Arbeitsrecht

Gefährliche Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamten

Aktenzeichen  M 19L DK 18.5696

Datum:
23.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 49443
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 10
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 S. 3
StGB § 340 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe erkannt.
Der Zeitraum der Beförderungssperre wird auf die Dauer von drei Jahren verkürzt.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Gegen den Beklagten wird die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe in das Amt eines Polizeiobermeisters (Besoldungsgruppe A 8) ausgesprochen.
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Fehler auf.
2. Das Gericht geht in tatsächlicher Hinsicht von dem im Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom … Dezember 2017 festgestellten Sachverhalt aus. Auch dem nach § 267 Abs. 4 StPO abgekürzten Urteil kommt die Bindungswirkung des Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) zu (BayVGH, U.v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – juris Rn. 92 ff.). Der Beklagte gesteht den Sachverhalt im Übrigen vollumfänglich ein.
Der Beklagte hat daher am … März 2017 eine Körperverletzung im Amt (§ 340 Abs. 1 StGB) begangen.
3. Diese Tat stellt ein Dienstvergehen dar. Er hat hierdurch gegen seine Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. § 340 Abs. 1 StGB) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Dieses Dienstvergehen hat er innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 11). Hierbei handelte er vorsätzlich.
Hinzu kommt, dass der Beklagte als Polizeibeamter Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen hat. Polizeibeamte genießen daher in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten begehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Ls. 1 und Rn. 35 f.; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Ls. 2 und Rn. 22 f.).
4. Das festgestellte innerdienstliche Dienstvergehen wiegt schwer. Das Gericht kommt aber dennoch zu dem Ergebnis, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren hat und die Zurückstufung um eine Stufe eine ausreichende Disziplinarmaßnahme darstellt.
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36).
Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 73).
Zur konkreten Bestimmung der Disziplinarmaßnahme ist auch bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Ls. und Rn. 15).
Für die disziplinarrechtliche Ahndung einer innerdienstlichen Straftat mit einem gesetzlichen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe ist ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Dienst eröffnet (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 59). Hier sieht § 340 Abs. 1 StGB einen gesetzlichen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor, der selbst im Falle der hier aufgrund des Täter-Opfer-Ausgleichs möglichen Milderung nach § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB noch immer drei Jahre und neun Monate beträgt.
Ausgangspunkt der Maßnahmezumessung ist daher die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Für diese sprechen objektive Handlungsmerkmale der Tat, so der erhebliche Zeitraum der Körperverletzungshandlungen, deren Fortsetzung sogar zu einer Zeit, als der Geschädigte bereits wehrlos am Boden lag und später mit Fesseln fixiert war sowie der Umstand, dass die Eskalation erst durch das Verhalten des Beklagten eingetreten ist. Positiv ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Geschädigte keine erheblichen Verletzungen erlitten hat.
Dennoch sieht das Gericht die Zurückstufung um eine Stufe als ausreichend, aber auch erforderlich an. Die zu Gunsten des Beklagten sprechenden Umstände haben solches Gewicht, dass von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen ist. Er ist straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Er hat, wie sich aus der Beurteilung von 2014 und den Persönlichkeitsbildern vom … April 2018 und *. August 2019 ergibt, vor und nach der Tat sehr gute dienstliche Leistungen gezeigt. Weiter hat er sich von Anfang an schuldeinsichtig und geständig gezeigt, sowohl im Straf- als auch im behördlichen und gerichtlichen Disziplinarverfahren. Zudem war er nicht ausschließbar durch das aufgeheizte Einsatzgeschehen überfordert. Maßgeblich zu seinen Gunsten spricht die nachträgliche Aufarbeitung der Tat und damit der Umstand, dass die erneute Begehung entsprechender Dienstvergehen nicht zu besorgen ist. Der Beklagte hat sich sogleich nach der Tat in psychologische Behandlung begeben und sechs ambulante Beratungsgespräche beim Psychologischen Dienst der Bayerischen Polizei sowie eine 10-wöchige stationäre Behandlung durchgeführt. Außerdem hat er einen Täter-Opfer-Ausgleich vorgenommen.
5. Die Beförderungssperre wird auf drei Jahre ab Rechtskraft des Urteils verkürzt (Art. 10 Abs. 3 Satz 2 BayDG). Insoweit finden neben der Dauer des Disziplinarverfahrens die guten dienstlichen Leistungen des Beklagten Berücksichtigung.
Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.
Nach Rechtsmittelverzicht der Parteien in der mündlichen Verhandlung ist das Urteil rechtskräftig.


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