Arbeitsrecht

Fortführung des Arbeitsverhältnisses unter geänderten Bedingungen

Aktenzeichen  4 Ta 133/18

Datum:
15.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 38158
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 42, § 63, § 68
TzBfG § 8

 

Leitsatz

Verreinbaren die Parteien in einem Bestands- und Beschäftigungsrechtsstreit die Fortführung des Arbeitsverhältnisses über den Zeitpunkt der angegriffenen Kündigung hinaus zu geänderten Arbeitsbedingungen, handelt es sich hierbei um die Beilegung der Streitsache und nicht eines außergerichtlichen Streits der Parteien. Die vereinbarten Vertragsänderungen können zudem nur bis zur Obergrenze des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG in die Streitwertbemessung einfließen.

Verfahrensgang

2 Ca 7078/17 2018-09-03 Bes ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 03.09.2018, Az.: 2 Ca 7078/17, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Der bei der Beklagten seit 01.03.2001 gegen eine Bruttomonatsvergütung von EUR 7.368,86 beschäftigte Kläger hat gegen die ihm ausgesprochene ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2018 Kündigungsschutzklage erhoben, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht und seine tatsächliche Weiterbeschäftigung begehrt.
Die Parteien haben den Rechtsstreit vergleichsweise beigelegt und die Fortführung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.07.2018 zu geänderten Arbeitsbedingungen vereinbart. Von ihnen wurden daneben auch Vergütungsansprüche für die Zeit bis zum 30.06.2018 und die Miterledigung eines weiteren anhängigen Rechtsstreits geregelt (vgl. Bl. 104 – 106 d.A.).
Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 03.09.2018 den Streitwert für das Verfahren auf EUR 29.475,44 (= 4 Bruttomonatsverdienste) und den überschießenden Vergleichswert auf EUR 18.618,86 festgesetzt. Letzteres in Höhe der geregelten Sonderzahlung für das Jahr 2018 und des Wertes des miterledigten Rechtsstreits.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben gegen den ihnen am 04.09.2018 formlos zugeleiteten Beschluss mit Schriftsatz vom 11.09.2018 Beschwerde eingelegt und die Anhebung des Vergleichswertes auf einen Betrag von EUR 65.029,67 begehrt. Die vereinbarten Vertragsänderungen sollten jeweils mit der Dreijahresdifferenz in Ansatz gebracht werden.
Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 11.10.2018 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt EUR 200,-.
Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers können gegen die gerichtliche Festsetzung aus eigenem Recht das Rechtsmittel der Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, da die gerichtliche Gebührenfestsetzung gemäß § 32 Abs. 1 RVG auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend ist.
2. Die Beschwerde ist sachlich nicht begründet.
a) Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag in Ziffer 1 der Klage zutreffend nach § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG bewertet und das Vierteljahreseinkommen des Klägers in Ansatz gebracht.
Vom Erstgericht ist der neben dem Kündigungsschutzantrag geltend gemachte allgemeine Feststellungsantrag zu Recht nicht zusätzlich bewertet worden, denn er hat sich als bloßer Annex des Kündigungsschutzantrages dargestellt und sich nicht auf konkrete weitere Beendigungstatbestände bezogen. (vgl. LAG Nürnberg vom 12.12.2013 – 4 Ta 133/13; vom 15.03.2007 – 4 Ta 43/07, beide n.v., Ziffer I Nr. 17.2 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit).
Der Antrag auf tatsächliche Weiterbeschäftigung ist gemäß Ziffer I Nr. 26 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit mit einer Bruttomonatsvergütung zusätzlich bewertet worden
b) Für die im Vergleich geregelte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen ab dem 01.07.2018 hat das Erstgericht zutreffend keinen überschießenden Vergleichswert festgesetzt. Hierdurch ist nämlich der anhängige Bestands- und Beschäftigungsstreit der Parteien beigelegt worden und kein davon unabhängiger weiterer gerichtlicher oder außergerichtlicher Streit.
Eine Einigungsgebühr für die anwaltliche Tätigkeit fällt gem. Nr. 1000 VV RVG (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages an, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis oder einen Rechtsanspruch beseitigt wird.
Dem tragen die Regelungen für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts in Ziffer I Nr. 25.1 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit Rechnung, wonach ein Vergleichsmehrwert nur festzusetzen ist, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden. Dabei muss gerade über die Frage eines Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die jeweilige Regelung zwischen den Parteien Streit und/oder Ungewissheit bestanden haben; keine Werterhöhung tritt ein, wenn es sich lediglich um eine Gegenleistung zur Beilegung des Rechtsstreits handelt.
Abzustellen ist auf die Umstände zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses.
Der Begriff der Bestandsstreitigkeit i.S.d. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG ist sehr weitreichend und erfasst alle Fälle, in denen es um die wirksame Begründung bzw. Beendigung des Vertragsverhältnisses geht (vgl. Germelmann/Matthes/ Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Aufl., § 12, Rz 97). Auch in Fällen, in denen nach Ausspruch einer Änderungskündigung und Annahme des Arbeitnehmers unter Vorbehalt lediglich um die Änderung des bisherigen Vertragsinhaltes im Rahmen einer sogenannten Änderungsschutzklage gestritten wird, findet die Sonderregelung (zumindest entsprechende) Anwendung (vgl. Germelmann/ Matthes/Prütting/Müller-Glöge, aaO. Rz. 119 ff; BAG vom 23.03.1989 – 7 AZR 527/85 – EzA Nr. 64 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; LAG Nürnberg vom 16.02.2011 – 4 Ta 11/11 – n.v.).
Ebenso bei einem Rechtsstreit über eine beantragte Arbeitszeitreduzierung gem. § 8 TzBfG (so LAG Nürnberg vom 12.09.2003 – 9 Ta 127/03 – LAGE Nr. 14 zu § 8 TzBfG m.w.N.) oder eine getroffene Altersteilzeitregelung (so LAG Nürnberg vom 02.12.2003 – 9 Ta 170/03 – n.v.; LAG Hamburg vom 15.02.2012 – 1 Sa 31/11 – zitiert in juris; LAG Düsseldorf vom 09.02.2009 – 6 Ta 53/09 – zitiert in juris) oder eine streitige Änderungsvereinbarung der Parteien (so LAG Nürnberg vom 19.12.2005 – 9 Ta 247/05 – NZA-RR 2006, 156).
Danach könnte ein Rechtsstreit der Parteien über die im Vergleich geregelten Vertragsänderungen nicht mit den auf drei Jahre bezogenen Differenzbeträgen bewertet werden, sondern nur bis zur Obergrenze des Vierteljahreseinkommens des Klägers gem. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG. Dieser Betrag ist bereits in die Bemessung des Verfahrenswertes eingeflossen.
Hat die im Vergleich vereinbarte Abänderung bisheriger Vertragsbestimmungen insgesamt keinen höheren Streitwert als der Verfahrensstreitwert der Kündigungsschutzklage und stellt sich die über den Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung vereinbarte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Vertragsbedingungen als Beilegung des anhängigen Bestandsstreits dar, ist für die Festsetzung eines überschießenden Vergleichswertes kein Raum.
Insoweit haben die Parteien die angegriffene Beendigungskündigung im Vergleichswege auf die rechtlichen Auswirkungen einer Änderungskündigung reduziert.
c) Zutreffend hat das Erstgericht bei der Festsetzung des Vergleichsmehrwertes nur die im Vergleich geregelten Vergütungsansprüche, die den Inhalt des bis 30.06.2018 geltenden Arbeitsvertrages betreffen, und die Miterledigung des weiteren Rechtsstreits berücksichtigt.
Diesbezüglich erscheint der ermittelte Wert eher großzügig und keinesfalls unangemessen gering bemessen. Von einer Reduzierung dieses Betrages im Rahmen des § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG kann abgesehen werden.
III.
1. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
2. Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und keine Kostenerstattung stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.


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