Arbeitsrecht

Festsetzung einer Widerspruchsgebühr

Aktenzeichen  M 30 K 16.5295

Datum:
27.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30600
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKG Art. 6 Abs. 2 S. 1, Art. 9 Abs. 1 S. 6
BayVwVfG Art. 39 Abs. 1 S. 2
VwGO § 114

 

Leitsatz

Grundsätzlich genügt es zur Begründung einer Gebührenfestsetzung, dass die Gebührenhöhe unter Angabe der einschlägigen Bestimmungen des Kostengesetzes mit dem verbundenen Verwaltungsaufwand aller beteiligten Stellen und der Bedeutung der Angelegenheit für den Gebührenschuldner begründet wird. Dem genügt es aber nicht, wenn die einschlägigen Bemessungsgrundlagen nicht oder nur pauschal genannt werden. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 3. Dezember 2015 in der Gestalt des Abänderungsbescheids vom 23. November 2016 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Gebühr in Höhe von … Euro festgesetzt wird.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, da die Beteiligten ihr Einverständnis erteilt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Nach Trennung des Verfahrens ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens das Begehren der Klägerin auf Aufhebung der Gebührenfestsetzung in Nr. 3 des Widerspruchsbescheids.
Die zulässige Anfechtungsklage gegen die Widerspruchsgebühr in Nr. 3 des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2015 in der geänderten Fassung des Bescheides vom 23. November 2016 hat in der Sache Erfolg. Soweit im Bescheid eine Gebühr in Höhe von … Euro festgesetzt wird, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Da der Widerspruch der Klägerin erfolglos geblieben ist, hat sie die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BayVwVfG). Kosten für Amtshandlungen werden von den staatlichen Behörden nach dem Kostengesetz erhoben, vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG.
Aufgrund des ausdrücklichen Antrags der Klägerin, den Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2015 in der Gestalt des Abänderungsbescheids vom 23. November 2016 insoweit aufzuheben, als eine Gebühr für den Erlass des Widerspruchsbescheids festgesetzt wird, betrifft die vorliegende Klage lediglich die im Bescheid festgesetzte Gebühr, nicht jedoch die ebenfalls in Nr. 3 des Bescheids festgesetzten Auslagen in Höhe von … Euro für die Postzustellungsurkunde, welche nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG von der Klägerin gefordert werden können.
Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Widerspruchsgebühr ist Art. 9 Abs. 1 Satz 6 KG. Demnach beträgt bei einem Widerspruch, der sich allein gegen die Festsetzung öffentlicher Abgaben, insbesondere gegen eine Entscheidung über Kosten, Benutzungsgebühren oder Beiträge, richtet, die Gebühr bis zur Hälfte des angefochtenen Betrags, mindestens aber zehn Euro. Bei der Ermittlung der Gebühr innerhalb eines Rahmens sind gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 KG der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand aller beteiligten Behörden und Stellen und die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten zu berücksichtigen. Die Regelung räumt der die Gebühr festsetzenden Behörde mithin einen Ermessensspielraum ein. Nach
§ 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht in einem derartigen Fall, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Dies bedeutet, dass das Gericht lediglich überprüfen darf, ob Ermessensfehler vorliegen.
Eine Ermessensentscheidung verlangt eine Abwägung der konkreten Verhältnisse des Einzelfalls gegen- und untereinander. Fehlt eine solche Abwägung (Ermessensausfall) bzw. liegen Abwägungsfehler vor, ist ein Verwaltungsakt grundsätzlich schon deshalb als rechtswidrig und rechtsverletzend aufzuheben (vgl. Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 34. EL Mai 2018, Rn. 11).
Nach diesem Maßstab ist die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von … Euro rechtswidrig.
Zwar ist vorliegend der Gebührentatbestand erfüllt und die Klägerin auch Schuldnerin der Gebühr, da sie Widerspruch gegen den Bescheid der Landeshauptstadt … eingelegt und damit die gebührenpflichtige Amtshandlung veranlasst hat (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG). Die festgesetzte Gebühr hält sich auch innerhalb des von Art. 9 Abs. 1 Satz 6 KG vorgegebenen Rahmens. Überdies greift der von der Klägerin getätigte Vergleich der Widerspruchsgebühr mit den anfallenden Gerichtskosten nicht durch, da die Erhebung und Festsetzung von Gerichtskosten deutliche strukturelle Unterschiede zur Widerspruchsgebühr aufweist (vgl. VGH BW, U.v. 10.9.2001 – 1 S 1596/00 – NVwZ-RR 2002, 411). Insbesondere bemisst sich die festzusetzende Gerichtsgebühr nicht nach dem für die Entscheidung erforderlichen Aufwand.
Allerdings ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte hinsichtlich der Bemessung der Gebühr von dem ihm zustehenden Ermessen in fehlerfreier Weise Gebrauch gemacht hat, was insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes führt.
Entgegen Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG enthalten weder der Widerspruchsbescheid noch der Änderungsbescheid hinreichende Angaben zu den Gründen für die Ermessensentscheidung. Im Änderungsbescheid wird lediglich pauschal und ohne weitere Angabe von Ermessenserwägungen ausgeführt, dass die Höhe der Gebühr angesichts des Verwaltungsaufwandes gerechtfertigt sei. Dies lässt darauf schließen, dass die Behörde das ihr zustehende Ermessen nicht bzw. jedenfalls nicht fehlerfrei ausgeübt hat. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten im Gerichtsverfahren sowie des Inhalts der vorgelegten Behördenakten.
Zwar genügt es grundsätzlich, dass die Gebührenhöhe unter Angabe der einschlägigen Bestimmungen des Kostengesetzes mit dem mit dem Widerspruchsverfahren verbundenen Verwaltungsaufwand aller beteiligten Stellen und der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger begründet wird (vgl. BayVGH, B.v. 25.5.2016 – 6 ZB 16.94 – juris; VG Bayreuth, U.v. 8.8.2001 – B 4 K 00.161 – juris). Vorliegend werden die Angaben im Widerspruchsbescheid und im Änderungsbescheid jedoch auch diesen Anforderungen nicht gerecht, da die Bemessungsgesichtspunkte für die Gebühr lediglich in einer verkürzenden Form wiedergegeben werden. Im Widerspruchsbescheid wird nur Art. 9 Abs. 1 Satz 6 KG genannt. Der ebenfalls einschlägige Art. 6 Abs. 2 KG bzw. die relevanten Bemessungsgrundlagen für die Gebühr, der Verwaltungsaufwand aller beteiligten Behörden und Stellen und die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten, werden nicht angeführt. Im Änderungsbescheid wird zwar ergänzend ausgeführt, dass die Höhe der Gebühr angesichts des Verwaltungsaufwandes gerechtfertigt sei. Nähere Ausführungen hierzu erfolgen aber nicht. Insbesondere werden wiederum weder Art. 6 Abs. 2 KG noch die weitere Bemessungsgrundlage der Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten erwähnt. Auch im Gerichtsverfahren erfolgten trotz der umfassenden Ausführungen der Klägerin zum Gesichtspunkt der Ermessensausübung keine weiteren Angaben zu Ermessenserwägungen bezüglich der Gebührenhöhe. Vom Beklagten wurden weder Unterlagen bezüglich der Kostenverursachung vorgelegt noch wurden diesbezüglich Angaben hinsichtlich des vorliegenden Falles oder einer bestimmten Verwaltungspraxis der Regierung von Oberbayern betreffend Widerspruchsverfahren in Feuerwehraufwendungsersatzsachen, welche die Bemessung der Gebühr nachvollziehbar hätten machen können, getätigt.
Es kann dahinstehen, ob deshalb bereits davon ausgegangen werden kann, dass tatsächlich keine Abwägung stattgefunden hat, sodass von einem Ermessensausfall auszugehen wäre. Jedenfalls kann die pauschal erfolgte Bestimmung der Gebühr durch Ansatz der in Art. 9 Abs. 1 Satz 6 KG vorgegebenen Höchstgrenze ohne vollständige Angabe der einschlägigen Bestimmungen und Bemessungsgrundlagen nicht als sachgerechte, fehlerfreie Ausübung des Gebührenermessens interpretiert werden. Die Vorgehensweise der Widerspruchsbehörde legt nahe, dass überhaupt nicht auf den konkreten Einzelfall abgestellt wurde.
Da die Gebührenfestsetzung im angefochtenen Bescheid jedenfalls wegen fehlender bzw. fehlerhafter Ermessensausübung aufzuheben ist, kann bezüglich der Höhe der Gebühr die ansonsten relevante Frage offen bleiben, ob diese einen gröblichen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip darstellt, d.h. in einem Missverhältnis zu der von der Verwaltung gebotenen Leistung steht (zum gerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. BVerwG, U.v. 14.4.1967 – IV C 179.65 – juris). Allerdings spricht vorliegend Einiges dafür, dass ein solcher gröblicher Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip gegeben ist. Aus den vorgelegten Behördenakten lässt sich jedenfalls nicht nachvollziehen, dass die Prüfung des Widerspruchs – auch unter Berücksichtigung des Aufwands der Ausgangsbehörde – eine Gebühr am obersten Rand des Gebührenrahmens rechtfertigen würde.
Der Klage war demnach mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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