Arbeitsrecht

Gegenstandswert, Kostenfestsetzungsbeschluß, Kosten des Erinnerungsverfahrens, Unbilligkeit, Untätigkeitsklage, Antragsgegner, Wertfestsetzung, Asylverfahren, Streitwertfestsetzung, Asylrechtliche Streitigkeit, Urkundsbeamter, Abschiebungsandrohung, Asylantragstellung, Bevollmächtigter, Einzelrichter, Gerichtskostenfreies Verfahren, Außergerichtliche Kosten, Abschiebungsverbot, Kostengrundentscheidung, Subsidiärer Schutz

Aktenzeichen  M 31 M 17.45582

Datum:
29.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41835
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 165
VwGO § 151
RVG § 30
RVG § 33 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. Juni 2017 im Verfahren M 24 K 16.34116 wird geändert.
Die Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nach Maßgabe dieses Beschlusses wird dem Urkundsbeamten bzw. der Urkundsbeamtin des Gerichts übertragen.
II. Der Gegenstandswert wird auf EUR 2.500,00 festgesetzt.
III. Der Antragsgegner hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Mit Schriftsatz vom 9. November 2016 erhob der Bevollmächtigte des Antragsgegners (vormals: Kläger) eine auf Fortführung des Asylverfahrens gerichtete Klage und beantragte zugleich die Antragstellerin zu verpflichten, dem Antragsgegner subsidiären Schutz zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebeverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen. Mit Beschluss des Einzelrichters (§ 76 Abs. 1 AsylG) vom 20. April 2017 wurde das Verfahren M 24 K 16.34116 eingestellt, da die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Der Bevollmächtigte des Klägers verwies insoweit auf den zwischenzeitlich ergangenen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 28. März 2017. Die Antragstellerin (vormals: Beklagte) wurde zur Tragung der Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens verpflichtet.
Gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamts vom 28. März 2017 erhob der Bevollmächtigte des Antragsgegners des Weiteren mit Schriftsatz vom 10. April 2017 Klage. Dieses Verfahren wird unter dem Aktenzeichen M 24 K 17.37151 geführt.
Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2017 beantragte der Bevollmächtigte des Antragsgegners, die ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 5.000 EUR auf insgesamt 492,54 EUR festzusetzen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. Juni 2017 setzte die Urkundsbeamtin des Gerichts die Kosten antragsgemäß fest.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2017, bei Gericht eingegangen am 6. Juli 2017, beantragte die Antragstellerin hiergegen
die Entscheidung des Gerichts.
Streitgegenstand der Untätigkeitsklage sei allein die Verpflichtung der Antragstellerin zur Bescheidung des Asylantrags gewesen. Ein Gegenstandswert von 5.000 EUR sei daher unbillig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien aus Gründen der Billigkeit eine Halbierung des Gegenstandswerts und damit eine Festsetzung von 2.500 EUR geboten.
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab und legte ihn dem Gericht zur Entscheidung vor.
Der Bevollmächtigte des Antragsgegners verwies mit Schreiben vom 14. Juli 2017 auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. März 2017, 13a B 16.30951, der angenommen habe, dass eine Kürzung des Gegenstandswerts unbillig wäre.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten in diesem sowie im Verfahren M 24 K 16.34116 verwiesen.
II.
Die gemäß §§ 165, 151 VwGO zulässige Kostenerinnerung ist begründet.
Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostengrundentscheidung getroffen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 10 m.w.N.). Diese erging mit Beschluss vom 20. April 2017 durch den gemäß § 76 Abs. 1 AsylG zuständigen Einzelrichter.
Der für die Kostenfestsetzung zugrunde zu legende Gegenstandswert wird gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 2 RVG auf 2.500 EUR festgesetzt. Entsprechend ist auch der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. Juni 2017 antragsgemäß zu ändern.
Zwar ist der Gegenstandswert selbst grundsätzlich nicht Inhalt, sondern vielmehr Maßstab und Voraussetzung der Kostenfestsetzung (vgl. BGH, B.v. 20.3.2014 – IX ZB 288.11 – juris), sodass der Urkundsbeamte bei asylrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig auch den Gegenstandswert nach § 30 Abs. 1 RVG zugrunde legen kann. Dies gilt aber nur solange, wie keiner der Beteiligten gemäß § 33 Abs. 1 und 2 RVG einen Antrag auf (nach § 30 Abs. 2 RVG abweichende) Wertfestsetzung stellt. Ein solcher Antrag wurde von der Antragstellerin vorliegend ausdrücklich im Schriftsatz vom 4. Juli 2017 gestellt.
In gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz erfolgt die Bestimmung der anwaltlichen Gebühren im Kostenerstattungsverfahren auf der Grundlage des Gegenstandswerts (§ 30 Abs. 1 RVG, § 2 RVG i.V.m. Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, § 13 RVG i.V.m. Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG). Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 RVG beträgt der Gegenstandswert im gerichtlichen Hauptsacheverfahren des Einzelklägers nach dem Asylgesetz 5.000 EUR.
Das Gericht kann allerdings nach § 30 Abs. 2 RVG einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen, wenn der nach § 30 Abs. 1 RVG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Im vorliegenden Fall sieht das Gericht den Gegenstandswert des § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG in Höhe von 5.000 EUR für unbillig an, weil begehrtes Ziel des Klageverfahrens M 24 K 16.34116 im zu entscheidenden Hauptantrag unter Berücksichtigung der verfahrensrechtlichen und prozessualen Abläufe nur die Fortsetzung des Asylverfahrens (Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO) war. Ein derartiges Klagebegehren ist weder von der Bedeutung für den Kläger noch vom Aufwand für den Klägerbevollmächtigten vergleichbar mit einer beantragten (Sach-) Entscheidung durch das Gericht. Während eine Klage auf Sachentscheidung grundsätzlich noch weiteren Sachvortrag ermöglicht und gegebenenfalls auch erfordert, fällt der Aufwand für den Klägerbevollmächtigten im vorliegenden Fall deutlich geringer aus. Denn ein auf reine Durchführung eines Asylverfahrens unter Entscheidung des Asylantrages durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschränktes Begehren erfordert keine für asylrechtliche Streitigkeiten kennzeichnende Bearbeitung; hinreichend ist die Darlegung des Zeitpunktes der Asylantragstellung, das Abwarten der Mindestfrist des § 75 Satz 2 VwGO und das Vorbringen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe über den Asylantrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden (vgl. BVerwG, B.v. 11.7.2018 – 1 C 18.17 – juris Rn. 5 f.). Dass eine derartige Fallkonstellation von der grundsätzlichen Gleichbehandlung hinsichtlich der Streitwertfestsetzung der verschiedenen möglichen Verfahren nach dem Asylgesetz von der Neufassung des § 30 Abs. 1 RVG erfasst sein sollte, ergibt sich auch nicht aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (vgl. BT-Drs. 17/11471, S. 269). Diese zielt auf eine einheitliche Behandlung der verschiedenen Verfahren, die verschiedene Ansprüche zum Gegenstand hatten, wie Klagen auf Asylanerkennung, gegen Abschiebungsandrohungen und Abschiebungsanordnungen oder auch gegen die Durchsetzung einer Ausreisepflicht. All diesen Verfahren ist gemeinsam, dass sie – anders als vorliegend – eine materielle Anspruchsprüfung zum Gegenstand haben (vgl. VG München, B.v. 11.2.2019 – M 22 M 17.45482 – juris). Für eine Untätigkeitsklage, die, wie hier, allein auf eine Verbescheidung des Asylantrags gerichtet ist, erachtet das Gericht daher einen Gegenstandswert in Höhe von 2.500 EUR billigerweise für angemessen. Eine (Sach-) Entscheidung wird gerade erst im Verfahren M 24 K 17.37151 begehrt.
Das Gericht überträgt die infolge dieser Entscheidung erforderliche Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses dem Urkundsbeamten bzw. der Urkundsbeamtin gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 573 Abs. 1 Satz 3 und § 572 Abs. 3 ZPO (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 20).
Der Antragsgegner hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG; vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift z.B. BayVGH, B.v. 28.5.2020 – 13a C 20.30392 – UA LS; VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271.17 – juris).


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