Arbeitsrecht

Gegenstandswert eines Zustimmungsersetzungsverfahrens

Aktenzeichen  4 Ta 135/17

Datum:
24.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
AuR – 2017, 513
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 99 Abs. 1, § 100, § 101
RVG § 23 Abs. 3 S. 2, § 32 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Die Festsetzung des Gegenstandswertes eines die Eingruppierung von Mitarbeitern betreffenden Zustimmungsersetzungsverfahrens hat gem. §§ 23, 33 RVG verfahrens-bezogen zu erfolgen. Werden von den Beteiligten mehrere Zustimmungsersetzungs-verfahren parallel geführt, scheidet eine verfahrensübergreifende Berechnung der Gesamtzahl der betroffener Mitarbeiter i.R.d. Ziffer II Nr. 13.7 des Streitwertkatalogs aus. Dies zumal dann, wenn die parallel geführten Verfahren unterschiedliche Tätigkeitsmerkmale und Zustimmungsverweigerungsgründe zum Gegenstand haben. (Rn. 31 – 34)

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 08.06.2017, Az.: 2 BV 1/17, abgeändert.
Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit wird auf EUR 6.250,- festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 03.01.2017 beantragt, die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung zweier Mitarbeiter in die Entgeltgruppe QE/W2 zu ersetzen. Die vorzunehmende neue Eingruppierung wird von ihr auf den im Jahr 2015 in Kraft getretenen Rahmenentgelttarifvertrag für den Groß- und Außenhandel in Bayern und den Entgelttarifvertrag dieser Branche vom 22.07.2015 gestützt.
Der Beteiligte zu 2) hatte seine Zustimmung wegen der unterbliebenen Beteiligung bei der Ermittlung der konkreten Stellenanforderungen verweigert und die Zuerkennung einer höheren Qualifikationsstufe für sachgerecht gehalten.
Mit Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 10.05.2017 ist die verweigerte Zustimmung ersetzt worden.
Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung mit Beschluss vom 08.06.2017 auf EUR 1.000,- festgesetzt und dies mit der Führung mehrerer eigenständiger Zustimmungsersetzungsverfahren und der Gesamtzahl der hiervon betroffenen Mitarbeiter begründet.
Gegen den ihnen am 13.06.2017 zugestellten Beschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2) mit Schriftsatz vom 22.06.2017 Beschwerde eingelegt.
Sie halten trotz der geführten Parallelverfahren einen Betrag von EUR 6.250,- für sachgerecht und angemessen, da eine verfahrensübergreifende Festsetzung des Gegenstandswertes nicht stattfindet. Zudem würden die einzelnen Zustimmungsersetzungsverfahren jeweils unterschiedliche Tätigkeitsgebiete der Mitarbeiter betreffen und hätten keine identischen Lebenssachverhalte zum Inhalt.
Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 26.07.2017 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit gemäß § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt worden ist.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt EUR 200,-, denn bereits die einfache Gebührendifferenz zwischen dem festgesetzten und dem begehrten Gebührenstreitwert beträgt nach der Anlage 2 zum RVG EUR 325,-.
Die Frist von zwei Wochen für die Einlegung der Beschwerde nach § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG wurde gewahrt.
Den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2) steht gem. § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG ein eigenes Beschwerderecht zu.
2. Die Beschwerde ist sachlich begründet.
Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des Erstgerichts und Festsetzung eines Gegenstandswertes von EUR 6.250,-.
Das streitgegenständliche Zustimmungsersetzungsverfahren ist im Rahmen der nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu treffenden Ermessensentscheidung mit dem Hilfswert von EUR 5.000,- zu bewerten und wegen des zweiten betroffenen Mitarbeiters mit einem zusätzlichen Wert von EUR 1.250,- (vgl. Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit Ziffer II Nr. 13.1, 13.2.1, 13.3, 13.7).
Es bestand keine ausreichende Veranlassung, wegen der wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrens, den tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache oder des mit der Verfahrensführung verbundenen Aufwands einen Abschlag von dem gesetzlichen Hilfswert vorzunehmen.
Dies gebietet auch nicht die Führung mehrerer Parallelverfahren der Beteiligten, zumal diese jeweils unterschiedliche Tätigkeitsgebiete der Mitarbeiter betreffen.
a) Der Streit der Betriebsparteien über die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG stellt eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit dar, die gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bewerten ist.
b) Bei der Bemessung des Gegenstandswerts gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen. Hierzu zählen auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits und die rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten des Falles
Der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit, an dem sich die Beschwerdekammer im Interesse einer einheitlichen Wertfestsetzung orientiert, sieht für die Bewertung von Beschlussverfahren über die Eingruppierung von Mitarbeitern i.R.d. §§ 99, 100, 101 BetrVG eine Orientierung am Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG oder an § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG vor (Streitwertkatalog Ziffer II Nr. 13.3 i.V.m. Nr. 13.2.1 bzw. 13.2.2).
Die Beschwerdekammer bleibt bei seiner Auffassung, dass die Bewertung einer Streitigkeit der vorliegenden Art nicht auf der Grundlage der konkreten Vergütungsdifferenz erfolgen kann (so bereits LAG Nürnberg v. 28.07.2006 –  4 Ta 100/06, vom 19.06.2017 – 4 Ta 80/17, 81/17 und 82/17; LAG Berlin-Brandenburg v. 26.02.2015 – 17 Ta (Kost) 6014/15 – und 09.10.2009 – 17 Ta (Kost) 6073/09; LAG Rheinland-Pfalz v. 02.10.2012 – 1 Ta 191/12; LAG Baden-Württemberg v. 29.09.2011 – 5 Ta 104/11; zitiert in Juris). Mit einer an § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG orientierten Wertfestsetzung würden die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers im konkreten Einzelfall in den Vordergrund gestellt, obwohl vom Betriebsrat nicht diese, sondern vielmehr kollektive Interessen verfolgt werden.  Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen soll gewährleisten, dass der betroffene Arbeitnehmer der zutreffenden Vergütungsgruppe zugeordnet wird. Dies dient vor allem der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Transparenz der betrieblichen Vergütungspraxis. Welcher Wert der Durchsetzung einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung beizumessen ist, hängt nicht ausschließlich von der im Einzelfall ggf. eintretenden Entgeltdifferenz ab. Der Gesichtspunkt der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit ist nicht mehr oder weniger gewichtig, nur weil der betroffene Arbeitnehmer bei der von dem Betriebsrat für richtig gehaltenen Ein- oder Umgruppierung eine höhere oder geringere Vergütungsdifferenz beanspruchen könnte.
Im Übrigen ist es auch nicht ausgeschlossen, dass der Betriebsrat im Interesse der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit einer Ein- oder Umgruppierung widerspricht, weil der Arbeitnehmer seiner Auffassung nach einer tieferen Vergütungsgruppe zuzuordnen ist; in diesem Fall verfolgt der Betriebsrat unzweifelhaft keine wirtschaftlichen Interessen des betroffenen Arbeitnehmers.
Dies bedeutet nicht, dass die Höhe der Entgeltdifferenz für die Bestimmung des Verfahrenswertes ohne Belang ist; sie kann nur nicht der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Wertfestsetzung sein.
Auch der Umstand, dass der Arbeitnehmer seine individuellen Vergütungsansprüche ggf. auf den Ausgang des Zustimmungsersetzungsverfahrens stützen kann (vgl. BAG v. 03.05.1994 – 1 ABR 58/93 – AP Nr. 2 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung), ist Folge, aber nicht Gegenstand des zu bewertenden Beschlussverfahrens.
Die Beschwerdekammer schließt sich nicht der von einigen anderen Landesarbeitsgerichten vertretenen Auffassung an, den Gegenstandswert eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG unter Berücksichtigung des § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG zu bestimmen und hierbei verschieden hohe Abschläge vorzunehmen (vgl. zur Übersicht Tschöpe/Ziemann/Altenburg, Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, Teil 1 B, Rdz 194 ff).
Bei der an nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmenden Bemessung des Gegenstandswerts gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist unter Berücksichtigung von Umfang und Bedeutung der Sache, den wirtschaftlichen Auswirkungen des Verfahrens und der rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten des Falles keine Absenkung des Hilfswertes geboten.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Zustimmungsersetzungsverfahren keine nur zeitlich begrenzte Eingruppierung der beiden betroffenen Mitarbeiter zum Gegenstand hat. Insoweit bewegen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen des Verfahrens nicht unterhalb des Hilfswertes.
Die in dem Verfahren aufgeworfenen Tatsachen- und Rechtsfragen zu den betriebsspezifischen Stellenanforderungen und der Einbindung des Betriebsrats hierbei sind auch nicht von minderer Bedeutung und Schwierigkeit. Sie beziehen sich zudem auf viele unterschiedliche Tätigkeitsgebiete der Mitarbeiter, so dass sich allein aus dem Umstand mehrerer parallel geführter Verfahren kein geringerer Aufwand für die Verfahrensbearbeitung ableiten lässt.
Unter Berücksichtigung des auf den Einzelfall bezogenen schriftsätzlichen Vortrags der Beteiligten, die unterschiedlichen Entgeltgruppen und Tätigkeitsgebiete der Mitarbeiter betreffend, ist hinsichtlich der Verfahrensführung insgesamt kein Abschlag vorzunehmen.
Ein solcher ist insbesondere nicht wegen der gleichzeitigen Führung mehrerer Parallelverfahren geboten, auch wenn in all diesen Verfahren teilweise identische Mitbestimmungsfragen zu klären sind. Die Bewertung einer gerichtlichen Auseinandersetzung hat nämlich verfahrensbezogen zu erfolgen und nicht verfahrensübergreifend (so Streitwertkatalog, Vorbemerkungen Abs. 2 Satz 2).
Darauf hat bereits das LAG Baden-Württemberg in dem Verfahren 5 Ta 41/17 hingewiesen, dem sich die Beschwerdekammer in den Entscheidungen vom 19.06.2017 (4 Ta 80/17, 81/17 und 82/17) angeschlossen hat.
Die Führung mehrerer paralleler Verfahren ist nicht geeignet, den Gegenstandswert eines einzelnen Verfahrens auf eine anteilige fiktive Gesamtbewertung zu reduzieren. Vielmehr findet keine verfahrensübergreifende Wertermittlung unter Einbeziehung verfahrensfremder Gegenstände statt, seien diese auch noch so ähnlich.
Insoweit scheidet auch die verfahrensübergreifende Ermittlung einer Gesamtzahl parallel gelagerter Fälle i.R.d. Ziffer II Nr. 13.7 des Streitwertkatalogs aus.  Dies hat im vorliegenden Fall schon wegen der in den einzelnen Verfahren unterschiedlichen Eingruppierungsmerkmale und Zustimmungsverweigerungsgründe zu unterbleiben.
III.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, vgl. § 78 Satz 3 ArbGG.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da keine Kostenerstattung stattfindet, § 33 Abs. 9 RVG.


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