland aber beendet und zeitgleich ein gewöhnlicher Aufenthalt in China begründet. Denn der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse verlagerte sich samt und sonders nach China, was nach der BSG-Rechtsprechung ein gewichtiges Indiz für einen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 31.10.2012 – B 13 R 1/12 R). Die prognostische Aufenthaltsdauer von einem Jahr war auch lang genug, um nicht nur als „vorübergehend“ im Sinn von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I zu erscheinen.
Denn ein Aufenthalt muss, um gewöhnlicher zu sein, nicht dauerhaft (unbegrenzt) sein (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2013 – B 13 R 9/13 R). Es schadet auch nicht, dass ein konkreter Zeitpunkt der Rückkehr schon von Anfang an absehbar war. Maßgebend ist vielmehr die Abgrenzung des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinn von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I vom lediglich „vorübergehenden Verweilen“ beziehungsweise vom „vorübergehenden Aufenthalt“. Die „Zukunftsoffenheit“, die in der BSG-Rechtsprechung als Voraussetzung eines gewöhnlichen Aufenthalts verlangt wird (vgl. nur Urteil vom 17.12.2014 – B 8 SO 19/13 R; Urteil vom 31.10.2012 – B 13 R 1/12 R), hat dagegen weder die normative Funktion noch die normative Potenz, von vornherein zeitlich begrenzte Aufenthalte als „gewöhnliche“ Aufenthalte auszuschließen. Sie dient nur dazu, bei Fallgestaltungen, bei denen der Aufenthalt tatsächlich häufig unterbrochen ist und dadurch „verwässert“ erscheint, gleichwohl einen gewöhnlichen Aufenthalt identifizieren zu können (so z.B. BSG, Urteil vom 13.02.2014 – B 8 SO 11/12 R; Urteil vom 17.12.2014 – B 8 SO 19/13 R). Bei festgestellter Zukunftsoffenheit ist trotz extensiver tatsächlicher Abwesenheiten ein gewöhnlicher Aufenthalt vorhanden.
Der Aufenthalt muss sich lediglich als „bis auf weiteres“ bestehend darstellen. Der Senat bejaht dies im vorliegenden Fall. Dass die Dauer des Aufenthalts in der Volksrepublik China von vornherein begrenzt und eine Rückkehr nach Deutschland sicher war, vermag nichts zu ändern. Denn die Familie verbrachte während der Zeit in China ihr Leben dort in allen Facetten und ohne „Residuen“ in Deutschland; diese komplette Hinwendung zu China muss das Erfordernis der Zukunftsoffenheit relativieren. Angesichts dessen war in China prognostisch zu verbringende Zeit lang genug, um nicht nur als unerhebliches Intermezzo zu erscheinen. Bei wertender Betrachtung lief der Chinaaufenthalt nicht neben einem parallel bestehenden Aufenthalt in Deutschland her. Der Aufenthalt in China löste vielmehr den in Deutschland komplett ab, wurde dann aber im Oktober 2014 seinerseits wieder vollständig durch den Aufenthalt in Deutschland abgelöst.
2. Das Fehlen der Leistungsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 BEEG aF kann auch nicht über § 1 Abs. 2 BEEG aF aufgefangen werden.
Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BEEG aF hat Anspruch auf Elterngeld auch, wer, ohne einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland zu haben, nach § 4 des Sozialgesetzbuchs Viertes Buch (SGB IV) dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt. Das gilt nach § 1 Abs. 2 Satz 2 BEEG aF auch für mit der nach Satz 1 Nr. 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten.
Der Ehemann der Klägerin unterlag während seines China-Aufenthalts nicht nach § 4 SGB IV dem deutschen Sozialversicherungsrecht, was sich aufgrund von § 1 Abs. 2 Satz 2 BEEG aF auf die Klägerin rechtlich auswirkt. Denn die Voraussetzungen für eine Ausstrahlung des deutschen Sozialversicherungsrecht bei Entsendungen liegen nicht vor.
§ 4 SGB IV lautet:
(1) Soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, gelten sie auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.
(2) Für Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, gilt Absatz 1 entsprechend.
Der Ehemann der Klägerin arbeitete in China nicht im Rahmen seines deutschen Beschäftigungsverhältnisses, wie es § 4 Abs. 1 SGB IV verlangt. Dieses Ergebnis folgt zwanglos und eindeutig aus dem BSG-Urteil vom 24.06.2010 – B 10 EG 12/09 R. Zwar erging diese Entscheidung noch zum Bundeserziehungsgeld. Jedoch war die damalige Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) mit dem im vorliegenden Fall anwendbaren § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BEEG aF identisch. Wesentlich ist insoweit, dass beide Vorschriften ausdrücklich auf § 4 SGB IV abstellen und damit die Elterngeldberechtigung von der sozialversicherungsrechtlichen Ausstrahlungswirkung abhängig machen. Das war allerdings nicht immer so. Zum 01.01.2001 hatte der Gesetzgeber in Abkehr von der bisherigen Regelung erstmals auf die Ausstrahlung gemäß § 4 SGB IV abgestellt. Das vorher geltende Recht hatte dagegen an die Rechtslage im Kindergeldrecht angeknüpft und als anspruchsvermittelndes Tatbestandsmerkmal lediglich „entsandt“ statuiert, ohne dabei § 4 SGB IV in Bezug zu nehmen. Zu dieser alten Rechtslage hatte das BSG noch entschieden, ein so genanntes Rumpfarbeitsverhältnis würde genügen, um einen Elterngeldanspruch zu generieren.
Für die ab 01.01.2001 geltende Rechtslage, die sich wie gesagt mit der aktuellen deckt, rückte das BSG im Urteil vom 24.06.2010 indes davon ab. Angesichts der normativen Einbeziehung von § 4 SGB IV ließ das BSG ein Rumpfarbeitsverhältnis nicht mehr genügen. Unter dem neuen Recht vermochte die Entsendung nur dann einen Anspruch auf Erziehungsgeld zu vermitteln, wenn sie sich im Rahmen eines deutschen Beschäftigungsverhältnisses vollzog. Ein Rumpfarbeitsverhältnis wurde nach Ansicht des BSG dem nicht gerecht, weil es gerade keinen Rahmen für die Auslandstätigkeit bildete.
In dem vom BSG entschiedenen Fall hatte sich dieses Rumpfarbeitsverhältnis dadurch ausgezeichnet, dass für die Tätigkeit im Ausland ein neues Beschäftigungsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber begründet worden war, dass die Hauptpflichten aus dem mit dem deutschen Arbeitgeber geschlossenen Vertrag ruhten, dass dieser Vertrag erst nach der Rückkehr nach Deutschland wieder seine volle Wirksamkeit entfalten sollte und dass im Zeitraum der befristeten Versetzung ins Ausland die Arbeitgeberfunktion, insbesondere die Weisungsbefugnis, auf den ausländischen Arbeitgeber übergingen. Diese Verhältnisse decken sich eins zu eins mit den hier vorliegenden, so dass auch hier von einem bloßen Rumpfarbeitsverhältnis auszugehen ist, das nicht im Stande ist, die Tätigkeit in China als im Rahmen des deutschen Beschäftigungsverhältnisses geleistet erscheinen zu lassen; die verbliebe Restbindung an die B. AG reicht nicht aus, um anderes zu bewirken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sieht (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).


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