Arbeitsrecht

Gegenstandswert, Kostenfestsetzungsbeschluß, Untätigkeitsklage, Kosten des Erinnerungsverfahrens, Unbilligkeit, Wertfestsetzung, Antragsgegner, Asylverfahren, Asylantragstellung, Streitwertfestsetzung, Asylrechtliche Streitigkeit, Urkundsbeamter, Abschiebungsandrohung, Einzelrichter, Gerichtskosten, Außergerichtliche Kosten, Kostengrundentscheidung, Klagebegehren, Urkundsbeamten, Besondere Umstände

Aktenzeichen  M 31 M 19.32382

Datum:
15.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41837
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 165, 151
RVG §§ 30 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Juni 2019 im Verfahren M 24 K 16.30241 wird geändert.
Die Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nach Maßgabe dieses Beschlusses wird dem Urkundsbeamten bzw. der Urkundsbeamtin des Gerichts übertragen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Am 12. Februar 2016 erhob der Antragsgegner (vormals: Kläger) eine auf Fortführung des Asylverfahrens und Verbescheidung des Asylantrags gerichtete Klage. Mit Urteil des Einzelrichters (§ 76 Abs. 1 AsylG) vom 13. Mai 2016 wurde die Antragstellerin (vormals: Beklagte) verpflichtet, über den Asylantrag des Antragsgegners bis spätestens drei Monate nach Rechtskraft des Urteils zu entscheiden.
Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2019 beantragte der Bevollmächtigte des Antragsgegners, die ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 5.000 EUR auf insgesamt 925,22 EUR festzusetzen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Juni 2019 setzte die Urkundsbeamtin des Gerichts die Kosten antragsgemäß fest.
Am 25. Juni 2019 beantragte die Antragstellerin hiergegen
die Entscheidung des Gerichts.
Streitgegenstand der Untätigkeitsklage sei allein die Verpflichtung der Antragstellerin zur Bescheidung des Asylantrags gewesen. Ein Gegenstandswert von 5.000 EUR sei daher unbillig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien aus Gründen der Billigkeit eine Halbierung des Gegenstandswerts und damit eine Festsetzung von 2.500 EUR geboten.
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab und legte ihn dem Gericht zur Entscheidung vor.
Der Bevollmächtigte des Antragsgegners führte mit Schreiben vom 15. Juli 2019 aus, besondere Umstände des Einzelfalles, die zu einer Unbilligkeit des Regelgegenstandwerts führten, lägen nicht vor. § 30 Abs. 2 RVG diene nicht dazu, generell den Gegenstandswert herabzusetzen, weil man ihn bei Untätigkeitsklagen für zu hoch erachte. Dazu müsste das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geändert werden.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 24 K 16.30241 verwiesen.
II.
Die gemäß §§ 165, 151 VwGO zulässige Kostenerinnerung ist begründet.
Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten in der Besetzung, in der die zugrunde liegende Kostengrundentscheidung getroffen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 10 m.w.N.). Diese erging mit Urteil vom 13. Mai 2016 durch den gemäß § 76 Abs. 1 AsylG zuständigen Einzelrichter.
Der für die Kostenfestsetzung zugrunde zu legende Gegenstandswert wird gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 2 RVG auf 2.500 EUR festgesetzt. Entsprechend ist auch der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Juni 2019 antragsgemäß zu ändern.
Zwar ist der Gegenstandswert selbst grundsätzlich nicht Inhalt, sondern vielmehr Maßstab und Voraussetzung der Kostenfestsetzung (vgl. BGH, B.v. 20.3.2014 – IX ZB 288.11 – juris), sodass der Urkundsbeamte bei asylrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig auch den Gegenstandswert nach § 30 Abs. 1 RVG zugrunde legen kann. Dies gilt aber nur solange, wie keiner der Beteiligten gemäß § 33 Abs. 1 und 2 RVG einen Antrag auf (nach § 30 Abs. 2 RVG abweichende) Wertfestsetzung stellt. Ein solcher Antrag wurde von der Antragstellerin vorliegend ausdrücklich im Schriftsatz vom 14. Juni 2019, der bei Gericht am 15. Juni 2019 eingegangen ist, – und zudem bereits auch im Rahmen von verschiedenen allgemeinen Prozesserklärungen, zuletzt vom 27. Juni 2017 – gestellt.
In gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz erfolgt die Bestimmung der anwaltlichen Gebühren im Kostenerstattungsverfahren auf der Grundlage des Gegenstandswerts (§ 30 Abs. 1 RVG, § 2 RVG i.V.m. Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, § 13 RVG i.V.m. Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG). Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 RVG beträgt der Gegenstandswert im gerichtlichen Hauptsacheverfahren des Einzelklägers nach dem Asylgesetz 5.000 EUR.
Das Gericht kann allerdings nach § 30 Abs. 2 RVG einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen, wenn der nach § 30 Abs. 1 RVG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Im vorliegenden Fall sieht das Gericht den Gegenstandswert des § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG in Höhe von 5.000 EUR für unbillig an, weil beantragtes Ziel des Klageverfahrens im zu entscheidenden Hauptantrag (Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO) nur die Fortsetzung des Asylverfahrens war. Ein derartiges Klagebegehren ist weder von der Bedeutung für den Kläger noch vom Aufwand für den Klägerbevollmächtigten vergleichbar mit einer beantragten (Sach-) Entscheidung durch das Gericht. Während eine Klage auf Sachentscheidung grundsätzlich noch weiteren Sachvortrag ermöglicht und gegebenenfalls auch erfordert, fällt der Aufwand für den Klägerbevollmächtigten im vorliegenden Fall deutlich geringer aus. Denn ein auf reine Durchführung eines Asylverfahrens unter Entscheidung des Asylantrages durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschränktes Begehren erfordert keine für asylrechtliche Streitigkeiten kennzeichnende Bearbeitung; hinreichend ist die Darlegung des Zeitpunktes der Asylantragstellung, das Abwarten der Mindestfrist des § 75 Satz 2 VwGO und das Vorbringen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe über den Asylantrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden (vgl. BVerwG, B.v. 11.7.2018 – 1 C 18.17 – juris Rn. 5 f.). Dass eine derartige Fallkonstellation von der grundsätzlichen Gleichbehandlung hinsichtlich der Streitwertfestsetzung der verschiedenen möglichen Verfahren nach dem Asylgesetz von der Neufassung des § 30 Abs. 1 RVG erfasst sein sollte, ergibt sich auch nicht aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (vgl. BT-Drs. 17/11471, S. 269). Diese zielt auf eine einheitliche Behandlung der verschiedenen Verfahren, die verschiedene Ansprüche zum Gegenstand hatten, wie Klagen auf Asylanerkennung, gegen Abschiebungsandrohungen und Abschiebungsanordnungen oder auch gegen die Durchsetzung einer Ausreisepflicht. All diesen Verfahren ist gemeinsam, dass sie – anders als vorliegend – eine materielle Anspruchsprüfung zum Gegenstand haben (vgl. VG München, B.v. 11.2.2019 – M 22 M 17.45482 – juris). Für eine Untätigkeitsklage, die, wie hier, allein auf eine Verbescheidung des Asylantrags gerichtet ist, erachtet das Gericht daher einen Gegenstandswert in Höhe von 2.500 EUR billigerweise für angemessen.
Das Gericht überträgt die infolge dieser Entscheidung erforderliche Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses dem Urkundsbeamten bzw. der Urkundsbeamtin gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 573 Abs. 1 Satz 3 und § 572 Abs. 3 ZPO (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 20).
Der Antragsgegner hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG; vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift z.B. VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271.17 – juris). …


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