Arbeitsrecht

keine Beihilfefähigkeit für gleichzeitige Behandlungen nach §§ 19 bis 21 BBhV, eine gleichzeitige Behandlung im Sinne des § 18 Abs. 4 Nr. 1 BBhV setzt nicht voraus, dass die jeweiligen Behandlungen am selben Tag erfolgt sind

Aktenzeichen  AN 18 K 19.00414

Datum:
29.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 39829
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBhV § 18 Abs. 4 Nr. 1
BBhV §§ 20, 21
Ziffer 846 GOÄ

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2021 entschieden werden, obwohl weder der Kläger noch ein Vertreter der Beklagten zum Termin erschienen ist. Auf die Möglichkeit, auch in Abwesenheit von Beteiligten verhandeln und entscheiden zu können, wurde in der Ladung hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Der Kläger begehrt nach gebotener Auslegung seines Klagebegehrens die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von insgesamt 30,60 EUR für die in der Rechnung vom 13. November 2018 zweimal berechneten Ziffern 846 GOÄ „übendes Verfahren, erhöhter Zeitaufwand“ in Höhe von je 30,60 EUR unter entsprechender Aufhebung des versagenden Bescheids vom 10. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2019.
Die hierauf gerichtete Klage bleibt ohne Erfolg, da sie zulässig, aber unbegründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
I.
Die Klage gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2019 ist zulässig. Statthaft ist vorliegend die Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Der Kläger begehrt nach Auslegung die teilweise Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids und die Verpflichtung der Beklagten, weitere Beihilfeleistungen in Höhe von 30,60 EUR zu gewähren. Die Klage wurde auch fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben, § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfeleistung in Höhe von 30,60 EUR.
1. Der Kläger ist beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 50%. Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheitsfällen richtet sich nach § 80 BBG i.V.m. den Bestimmungen der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV). Für die rechtliche Beurteilung ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe verlangt wird, maßgeblich (BVerwG, U.v. 8.11.2012 – 5 C 4.12 – juris Rn. 12 m.w.N.). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BBhV gelten Aufwendungen als zu dem Zeitpunkt entstanden, zu dem die sie begründende Leistung erbracht wird. Das hier streitgegenständliche übende Verfahren, Ziffer 846 GOÄ, für das der Kläger Beihilfe begehrt, fand im Rahmen einer Behandlung am 12. September 2018 und 7. November 2018 statt und wurde am 13. November 2018 in Rechnung gestellt. Maßgeblich ist damit die Bundesbeihilfeverordnung, welche ab dem 31. Juli 2018 gültig war (im Folgenden: alte Fassung – a.F.).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das jeweils am 12. September 2018 und 7. November 2018 erfolgte übende Verfahren, Ziffer 846 GOÄ, da diese Aufwendungen gem. § 18 Abs. 4 Nr. 1 BBhV a.F. nicht beihilfefähig sind.
2. Nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 BBhV a.F. sind Aufwendungen für gleichzeitige Behandlungen nach den §§ 19 bis 21 BBhV a.F. nicht beihilfefähig.
Vorliegend wurde bei dem Kläger eine rezidivierende depressive Störung, § 18a Abs. 1 Nr. 1 BBhV a.F., diagnostiziert. Dem Kläger wurde nach einem Psychotherapie-Gutachten mit Bescheid vom 23. Oktober 2017 eine Verhaltenstherapie durch Frau Dr. med. … … mit 45 Sitzungen in Einzelbehandlung gewährt, § 20 BBhV a.F. So fand auch nach der hier streitgegenständlichen Rechnung der Dr. med. … … vom 13. November 2018 jeweils am 17. September 2018, am 29. Oktober 2018 und 12. November 2018 eine Verhaltenstherapie, Ziffer 870 GOÄ, statt, wofür durch des Bescheid vom 10. Dezember 2018 Beihilfe bewilligt wurde.
Zudem fand am 12. September 2018 und 7. November 2018 jeweils eine mit Ziffer 846 GOÄ abgerechnete und als „übendes Verfahren“ bezeichnete Behandlung statt. Hierbei handelt es sich um eine Leistung der psychosomatischen Grundversorgung nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 BBhV. Demnach umfasst die psychosomatische Grundversorgung Hypnose, autogenes Training, Relaxationstherapie nach Jacobson nach den Ziffern 845 bis 847 GOÄ. Ziffer 846 GOÄ umfasst das „Übende Verfahren (z.B. autogenes Training) in Einzelbehandlung“. Demzufolge ist für das in der Rechnung vom 13. November 2018 zweimal abgerechnete „übende Verfahren“ § 21 BBhV a.F. einschlägig.
Vorliegend fand daher eine Maßnahme der psychosomatischen Grundversorgung nach § 21 BBhV a.F. gleichzeitig mit einer Verhaltenstherapie nach § 20 BBhV a.F. statt, weshalb die Beklagte zu Recht unter Anwendung des § 18 Abs. 4 Nr. 1 BBhV a.F. die Maßnahme der psychosomatischen Grundversorgung, hier vorliegend das durchgeführte übende Verfahren, nicht als beihilfefähig anerkannt hat.
Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Verhaltenstherapie, Ziffer 870 GOÄ, am 17. September 2018, 29. Oktober 2018 und 12. November 2018 stattfand, wogegen das übende Verfahren, Ziffer 846 GOÄ, jeweils am 12. September 2018 und 7. November 2018 gleichzeitig mit einem psychiatrischen Gespräch nach Ziffer 804 GOÄ stattfand. Denn eine gleichzeitige Behandlung i.S.d. § 18 Abs. 4 Nr. 1 BBhV a.F. setzt gerade nicht voraus, dass die jeweiligen Behandlungen am selben Tag erfolgt sind.
Vorliegend wurde dem Kläger mit Bescheid vom 23. Oktober 2017 eine Verhaltenstherapie mit 45 Sitzungen bewilligt. Diese Behandlung war – als die Ziffer 846 GOÄ berechnet wurde – noch nicht abgeschlossen. § 18 Abs. 4 Nr. 1 BBhV a.F. ist jedoch so zu verstehen, dass eine Behandlung nach §§ 19 bis 21 BBhV a.F. – hier vorliegend 45 Sitzungen Verhaltenstherapie – erst gänzlich abgeschlossen sein muss, ehe mit einer anderen Maßnahme nach den §§ 19 bis 21 BBhV a.F. begonnen werden kann. Die „Behandlung“ im Sinne des § 18 Abs. 4 Nr. 1 BBhV a.F. ist vorliegend die Verhaltenstherapie mit 45 Sitzungen. Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Norm, welcher von „Behandlung“ und gerade nicht von z.B. „Einzelsitzung“ spricht. Der vom Verordnungsgeber gewählte Begriff der „Behandlung“ umfasst gerade im Unterschied zu einer Einzelmaßnahme die gesamte Therapie. Vorliegend besteht diese in 45 Sitzungen Verhaltenstherapie. Auch medizinische Erwägungen sprechen für dieses Verständnis der Norm. Denn medizinisch gesehen steht eine Kombination der Therapien der psychodynamischen Wirksamkeit der jeweiligen Therapie entgegen (vgl. Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen,176. AL, November 2018, § 18 Anm. 7). Folglich ist auch aus medizinischen Gründen zunächst eine Therapie abzuschließen, bevor mit einer anderen begonnen werden kann. Nach alledem kann § 18 Abs. 4 Nr. 1 BBhV a.F. nur so verstanden werden, dass vorliegend die 45 Sitzungen Verhaltenstherapie abgeschlossen sein müssen, bevor eine andere Therapieform der §§ 19 bis 21 BBhV a F. beihilfefähig ist.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger an den Tagen (12. September 2018 und 7. November 2018), an denen das übende Verfahren stattfand, ein psychiatrisches Gespräch, Ziffer 804 GOÄ, hatte, wofür von der Beklagten Beihilfe bewilligt wurde. Denn bei dem psychiatrischen Gespräch, Ziffer 804 GOÄ, handelt es sich um eine psychiatrische Leistung, die nichts mit den Leistungen nach §§ 18 bis 21 BBhV a.F. gemein hat (vgl. Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, 136. Erg.-Lfg., Stand Januar 2015, § 18 Rn. 72). Dies führt also dazu, dass die Ziffer 804 GOÄ neben Maßnahmen nach §§ 18 bis 21 BBhV a.F. möglich und beihilfefähig ist. Jedoch ändert dies nichts daran, dass eine noch nicht abgeschlossene Maßnahme – Verhaltenstherapie nach § 20 BBhV a.F. (45 Sitzungen) – vorlag, neben der gleichzeitig eine Maßnahme nach § 21 BBhV a.F. – hier § 21 Abs. 1 Nr. 2 BBhV, Ziffer 846 GOÄ, übendes Verfahren – nicht möglich und nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 BBhV a.F. nicht beihilfefähig ist.
Soweit noch die behandelnde Ärztin ausführt, dass ein Entspannungsverfahren nebst Verhaltenstherapie empfohlen werde, bleibt festzuhalten, dass die Ärztin eben kein bloßes Entspannungsverfahren in Rechnung gestellt, sondern explizit die Ziffer 846 GOÄ mit der Leistung „übendes Verfahren“ abgerechnet hat, wobei es sich um eine Leistung der psychosomatischen Grundversorgung nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 BBhV a.F. handelt (vgl. oben).
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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