Aktenzeichen W 1 K 19.523
BayBeamtVG Art. 99a Abs. 1 Nr. 1
SGB VI § 185 Abs. 3
Leitsatz
1. Für die Anwendbarkeit des Art. 99a BayBeamtVG kann es genügen, wenn der Zeitpunkt der Entlassung zeitlich vor dem Inkrafttreten der Norm liegt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es bleibt offen, ob sich aus der weiteren Voraussetzung des Art. 99a BayBeamtVG, dass es sich um „nachzuversichernde“ Beamte handeln muss, eine Begrenzung der Rückwirkung ergeben könnte. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ohne Anwendung des Art. 99a BayBeamtG wäre das Beamtenversorgungsrecht des Freistaats Bayern mit dem daraus folgenden System der Nachversicherung, wie es in § 8 Abs. 2 SGB VI angelegt ist, mit Art. 45 AEUV unvereinbar. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 14. Februar 2019 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine ergänzende Versorgungsabfindung gemäß Art. 99a BayBeamtVG zu gewähren.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung ergänzender Versorgungsleistungen nach Art. 99a BayBeamtVG. Der Kläger hat sein Begehren in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf Leistungen entsprechend Art. 99a BayBeamtVG beschränkt. Hierbei handelt es sich noch um eine zulässige Konkretisierung seines Klageantrages und nicht etwa um eine versteckte teilweise Klagerücknahme, auch wenn die Vorschrift des Art. 99a BayBeamtVG in Absatz 3 eine um 15 v.H. verringerte Versorgungsanwartschaft zugrunde legt. Aus dem Vorbringen des Klägers im gesamten Verfahren kann indes nicht darauf geschlossen werden, dass er sich anfangs auch gegen diese Beschränkung wehren wollte. Vielmehr hält er, wie er in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, eine nach Ansicht des Beklagten vorliegendes Rückwirkungsverbot des Art. 99a BayBeamtVG jedenfalls für mit europarechtlichen Vorgaben unvereinbar und deshalb unanwendbar.
Der Freistaat Bayern ist als ehemaliger Dienstherr des Klägers und als derjenige, gegen den sich Ansprüche aus Art. 99a BayBeamtVG richten, der richtige Beklagte (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und nicht etwa die Deutsche Rentenversicherung, da diese weder der zuständige Dienstherr ist noch dessen Aufgaben wahrnimmt, sondern lediglich für die rentenrechtliche Abwicklung der Nachversicherung zuständig ist. Mit der Normierung des Art. 99a BayBeamtVG hat der Bayerische Gesetzgeber entschieden, dass er den europarechtlich geforderten Ausgleich für Fälle wie vorliegend nicht im Rahmen des Nachversicherungsverfahrens schaffen will, sondern durch einen Anspruch direkt gegen den vormaligen Dienstherrn.
Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 14.02.2019 erweist sich indes als rechtswidrig, da der Kläger einen Anspruch auf die begehrte Leistung hat.
1. Gemäß Art. 99a BayBeamtVG erhalten nachzuversichernde Beamte auf Lebenszeit, die auf Antrag entlassen wurden, eine ergänzende Versorgungsabfindung, wenn sie im unmittelbaren Anschluss an eine im Inland herkömmlich in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ausgeübte Beschäftigung eine solche in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union aufnehmen. Der Kläger fällt als ehemaliger Beamter und Richter des Freistaates Bayern, der unmittelbar in eine entsprechende Beschäftigungsstelle bei der Europäischen Kommission wechselte, in den Geltungsbereich des Gesetzes, vgl. Art. 1 i.V.m. Art. 99a BayBeamtVG.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung einer ergänzenden Versorgungsabfindung, da die Vorschrift des Art. 99a BayBeamtVG unter Berücksichtigung der Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts (vgl. dazu BVerwG, U.v. 25.10.2017 – 1 C 21/16 – juris-Rn 18; BSG, U.v. 24.03.2009 – B 8 SO 34/07 R – juris; VG Augsburg, U.v. 07.06.2018 – Au 2 K 17.1202 – juris-Rn. 27;) auf den vorliegenden Fall Anwendung findet.
Art. 99a BayBeamtVG ist mit Rückwirkung zum 13.07.2016 in Kraft getreten (vgl. §§ 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 8 Nr. 14 des Gesetzes zur Änderung personalrechtlicher und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 18.05.2018, GVBl. 2018, S. 286 ff.). Die Entscheidung über die vorliegende Verpflichtungsklage richtet sich nach der Rechtslage, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts besteht (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, Rn. 217 zu § 113; BVerwG, U.v. 13.09.2007 – 5 C 38.06 – juris-Rn.11). Nach den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts erfassen nämlich Rechtsänderungen grundsätzlich alle bei ihrem Inkrafttreten anhängigen Fälle, sofern das Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas Abweichendes bestimmt (BVerwG, U.v. 25.10.2017, a.a.O. – juris-Rn. 18). Damit sind auch Rechtsnormen, die erst nach der Entlassung des Klägers aus dem Bayerischen Richterverhältnis in Kraft getreten sind und die Voraussetzungen für die Gewährung einer ergänzenden Versorgungsleistung bestimmen, grundsätzlich zu berücksichtigen. Aus der Norm des Art. 99a BayBeamtVG selbst ergibt sich nämlich nichts Anderes:
Vorliegend ist zwar der Zeitpunkt des Inkrafttretens durch den Gesetzgeber auf den 13.07.2016 (und damit den Tag der EuGH-Entscheidung) rückwirkend bestimmt worden, aus dem Wortlaut der Norm lässt sich allerdings nicht darauf schließen, dass die Entlassung des Beamten erst nach dem Inkrafttreten der Norm erfolgt sein muss. Vielmehr lässt sich aus der Verwendung des Imperfekts („entlassen wurden“) darauf schließen, dass der Zeitpunkt der Entlassung zeitlich vor dem Inkrafttreten der Norm liegen kann. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Begründung des Gesetzentwurfs. Dort wird ausgeführt: „Die Einfügung des Art. 99a BayBeamtVG mit § 8 Nr. 14 tritt rückwirkend zum Zeitpunkt der Verkündung des ursächlichen Urteils des EuGH am 13.07.2016 in Kraft. Damit wird sichergestellt, dass alle ab dem Entscheidungszeitpunkt Betroffenen von der Rechtsänderung umfasst werden.“ (LT-Drucksache 17/20990, S. 36). Ziel des (rückwirkenden) Inkraftsetzens zum 13.07.2016 war daher die (sichere) Erstreckung auf alle Beamte, die zwischen dem EUGH-Urteil und der Verkündung des Art. 99a BayBeamtVG betroffen wurden und nicht der Ausschluss von Beamten, die vor dem 13.07.2016 entlassen wurden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich aus der weiteren Voraussetzung des Art. 99a BayBeamtVG, dass es sich um „nachzuversichernde“ Beamte handeln muss, eine Begrenzung der Rückwirkung ergeben könnte, da die Nachversicherung die unmittelbare Folge der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis ist und der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs „nachzuversichernd“ klarstellen wollte, dass das Nachversicherungsverfahren jedenfalls noch nicht abgeschlossen sein dürfe. Beim Kläger ist das Nachversicherungsverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen, da er gegen die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung vom 02.11.2012 und vom 06.12.2012 form- und fristgerecht Widerspruch bzw. Klage erhoben hat, so dass die Regelungen bislang noch nicht bestandkräftig werden konnten. Da das Nachversicherungsverfahren somit noch nicht abgeschlossen ist, ist der Kläger „nachzuversichernd“ im Sinne des Art. 99a BayBeamtVG.
Es handelt sich auch deshalb nicht um einen vor Inkrafttreten der Norm abgeschlossenen Sachverhalt, da insoweit keine bestandskräftige behördliche Entscheidung vorliegt. Insbesondere handelt es sich bei der Nachversicherungsbescheinigung, die der Beklagte am 02.07.2012 ausgestellt hat, nicht um einen der Bestandskraft fähigen Verwaltungsakt. Dies ergibt sich schon daraus, dass § 185 Abs. 3 SGB VI, auf dem die Nachversicherungsbescheinigung beruht, eine Arbeitgeberpflicht formuliert und keine VA-Befugnisnorm darstellt. Zudem fehlt es auch an einer Regelungswirkung, da in der Nachversicherungsbescheinigung lediglich die gezahlten Entgelte mitgeteilt werden. Auch das Landesamt für Finanzen ist im Übrigen offenbar nicht davon ausgegangen, dass die Nachversicherungsbescheinigung einen Verwaltungsakt darstellen könnte, sonst hätte die Behörde diese Bescheinigung dem Kläger mit Rechtsbehelfsbelehrung:bekannt gegeben. Es lag also zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. 99a BayBeamtVG kein abgeschlossener Sachverhalt vor, der eine Anwendung des Art. 99a BayBeamtVG auf den vorliegenden Fall ausschließen könnte.
Da somit alle Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 99a Abs. 1 BayBeamtVG erfüllt sind, war der Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine entsprechende Abfindung nach den Maßgaben des Art. 99a Abs. 3 BayBeamtVG zu gewähren. Insofern erweist sich der Bescheid vom 14.02.2019 als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
2. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, falls man die zeitliche Anwendbarkeit des Art. 99a BayBeamtVG verneinen wollte. Insoweit gilt das Folgende:
Die Klage ist im Hinblick auf den geltend gemachten „Ausgleichsbetrag“ begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ausgleich des Wegfalls von Versorgungsansprüchen aufgrund der gesetzlichen Nachversicherung nach seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zum beklagten Freistaat Bayern.
2.1. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Ausgleich der bis zu seiner Entlassung aus dem Dienst des Beklagten mit Ablauf des 31.05.2012 erworbenen Versorgungsansprüche.
Insofern erweist sich das Beamtenversorgungsrecht des Beklagten (ohne Anwendung des Art. 99a BayBeamtVG) mit dem daraus folgenden System der Nachversicherung, wie es in § 8 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) angelegt ist, als unvereinbar mit Art. 45 AEUV.
Nach Art. 45 Abs. 1 AEUV ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union gewährleistet. Sie gibt nach Art. 45 Abs. 3 lit. a) AEUV den Arbeitnehmern insbesondere das Recht, sich in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben und gemäß Art. 45 Abs. 3 lit. c) AEUV die Beschäftigung dort auszuüben. Entsprechend steht Art. 45 AEUV Maßnahmen entgegen, welche die Unionsbürger benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als ihrem Herkunftsmitgliedstaat eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen, sich also in anderen Mitgliedstaaten als Arbeitnehmer aufhalten wollen (EuGH, U.v. 13.07.2016 – C-187/15 – juris). So stellen Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden. Dazu gehören auch nationale Regelungen, welche die Ausübung des Freizügigkeitsrechts weniger attraktiv erscheinen lassen. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VI stehen in der Gesetzlichen Rentenversicherung Nachversicherte den Personen gleich, die versicherungspflichtig sind. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bestimmt, dass Beamte auf Lebenszeit, die – wie der Kläger – versicherungsfrei waren (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), nachversichert werden, wenn sie ohne Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind. Eine solche Anwartschaft auf Versorgung (Versorgungsbezüge) besteht in Form eines Ruhegehaltes gemäß Art. 11 BayBeamtVG nicht. Danach entsteht der Anspruch auf Ruhegehalt mit dem Beginn des Ruhestandes, aber nicht – wie beim Kläger – mit einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis aufgrund eigenen Antrags. Vielmehr besteht nach der Entlassung kein Anspruch mehr auf Leistungen des Dienstherrn (Art. 58 BayBG). Entsprechend differenziert auch Abschnitt 5 BeamtStG zwischen der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis und dem Eintritt bzw. der Versetzung in den Ruhestand.
Der Kläger ist auch als ehemaliger Beamter bzw. Richter im Dienst des Beklagten Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV gewesen. Insbesondere hindert Art. 45 Abs. 4 AEUV nicht die Berufung auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit, da diese Bestimmung den Mitgliedsstaaten lediglich ermöglichen soll, den Zugang ausländischer Staatsangehöriger zu bestimmten Stellen in der öffentlichen Verwaltung zu beschränken, nicht jedoch regelt, dass ein Arbeitnehmer, der einmal in die öffentliche Verwaltung aufgenommen wurde, von der Anwendung der Bestimmungen des Art. 45 Abs. 1 bis 3 AEUV ausgeschlossen wäre (EuGH, U.v. 26.04.2007 – C-392/05 – juris-Rn. 70). Der Kläger ist zudem „Wanderarbeiter“ i.S.d. Art. 45 AEUV, weil er bei einer internationalen Organisation beschäftigt ist und in einem anderen Mitgliedsstaat als seinem Herkunftsstaat arbeitet (EuGH, U.v. 16.12.2004 – C-293/03 – juris, Leitsatz 1).
Folge der Nachversicherung bei der Deutschen Rentenversicherung ist, dass dem Kläger rechnerisch für die Zeit der Dienstleistung für den Beklagten eine monatliche Rentenanwartschaft von 1.259,40 EUR entstanden ist.
Demgegenüber hätte der Kläger aufgrund seiner absolvierten Dienstzeit im Beamten- bzw. Richterverhältnis einen (fiktiven) Ruhegehaltsatz von 61,31 v.H. erworben, was – bereits ohne Anrechnung von Vordienstzeiten – bei der Besoldungsgruppe R 1 (Stufe 11) einem Ruhegehalt heute von 3.443,92 EUR brutto entsprechen würde.
Die sich daraus ergebende Differenz an Altersversorgung stellt eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar. Die aus der Nachversicherung gewährte Altersrente bzw. der auf das Versorgungssystem der Europäischen Union zu übertragende Kapitalwert stellen sich damit als erheblich niedriger dar als die verlorenen Ansprüche aus der Beamtenversorgung. Dies wird auch daraus deutlich, dass die während eines Zeitraums von 27 Jahren (vom 01.07.1974 bis 31.08.2001) erworbenen Ruhegehaltsansprüche nach den vom Kläger mitgeteilten Berechnungen der EU-Pensionskasse sich auf einen anrechenbaren Zeitraum von 5 Jahren, 6 Monaten und 18 Tagen verkürzen.
Folglich stellt die Regelung über die Nachversicherung eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar, da sie geeignet ist, Beamte des Beklagten zu hindern oder davon abzuhalten, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um eine Stelle in einem anderen Mitgliedstaat anzunehmen. Diese Regelung beeinflusst somit unmittelbar den Zugang der Beamten des Beklagten zum Arbeitsmarkt in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland und ist daher geeignet, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu behindern (vgl. zu alldem EuGH, U.v. 13.07.2016 – a.a.O.). Dabei bleibt festzustellen, dass der EuGH bereits in früheren Entscheidungen (vgl. etwa U.v. 16.12.2004 – C-593/03) entschieden hat, die Mitgliedsstaaten seien aufgrund Art. 10 EGV verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen, die geeignet wären, einem Arbeitnehmer von einem Wechsel zu einem Organ der Europäischen Gemeinschaft abzuschrecken, etwa weil er dadurch Gefahr liefe, Ansprüche zu verlieren, die er zuvor bei einem nationalen Versorgungssystem erworben hatte. Entgegen dem Vorbringen des Beklagten bestanden daher auch schon vor dem Urteil des EuGH vom 13.07.2016 erhebliche Zweifel an der Europarechtskonformität des deutschen Systems der Nachversicherung (vgl. auch Ruland, Das Ende der herkömmlichen Nachversicherung von Beamten, NVwZ 2017, 422: „Die Nachversicherung ist, weil sie zu einer erheblichen Schmälerung der Altersvorsorge der Betroffenen führt, schon seit Jahrzehnten umstritten“). Es ist daher nicht erkennbar, wie sich der Beklagte diesbezüglich auf einen Vertrauenstatbestand und eine Rückwirkungsbeschränkung der EuGH-Entscheidung vom 13.07.2016 berufen könnte. Der Entscheidung selbst ist eine solche Rückwirkungsbeschränkung nicht zu entnehmen, so dass die diesbezüglichen Ausführungen des Beklagten ins Leere gehen. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass das BVerfG (vgl. u.a. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28.03.2007 – 2 BvR 1304/05 – juris) den Ausschluss der beamtenrechtlichen Versorgung eines Lebenszeitbeamten bei antragsgemäßem vorzeitigem Ausscheiden aus dem Dienst für Rechtens erklärt habe, verkennt der Beklagte, dass Prüfungsmaßstab des BVerfG die Normen des GG, insbesondere Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 33 Abs. 5, 19 Abs. 4 und 103 GG waren und nicht Art. 45 AEUV. Auf welche Gerichtsentscheidungen der Beklagte seine (bisherige) Auslegung des Art. 45 AEUV stützen will, hat er dagegen nicht dargetan, so dass sich auf jeden Fall keine langjährige Rechtspraxis gebildet hat, die von der Entscheidung des EuGH vom 13.04.2016 gleichsam auf den Kopf gestellt wurde.
Die festgestellte Beeinträchtigung der Grundfreiheit auf Arbeitnehmerfreizügigkeit ist auch nicht gerechtfertigt. Eine nationale Maßnahme, die eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellt, ist nach Art. 45 AEUV nur dann zulässig, wenn mit ihr eines der im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union genannten legitimen Ziele verfolgt wird oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Die Anwendung einer solchen Maßnahme muss dabei in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Ziel stehen. Hier fehlt es bereits an der Geeignetheit der Maßnahme. Sie trifft allein Beamte, die als Arbeitnehmer eine Tätigkeit außerhalb des Bundesgebietes aufnehmen wollen. Für Beamte, die lediglich den Dienstherrn wechseln, sei es, dass sie eine Beschäftigung in einem anderen Land oder innerhalb des beklagten Landes – etwa im Dienst einer Gebietskörperschaft – aufnehmen, ist sie indes ungeeignet. Denn die Pflicht zu Nachversicherung trifft allein diejenigen Beamten, die sich zum Zwecke der Arbeitsaufnahme außerhalb des Bundesgebietes entlassen lassen müssen, und nicht diejenige, die als Beamte ihren Dienst bei einem anderen Dienstherrn weiter verrichten.
Das wird ausdrücklich durch weitere Regelungen des Beklagten bestätigt, die nicht nur einem Wechsel innerhalb des Landes oder innerhalb des Bundesgebietes nicht im Wege stehen, sondern gerade die Mobilität der Beamten fördern sollen. Ausweislich der Präambel des Staatsvertrags über die Verteilung von Versorgungslasten bei bund- und länderübergreifenden Dienstherrenwechseln (Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag) vom 16.12.2009 haben die Länder aufgrund der Grundgesetzänderung vom 28.08.2006 und in Ersetzung des § 107b BeamtVG (Bund, a.F.) mit dem genannten Staatsvertrag gerade einen Ausgleich dafür schaffen wollen, um „im Interesse der Mobilität [ … ] einvernehmliche Dienstherrenwechsel zu ermöglichen“. Keinem anderen Zweck dient Art. 14 BayBeamtVG, der als ruhegehaltsfähig alle Dienstzeiten anerkennt, die der Beamte im Dienst eines inländischen Dienstherrn im Beamtenverhältnis zurückgelegt hat.
2.2. Aufgrund des festgestellten, nicht gerechtfertigten Eingriffs in Art. 45 AEUV ist das Gericht aufgrund des Grundsatzes der unionsrechtskonformen Auslegung verpflichtet, unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der anerkannten Auslegungsmethoden die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht (EuGH, U.v. 13.07.2016 – C-187/15 – juris-Rn. 43). Ist eine solche unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich – etwa weil diese contra legem wäre -, besteht die Verpflichtung, das Unionsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu schützen, indem es notfalls jede Bestimmung unangewendet lässt, deren Anwendung hier zu einem unionsrechtswidrigen Ergebnis führt.
Im Ergebnis hat der Kläger deshalb grundsätzlich Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung wie die übrigen von einem innerstaatlichen Wechsel des Dienstherrn Betroffenen.
Durch die Formulierung seines Antrags hat der Kläger deutlich gemacht, dass er durch eine ergänzende Versorgungsleistung im Sinne von Art. 99a BayBeamtVG seine Rechte in ausreichender Weise gewahrt sieht. Vor diesem Hintergrund kann es letztlich dahinstehen, ob die maßgeblichen Regelungen des BayBeamtVG, insbesondere Art. 99a BayBeamtVG, in unionsrechtskonformer Auslegung anzuwenden sind oder diese entsprechend anzuwenden sind, weil der bayerische Gesetzgeber mittlerweile geregelt hat, dass er Fälle wie den vorliegenden mit der Gewährung eines Ausgleichsbetrages lösen will und auf diese Weise eine Gleichstellung mit denjenigen Beamten erreicht werden kann, die innerstaatlich den Dienstherrn gewechselt haben. Es geht um die Wahrung des Besitzstandes der vom Kläger aufgrund seiner Beamtenzeit beim Beklagten erworbenen Ansprüche, folglich besteht kein Ansatzpunkt dafür, ein im Freistaat Bayern nicht vorhandenes Altersgeldgesetz, auch nicht das des Bundes, analog heranzuziehen. Vielmehr war der Beklagte auch aus europarechtlichen Gründen zu verpflichten, dem Kläger eine ergänzende Versorgungsleistung entsprechend Art. 99a BayBeamtVG zu gewähren.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.