Arbeitsrecht

Genehmigung eines Heimversorgungsvertrages

Aktenzeichen  Au 9 K 20.128

Datum:
19.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31746
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ApoG § 12a
VwGO § 113 Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1. Liegt zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung neben einem noch zu genehmigenden Vertrag zur Versorgung von Bewohnern von Heimen mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten ein weiterer bereits genehmigter Versorgungsvertrag mit einer Apotheke vor, muss der zu genehmigende Vertrag eine Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche beispielsweise nach Patienten, Stockwerken etc. zwecks Genehmigung nach § 12a ApoG vorsehen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Antrag auf Neuverbescheidung scheidet bei gebundenen Ansprüchen, die also kein Ermessen vorsehen, aus. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen. 
II.    Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III.    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Die Klage ist, wenn man sie im Hinblick auf den in Nr. 2 gestellten Klageantrag nach § 88 VwGO dahingehend auslegt, dass die Klägerin die Genehmigung des von ihr vorgelegten Versorgungsvertrags vom 1. Oktober 2019 begehrt, als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage zulässig.
2. Die Klage bleibt jedoch auch bei Auslegung als Versagungsgegenklage in der Sache ohne Erfolg. Die Ablehnung der Genehmigung des streitgegenständlichen Versorgungsvertrags durch den angegriffenen Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht in Bezug auf den von ihr vorgelegten Heimversorgungsvertrag vom 1. Oktober 2019 kein Anspruch auf aufsichtliche Genehmigung nach § 12a ApoG zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist bei der hier in Streit stehenden Verpflichtungs- bzw. Verbescheidungsklage die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 113 Rn. 217).
a) Die in § 12a Abs. 1 Satz 3 ApoG für eine Genehmigungsfähigkeit abschließend genannten kumulativ erforderlichen Voraussetzungen liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vor.
Zwar liegt die Apotheke der Klägerin und das zu versorgende Heim innerhalb desselben Landkreises, so dass die Vorgaben des § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ApoG erfüllt werden. Der von der Klägerin vorgelegte Heimversorgungsvertrag entspricht auch den weiteren Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und 4 ApoG bezüglich der Pflichten des Apothekers zur Information und Beratung von Heimbewohnern (Nr. 3) bzw. der fortbestehenden freien Apothekenwahl von Heimbewohnern (Nr. 4). Diesen Punkten wurde in dem von der Klägerin vorgelegten Vertrag in den §§ 1 Abs. 3 und 6 in ausreichender Weise Rechnung getragen.
Ob vorliegend die in § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ApoG für eine Genehmigung weiter vorausgesetzte ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung durch die Klägerin gewährleistet ist, bedarf keiner abschließenden gerichtlichen Entscheidung, da eine Genehmigung des von Klägerin vorgelegten Heimversorgungsvertrages derzeit jedenfalls an der Genehmigungsvoraussetzung in § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ApoG scheitert. Nach dieser Vorschrift darf der Versorgungsvertrag keine Ausschließlichkeitsbindung zu Gunsten einer Apotheke enthalten und muss die Zuständigkeitsbereiche mehrerer an der Versorgung beteiligter Apotheken klar abgrenzen. Zwar wurde in § 10 Abs. 1 Satz 1 des vorgelegten Vertrags eine Ausschließlichkeitsbindung an eine bestimmte Apotheke vertraglich ausgeschlossen. Nach Satz 2 von § 10 Abs. 1 des Mustervertrages ist die Heimeinrichtung aber berechtigt, weitere Verträge zur Versorgung der Heimbewohner abzuschließen. Soweit an der Versorgung der Einrichtung mehrere Apotheken beteiligt sind, sind in einer Anlage zum Vertrag die Zuständigkeitsbereiche entsprechend abzugrenzen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 des Vertrags).
Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung lag für das streitgegenständliche Heim jedoch ein weiterer, am 3. Dezember 2019 behördlich vom Beklagten genehmigter und somit rechtlich wirksamer Versorgungsvertrag vom 28. November 2019 vor. Dieser wirksame Vertrag hat für die Klägerin zur Folge, dass in ihrem noch nicht behördlich genehmigten streitgegenständlichen Vertrag eine Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche beispielsweise nach Patienten, Stockwerken etc. vorzusehen war. Eine entsprechende Anpassung des Vertrags ist bislang nicht erfolgt, obwohl der Klägerin bzw. deren Bevollmächtigten mit Schreiben des Landratsamtes vom 28. November 2019 (Behördenakte Blatt 39), d. h. zu einem Zeitpunkt, als beide konkurrierenden Heimversorgungsverträge noch nicht wirksam genehmigt waren, mitgeteilt wurde, dass das Diakoniezentrum am 26. November 2019 einen Versorgungsvertrag mit einer weiteren Apotheke abgeschlossen hatte. Vor dem Hintergrund dieser Mitteilung hat es die Klägerin bzw. deren Bevollmächtigter unterlassen, mit dem Träger des Seniorenheims in Kontakt zu treten, um eine Abgrenzung der beiden Heimversorgungsverträge zu veranlassen. Aus der Tatsache, dass gegenüber dem Landratsamt diesbezüglich keine weitere Äußerung durch die Klägerin erfolgte und ein vom Heimträger mit einer anderen Apotheke abgeschlossener aktuellerer Vertrag ohne Regelungen zur Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche vorgelegt wurde, durfte das Landratsamt den Schluss ziehen, dass der Heimträger von der ursprünglichen Absicht des Heimversorgungsvertrags mit der Klägerin mittlerweile Abstand genommen hat. Zwar wäre es – wie von der Klägerin aufgezeigt – durchaus wünschenswert gewesen, wenn der Beklagte vor Erlass der hier streitgegenständlichen Entscheidung mit der betroffenen Heimeinrichtung Kontakt aufgenommen hätte, um die Hintergründe für den Abschluss zweier zunächst identischer Muster-Verträge auszuleuchten. Dass dies wohl unterblieben ist, begründet jedoch keinen Anspruch zu Gunsten der Klägerin, zumal diese jedenfalls mit Schreiben des Beklagten vom 28. November 2019 auf den nunmehr vorliegenden konkurrierenden Heimversorgungsvertrag ausdrücklich hingewiesen worden ist. So wäre es denn auch in erster Linie an der Klägerin gelegen, mit dem Träger der Heimeinrichtung das Gespräch über die Abgrenzung der beiden abgeschlossenen Heimversorgungsverträge zu suchen.
b) Der Umstand, dass auch der vom Beklagten am 3. Dezember 2019 genehmigte Heimversorgungsvertrag mit der *-Apotheke seinerseits keine § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ApoG entsprechende Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche vorsieht, ist nicht geeignet, einen Genehmigungsanspruch aus § 12a Abs. 1 Satz 3 ApoG zu Gunsten der Klägerin zu begründen. Im Zeitpunkt der Genehmigung des Vertrages der *-Apotheke am 3. Dezember 2019 war eine derartige Abgrenzung nicht erforderlich, da der Vertrag der Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht wirksam geschlossen war. Dies ergibt sich aus § 12a Abs. 1 Satz 2 ApoG, wonach der Heimversorgungsvertrag zu seiner Rechtswirksamkeit der Genehmigung der zuständigen Behörde bedarf. Da die Klägerin auch nach Mitteilungen der inhaltlichen Beanstandungen des Pharmazierats bei der Regierung von * den ihrerseits vorgelegten Heimversorgungsvertrag nicht inhaltlich überarbeitet und modifiziert hat, war dieser weder im Zeitpunkt der behördlichen noch der gerichtlichen Entscheidung genehmigungsfähig. Da die öffentlich-rechtliche Genehmigung nach § 12a Abs. 1 Satz 2 ApoG aber Wirksamkeitsvoraussetzung für den vorgelegten Heimversorgungsvertrag ist, blieb dieser schwebend unwirksam.
c) Daher kann die am 3. Dezember 2019 erfolgte Genehmigung des Heimversorgungsvertrags der konkurrierenden Apotheke rechtlich nicht beanstandet werden. Aus dem Wesen der rechtlich gebundenen Entscheidung in § 12a Abs. 1 Satz 3 ApoG folgt, dass die jeweils zuständige Genehmigungsbehörde im Wege der staatlichen Apothekenaufsicht Heimversorgungsverträge zu genehmigen hat, sofern sie die kumulativen Voraussetzungen in § 12a Abs. 1 Satz 3 ApoG erfüllen. Aus diesem Grund bestand mit Vorlage eines aus Sicht der zuständigen Behörde genehmigungsfähigen Vertrags für die Inhaberin der *-Apotheke ein Anspruch auf Genehmigung, auch wenn der Vertrag zeitlich nach dem – noch nicht genehmigungsfähigen Vertrag der Klägerin – bei der Behörde eingereicht wurde. Eine Sperrwirkung konnte der von der Klägerin zeitlich vorausgehend vorgelegte Vertrag nicht entfalten, da diesem die zu seiner Rechtswirksamkeit erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigung nach § 12a ApoG fehlte.
d) Soweit die Klägerin ausdrücklich eine Neuverbescheidung im Sinn des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO beantragt, bleibt die Klage auch insoweit ohne Erfolg. Bei der vorliegenden in Streit stehenden Genehmigung des Heimversorgungsvertrags nach § 12a ApoG handelt es sich um eine rechtlich gebundene Entscheidung. Nach § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 ApoG ist der Inhaber einer öffentlichen Apotheke verpflichtet, zur Versorgung von Bewohnern von Heimen mit Arzneimitteln mit dem Träger des Heims einen schriftlichen Vertrag zu schließen. Die Genehmigung dieses Vertrags ist zu erteilen, wenn die in § 12a Abs. 1 Satz 3 ApoG genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Ein für den Erlass eines Verbescheidungsurteils begriffsnotwendig erforderliches Ermessen steht der hierbei zuständigen Behörde nicht zu (vgl. BayVGH, U.v. 30.3.2012 – 9 B 11.1465 – GewArch 2013, 67; VG Augsburg, U.v. 22.2.2011 – Au 1 K 10.1780 – juris Rn. 16).
e) Von einer Beiladung des Trägers der streitgegenständlichen Senioreneinrichtung hat das Gericht im Hinblick auf die dem Träger zuzubilligende Vertragsfreiheit abgesehen. In welcher Form, mit welchem Inhalt und mit wie vielen Beteiligten die betroffene Einrichtung Heimversorgungsverträge abschließt, ist der gerichtlichen Kontrolle durch das Verwaltungsgericht entzogen.
Auch eine Beiladung der Inhaberin der konkurrierenden Apotheke war nicht veranlasst, da im Bereich der Heimversorgungsverträge bereits die gesetzliche Regelung in § 12a Abs. 1. Satz 3 Nr.5 ApoG eine Ausschließlichkeitsbindung an eine Apotheke ausschließt. Hieraus folgt, dass es nach der gesetzlichen Konzeption möglich und zulässig ist, die Heimversorgung auf mehrere beteiligte Apotheken zu verteilen und mehrere untereinander abgegrenzte Heimversorgungsverträge behördlich genehmigen zu lassen, soweit diese jeweils genehmigungsfähig im Sinne des § 12a Abs. 1 Satz 3 ApoG sind. Die Genehmigung des zeitlich nachfolgend vorgelegten Heimversorgungsvertrages für die konkurrierende *-Apotheke am 3. Dezember 2019 schließt demnach eine Genehmigung des zeitlich vorausgehend vorgelegten Vertrages der Klägerin nicht aus, sofern dieser den kumulativen Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 Satz 3 ApoG entsprechen würde, was aber weder im Zeitpunkt der behördlichen Ablehnungsentscheidung noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der Fall ist.
3. Aufgrund des dargestellten Verhältnisses mehrerer zur Genehmigung gestellter Heimversorgungsverträge vor dem Hintergrund des § 12a ApoG kann die Klage auch im gestellten Hilfsantrag mit dem Ziel, die Genehmigung des Versorgungsvertrages zwischen der *-Apotheke und dem Diakoniezentrum * aufzuheben, keinen Erfolg haben. Der Klägerin steht in ihrem Verfahren insoweit bereits kein Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung eines konkurrierenden Apotheken-Heimversorgungsvertrages zu.
5. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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