Arbeitsrecht

Gehörsrüge wegen Eintragung eines Amtswiderspruchs

Aktenzeichen  34 Wx 464/16

Datum:
22.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2018, 305
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 2113 Abs. 1
FamFG FamFG § 28 Abs. 1, § 44
GBO GBO § 81 Abs. 3

 

Leitsatz

Das Beschwerdegericht ist nicht verpflichtet, einen anwaltlich vertretenen Beteiligten vor Erlass der verwerfenden Entscheidung auf das Fehlen der Beschwerdeberechtigung des Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls und die daraus folgende Unzulässigkeit des Rechtsmittels hinzuweisen, wenn es keine Erkenntnis darüber hat, dass der Nacherbfall nach Einlegung der Beschwerde eingetreten ist, und bereits das Grundbuchamt die Rechtsstellung des Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls deutlich dargelegt hat.  (Rn. 9)

Tenor

Die Gehörsrüge der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluss vom 4. August 2017 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
In Abteilung II des Grundbuchs ist seit 5.1.1968 ein Nacherbenvermerk des Inhalts eingetragen, dass Nacherbfolge angeordnet ist, mit dem Tod des Vorerben eintritt und Nacherben der M. S. die Söhne M. S. (der Beteiligte zu 3) und J. S., ersatzweise deren jeweilige Abkömmlinge, sind. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Abkömmlinge des am 5.2.2007 verstorbenen J. S.
Die Beteiligten zu 1 und 2 beanstandeten die Eintragung des Beteiligten zu 3 als Eigentümer, die das Grundbuchamt am 24.6.2015 in Vollzug der zwischen dem Vorerben, vertreten durch seine Ehefrau als Generalbevollmächtigte, und dem Beteiligten zu 3 erklärten Auflassung vom 21.4.2015 vorgenommen hat. Die als Anregung auf Eintragung eines Amtswiderspruchs ausgelegte Eingabe hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 6.8.2016 zurückgewiesen und zur Begründung unter Verweis auf gerichtliche Entscheidungen (KGJ 52, 145; BayObLG Rpfleger 1968, 221) unter anderem ausgeführt, dass der Nacherbenvermerk gutgläubigen Erwerb verhindere und eine die (Ersatz-)Nacherben beeinträchtigende Verfügung des Vorerben über Nachlassgegenstände (nur) relativ, nämlich gegenüber den Ersatznacherben, unwirksam sei. Weder sei das Grundbuch unrichtig, noch habe das Grundbuchamt bei der Eigentumsumschreibung das Recht verletzt.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der anwaltlich vertretenen Beteiligten zu 1 und 2 hat der Senat mit Beschluss vom 4.8.2017 verworfen. Den Beschwerdeführern fehle die Beschwerdeberechtigung, weil bei unrichtig eingetragenem Eigentum nur der wahre Berechtigte einen Berichtigungsanspruch habe und deshalb nur dieser durch die Ablehnung eines Amtswiderspruchs in seiner Rechtsstellung betroffen sei. Die Beschwerdeführer hätten vor Eintritt des Nacherbfalls lediglich ein unentziehbares Anwartschaftsrecht; sie seien jedoch nicht die wahren Berechtigten. Nur ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs auch der Sache nach nicht vorlägen.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 über ihren Anwalt mit der Gehörsrüge. Sie tragen vor, dass der Nacherbfall während des anhängigen Beschwerdeverfahrens, nämlich am 17.1.2017, eingetreten sei. Das Gericht habe seine Hinweispflicht verletzt, indem es die Zweifel an der Zulässigkeit nicht mitgeteilt und nicht darauf hingewiesen habe, dass die Beschwerdeberechtigung vom Eintritt des Nacherbfalls abhänge. Bei entsprechendem Hinweis wäre der Tatsachenvortrag gemacht und die Beschwerde daher nicht als unzulässig behandelt worden.
Darüber hinaus wird als fehlerhaft gerügt, dass die Generalvollmacht als ausreichend angesehen, die Verbriefung durch den Notar gebilligt und der Frage nicht nachgegangen worden sei, wie ein Nacherbe im bestehenden Rechtssystem geschützt und sein Schutz umgesetzt werde.
II.
Die Gehörsrüge hat keinen Erfolg.
1. Die nach § 81 Abs. 3 GBO i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthafte Anhörungsrüge ist zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1, § 15 Abs. 2 Satz 2 FamFG) und insoweit formgerecht (§ 44 Abs. 2 Sätze 3 und 4 FamFG) eingelegt, als eine Verletzung der Hinweispflicht gerügt wird.
2. Sie erweist sich jedoch als nicht begründet, weil das Gericht zu einem Hinweis nicht verpflichtet war.
a) Die Hinwirkungs- und Hinweispflicht (§ 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FamFG) begründet keine Verpflichtung des Beschwerdegerichts, ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Unvollständigkeit des ihm zur Entscheidung vorgelegten Sachverhalts Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen zu geben. Dies gilt auch im Rahmen der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeit (Keidel/Sternal FamFG 19. Aufl. § 27 Rn. 3 f. und 6). Anhaltspunkte dafür, dass der Nacherbfall zwischen Rechtsmitteleinlegung und Entscheidung eingetreten sei, gab es für das Beschwerdegericht nicht.
Ein Hinweis (§ 28 Abs. 1 Satz 2 FamFG) auf Zweifel an der Zulässigkeit des Rechtsmittels war auch nicht unter dem Gesichtspunkt veranlasst, dass grundsätzlich vor einer verwerfenden Entscheidung durch entsprechenden Hinweis Gelegenheit zu geben ist, von der Partei übersehene Zulässigkeitsmängel zu beheben. Denn hier lag es nicht in der Hand der Beteiligten zu 1 und 2, den Mangel ihrer Beschwerdeberechtigung zu beseitigen.
Zu einem der Entscheidung vorausgehenden Hinweis (§ 28 Abs. 1 Satz 2 FamFG) auf den Zulässigkeitsmangel bestand auch sonst keine Verpflichtung. Welcher Sachverhalt der Entscheidung mangels ergänzendem Vortrag in der Beschwerdeinstanz (vgl. § 74 GBO) zugrunde gelegt werden würde, war den Beteiligten zu 1 und 2 bekannt. Die rechtlichen Konsequenzen für die Zulässigkeit des Rechtsmittels musste das Gericht den anwaltlich vertretenen Beteiligten zu 1 und 2 nicht vor Erlass der Entscheidung darlegen. Zwar kann ein Hinweis geboten sein, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, der für die Verfahrensbeteiligten auch bei sorgfältiger Überlegung nicht erkennbar war und mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (BVerfGE 86, 133/144; BVerfG NJW 1991, 2823; KG FGPrax 2000, 36/38; Keidel/Sternal FamFG 19. Aufl. § 28 Rn. 8 und 14 sowie § 44 Rn. 8). Ein solcher Fall liegt aber nicht vor. Der Senat hat seiner Entscheidung die einhellig vertretene und in den gängigen Kommentaren zur GBO wiedergegebene Rechtsauffassung zugrunde gelegt, wonach gegen die Ablehnung eines Amtswiderspruchs nur derjenige mit der Beschwerde vorgehen kann, dessen Rechtsstellung bei unterstelltem Berichtigungsanspruch betroffen wäre. Auf die für die Rechtsstellung des (Ersatz-)Nacherben materiell-rechtlich maßgebliche Vorschrift des § 2113 Abs. 1 BGB, wonach die Verfügung des Vorerben im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam ist, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde, hatte bereits das Grundbuchamt in der angefochtenen Entscheidung selbst und in der ihr vorausgegangenen Korrespondenz mit dem anwaltlichen Vertreter der Beteiligten zu 1 und 2 deutlich hingewiesen. Dass es für die Entscheidung auf den hier unterlassenen Vortrag, dass der Nacherbfall inzwischen eingetreten sei, ankommen kann, war deshalb jedenfalls für die anwaltlich vertretenen Beteiligten zu 1 und 2 bei gewissenhafter Verfahrensführung ohne weiteres zu erkennen.
b) Soweit die Beteiligten ihre Rechtsmeinung der gerichtlichen Würdigung in den lediglich ergänzenden, aber die Entscheidung nicht tragenden Hinweisen gegenüberstellen und zudem einen ungenügenden Rechtsschutz des Nacherben durch das bestehende Rechtssystem monieren, ist schon eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht dargetan.
3. Eine Kostenentscheidung für das Rügeverfahren ist nicht veranlasst. Die Rügeführer sind kraft Gesetzes dazu verpflichtet, die für das Verfahren angefallenen gerichtlichen Kosten zu tragen (§ 22 Abs. 1 GNotKG). Es war nicht erforderlich (§ 44 Abs. 3 FamFG), dem Beteiligten zu 3 im Rügeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Es entspricht mithin billigem Ermessen, von einer Kostenauferlegung abzusehen (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG).
Eine Geschäftswertfestsetzung ist nicht veranlasst, weil für das gerichtliche Verfahren eine Festgebühr anfällt (Nr. 19200 KV GNotKG).
Diese Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, § 44 Abs. 4 Satz 3 FamFG.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 25.09.2017.  


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