Arbeitsrecht

Fristversäumnis bei Berufungseinlegung

Aktenzeichen  16b D 19.11

Datum:
28.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3441
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BDG § 3, § 64, § 77 Abs. 1
VwGO § 60 Abs. 1, § 125 Abs. 2, § 173
ZPO § 85 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Regelung des anwaltlichen Vertretungszwangs gilt nicht nur für die Berufungsbegründung beim Oberverwaltungsgericht, sondern auch schon für die Einlegung der Berufung als solche beim Verwaltungsgericht. (redaktioneller Leitsatz)
2. Geht die Einlegung der Berufung beim zuständigen Verwaltungsgericht außerhalb der Frist ein, weil die Einlegung der Berufung beim unzuständigen Verwaltungsgerichtshof am letzten Tag der Frist außerhalb der Parteiverkehrszeiten eingegangen und damit erst am nächsten Tag – damit außerhalb der Frist – dem zuständigen Verwaltungsgericht zugleitet werden konnte, geht diese Fristversäumnis zu Lasten des Rechtsanwalts. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 13a D 18.600 2018-11-29 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung wird verworfen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29. November 2018 gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt. Dieses Urteil ist dem Beklagten mit Postzustellungsurkunde am 12. Dezember 2018 zugestellt worden und enthält eine Rechtsmittelbelehrung, die darauf hinweist, dass die Berufung beim Verwaltungsgericht innerhalb eines Monats einzulegen und zu begründen ist, sowie vor dem Verwaltungsgerichtshof Vertretungszwang besteht.
Der Beklagte legte – persönlich – mit an den Verwaltungsgerichtshof adressierten, aber die Postanschrift des Verwaltungsgerichts Ansbach wiedergebenden Schreiben vom 19. Dezember 2018 Berufung ein, die als Irrläufer an das Verwaltungsgericht weitergeleitet wurde und dort am 27. Dezember 2018 einging. Nach Aktenvorlage an den Verwaltungsgerichtshof wies dieser den Beklagten mit Schreiben vom 4. Januar 2019 darauf hin, dass sich – wie bereits in der Rechtsmittelbelehrungmitgeteilt – die Beteiligten vor dem Verwaltungsgerichtshof bei allen Prozesshandlungen außer im Prozesskostenhilfeverfahren durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen müssen. Dieser Mangel könne nur dadurch behoben werden, dass der Beklagte sein Rechtsmittel durch einen berechtigten Vertreter einlegen lasse.
Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2019 erhob der Bevollmächtigte des Beklagten Berufung zum Verwaltungsgerichtshof und begründete diese. Dieser Schriftsatz wurde an diesem Tag per Telefax versandt und um 16:28 Uhr vom Verwaltungsgerichtshof empfangen und im allgemeinen Geschäftsgang am 15. Januar 2019 dem Vorsitzenden vorgelegt.
Der Bevollmächtigte des Beklagten wurde mit Schreiben vom 17. Januar 2019 darauf hingewiesen, dass eine Verwerfung der Berufung als unzulässig in Betracht kommt, weil eine rechtzeitige Weiterleitung an das für den Rechtsmitteleingang zuständige Gericht nicht mehr möglich gewesen sei. Dieser äußerte sich dahin, dass aus § 64 Abs. 1 BDG kein Anwaltszwang für die Einlegung eines Rechtsmittels ersichtlich sei. Nach § 124a Abs. 3 Satz 2 VwGO sei die Berufungsbegründung beim Oberverwaltungsgericht einzureichen, soweit dies nicht bereits mit der Berufungseinlegung erfolgt sei. Sollte beim Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich eine andere Auffassung bestehen, hätte darauf explizit in der Verfügung vom 4. Januar 2019 hingewiesen werden müssen. Dort sei ausdrücklich auf die „Rechtsbelehrung“ Bezug genommen und das Erfordernis verwiesen worden, die Begründung beim Verwaltungsgerichtshof unter dem Aktenzeichen einzureichen. Hilfsweise werde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Bezugnahme auf die vorstehende Begründung beantragt.
Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2019 vertrat der Bevollmächtigte des Beklagten die Auffassung, dass die Rechtsmittelbelehrungdes angefochtenen Urteils in sich widersprüchlich und mithin nicht ordnungsgemäß sei.
II.
Der Senat kann über die Berufung durch Beschluss entscheiden, da sie als unzulässig zu verwerfen ist (§ 3 BDG i.V.m. § 125 Abs. 2 VwGO).
1. Nach § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG ist die Berufung bei dem Verwaltungsgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und zu begründen. Dazu bedarf es eines fristgerecht eingereichten Schriftsatzes eines postulationsfähigen Bevollmächtigten (vgl. Dietz in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 124a Rn. 10). Denn wegen des Vertretungszwangs, der auch für Prozesshandlungen gilt, durch die ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird (§ 67 Abs. 4 Satz 2 VwGO), also auch dann, wenn die einleitende Prozesshandlung bei dem Verwaltungsgericht vorgenommen werden muss, kann der Beteiligte mangels eigener Postulationsfähigkeit keine wirksamen Prozesshandlungen vornehmen. Die Notwendigkeit, die Berufung allein beim Verwaltungsgericht einzulegen, und die daraus folgende Unzulässigkeit einer nur beim Verwaltungsgerichtshof eingelegten Berufung begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, B.v. 30.1.2018 – 9 B 20/17 – NJW 2018, 1272 m.w.N.).
Zeitigt mithin das Rechtsmittelschreiben des Beklagten persönlich vom 19. Dezember 2018 keine Rechtswirkungen, hätte die von seinem Bevollmächtigten eingelegte Berufung innerhalb der Berufungseinlegungsfrist das Verwaltungsgericht erreichen müssen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Mit der wirksamen Zustellung des angefochtenen Urteils am 12. Dezember 2018 begann die Berufungsfrist am 13. Dezember 2018 und lief am Montag, dem 14. Januar 2019 ab. Am letzten Tag der Frist war der unzutreffend an den Verwaltungsgerichtshof adressierte Schriftsatz vom 14. Januar 2019 jedoch nach Ablauf der Parteiverkehrszeiten erst beim Verwaltungsgerichtshof per Telefax empfangen worden, so dass er erst nach Ablauf der Frist im allgemeinen Geschäftsgang am 15. Januar 2019 dem Vorsitzenden vorgelegt worden ist. Damit konnte der Berufungsschriftsatz nicht mehr innerhalb der Rechtsmittelfrist zum für die Einlegung des Rechtsmittels zuständigen Gericht weitergeleitet werden.
2. Dem Beklagten war auch nicht auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dafür ist nach § 60 Abs. 1 VwGO Voraussetzung, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dies ist hier in Bezug auf den Prozessbevollmächtigten des Beklagten, dessen Verschulden dem Beklagten zuzurechnen ist (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO), nicht ansatzweise erkennbar.
Die Anfertigung von Rechtsmittelschrift und -begründung ist rein anwaltliche Tätigkeit und darf deshalb auch nicht dem Büropersonal eigenverantwortlich übertragen werden; der Rechtsanwalt hat sie selbst auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen und dabei die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufzuwenden, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn die Partei, die dem Anwalt die Prozessführung überträgt, darf mit Recht darauf vertrauen, dass er dieser Aufgabe gewachsen ist; wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss er deshalb den sicheren Weg wählen, wobei von ihm zu verlangen ist, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Zu der nach diesem Maßstab von einem Rechtsanwalt zu erwartenden inhaltlichen Prüfung einer von ihm gefertigten Rechtsmittelschrift oder -begründung gehört insbesondere auch die Kontrolle des zuständigen Rechtsmittelgerichts. Ein Rechtsanwalt, der eine Rechtsmittelfrist bis zum letzten Tag ausschöpfen will, hat wegen des damit erfahrungsgemäß einhergehenden Risikos besonders hohe Sorgfalt aufzuwenden, um eine Fristversäumnis zu vermeiden (vgl. zum Ganzen BeckOK ZPO, § 233 Rn. 38 m.w.N.)
Dieser Verpflichtung ist der Bevollmächtigte nicht nachgekommen. Die Rechtsmittelbelehrungdes Verwaltungsgerichts enthält keine Widersprüche, sondern gibt den Gesetzeswortlaut korrekt wieder, über dessen Auslegung der Prozessbevollmächtigte nicht im Unklaren sein konnte. Auch das Hinweisschreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Januar 2019 gibt keine Veranlassung, am Verschulden des Prozessbevollmächtigten zu zweifeln. Entgegen seiner Auffassung ist dort mit keinem Wort von einer Berufungsbegründung die Rede. Der Umstand, dass dem Beklagten vom Verwaltungsgerichtshof bereits ein Aktenzeichen mitgeteilt worden war, gebietet kein anderes Verständnis des § 64 Abs. 1 BDG (vgl. BVerfG, B.v. 3.11.1983 – 2 BvR 735/82 – BVerfGE 65, 219/225). Darin liegt insbesondere keine Auskunft des Gerichts in Bezug auf das bei der Rechtsmitteleinlegung zu Beachtende.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 69 BDG i.V.m. § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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