Arbeitsrecht

Gewährung von Prozesskostenhilfe, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Untersuchungshaft, Tatmehrheit, Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, Verlustfeststellung, Freiheitsstrafe, Verwaltungsgerichte, Hinreichende Aussicht auf Erfolg, Auslieferungshaftbefehl, Prozeßkostenhilfeantrag, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Hinreichende Erfolgsaussicht, Summarische Prüfung, Tateinheit, Freizügigkeitsrecht, Maßgeblicher Zeitpunkt, Rechtsmittelbelehrung, Vorsätzliche Körperverletzung, Straffällige

Aktenzeichen  M 9 K 17.4051

Datum:
20.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40184
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114
FreizügG/EU § 6 Abs. 1, 2

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Verlustes seiner Freizügigkeit.
Der im … 1987 geborene Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er reiste mit 23 Jahren, im Jahre 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein und hielt sich in der Folge unregelmäßig und mit verschiedenen Wohnsitzen im Bundesgebiet auf.
Melderechtlich war der Kläger wie folgt erfasst: Wohnsitz in M* … vom 13. August 2012 bis 1. November 2012. Verzogen nach Polen am 1. November 2012. Wiederzuzug von Polen am 21. August 2015. Meldewohnsitz in M* … vom 21. August 2015 bis 20. April 2016. Verzogen nach unbekannt am 20. April 2016. Wiederzuzug nach M* … am 27. April 2016. Meldewohnsitz in M* … seit 25. Februar 2017.
Ausweislich der Angaben im Strafurteil des Landgerichts … * vom *. Dezember 2019 besuchte der Kläger in Polen acht Jahre die Grundschule, drei Jahre ein Gymnasium und ein Jahr eine H* …-Schule, bevor er auf eine volkswirtschaftliche T* …-Schule wechselte, die er ohne Abschluss beendete. Im Jahre 2010 kam der Kläger erstmals als Werkvertragsarbeiter für eine polnische Firma nach Deutschland. Nach ca. 1-1,5 Jahren war er als Produktionsangestellter in einer Metzgerei in P* … tätig. Der Kläger hat zudem an wechselnden Arbeitsstellen bei Mercedes und als Maler auch auf großen Baustellen gearbeitet. Die Mutter des Klägers befindet sich ebenfalls im Bundesgebiet. In Polen lebt noch eine ältere Schwester des Klägers.
Strafrechtlich ist der Kläger im Bundesgebiet wie folgt in Erscheinung getreten:
Urteil des AG M* … vom …6.2015 wegen Diebstahl zu 25 Tagessätzen zu je 25 Euro.
Urteil des AG M* … vom *.2.2016 wegen Diebstahl in 2 Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu 150 Tagessätzen zu je 10 Euro.
Urteil des AG M* … vom …4.2016 wegen Diebstahl mit Waffen in 2 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit zwei tatmehrheitlichen Fällen der Körperverletzung, eine davon in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung zu 11 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung (Bewährungszeit 3 Jahre); Strafaussetzung wiederrufen.
Urteil des AG M* … vom *.12.2016 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu 10 Monaten Freiheitsstrafe (Strafvollstreckung durch Anerkennung von Freiheitsentzug).
Urteil des AG M* … vom …10.2017 wegen Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Führen einer Schusswaffe in Tatmehrheit mit Diebstahl zu 8 Monaten Freiheitsstrafe.
Urteil des LG … vom *.12.2019 wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tatmehrheit mit Sachbeschädigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch zu einer Freiheitstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten.
Weitere Verfahren wegen Körperverletzung, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und Leistungserschleichung wurden gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
Ausweislich des polnischen Strafregisters ist der Kläger bereits u.a. wegen Bedrohung und Betäubungsmitteldelikten vorbestraft. Mit Schreiben vom 30. Juni 2017 teilte die Generalstaatsanwaltschaft M* … darüber hinaus mit, dass gegen den Kläger ein Auslieferungshaftbefehl des Bezirksgerichts S* … in Polen aufgrund eines Europäischen Haftbefehls wegen räuberischen Diebstahls vorliege. In dieser Sache habe der Kläger noch eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten zu verbüßen.
Mit Bescheid vom 3. August 2017 stellte die Beklagte nach vorheriger Anhörung des Klägers fest, dass dieser sein Recht auf Einreise und Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verloren hat (Ziffer 1) und untersagte die Wiedereinreise und den Aufenthalt in Deutschland für die Dauer von fünf Jahren (Ziffer 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Polen angedroht (Ziffer 3).
Die Beklagte führte zur Bescheidsbegründung im Wesentlichen an, dass der Kläger schon nicht mehr unionsrechtlich freizügigkeitsberechtig sei. Die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FrezügG/EU seien innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen bzw. lägen diese nicht vor, weshalb der Verlust des Freizügigkeitsrechts schon gemäß § 5 Abs. 4 FreizügG/EU habe festgestellt werden können. Zudem seien die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 und 2 FrezügG/EU erfüllt. Der Kläger sei erheblich straffällig geworden und habe ein unbehandeltes Alkoholproblem. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger erneut straffällig werden wird. Unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Klägers, der erheblichen Straffälligkeit sowie der erforderlichen Güter- und Interessenabwägung sei die in Ziffer 1 getroffenen Entscheidung sowie die festgesetzte Wiedereinreisesperre verhältnismäßig.
Mit Schreiben vom … August 2017, eingegangen bei Gericht am 29. August 2017, erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte,
den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2017 aufzuheben.
Gleichzeitigt beantragte der Kläger,
ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt … zu gewähren.
Zur Begründung bezog sich der Kläger auf seine Ausführungen gegenüber der Beklagten in seinem Schreiben vom *. August 2017. In diesem Zusammenhang hatte der Kläger vorgetragen, dass es leider zu elf Konflikten mit der Justiz gekommen sei, wovon aber neun Verfahren nach § 154 Abs. 1 StPO und § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden seien. Er sei bisher drei Mal in Haft gewesen, was ihm sehr leidtäte. Die strafrechtlichen Probleme hätten mit seinem Alkoholproblem zu tun. Er besuche nun in der Haft regelmäßig eine Gruppe der „anonymen Alkoholiker“ und bemühe sich, sein Alkoholproblem zu lösen. Seine Mutter sei an Krebs erkrankt und lebe in D* … In Polen habe er keine Angehörigen mehr. Nach seiner Entlassung aus der Haft könne er wieder im …bau arbeiten. Es sei ihm bisher immer gelungen in Deutschland Arbeit zu finden. Er bitte um eine Chance in Deutschland bleiben zu können.
Mit Schriftsatz vom 13. September 2017 beantragte die Beklagte,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Beklagte verwies im Wesentlichen auf die im angefochtenen Bescheid gemachten Ausführungen. Das anzunehmende massive Alkoholproblem des Klägers könne keine Erklärung oder Rechtfertigung für sein straffälliges Verhalten darstellen. Im Gegenteil müsse auf Grund des Alkoholproblems mit weiteren massiven Straftaten seitens des Klägers gerechnet werden. Zum Antrag auf Prozesskostenhilfe erfolgte keine gesonderte Stellungnahme.
Mit Beschluss des Oberlandesgerichts … vom *. Dezember 2017 wurde der Auslieferungshaftbefehl aus formellen Gründen aufgehoben.
Der Kläger befand sich vom 25. Mai 2017 durchgehend bis 18. Juli 2018 in Haft. Seit 26. Dezember 2018 befindet sich der Kläger erneut in Haft, zunächst in Untersuchungshaft und seit 6. Dezember 2019, unter Anrechnung der bereits verbüßten Untersuchungshaft, voraussichtlich bis 25. April 2020 in Strafhaft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegte Behördenakte, die beigezogenen Strafakten der Staatsanwaltschaft M* … * (28 Ns 232 Js 100173/19) sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG, B.v. 28.01.2013 – 1 BvR 274/12 – juris) oder wenn der von dem Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint (Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 166 Rn. 26), der Prozessausgang also offen ist. Dabei sollen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes nicht überspannt werden, um zu vermeiden, dass der unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten der grundrechtlich garantierte Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz unverhältnismäßig erschwert wird (vgl. BVerfG a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen hat die Klage des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife nach summarischer Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weshalb der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen ist.
1. Die Verlustfeststellung der Beklagten gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU sowie § 6 Abs. 1 und Abs. 2 FreizügG/EU erfolgte nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
1.1. Gemäß § 5 Abs. 4 Satz1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden, wenn die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen oder nicht vorliegen.
Dies ist im Falle des Klägers nach Aktenlage gegeben. Insofern kann auf die zutreffende Begründung der Beklagten im Bescheid vom 3. August 2017 Bezug genommen werden. Die Angaben des Klägers betreffend seine Beschäftigung in einer Metzgerei sowie die übrigen, seitens des Klägers insbesondere in den Strafverfahren angegebenen Arbeitsverhältnisse/-umstände sind durch nichts belegt. Ein Rentenversicherungsverlauf ist den Akten nicht zu entnehmen. Die Ausländerbehörde konnte die angegebene Sachlage ebenfalls nicht verifizieren. Der Kläger beging seit mindestens Anfang 2015 regelmäßig Straftaten, befindet sich seit Mai 2017 mit einer kurzen Unterbrechung von ein paar Monaten in Haft, ist ohne Beschäftigung, besitzt keinen Krankenversicherungsschutz und ist erwerbs- und mittellos. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU, insbesondere des § 2 Abs. 2 Nr. 5, § 4 Satz 1 FreizügG/EU liegen im Falle des Klägers nicht vor, da der Kläger weder über ausreichenden Krankversicherungsschutz noch ausreichende Existenzmittel verfügt.
Gemäß § 5 Abs. 4 FreizügG/EU stand es somit im Ermessen der Beklagten, den Verlust des Freizügigkeitsrechts des Klägers festzustellen. Ermessenfehler der Beklagten im Zusammenhang mit dieser Entscheidung sind nicht ersichtlich. Die Verlustfeststellung ist zudem verhältnismäßig. Die Beklagte hat die relevanten familiären und persönlichen Umstände des Klägers (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK) sachgerecht in ihre Entscheidung miteinbezogen.
Die Beklagte hat zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger seit 2015 seinen Lebensunterhalt durch die Begehung von Straftaten zu sichern versucht, in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik ausweislich seiner erheblichen und wiederholten Straffälligkeit nicht integriert ist, seit Jahren arbeitslos ist und sich nach Aktenlage nicht um Arbeit zu bemühen scheint. Der Kläger ist in Polen geboren und aufgewachsen. Er hat dort bis zu seinem 23. Lebensjahr gelebt. Seine ältere Schwester wohnt nach wie vor in Polen. Der Kläger ist seit seiner erstmaligen Einreise in die Bundesrepublik zwischenzeitlich für drei Jahre zurück nach Polen gegangen und hat dort bis 2015 gelebt. Zwar lebt die Mutter des Klägers im Bundesgebiet. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis über die emotionale Verbundenheit hinaus ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht vorgetragen. Der bloße Vortrag des Klägers in seinem Schreiben an die Beklagte vom *. August 2017, seine Mutter sei an Krebs erkrankt, reicht in diesem Zusammenhang nicht aus, zumal der Kläger ausweislich der Akten nach seiner Entlassung im Juli 2018 nicht nach D* … zu seiner Mutter gegangen ist sondern erneut in M* … innerhalb kürzester Zeit (2 Monate) straffällig geworden ist, was eher gegen eine besondere Verbindung zwischen dem Kläger und seiner Mutter spricht.
Es ist dem Kläger unter den gegebenen Umständen möglich und zumutbar nach Polen zurückzugehen. Es wird ihm, notfalls mit Unterstützung seiner in Polen lebenden Schwester gelingen, seinen Lebensunterhalt zu sichern.
1.2. Die Beklagte hat die Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts darüber hinaus zur Recht auf § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU gestützt. Nach dieser Vorschrift kann der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Art. 45 Abs. 3, Art. 52 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union) festgestellt werden. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU genügt die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung für sich allein nicht, um die in § 6 Abs. 1 FreizügG/EU genannte Maßnahme zu begründen. Vielmehr dürfen nur im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen und diese nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zu Grunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. (§ 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 FreizügG/EU). Ein erhöhter Schutz vor einer Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU steht dem Kläger nicht zu, da er bisher kein Daueraufenthaltsrecht erworben und sich auch, allein schon unter Berücksichtigung der Haftzeiten, nicht seit 10 Jahren im Bundesgebiet aufhält.
Der Kläger ist in der Vergangenheit im In- und Ausland, in der Bundesrepublik jedenfalls seit 2015 in einer Vielzahl von Fällen mit enorm hoher Rückfallgeschwindigkeit und mit erheblicher, krimineller Energie straffällig geworden. Der Kläger hat im Rahmen der Delikte sowohl seine Missachtung des Eigentumsschutzes als auch der körperlichen Unversehrtheit, des Schutzes von Leib und Leben zum Ausdruck gebracht. Von bereits erfolgten Vorverurteilungen hat er sich vollkommen unbeeindruckt gezeigt und ist teilweise kurz nach seiner Entlassung aus der Haft erneut straffällig geworden. Ein im Rahmen des letzten Strafverfahrens vor dem Landgericht M* … * erstelltes psychiatrisches Gutachten attestiert dem Kläger eine Persönlichkeitsproblematik mit erhöhter Reizbarkeit, Impulsivität und verminderter Verhaltenskontrolle. Das Landgericht M* … * hat in demselben Strafverfahren in der Folge festgestellt, dass im Falle des Klägers eine ungünstige Sozialprognose gegeben sei. Es könne nicht erwartet werden, dass der Kläger sich schon die Verurteilung zur Warnung diesen lasse und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten begehen werde. Der Kläger sei bereits zwei bzw. fünf Monate nach seiner letzten Haftentlassung am 16. Juli 2018 erneut straffällig geworden und zwar einschlägig. Ferne habe der Kläger ein bislang unbehandeltes, erhebliches Alkoholproblem, keine Arbeit, keinen Wohnsitz und keine soziale Integration. Die Strafe könne daher nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Im Übrigen hat der Kläger keine Einsicht in seine dringend notwenige Therapiebedürftigkeit und das durch ihn verwirklichte erhebliche kriminelle Unrecht. Im Rahmen Entscheidung über § 64 StGB lehnte der Kläger ausdrücklich eine Unterbringung ab und gab an, dass eine Unterbringung nach § 64 StGB nur etwas für wirklich Kriminelle sei.
Aus den vorgenannten Umständen besteht nach Auffassung der Kammer eine hinreichend wahrscheinliche Gefahr, dass der Kläger, wie bisher, nach seiner Entlassung aus der Haft, erneut straffällig werden wird. Er hat nach Aktenlage nach wie vor ein unbehandeltes Alkoholproblem. Im Hinblick auf eine abgeschlossene Therapie wurde nichts vorgetragen. Der Kläger ist arbeits- und mittellos und wird nach seiner Entlassung aus der Haft in dasselbe instabile Umfeld zurückkehren, das ihn schon in der Vergangenheit nicht davon abgehalten hat, erheblich straffällig zu werden. Der Kläger hat eine Vielzahl von Verurteilungen nicht zum Anlass genommen, einen Schlussstrich unter seine kriminelle Vergangenheit zu ziehen. Er wird es auch in Zukunft nicht tun. Es besteht aber ein Grundinteresse der Gesellschaft, dieser tatsächlich und hinreichend schweren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu begegnen.
Die von der Beklagten angestellten Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat auch hinreichend die gemäß § 6 Abs. 3 FreizügG/EU zu berücksichtigenden Belange abgewogen. Das private Interesse des Klägers, sich weiterhin im Bundesgebiet aufzuhalten bzw. einreisen zu dürfen, hat geringes Gewicht. Eine eigene Kernfamilie oder schützenswerte wirtschaftliche oder persönliche Bindungen bestehen nicht (s.o.).
2. Gegen die Befristungsentscheidung der Beklagten bestehen unter Berücksichtigung der erheblichen Straffälligkeit des Klägers, der bestehenden Wiederholungsgefahr, der unbehandelten Alkoholabhängigkeit bzw. seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach summarischer Prüfung keine Bedenken (§ 7 Abs. 2 Satz 6 FreizügG/EU).
Mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage war der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe daher anzulehnen.
Die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ergeht kostenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben