Arbeitsrecht

Kein öffentliches Interesse an Fortführung einer Popularklage gegen gestrichene Norm

Aktenzeichen  Vf. 6-VII-15

Datum:
10.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 110347
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 98 S. 4
BayFHVRG Art. 14 Abs. 6 S. 2

 

Leitsatz

An der Fortführung einer Popularklage gegen eine ersatzlos gestrichene Norm besteht kein öffentliches Interesse, wenn nicht ersichtlich ist, dass noch behördliche oder gerichtliche Verfahren anhängig sind, für die die Norm relevant wäre. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Gründe

I.
Gegenstand der am 5. Juni 2015 erhobenen Popularklage ist der zwischenzeitlich außer Kraft getretene Art. 14 Abs. 6 Satz 2 des Gesetzes über die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (BayFHVRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Oktober 2003 (GVBl S. 818, BayRS 2030-1-3-F), das zuletzt durch § 1 Nr. 61 der Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286) geändert worden ist. Die angegriffene Vorschrift, die vom 1. August 2005 bis 31. Dezember 2016 gegolten hat, lautete wie folgt:
„Die hauptamtlichen Lehrpersonen fallen wie sonstige Beschäftigte mit vorwiegend wissenschaftlicher Tätigkeit unter Art. 78 Abs. 1 Buchst. f BayPVG.“
Im Wege der Verweisung auf Art. 78 Abs. 1 Buchst. f BayPVG war geregelt, dass bestimmte Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Personalrats sowie das Anhörungs- und Initiativrecht der Personalvertretung in personellen Angelegenheiten für die hauptamtlichen Lehrpersonen der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege nicht galten.
1. Der Antragsteller hat gerügt, die angegriffene Vorschrift verstoße gegen elementare Grundsätze des Personalvertretungsrechts. Das Recht der Beamten, Beamtenvertretungen zu bilden, zähle zu den durch Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV verfassungsrechtlich geschützten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Soweit einzelne Personengruppen durch den Gesetzgeber von den Beteiligungsrechten des Personalrats ausgenommen würden, bedürfe dies einer Rechtfertigung, die ausschließlich in den Besonderheiten der jeweiligen Personengruppe begründet sein müsse. Derartige Besonderheiten seien bei den hauptamtlichen Lehrpersonen der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege nicht gegeben.
Die angegriffene Vorschrift verstoße ferner gegen das in Art. 118 Abs. 1 BV verankerte Willkürverbot. Die hauptamtlichen Lehrpersonen der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege unterschieden sich in wesentlichen Kriterien von den sonstigen Beschäftigten mit vorwiegend wissenschaftlicher Tätigkeit im Sinn des Art. 78 Abs. 1 Buchst. f BayVPG. Sie dürften daher nicht gleich behandelt werden.
Außerdem handle es sich bei der angegriffenen Vorschrift um ein Einzelfallgesetz, das mit dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV nicht vereinbar sei.
2. Der Bayerische Landtag ist der Ansicht, die Popularklage sei unbegründet.
Die Bayerische Staatsregierung hält die Popularklage jedenfalls für unbegründet. Mit Schreiben vom 4. Mai 2016 hat sie mitgeteilt, es sei beabsichtigt, Art. 14 Abs. 6 Satz 2 BayFHVRG im Rahmen eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften aufzuheben. Der Antragsteller hat daraufhin angeregt, die Popu-larklage bis auf Weiteres ruhen zu lassen.
Durch § 2 des Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 13. Dezember 2016 (GVBl S. 354) wurde das Gesetz über die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (nunmehr: Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern) grundlegend überarbeitet. Art. 14 Abs. 6 Satz 2 BayFHVRG wurde durch eine anderweitige Regelung ersetzt (vgl. § 2 Nr. 14 Buchst. e des Änderungsgesetzes); die angegriffene Norm ist mit Wirkung ab 1. Januar 2017 weggefallen.
3. Im Hinblick darauf hat die Bayerische Staatsregierung in ihrem Schreiben vom 2. Januar 2017 die Ansicht vertreten, das Verfahren sei einzustellen.
Mit Schreiben vom 11. Januar 2017 hat der Antragsteller mitgeteilt, auch aus seiner Sicht habe sich die Popularklage erledigt.
Der Bayerische Landtag hat keinen Antrag gemäß Art. 55 Abs. 5 Halbsatz 2 VfGHG auf Entscheidung der Popularklage gestellt.
II.
Das Verfahren ist einzustellen.
Das Popularklageverfahren nach Art. 98 Satz 4 BV dient dem Schutz der Grundrechte als Institution. Ist es in zulässiger Weise eingeleitet worden, so kann es der Antragsteller grundsätzlich nicht durch eine prozessuale Erklärung von sich aus beenden. Da ein Antrag nach Art. 55 Abs. 5 Halbsatz 2 VfGHG nicht gestellt worden ist, befindet der Verfassungsgerichtshof darüber, ob ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Verfahrens besteht. Die Fortführung des Verfahrens ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine verfassungsgerichtliche Klärung von Fragen, die den Gegenstand des Verfahrens bilden, im öffentlichen Interesse geboten erscheint (Art. 55 Abs. 5 Halbsatz 1 VfGHG; vgl. VerfGH vom 2.12.1997 VerfGHE 50, 268/270; vom 16.3.2016 – Vf. 10-VII-15 – juris Rn. 11; vom 2.12.2016 Vf. 3-VII-14 – juris Rn. 12).
Im vorliegenden Fall ist ein solches öffentliches Interesse zu verneinen. Der Bayerische Landtag hat die angegriffene Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 13. Dezember 2016 (GVBl S. 354) ersatzlos gestrichen. Die hauptamtlichen Lehrpersonen der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern fallen künftig nicht mehr in den Anwendungsbereich des Art. 78 Abs. 1 Buchst. f BayPVG, sodass sich hieraus ergebende Rechtsstreitigkeiten für die Zukunft ausgeschlossen sind. Dass behördliche oder gerichtliche Verfahren anhängig sind, in denen es auf die beanstandete Bestimmung ankäme, ist weder von den Verfahrensbeteiligten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Mit der Popu-larklage wurde eine Ausnahmevorschrift angegriffen, die lediglich einen eng umgrenzten Personenkreis betrifft. Eine Fortführung des Verfahrens wäre nicht mit einer Klärung im öffentlichen Interesse stehender Fragen des Verfassungsrechts verbunden.
III.
1. Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).
2. Nach Art. 27 Abs. 5 VfGHG kann der Verfassungsgerichtshof die volle oder teilweise Erstattung von Kosten und Auslagen anordnen. Im vorliegenden Fall war von dieser Befugnis nicht Gebrauch zu machen, weil dem Antragsteller Kosten oder Auslagen, die eine Erstattungsanordnung rechtfertigen könnten, nicht entstanden sind. Der Antragsteller war nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten. Dass ihm besondere Auslagen entstanden sind, hat der Antragsteller nicht geltend gemacht und kann nach der Sachlage auch nicht angenommen werden.
gez. Küspert gez. Dr. Kainz gez. Dr. Borgmann Ruderisch Kahl Peter
Dr. Allesch Schmitz Dr. Zorn


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