Arbeitsrecht

Fortsetzungsfeststellungsklage, Verlängerung des Vorbereitungsdienstes

Aktenzeichen  B 5 K 19.308

Datum:
29.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46092
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
AP-mDBPolV § 11 Abs. 2 S. 1
BLV § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Mit Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig.
Im Hinblick auf ihren zunächst angekündigten Antrag war die Klägerseite – unabhängig von den Voraussetzungen des § 91 VwGO – gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) berechtigt, die zunächst erhobene Anfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umzustellen. Denn die von der Klägerin angegriffene Verlängerung ihres Vorbereitungsdienstes hat sich zwischenzeitlich durch Absolvierung des verlängerten Vorbereitungsdienstes und Übernahme der Klägerin in ein Beamtenverhältnis auf Probe erledigt. Auch handelt es sich bei der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes um einen belastenden Verwaltungsakt (vgl. VGH BW, U.v. 3.4.1990 – 4 S 1940/88 – Ls. 1 zur Verlängerung der beamtenrechtlichen Probezeit).
Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat. Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 20.12 – juris Rn. 21).
Ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern. Das erforderliche Feststellungsinteresse kann sich aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtlos erscheint. Zusätzlich kommt auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht. Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 5.2.2015 – 1 WB 24.14 – juris Rn. 20; U.v. 16.5.2013 – 8 C 15.12 – juris Rn. 25; B.v. 30.4.1999 – 1 B 36.99 – juris).
1. Vorliegend beruft sich die Klägerin u.a. auf ein Rehabilitationsinteresse. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Feststellungsinteresse aus Gründen der Rehabilitation dann anzuerkennen, wenn der Kläger durch den Verwaltungsakt selbst, seine Begründung oder die Umstände seines Zustandekommens noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in seiner Menschenwürde, in den Schutzgütern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, in seiner persönlichen Ehre oder dem beruflichen und gesellschaftlichen Ansehen objektiv erheblich beeinträchtigt ist. Das beeinträchtigte Rechtsgefühl der Klägerin, ihr Interesse, für eine vorgeblich rechtswidrige Behandlung Genugtuung zu erlangen, reicht dagegen für die Annahme eines berechtigten Interesses allein nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 9.2.1967 – I C 49.64 – BVerwGE 26, 161/168; v. 4.3.1976 – I WB 54.74 – BVerwGE 53, 134 [138]; VGH BW, B.v. 5.7.1983 – 9 S 303/83 – juris Rn. 4 m.w.N.). Aus der von KIägerseite angegriffenen Entscheidung der Beklagten, mit der diese den Vorbereitungsdienst der Klägerin verlängerte, ergibt sich keine Stigmatisierung im vorgenannten Sinne. Die Verlängerungsverfügung war nicht geeignet, das Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit oder in ihrem sozialen Umfeld herabzusetzen, zumal eine etwaige Stigmatisierung Auswirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern müsste. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin inzwischen in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen wurde, kann eine noch heute fortwährende Stigmatisierung aufgrund der mit der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes verbundenen „Rückstufung“ der Klägerin nicht angenommen werden. Auch im Übrigen erscheint zweifelhaft, ob eine Verlängerung des Vorbereitungsdienstes – um die es hier ausschließlich geht – grundsätzlich geeignet ist, eine Diskriminierung oder Stigmatisierung im vorgenannten Sinne auszulösen. Denn die Einschätzung der ausbildenden Behörde, dass der Stand der Ausbildung unzureichend und daher eine Verlängerung des Vorbereitungsdienstes angezeigt ist, beruht auf einer wertenden Feststellung. Diese Einschätzung kann auch auf rein objektive, dem Anwärter nicht vorwerfbare Umstände wie länger andauernde Erkrankungen, Mutterschutz oder die Ableistung von Wehr-/Zivildienst zurückzuführen sein. Insbesondere hängt die Zulässigkeit einer Verlängerung des Vorbereitungsdienstes nicht von der Frage ab, ob der unzureichende Stand der Ausbildung von dem betroffenen Anwärter verschuldet wurde. Vorliegend wurde die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes der Klägerin auf versäumte Praktika und Trainingseinheiten zurückgeführt. Daraus kann sich eine diskriminierende Wirkung nicht ergeben.
2. Darüber hinaus macht die Klägerin ein Präjudizinteresse geltend. Ihrer Auffassung nach bestehe ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Vorbereitung eines Amtshaftungs- bzw. Schadensersatzanspruchs. Dies stellt in den Fällen, in denen sich – wie hier – das ursprüngliche Begehren nach Klageerhebung erledigt hat, grundsätzlich ein anerkanntes Fortsetzungsfeststellungsinteresse (Präjudizinteresse) dar (vgl. BVerwG, U.v. 20.1.1989 – 8 C 30.87 – juris Rn. 9 und v. 20.9.2018 – 2 A 9.17 – juris Rn. 22). Die Absicht, einen Amtshaftungs- oder Schadensersatzprozess zu führen, begründet jedoch dann kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn dieser Prozess offensichtlich aussichtlos ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1998 – 2 C 8/97 – juris Rn. 21; NdsOVG, B.v. 25.10.2011 – 5 LA 214/11). Von einer „offensichtlichen Aussichtlosigkeit“ ist auszugehen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.2992 – 4 C 29.90 – juris Rn. 14; Nds. OVG, B.v. 25.10.2011 – 5 LA 214/11), etwa, wenn ein Verschulden trotz Verletzung einer Amtspflicht auszuschließen ist. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht das als rechtswidrig und schadensstiftend angegriffene Verhalten der Behörde als objektiv rechtmäßig gebilligt hat und das Verhalten damit, selbst wenn es nachträglich als rechtswidrig beurteilt werden sollte, als jedenfalls vertretbar und nicht schuldhaft erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 23.3.1993 – 2 B 28.93 – juris Rn. 6; v. 21.9.2000 – 2 C 5.99 – juris Rn. 65; U.v. 27.2.2003 – 2 C 16.02 – juris Rn. 16; B.v. 11.9.2008 – 2 B 69.07 – juris Rn. 20). Der sogenannten Kollegialgerichtsrichtlinie liegt die Erwägung zugrunde, dass von einem den jeweiligen Sachverhalt bearbeitenden Beamten, der weithin auf sich allein gestellt ist und oft binnen kurzer Frist im Drange der Geschäfte seine Entschlüsse zu fassen hat, keine bessere Rechtseinsicht erwartet und verlangt werden kann als sie ein Kollegialgericht nach sorgfältiger Prüfung gewonnen hat (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2008 – 2 B 69.07 – juris Rn. 20).
Vorliegend geht die Klägerin offenbar davon aus, dass durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die sofortige Vollziehung der Entlassverfügung vom 14.06.2018 – B 5 S 18.736 festgestellt worden sei, dass das Verhalten der Beklagten gegenüber der Klägerin rechtswidrig und schuldhaft gewesen sei. Allerdings wurde im Rahmen des vorgenannten Beschlusses „lediglich“ die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen die Entlassverfügung der Beklagten auf Grundlage einer summarischen Prüfung angeordnet. Die Kammer äußerte berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entlassverfügung, da das ihr zugrundeliegende sozialmedizinische Gutachten auf einer nicht hinreichenden Tatsachengrundlage beruhte. Die Feststellung, dass die Klägerin während ihrer gesamten Ausbildung tatsächlich polizeidiensttauglich gewesen sei, kann dem Beschluss jedoch nicht entnommen werden. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist aber die Frage, ob die Beklagte den Vorbereitungsdienst der Klägerin rechtswidrig verlängerte. Insoweit ist zunächst in Rechnung zu stellen, dass ein Beamter grundsätzlich keinen Rechtsanspruch darauf hat, in ein Beamtenverhältnis bestimmter Art berufen zu werden. Selbst bei bestandener Laufbahnprüfung ergibt sich kein Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Dies gilt unabhängig davon, ob ein solcher Anspruch durch das Laufbahnrecht ausdrücklich ausgeschlossen wird (wie etwa in Bayern durch Art. 28 Abs. 2 Satz 2 des Leistungslaufbahngesetzes – LlbG -) oder dies nicht ausdrücklich in den Beamtengesetzen oder Laufbahnvorschriften erwähnt wird. Es besteht lediglich ein Rechtsanspruch auf eine sachgerechte, dem Leistungsprinzip des Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) entsprechende Bewerberauswahl. Abweichendes käme nur im Falle einer entsprechenden gesetzlichen Regelung oder einer wirksamen Zusicherung (i.S.v. § 38 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG -) in Betracht (vgl. Baßlsperger, PersV 2017, 171/172f. m.w.N.).
Soweit die Klägerin geltend macht, dass ihr infolge der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes ein Schaden (insbesondere in Höhe der Differenz zwischen den Anwärterbezügen und der Besoldung einer Polizeimeisterin für die Dauer der „Rückstufung“) entstanden sei, ist darauf hinzuweisen, dass sowohl der Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als auch der im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls denkbare, von der Rechtsprechung entwickelte sogenannte beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch, der seine Grundlage im Beamtenverhältnis selbst findet (BVerwG, U.v. 20.9.2018 – 2 A 9.17 – juris Rn. 22) ein Verschulden der Behörde voraussetzt. Ob ein solches auf Beklagtenseite hinsichtlich der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes der Klägerin vorliegt, erscheint zwar zweifelhaft, allerdings nicht völlig aussichtlos. Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin an der begehrten Feststellung ein berechtigtes Interesse. Zudem lässt sich nicht ausschließen, dass sich die begehrte Feststellung im weiteren Berufsleben der Klägerin, insbesondere bei Beförderungen, günstig auswirken könnte (vgl. BVerwG, U.v. 15.6.1989 – 2 A 3/86 – juris Rn. 12). Mithin erweist sich die Klage als zulässig.
II.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Die von der Beklagten verfügte Verlängerung des Vorbereitungsdienstes vom 13.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 4 VwGO).
Der Vorbereitungsdienst soll die Anwärterinnen und Anwärter mit den beruflichen Anforderungen ihrer Laufbahn vertraut machen und die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben im mittleren Polizeivollzugsdienst erforderlich sind. Er orientiert sich am Leitbild für die Bundespolizei. Der Vorbereitungsdienst soll insbesondere der Persönlichkeitsbildung dienen, die Entwicklung der fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenz fördern und Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte heranbilden, die sich ihrer besonderen Verantwortung im freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat bewusst sind (vgl. § 1 APmDBPolV).
§ 11 Abs. 2 Satz 1 APmDBPolV sieht vor, dass der Vorbereitungsdienst im Einzelfall zu verlängern ist, wenn die Ausbildung aus zwingenden Gründen unterbrochen wurde und bei Verkürzung von Ausbildungsabschnitten die Erreichung des Ausbildungsziels gefährdet ist.
Eine entsprechende Regelung findet sich in § 15 Abs. 1 der Bundeslaufbahnverordnung (BLV), der eine Verlängerung des Vorbereitungsdienstes nach Anhörung der Anwärter ermöglicht, wenn dieser wegen einer Erkrankung (Nr. 1), des Mutterschutzes (Nr. 2), einer Elternzeit (Nr. 3), der Ableistung eines Wehr- oder Zivildienstes (Nr. 4) oder anderer zwingender Gründe unterbrochen wurde und durch die Verkürzung von Ausbildungsabschnitten die zielgerechte Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes nicht gewährleistet ist. Ziel der Regelung ist es – ausweislich der Ausführungen in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundeslaufbahnverordnung (GMBl. 2017, Nr. 54/55, S. 986) – Anwärterinnen und Anwärter vor Nachteilen durch das Versäumen von Ausbildungsabschnitten oder Teilen hiervon zu schützen. Sie gilt nicht für jeden Fall einer Unterbrechung, sondern setzt voraus, dass andernfalls die zielgerechte Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes nicht gewährleistet ist. Dies muss durch eine genaue Prüfung im Einzelfall festgestellt werden. Eine pauschale Verlängerung des Vorbereitungsdienstes ist nicht zulässig. Der Vorbereitungsdienst ist nur in dem Umfang zu verlängern, der für das Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist. Dies muss nicht in jedem Fall den Zeitraum der Unterbrechung umfassen.
Die Zulässigkeit der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes hängt nicht davon ab, ob der unzureichende Stand der Ausbildung von dem Beamten verschuldet wurde oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob der Zweck des Vorbereitungsdienstes erreicht werden kann, dem Anwärter also die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt werden konnten bzw. können, die zur Erfüllung der Aufgaben im mittleren Polizeivollzugsdienst erforderlich sind. Dies ergibt sich auch mit Blick auf die Regelung des § 15 Abs. 1 BLV, der u.a. Erkrankungen, Mutterschutz, Elternzeit und Wehrdienst als mögliche zwingende Gründe für eine Unterbrechung des Vorbereitungsdienstes benennt und damit verdeutlicht, dass ein Verschulden des Anwärters für die Verlängerungsentscheidung nicht erforderlich ist. Die Einschätzung, dass der Stand der Ausbildung unzureichend ist bzw. die Erreichung des Ausbildungsziels gefährdet ist, beruht vielmehr auf einer wertenden Feststellung der für die Ausbildung zuständigen Behörde (vgl. Weiß/Niedermeier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juli 2020, Art. 7 LlbG, Rn. 28). Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob die Erreichung des Ausbildungsziels gefährdet ist, ist mithin ein Akt wertender Erkenntnis des für die Beurteilung zuständigen Organs. Dabei genügen bereits berechtigte Zweifel des Dienstherrn, ob der Anwärter hinter dem erforderlichen Ausbildungsstand zurückbleibt und die Erreichung des Zwecks des Vorbereitungsdienstes daher gefährdet ist. Diese Entscheidung ist gerichtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der Gefährdung des Ausbildungsziels aus zwingenden Gründen sowie die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (vgl. BVerwG; U.v. 31.5.1990 – 2 C 35/88 – BVerwGE 85, 177 Rn. 18).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Einschätzung der Beklagten, dass aufgrund der Fehlzeiten der Klägerin damit zu rechnen gewesen sei, dass das Ziel des Vorbereitungsdienstes ohne die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes nicht erreicht werde, aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin mit Verfügung der Beklagten vom 18.01.2018 von den Ausbildungseinheiten „Schießtraining, Situationstraining, Einsatztraining und Hindernisgerätebahn“ ausgeschlossen und ihr weiterhin das Führen einer Dienstwaffe untersagt wurde. Darüber hinaus ist unstreitig, dass die Klägerin vor der streitgegenständlichen Verlängerungsentscheidung keines der insgesamt fünf vorgesehenen Praktika während der fachpraktischen Ausbildung im zweiten Dienstjahr vollständig absolviert hatte. Erst nachdem die Klägerin mit sozialmedizinischem Gutachten vom 08.02.2019 als uneingeschränkt polizeidiensttauglich angesehen wurde, hat die Beklagte mit Schreiben vom 18.02.2019 die vorgenannte Einschränkung der Teilnahme an Ausbildungsinhalten aufgehoben. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte die Klägerin somit wieder uneingeschränkt an der Ausbildung teilnehmen. Die Klägerin nahm folglich über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr nicht an den für den Beruf eines Polizeivollzugsbeamten essentiellen Ausbildungsinhalten des Schieß-, Situations- und Einsatztrainings teil und konnte ihre theoretisch erlernten Kenntnisse nicht im Rahmen der vorgesehenen Fachpraktika anwenden. Bereits vor diesem Hintergrund erscheint die prognostische Beurteilung der Ausbildungsbehörde, dass der Ausbildungsstand der Klägerin im Zeitpunkt der Anordnung der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes unzureichend war, nachvollziehbar und plausibel.
Soweit die Klägerseite geltend macht, dass der Ausschluss der Klägerin von den vorgenannten Ausbildungsinhalten und -praktika der Beklagten zuzurechnen sei, die fälschlicherweise von einer mangelnden gesundheitlichen Eignung der Klägerin für den Beruf der Polizeivollzugsbeamtin ausgegangen sei, erweist sich dieser Umstand bereits als unerheblich. Zwar trifft es zu, dass das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 14.06.2018 – B 5 S 18.736 – die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen die Entlassverfügung der Bundespolizei vom 21.03.2018 wiederhergestellt und darüber hinaus auch die Aufhebung der Vollziehung des Bescheids vom 21.03.2018 i.S.v. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO angeordnet hat. Da der Begriff der Vollziehung i.S.v. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO weit zu verstehen ist und die Vollzugsfolgen damit nicht allein tatsächlicher Art sind, sondern auch Vollziehungs- und Vollstreckungsmaßnahmen umfassen können, denen selbst Verwaltungsaktsqualität zukommt, wäre mit dem vorgenannten Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch der mit Anordnung der Beklagten vom 10.01.2018 verfügte Ausschluss der Klägerin von den Ausbildungseinheiten „Schießtraining, Situationstraining, Einsatztraining und Hindernisgerätebahn“ sowie das Verbot des Führens einer Dienstwaffe suspendiert gewesen. Der Klägerseite ist damit zuzugeben, dass die Klägerin im Zeitraum vom 18.01.2018 bis 18.02.2019 rechtswidrig von den vorgenannten Ausbildungsinhalten ausgeschlossen wurde. Dies ändert jedoch nichts an dem objektiven Umstand, dass die Klägerin während eines Zeitraums von 13 Monaten ihres Vorbereitungsdienstes am Schieß-, Situations- und Einsatztraining und damit an essentiellen Ausbildungsinhalten nicht teilgenommen hat und die Beklagte daher im Zeitpunkt der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes berechtigterweise davon ausgegangen ist, dass der Stand der Ausbildung der Klägerin die Gefahr birgt, dass der Zweck des Vorbereitungsdienstes, nämlich die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die für die Erfüllung der Aufgaben eines Polizeivollzugsbeamten erforderlich sind, nicht erreicht wird. Da ein sicherer Umgang mit Schusswaffen sowie das souveräne Bewältigen verschiedener Einsatzlagen für den Beruf eines Polizeivollzugsbeamten essentiell sind, lagen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme eines unzureichenden Ausbildungsstandes der Klägerin vor. Allein dieser objektive Umstand liefert eine hinreichende Tatsachengrundlage für die angegriffene Prognoseentscheidung der Beklagten, mit der diese den Vorbereitungsdienst der Klägerin um zwölf Monate verlängerte. Worauf der Ausschluss der Klägerin von den vorgenannten Ausbildungsinhalten zurückzuführen ist, ist nach den vorstehenden Grundsätzen für die Entscheidung über die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes unerheblich. § 11 Abs. 2 Satz 1 APmDBPolV fordert lediglich einen zwingenden Grund für die Unterbrechung des Vorbereitungsdienstes, der vorliegend in der Nichtteilnahme der Klägerin an den vorgenannten Ausbildungsinhalten während eines Zeitraums von 13 Monaten zu sehen ist.
Weiterhin ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei der Anordnung der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Insbesondere ergibt sich bereits aus den Ausführungen des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2019, dass sich die Bundespolizeiakademie mit den seitens der Klägerin im Rahmen ihres Anhörungsschreibens vorgebrachten Einwänden auseinandergesetzt hat. So führt die Beklagte auf Seite 8 des Widerspruchsbescheides aus, dass dem Antrag der Klägerin, dem Jahrgang 17 I zugeordnet zu werden, nicht habe entsprochen werden können, da die Klägerin von den fünf während der fachpraktischen Ausbildung im zweiten Dienstjahr vorgesehenen Praktika kein Praktikum absolviert habe. Daher hätten der Klägerin wichtige praktische Fähigkeiten für die gesetzliche Aufgabenwahrnehmung der Bundespolizei nicht vermittelt werden können, so dass eine Fortsetzung der Ausbildung im an die fachpraktische Ausbildung anschließenden Laufbahnlehrgang nicht möglich gewesen sei. Auch mit der von Klägerseite vorgeschlagenen Nachholung der verpassten Ausbildungsinhalte nach Abschluss der Laufbahnprüfung setzt sich die Beklagte im angegriffenen Widerspruchsbescheid auseinander.
Die verfügte Verlängerung des Vorbereitungsdienstes erweist sich auch als verhältnismäßig. Insbesondere sind keine milderen Mittel ersichtlich. Die von Klägerseite vorgeschlagene Nachholung der verpassten Ausbildungsinhalte nach Abschluss der Laufbahnprüfung hat die Beklagte ohne Rechtsfehler für ungeeignet befunden. Nach § 13 Abs. 2 APmDBPolV dient die Laufbahnprüfung der Feststellung, ob die Anwärterinnen und Anwärter das Ziel der Ausbildung erreicht haben und nach den erworbenen Fertigkeiten und Kenntnissen für die Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes in der Bundespolizei befähigt sind. Zwar macht die Klägerin geltend – was als wahr unterstellt werden kann -, dass sie die Leistungsabnahmen sämtlich mit Erfolg bestanden habe. Gleichwohl hat sie unstreitig während eines Zeitraums von 13 Monaten nicht am Einsatz-, Situations- und Schießtraining teilgenommen sowie keines der fünf Praktika absolviert. Mithin konnte sie während des vorgenannten Zeitraums ihr theoretisch erlerntes Wissen nicht praktisch anwenden und damit nicht die Fertigkeiten erwerben, die sie für die Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes befähigt hätten. Folglich hätte die Laufbahnprüfung im Fall der Klägerin ihren in § 13 Abs. 2 APmDBPolV statuierten Zweck nicht erfüllen können.
Schließlich sind auch hinsichtlich des verfügten Verlängerungszeitraums von zwölf Monaten keine Rechtsfehler erkennbar. Wie bereits ausgeführt, hat die Klägerin unstreitig während eines Zeitraums von 13 Monaten nicht an den essentiellen Ausbildungsinhalten Schieß-, Einsatz- und Situationstraining teilgenommen. Auch hat sie die fünf während der fachpraktischen Ausbildung vorgesehenen Praktika nicht absolviert. Sie war damit nicht in der Lage das Ziel der zwölf Monate in Anspruch nehmenden, weiteren fachtheoretischen und fachpraktischen Ausbildung, die während der Grundausbildung erworbenen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten zu erweitern und zu vertiefen sowie die körperliche Leistungsfähigkeit weiter zu steigern (vgl. § 13 Abs. 2 APmDBPolV), zu erreichen. Vor dem Hintergrund des Versäumens dieser wesentlichen Ausbildungsinhalte erscheint eine Nachholung des kompletten zweiten Dienstjahres, also der fachtheoretischen und fachpraktischen Ausbildung, nicht sachfremd.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
II.
Die Klägerin hat als unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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