Arbeitsrecht

Gesamtversorgung, Nachversicherung eines, Anrechnung bei Möglichkeit der Nachversicherung in berufsständischer Versorgung

Aktenzeichen  8 Sa 853/19

Datum:
21.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20675
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrAVG § 2a Abs. 1, Abs. 4
SGB VI § 186

 

Leitsatz

§ 2a Abs. 4 BetrAVG verbietet lediglich die Kürzung um Anwartschaften, die der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden bei einem anderen Arbeitgeber erwirbt. Sie betrifft im Übrigen die Kürzung eines bereits erworbenen Anspruchs, regelt dagegen nicht, welche Faktoren in die Berechnung dieses Anspruchs eingehen, und hindert nicht die Berücksichtigung der tatsächlich erfolgten Nachversicherung.

Verfahrensgang

14 Ca 9199/18 2019-08-07 Endurteil ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 07.08.2019 – 14 Ca 9199/18 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. I. Feststellungsantrag Der zulässige Feststellungsantrag ist nicht begründet.
1. Die Beklagte ist berechtigt, gemäß § 7 Abs. 6 des Arbeitsvertrages vom 01.07.1995 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 Satz 2 BeamtVG in der Fassung vom 16.03.1999 die Leistungen der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung auch für den Zeitraum der Nachversicherung, also vom 01.01.1989 bis zum 30.04.1999, auf das dem Kläger geschuldete Ruhegehalt anzurechnen.
2. Nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer steht § 2a Abs. 1 BetrAVG dem nicht entgegen. Die dort geregelte Veränderungssperre führt nicht dazu, dass fiktiv von einer Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung auszugehen wäre.
Die Nachversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung stellt keine im Zeitpunkt des Ausscheidens bestehende Bemessungsgrundlage im Sinne von § 2a Abs. 1, Halbsatz 1 BetrAVG dar; die tatsächlich erfolgte Nachversicherung in der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung ist auch keine Veränderung gemäß § 2a Abs. 1, Halbsatz 2 BetrAVG, die nach dem Ausscheiden des Klägers eingetreten ist und bei der Berechnung außer Betracht bleiben müsste.
2.1 Bemessungsgrundlagen im Sinne der Norm sind alle rechnerischen Größen zur Bestimmung des Leistungsumfangs der betrieblichen Altersversorgung (vgl. Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, 4. Aufl., 2006, § 2a. F., Rn. 403), also alle Werte, von denen die Höhe der Versorgungsleistungen abhängig ist (vgl. HWK/Schipp, 8. Aufl., 2018, § 2a BetrAVG, Rn.4; Höfer/Höfer, § 2 BetrAVG a. F., Rn. 313).
2.2 Die Nachversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zählt hierzu nicht, weil diese zum Zeitpunkt des Ausscheidens Klägers nicht festgestanden hat. Die Frage einer Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder in der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung war vielmehr offen. Wie der Kläger selbst treffend formuliert hat, war er am 30.04.1999 bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses rentenversicherungsfrei, jedoch nachzuversichern. Es stand in der Tat nur fest, dass eine Nachversicherung zu erfolgen hatte, es stand jedoch nicht fest, wo diese zu erfolgen hatte. Denn neben einer Nachversicherung in der gesetzlichen Versicherung kam vor dem Hintergrund der juristischen Ausbildung des Klägers in Betracht, dass er innerhalb der Jahresfrist des § 186 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI die Voraussetzungen für eine Nachversicherung bei der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung als berufsständischer Versorgungseinrichtung erfüllen und binnen der Jahresfrist des § 186 Abs. 3 SGB VI den entsprechenden Antrag auf Zahlung der Beiträge an diese stellen würde. Es kam, kurz gefasst, ein Wahlrecht des Klägers in Betracht, das einer abschließenden Berechnung seiner Anwartschaft entgegenstand. Dass rechtstechnisch die Nachversicherung bei der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 185 Abs. 1 SGB VI als Regel, die bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung als Ausnahme gestaltet ist, ändert an diesem Ergebnis nichts.
Der Grundgedanke der Regelung, wonach die Höhe einer unverfallbaren Anwartschaft nicht von den Verhältnissen bei Eintritt des Versorgungsfalles und damit von einer ungewissen zukünftigen Entwicklung abhängig sein soll (vgl. BAG, Urteil vom 12.11.1991 – 3 AZR 520/90, juris, Rn. 29), gebietet entgegen klägerischer Auffassung kein anderes Ergebnis. Soweit noch ein Wahlrecht des Arbeitnehmers offensteht, ist ein „Einfrieren“ von Bemessungsgrundlagen nur hinsichtlich der Fakten möglich, die nach erfolgter Entscheidung der dann vorzunehmenden Berechnungsvariante zu Grunde zu legen sind, nicht aber hinsichtlich einer der beiden Entscheidungsalternativen. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechnung der Anwartschaft bzw. des Anspruchs wird damit auch dann regelmäßig nicht auf den Eintritt des Versorgungsfalles verschoben, wenn Klarheit hinsichtlich der Frage, wo nachzuversichern ist, erst mit Ablauf der Fristen des § 186 SGB VI eintritt.
Der Auffassung des Klägers, dass Ansprüche eines bei der Beklagten ausgeschiedenen Arbeitnehmers gegen die Bayerische Rechtsanwaltsversorgung nur zu berücksichtigen wären, wenn die entsprechenden Anwartschaften bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens bestanden hätten, vermag das Berufungsgericht daher nicht zu folgen.
Wenn der Kläger darauf hinweist, Ansprüche, die in der Zeit nach dem Ausscheiden bei der Beklagten erzielt worden seien, könnten diese nicht entlasten, so verkennt er, dass seine Ansprüche gegen die Bayerische Rechtsanwaltsversorgung, soweit sie an die Beitragszahlung für die Zeit vom 01.01.1989 bis zum 30.04.1999 anknüpfen, auf die (von ihm gewünschte) Nachversicherung durch die Beklagte zurückzuführen sind.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers steht auch § 2a Abs. 4 BetrAVG der Anrechnung der Leistungen der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung nicht entgegen.
Die Norm verbietet lediglich die Kürzung um Anwartschaften, die der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden bei einem anderen Arbeitgeber erwirbt (Kisters-Kölkes in Kemper u. a., BetrAVG, 2014, § 2 BetrAVG a. F., Rn 131). Sie betrifft im Übrigen die Kürzung eines bereits erworbenen Anspruchs, regelt dagegen nicht, welche Faktoren in die Berechnung dieses Anspruchs eingehen (BAG, Urteil vom 21.03.2006 – 3 AZR 374/05, juris, Rn. 29).
Wenn der Kläger dazu ausführt, von § 2 Abs. 4 BetrAVG seien nur solche Anwartschaften ausgenommen, die beim Ausscheiden bereits hochgerechnet werden könnten, während eine hypothetische bzw. spekulative Hochrechnung nicht vorgesehen sei, so ist ihm entgegenzuhalten, dass eine Hochrechnung seiner Rentenansprüche gegen die gesetzliche Rentenversicherung zum Zeitpunkt seines Ausscheidens ebenfalls nur auf der – nicht feststehenden, und damit hypothetischen – Annahme möglich war, dass die Nachversicherung nicht anderweitig erfolge.
4. Ergänzend sei festgehalten, dass der Kläger nicht geltend macht, dass die Parteien im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden oder nachfolgend eine ihm günstigere vertragliche Abrede zur Anrechnung getroffen hätten, als sie sich aus den oben genannten Regelungen ergibt. Eine solche Vereinbarung ist auch nicht ersichtlich und folgt insbesondere nicht aus der vorgelegten Korrespondenz der Parteien, die mithin für die Entscheidung unerheblich ist.
II.
Leistungsantrag
Auch der Antrag des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Monat nach Rechtskraft des Urteils in Textform die Höhe des zu erwartenden Altersruhegeldes mitzuteilen, unterliegt der Klageabweisung. Denn er ist bereits unzulässig.
Der Antrag bezieht sich auf eine künftige Leistung, ohne den Voraussetzungen der §§ 257 bis 259 ZPO zu genügen.
Insbesondere sind auch die Voraussetzungen des § 259 ZPO nicht erfüllt. Danach kann Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Hierzu lässt der Kläger jeglichen Vortrag vermissen. Sein Hinweis, die Beklagte habe in der Vergangenheit eine falsche Berechnung in Aussicht gestellt, vermag die Besorgnis nicht zu begründen. Wenn er darauf abstellt, dass die Leistung erst nach Rechtskraft der Entscheidung erfolgen soll, ist auch dies unbehelflich; denn er hat nicht aufgezeigt, dass anzunehmen wäre, die Beklagte würden sich nach rechtskräftiger Klärung des Streits gemäß Klageantrag 1 einer Auskunftspflicht entziehen. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, nach denen die geforderte Besorgnis gerechtfertigt wäre.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Zulassung der Revision
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
V.


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