Arbeitsrecht

Gerichtsbesetzung bei Antrag auf Nichterhebung von Kosten nach Zugang der Kostenrechnung

Aktenzeichen  11 W 215/20

Datum:
26.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
JurBüro – 2020, 195
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 1 Abs. 5, § 21, § 66
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Mit Zugang der Kostenrechnung beim Kostenschuldner endet die Befugnis des Ausgangsgerichts zur Entscheidung über einen Antrag auf Niederschlagung der Gerichtskosten gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG; ab diesem Zeitpunkt ist ein derartiger Antrag als Erinnerung gegen den Kostenansatz zu betrachten, über die der gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, § 1 Abs. 5 GKG zuständige Einzelrichter entscheidet. Ein Beschluss durch das Erstgericht in der Besetzung mit drei Richtern verstößt gegen das Gebot der Entscheidung durch den gesetzlichen Richter. (Rn. 10 – 11)
1. Ein nach Zugang der Kostenrechnung eingereichter Antrag auf Nichterhebung von Gerichtskosten gem. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG ist als Erinnerung zu behandeln (vgl. BGH BeckRS 2002, 7447). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Verhältnis zwischen dem Kollegium eines Spruchkörpers und dem Einzelrichter unterliegt den Grundsätzen des gesetzlichen Richters. § 66 Abs. 6 Satz 4 GKG schließt eine Überprüfung der Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf den gesetzlichen Richter nicht aus (vgl. BGH BeckRS 2003, 2420). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Hat die Unzuständigkeit der voll besetzten Kammer im ersten Rechtszug zugleich Auswirkungen auf den gesetzlichen Richter des Beschwerdeverfahrens, steht dies einer eigenen Sachentscheidung des Beschwerdegerichts entgegen (vgl. OLG Celle BeckRS 2002, 8135). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

18 O 7320/15 2019-11-20 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 07.01.2020 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Entscheidung über die Kostenerinnerung des Klägers an das Landgericht München I zurückverwiesen.

Gründe

I.
Durch Endurteil vom 20.11.2019 gab die 18. Zivilkammer des Landgerichts München I in der Besetzung mit drei Berufsrichtern der Klage des Klägers wegen Entrichtung restlichen Architektenhonorars teilweise statt und wies diese im Übrigen ab. Ferner ordnete das Landgericht München I an, dass der Kläger von den Kosten des Rechtsstreits 60 %, der Beklagte 40 % zu tragen hat.
Mit Schlusskostenrechnung vom 22.11.2019 (Kostenrechnung XV) setzte die Kostenbeamtin des Landgerichts München I die Gerichtskosten mit insgesamt 9.077,62 € fest. Darin enthalten ist eine Sachverständigenvergütung gemäß Nr. 9005 KV GKG in Höhe von 8.042,62 für den durch Beweisbeschluss des Landgerichts München I vom 27.01.2016 bestellten und im Verfahren tätigen Sachverständigen Der auf den Kläger entfallende 60 %ige Kostenanteil wurde mit 5.446,57 € bestimmt.
Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Klägers vom 06.12.2019 mit dem Antrag, die in der Schlusskostenrechnung enthaltene Sachverständigenvergütung wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen. Das erkennende Gericht habe den Sachverständigen mit der Beantwortung von Rechtsfragen beauftragt sowie die geschuldete rechtliche Überprüfung der entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte vor Erlass des Beweisbeschlusses unterlassen.
Durch Beschluss vom 07.01.2020 wies die 18. Zivilkammer des Landgerichts München I in der Besetzung mit drei Berufsrichtern den Antrag des Klägers, die Kosten für die Begutachtung durch den Sachverständigen in Höhe von 8.042,62 wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen, zurück. Die Zustellung des Beschlusses an den Klägervertreter erfolgte am 13.01.2020.
Mit Schriftsatz vom 23.01.2020, eingegangen beim Landgericht München I am selben Tag, legte der Kläger gegen den Beschluss vom 07.01.2020 Beschwerde ein.
Durch Beschluss vom 12.02.2020 half die 18. Zivilkammer des Landgerichts München I in der Besetzung mit drei Berufsrichtern der Beschwerde nicht ab und legte die Akten zur Entscheidung dem Oberlandesgericht München vor.
II.
Die zulässige Beschwerde des Klägers führt zur Aufhebung des Kammerbeschlusses vom 07.01.2020 sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht München I zur Entscheidung über die Kostenerinnerung des Klägers.
a. Das Rechtsmittel der Beschwerde ist statthaft.
Bei dem Kammerbeschluss vom 07.01.2020 handelt es sich um eine Entscheidung des Erstgerichts gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 GKG über die Frage der Nichterhebung der (Sachverständigen)Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung. Gegen eine solche Entscheidung des Erstgerichts findet gemäß § 66 Abs. 2 GKG die – einfache – Beschwerde statt (Hartmann, Kostengesetze, 47. Auflage, § 21 GKG, Rn. 66; BDZ-Zimmermann, GKG, 4. Aufl., § 21 Rn. 13; BeckOK-Dörndorfer, Kostenrecht, 28. Edition, § 21 GKG, Rn. 9).
b. Der angefochtene Beschluss leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, da die Entscheidung nicht durch den zuständigen gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergangen ist.
Das Landgericht München I hat in unzulässiger Weise als Erstgericht – in der Besetzung mit drei Berufsrichtern – über die Frage der Nichterhebung von Gerichtskosten gemäß § 21 GKG entschieden. Nachdem die Kostenrechnung vom 22.11.2019 mit den darin enthaltenen Sachverständigenkosten dem Kostenschuldner bereits zugegangen war und er diese im Übrigen auch ausdrücklich mit dem Rechtsbehelf der Erinnerung angegriffen hat, war eine Entscheidungsbefugnis des Erstgerichts über die Frage der Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 GKG nicht mehr gegeben. Mit Zugang der Kostenrechnung ist vielmehr über die Frage der Nichterhebung von Verfahrenskosten ausschließlich im Rahmen des Erinnerungsverfahrens gegen den Kostenansatz zu entscheiden, wofür gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG eine originäre Zuständigkeit des Einzelrichters gegeben ist.
aa. Mit Zugang einer Kostenrechnung an den Kostenschuldner ist über die Frage der Nichterhebung von Gerichtskosten ausschließlich im Rahmen des Erinnerungsverfahrens gegen den Gerichtskostenansatz zu entscheiden. Eine Entscheidungsbefugnis des Erstgerichts ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben.
aaa. Der – teilweise – Wegfall des staatlichen Kostenanspruchs im Sinne des § 21 GKG setzt grundsätzlich eine gerichtliche Entscheidung voraus. Die Entscheidung über die Nichterhebung entstandener Gerichtskosten trifft dabei das Gericht, d.h. der Richter bzw. in übertragenen Geschäften der Rechtspfleger, bei dem die unrichtige Sachbehandlung zu Mehrkosten geführt hat. Die gerichtliche Entscheidung über die Nichterhebung kann dabei bereits in die Kostengrundentscheidung des Endurteils über die Hauptsache aufgenommen werden; ansonsten entscheidet das Gericht durch gesonderten Beschluss (BDZ-Zimmermann a.a.O. § 21 GKG, Rn. 13; BeckOK-Dörndorfer a.a.O. § 21 Rn. 9). Das Gericht entscheidet dabei auf Antrag des Kostenschuldners oder von Amts wegen.
bbb. Die Entscheidungsbefugnis des erkennenden Erstgerichts über die Frage der Nichterhebung von Gerichtskosten endet jedoch – für den Fall der Antragstellung durch den Kostenschuldner – mit dem Zugang der Kostenrechnung an den Kostenschuldner bzw. – für den Fall einer Entscheidung von Amts wegen – mit der Erstellung des Kostenansatzes. Ein nach Zugang der Kostenrechnung eingereichter Antrag gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG auf Nichterhebung von Gerichtskosten richtet sich der Sache nach gegen den vom Kostenbeamten in der Kostenrechnung vorgenommenen Kostenansatz, also gegen die Anforderung der angefallenen Gebühren und zu erstattenden Auslagen. Ein solcher Antrag ist daher als Erinnerung zu behandeln (BGH, Beschluss vom 15.08.2002, 1 ZA 1/01; VGH Kassel, Beschluss vom 13.09.2012, 4 F 1443/12; Hartmann, a.a.O., Rn. 54; BDZ-Zimmermann, a.a.O., § 21 Rn. 14; BeckOK-Dörndorfer, a.a.O., § 21 Rn. 9).
Die Annahme eines Fortbestehens der Zuständigkeit des Erstgerichts für die Entscheidung über die Nichterhebung von Kosten neben dem Angriff der bereits festgesetzten Sachverständigenkosten im Rahmen des Erinnerungsverfahrens gegen den Kostenansatz würde zu einer – zu vermeidenden – Parallelzuständigkeit des erkennenden Erstgerichts einerseits sowie des Kostenbeamten bzw. Kostenrichters andererseits führen mit der Folge, dass über dieselbe Frage im Rahmen zweier unterschiedlicher Verfahren durch unterschiedliche Entscheidungsbefugte befunden würde. Die dabei entstehende Gefahr widerstreitender Entscheidungen bei Niederschlagung der Kosten im Rahmen des Erinnerungsverfahrens bei gleichzeitiger Zurückweisung des Nichterhebungsantrags durch das Erstgericht oder umgekehrt, ist offensichtlich.
ccc. Im vorliegenden Fall ist dem Kostenschuldner die Kostenrechnung vom 22.11.2019 bereits zugegangen. Ausweislich des Schriftsatzes vom 06.12.2019 wendet er sich hiergegen ausdrücklich mit dem Rechtsbehelf der Erinnerung. Aus der Formulierung seines Antrags vom 06.12.2018 ergibt sich darüber hinaus, dass der Kostenschuldner ausdrücklich den Kostenansatz angreift und insoweit beantragt die darin enthaltene Sachverständigenvergütung gemäß § 21 GKG niederzuschlagen. Auch nach dem ausdrücklichen Wortlaut seines Antrags geht hervor, dass dieser keinen eigenen – vom Erinnerungsverfahren unabhängigen – Antrag auf Niederschlagung der Gerichtskosten gemäß § 21 GKG stellt, sondern eine Verbescheidung im Rahmen des Erinnerungsverfahrens wünscht.
bb. Nach § 66 Abs. 6 Satz 1 1. Halbsatz GKG entscheidet das Gericht über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter. Somit hat die 18. Kammer des Landgerichts München I – nach etwaiger Nichtabhilfeentscheidung der zuständigen Kostenbeamtin – über die Erinnerung des Klägers gegen den Kostenansatz durch den Einzelrichter zu befinden.
Eine Zuständigkeit der Kammer in ihrer Besetzung mit drei Berufsrichtern im Rahmen des verfahrensgegenständlichen Erinnerungsverfahrens ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der originär zuständige Einzelrichter das Verfahren der Kammer nach § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG übertragen hat oder auch nur die Voraussetzungen für eine Übertragung erfüllt waren. Insoweit liegt weder ein förmlicher Übertragungsbeschluss vor noch sind Anhaltspunkte für eine stillschweigende Übertragung durch konkludentes Handeln ersichtlich. Nach Aktenlage bestand hierfür aus Sicht der Kammer auch keine Veranlassung, da die Kammer – rechtsirrtümlich – als Erstgericht im Sinne von § 21 Abs. 2 Satz 1 GKG und damit nicht als Erinnerungsgericht im Sinne von § 66 Abs. 6 GKG tätig wurde.
cc. Der Umstand, dass die Kammer des Landgerichts München I in ihrer Besetzung mit drei Berufsrichtern statt im Rahmen des Erinnerungsverfahrens durch den Einzelrichter entschieden hat, stellt einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Denn gesetzlicher Richter im Sinne dieser Vorschrift sind dabei nicht nur das Gericht als organisatorische Einheit und das erkennende Gericht als Spruchkörper, sondern auch die im Einzelfall zur Mitwirkung berufenen Richter. Das Verhältnis von Kollegium und Einzelrichter unterliegt daher denselben Grundsätzen des gesetzlichen Richters. Das Kollegium, welches anstelle eines zuständigen Einzelrichters entscheidet, kann nicht als ein „besseres“ Gericht angesehen werden (BVerfG, Beschluss vom 02.06.2009, 1 BvR 2295/08). Dem festgestellten Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht § 66 Abs. 6 Satz 4 GKG nicht entgegen. Denn die Überprüfung der Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf den gesetzlichen Richter kann nicht durch eine einfach gesetzliche Regelung wie z.B. § 66 Abs. 6 Satz 4 GKG ausgeschlossen werden (vgl. auch BGHZ 154, 200; BeckOK-Laube, a.a.O., § 66 GKG, Rn. 164).
b. Einer eigenen Sachentscheidung des Beschwerdegerichts, wie sie grundsätzlich auch bei wesentlichen Verfahrensfehlern nach § 572 ZPO möglich wäre, steht hier der Umstand entgegen, dass die Unzuständigkeit der Kammer zugleich Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Senats im Beschwerdeverfahren und damit auf den gesetzlichen Richter des Beschwerdeverfahrens hat (OLG Celle, Beschluss vom 27.09.2002, 6 W 118/02). Insoweit hatte vorliegend durch den Senat zwingend eine Aufhebung der Erinnerungsentscheidung Zurückverweisung zur Entscheidung durch den Einzelrichter zu erfolgen (Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 40. Auflage, § 572 Rn. 20).
Über die Erinnerung gegen den Kostenansatz ist daher – nach Beteiligung des Bezirksrevisors als Vertreter der Staatskasse – durch den Einzelrichter zu entscheiden.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 66 Abs. 8 GKG).


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