Arbeitsrecht

(Keine) Entlassung einer Lehrerin aus dem Vorbereitungsdienst wegen gesundheitlicher Gründe während der Schwangerschaft

Aktenzeichen  AN 1 K 18.01284

Datum:
7.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15057
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 23 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 S. 2, § 26 Abs. 1
UrlMV § 22
BayGlG Art. 17, Art. 18
BayMuSchV § 11 Abs. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1 S. 1, Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine Entlassungsverfügung ist formell rechtswidrig, wenn weder die Gleichstellungsbeauftragte am Verfahren beteiligt noch die Beamtin über ihr dahingehendes Antragsrecht informiert wurde; es kann insoweit auch nicht von einer Unbeachtlichkeit ausgegangen werden, da es sich bei einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf um eine Ermessensentscheidung handelt, sodass eine Auswirkung des Fehlers auf Erlass und Inhalt der Maßnahme nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. (Rn. 42 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Beamtinnen auf Probe und Widerruf sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG bei dauernder Dienstunfähigkeit auch während der Mutterschutzzeit zu entlassen, wenn keine schwangerschafts- und mutterschaftsspezifischen Ursachen die dauernde Dienstunfähigkeit begründen (ebenso BayVerfGH BeckRS 2011, 52487). (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Entlassungsverfügung ist materiell rechswidrig, wenn sie das grundsätzliche Entlassungsverbot bei Schwangerschaft aus § 22 UrlMV nicht beachtet und aus ihr und den zugrundeliegenden Gutachten nicht eindeutig und klar hervorgeht, dass von einer schwangerschaftsunabhängigen dauernden Dienstunfähigkeit der Beamtin auf Widerruf auszugehen ist; ferner wären dann alternative Einsatzmöglichkeiten gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 26 Abs. 2 BeamtStG zu prüfen gewesen. (Rn. 55) (Rn. 57 – 63) (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
4. Da für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist, ist das Gericht nicht gehalten, im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes ein ergänzendes Gutachten einzuholen (ebenso OVG NRW, BeckRS 2017, 113186). (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid vom 4. Januar 2017 (richtig: 4.1.2018) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2018 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet, da der Bescheid vom 4. Januar 2017 (richtig: 4.1.2018) in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24. April 2018 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Der Bescheid vom 4. Januar 2017 (richtig: 4.1.2018), mit dem die Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen worden ist, stützt sich auf § 23 Abs. 4 BeamtStG.
a) Dabei bestehen schon Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheides.
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus als Einstellungsbehörde hat zuständigerweise die Entlassung ausgesprochen, Art. 56 Abs. 2 BayBG. Die Entlassungsverfügung wurde unter Angabe des Grundes und des Zeitpunkts der Entlassung zugestellt, Art. 56 Abs. 3 BayBG. Dabei ist es ausreichend, wenn sich sowohl der Grund als auch der Zeitpunkt der Entlassung aus der Begründung des Bescheides ergeben, eine Angabe im Tenor ist nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 15.5.2019 – 3 CS 19.655 – juris Rn. 18 ff.). Die Entlassung wurde unter Berücksichtigung der Sechs-Wochen-Frist zum Quartalsende zum 31. März 2018 wirksam, Art. 56 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5 BayBG.
Der Klägerin wurde vor Erlass der Entlassungsverfügung mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dabei wurde sie auch rechtzeitig auf das Antragsrecht hinsichtlich der Beteiligung der Personalvertretung gemäß Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3, 2. Halbsatz BayPVG hingewiesen.
Allerdings wurde vor Erlass der streitgegenständlichen Verfügung weder die Gleichstellungsbeauftragte am Verfahren beteiligt noch die Klägerin über die Möglichkeit, die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten gemäß Art. 18 Abs. 3 Satz 2 BayGlG zu beantragen, informiert.
Gemäß Art. 17 BayGlG fördern und überwachen die Gleichstellungsbeauftragten den Vollzug des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes und des Gleichstellungskonzepts und unterstützen dessen Umsetzung. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit wirken die Gleichstellungsbeauftragten an allen Angelegenheiten des Geschäftsbereichs mit, die grundsätzliche Bedeutung für die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit und die Sicherung der Chancengleichheit haben können. Sie beraten Beschäftige zu Gleichstellungsfragen und unterstützen diese in Einzelfällen. Gemäß Art. 18 Abs. 2 BayGlG sind die Gleichstellungsbeauftragten zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten, bei Personalangelegenheiten spätestens gleichzeitig mit der Einleitung eines personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens. Gemäß Art. 18 Abs. 3 Satz 2 BayGlG findet eine Beteiligung in Personalangelegenheiten auf Antrag der Betroffenen statt.
Nach der Kommentierung in BeckOK BeamtenR Bayern/Weißgerber/Maier, BayBG, Art. 56 Rn. 32, führt eine unterbliebene Unterrichtung der Gleichstellungsbeauftragten zur formellen Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung. Auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, B.v. 1.6.2010 – 6 A 470/08 – juris Rn. 46 ff.) nimmt bei einer fehlenden Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten nach der – von den bayerischen Regelungen der Art. 17, 18 BayGlG abweichenden – nordrhein-westfälischen Landesregelungen der §§ 17, 18 LGG eine formelle Rechtswidrigkeit einer Entlassungsverfügung an. Jedenfalls dürfte unter Berücksichtigung, dass nach Art. 18 Abs. 3 Satz 2 BayGlG eine Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bei Personalangelegenheiten nur auf Antrag erfolgt, zumindest erforderlich sein, dass die Dienststelle, welche die beabsichtigte Maßnahme treffen will, den betroffenen Beamten auch auf die Möglichkeit hinweist, die Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten zu beantragen (vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2014 – 3 CS 14.1864 – BeckRS 2014, 58937 zu Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayPVG).
Eine Unbeachtlichkeit des unterbliebenen Hinweises auf die Möglichkeit, die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten zu beantragen, gemäß Art. 46 BayVwVfG – wie sie vom Bundesverwaltungsgericht bei einem Fehler bei der personalvertretungsrechtlichen Beteiligung an einer beabsichtigten Personalmaßnahme für möglich erachtet wird (z.B. BVerwG, B.v. 16.7.2012 – 2 B 16/12 – juris Rn. 21) – scheidet aus, da es sich bei einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG um eine Ermessensentscheidung handelt, sodass eine Auswirkung des Fehlers auf Erlass und Inhalt der Maßnahme nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.
b) Jedenfalls ist die Entlassungsverfügung materiell rechtswidrig.
Nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ besitzt nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Zur Rechtfertigung der Entlassung genügt jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund (BayVGH, B.v. 30.8.2019 – 3 ZB 18.508 – juris Rn. 7. m.w.N.). Grundsätzlich stellt die fehlende gesundheitliche Eignung einen sachlichen Grund für die Entlassung eines Beamten auf Widerruf dar (BayVGH, B.v. 9.7.2013 – 3 CS 13.302 – juris Rn. 30).
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG dahingehend eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinn von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist, sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (BayVGH, B.v. 30.8.2019 – 3 ZB 18.508 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Die Sollvorschrift des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Die Entlassung eines Widerrufsbeamten ist dann ermessensfehlerfrei möglich, wenn die tragenden Ermessenserwägungen mit Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang stehen. Dies ist anerkanntermaßen der Fall, wenn der Widerrufsbeamte wegen seines Gesundheitszustandes auf unabsehbare Zeit an der Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes und der Ablegung der Prüfung gehindert ist. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Ursachen dieser Zustand zurückzuführen ist. Maßgebend ist, dass der Zweck des zeitlich befristeten Dienstverhältnisses auf unabsehbare Zeit nicht erreicht werden kann. Das Beamtenverhältnis auf Widerruf dient der Ausbildung und nicht der Unterhaltssicherung. Widerrufsbeamte können nicht verlangen, auf unabsehbare Zeit im Vorbereitungsdienst zu bleiben und Unterhaltsleistungen zu erhalten, obwohl sie das Ausbildungsziel aus gesundheitlichen Gründen nicht erreichen können (BVerwG, B.v. 26.1.2010 – 2 B 47.09 – juris Rn. 6).
Dies steht nach Überzeugung des Gerichts im Falle der Klägerin aufgrund der amtsärztlichen Gutachten insbesondere vom 9. Oktober 2017 und vom 21. Februar 2018, an deren Richtigkeit das Gericht keine Zweifel hat, fest. So ist im Gutachten vom 9. Oktober 2017 festgestellt, dass „unter kritischer Würdigung der vorliegenden Unterlagen und der erhobenen Befunde aus amtsärztlicher Sicht davon auszugehen ist, dass eine Wiederaufnahme des Vorbereitungsdienstes bzw. die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst in absehbarer Zeit nicht in Aussicht gestellt werden kann. Berufliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst werden derzeit nicht für erfolgversprechend erachtet. Eine Erledigung der erforderlichen Tätigkeiten im Vorbereitungsdienst in angemessener Form und angemessener Zeit ist aufgrund der aktuellen Erkrankung auf absehbare Zeit nicht möglich.“
Dabei kann die sachverständige Feststellung des beauftragten Amtsarztes auch in Form eines zusammenfassenden Berichts – zugrunde gelegt werden. Die Übermittlung einer zusammengefassten Beurteilung mit dem Ergebnis der Untersuchung an die entscheidende Behörde, während der genaue Befund beim Gesundheitsamt verbleibt, trägt der Schweigepflicht des Arztes und dem Recht des Beamten auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung und ist rechtlich nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 9.7.2013 – 3 CS 13.312 – juris Rn. 30 f.).
Im Übrigen hat die Klägerin die im amtsärztlichen Gutachten getroffenen Feststellungen inhaltlich nicht – z.B. durch Vorlage eines privatärztlichen Attests – fundiert in Zweifel gezogen, wobei hier nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich von einem Vorrang der Begutachtung eines Amtsarztes gegenüber einer abweichenden Beurteilung eines Privatarztes auszugehen gewesen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 9.7.2013 – 3 CS 13.312 – juris Rn. 35 hinsichtlich der Voraussetzungen des Vorrangs).
Im Rahmen der erforderlichen Ermessensausübung hat der Beklagte auch ausreichend die Vorgaben des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG bedacht, indem er ausgeführt hat, dass bei der Abwägung auch berücksichtigt worden sei, dass durch das Ablegen der Zweiten Staatsprüfung die lange Berufsausbildung abgeschlossen würde und das erfolgreiche Absolvieren der Vorbereitungsdienstes Perspektiven auch außerhalb des Staatsdienstes eröffnen würde, jedoch aufgrund des derzeitigen Gesundheitszustandes davon auszugehen sei, dass eine Beschäftigung als Lehrerin an einer kommunalen oder privaten Schule unwahrscheinlich sei. Insoweit hat der Beklagte nicht verkannt, dass es sich bei dem Vorbereitungsdienst für Lehrer um eine allgemeine Ausbildungsstätte handelt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 1.6.2010 – 6 A 470/08 – juris Rn. 58), und hat darüber hinaus der Klägerin auch die Möglichkeit eingeräumt, nach Wiederherstellung der Dienst- und Prüfungsfähigkeit den Vorbereitungsdienst fortzusetzen.
Allerdings hat der Beklagte mit dem Bescheid vom 4. Januar 2017 (richtig: 4.1.2018) und dem Widerspruchsbescheid vom 24. April 2018 nicht die besondere Schutzvorschrift des § 22 UrlMV in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung vom 27. November 2017 berücksichtigt. Gemäß § 22 Abs. 1 UrlMV darf eine Beamtin auf Probe oder auf Widerruf gegen ihren Willen
1.während der Schwangerschaft,
2.bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und
3.bis zum Ende der Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung, nicht entlassen werden, wenn dem Dienstvorgesetzten der Sachverhalt bekannt war.
Bei § 22 Abs. 1 UrlMV handelt es sich um ein grundsätzliches Entlassungsverbot (v. Roetteken in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, 18. Update Februar 2020, § 46 Ziff. X.12 (Entlassungsverbot) Rn. 163 und § 23 Ziff. XXI Rn. 846 ff.). Da eine mit § 4 Abs. 2 MuSchEltZV bzw. § 17 Abs. 2 MuSchG vergleichbare Regelung, wonach die oberste Dienstbehörde in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand der Beamtin in der Schwangerschaft, nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Entlassung für zulässig erklären kann, in § 22 UrlMV gerade nicht vorgesehen ist, kann eine Entlassung einer Beamtin auf Widerruf gemäß § 22 Abs. 3 UrlMV grundsätzlich nur in den Fällen des § 22, § 23 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtStG und Art. 29 LlbG bzw. gemäß § 22 Abs. 2 UrlMV bei Vorliegen eines Sachverhaltes, bei dem eine Beamtin auf Lebenszeit im Wege des gerichtlichen Disziplinarverfahrens aus dem Dienst entfernt werden könnte, erfolgen (Weißgerber/Maier in: BeckOK BeamtenR Bayern, Brinktrine/Voitl, BayBG Art. 56 Rn. 33).
Damit steht § 22 Abs. 1 UrlMV einer Entlassung nach § 23 Abs. 4 BeamtStG zwingend entgegen. Eine Entlassung der Klägerin wäre allein nach § 22 Abs. 3 UrlMV i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG in Betracht gekommen. Dabei kommt es nicht alleine darauf an, dass eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen fehlender gesundheitlicher Eignung während einer Schwangerschaft nicht aus schwangerschafts- bzw. mutterschutzspezifischen Gründen erfolgt. Vielmehr muss die zusätzliche Voraussetzung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG, nämlich eine dauernde Dienstunfähigkeit, vorliegen. Insoweit stellte der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.6.2011 (Az. Vf. 27-VII-10 – juris Rn. 69 f.) fest, dass Beamtinnen auf Probe und Widerruf nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG bei dauernder Dienstunfähigkeit auch während der Mutterschutzzeit zu entlassen sind, wenn keine schwangerschafts- und mutterschaftsspezifische Ursachen die Dienstunfähigkeit begründen.
Auch wenn der Beklagte den Bescheid vom 4. Januar 2017 (richtig: 4.1.2018) auf § 23 Abs. 4 BeamtStG gestützt hat, kann das Gericht prüfen, ob die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist. Eine Umdeutung wäre grundsätzlich möglich, da es sich bei § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG nicht um eine Ermessensentscheidung handelt. Allerdings ergibt sich nach Auffassung des Gerichts aus den eingeholten Gutachten des Staatlichen Gesundheitsamtes am Landratsamt Nürnberger Land nicht ausreichend deutlich, dass eine dauernde Dienstunfähigkeit der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vorlag.
Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist dienstunfähig, wer wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Als dienstunfähig kann gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist.
Dauernd unfähig zur Erfüllung seiner Dienstpflichten ist ein Beamter, wenn die Behebung der Unfähigkeit aufgrund der bestehenden Mängel nach sachkundiger Bewertung der Umstände des Einzelfalles voraussichtlich in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Unfähigkeit wahrscheinlich lebenslänglich bzw. bis zum Erreichen der Altersgrenze bestehen bleibt; abzustellen ist vielmehr auf einen voraussehbaren und angemessenen Zeitraum (Brockhaus in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht – Kommentar, § 25 BeamtStG Rn. 36). Dabei ist die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 BayBG mit heranzuziehen. Es muss nicht mit Gewissheit feststehen, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb von sechs weiteren Monaten unwahrscheinlich ist. Es reicht vielmehr aus, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann, dass der Beamte für einen Zeitraum von mindestens sechs weiteren Monaten dienstunfähig sein wird. Aufklärungsdefizite gehen zu Lasten des Dienstherrn, den insoweit die materielle Beweislast für die Feststellung der Dienstunfähigkeit trifft. Zur Beurteilung der Dienstfähigkeit müssen deshalb zunächst die gesundheitlichen Leistungsbeeinträchtigungen des Beamten festgestellt und deren voraussichtliche Entwicklung prognostisch bewertet werden (BayVGH, U.v. 28.2.2018 – 3 B 16.1996 – juris Rn. 57 f.).
Diesen Anforderungen genügen die eingeholten Gutachten des Staatlichen Gesundheitsamtes am Landratsamt … jedoch nicht. So wird im Gutachten vom 23. Mai 2016 festgestellt, dass noch weitere Befunde einzuholen seien, um die gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bescheinigen zu können. Die Gutachten vom 3. April 2017 und 2. Mai 2017 treffen Momentaufnahmen bis einschließlich 23. April 2017 bzw. Schuljahresende und erachten bei einer fortbestehenden Dienstunfähigkeit eine erneute amtsärztliche Begutachtung für erforderlich. Das Gutachten vom 9. Oktober 2017 stellt ausschließlich fest, dass unter kritischer Würdigung der vorliegenden Unterlagen und der erhobenen Befunde aus amtsärztlicher Sicht davon auszugehen sei, dass eine Wiederaufnahme des Vorbereitungsdienstes bzw. die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst in absehbarer Zeit nicht in Aussicht gestellt werden könne und dass berufliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst derzeit nicht für erfolgversprechend erachtet würden und befasst sich damit ausdrücklich nur mit der Dienstfähigkeit für den Vorbereitungsdienst, nicht aber mit einer dauernden Dienstunfähigkeit im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG, die für Lebenszeitbeamte und Beamte auf Probe bzw. Widerruf einheitlich zu bewerten ist.
Erstmals das Gutachten vom 21. Februar 2018 führt aus, dass zum Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung am 9. Oktober 2017 unter Berücksichtigung des Krankheitsverlaufs und der dokumentierten nervenärztlichen Krankheitsgeschichte über insgesamt 13 Jahre keine Aussicht auf Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate bestehe. Unabhängig von einer Medikation oder Schwangerschaft sei eine Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit nur mit einer psychotherapeutischen/psychosomatischen Therapie und einer umfassenden Hilfestellung im privaten Bereich aufgrund vielfältiger Problemkreise im familiären Umfeld zu erwarten. Aufgrund des seit 05/2005 dokumentierten Krankheitsverlaufs sei diese Wiederherstellung allerdings nicht innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung am 9. Oktober 2017 zu erwarten.
Diese Ausführungen befassen sich zwar grundsätzlich mit den sich aus § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 BayBG ergebenden Voraussetzungen einer dauernden Dienstunfähigkeit der Klägerin, lassen aber eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Maßstäben der Dienst(un) fähigkeit für den Vorbereitungsdienst und der dauernden Dienstunfähigkeit im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG vermissen. Insbesondere weil der amtsärztlichen Stellungnahme vom 21. Februar 2018 keine erneute Begutachtung der Klägerin zugrunde lag, sondern erläuternd Bezug genommen wurde auf die dem amtsärztlichen Gutachten vom 9. Oktober 2017 vorausgegangene Begutachtung der Klägerin, erschließt sich dem Gericht nicht, weshalb nicht bereits in der amtsärztlichen Stellungnahme vom 9. Oktober 2017 die dauernde Dienstunfähigkeit der Klägerin festgestellt worden ist, sodass der Beklagte eine nicht ermessensabhängige Entscheidung nach der Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG, die grundsätzlich vorrangig gegenüber der Vorschrift des § 23 Abs. 4 BeamtStG ist (Baßlsperger in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 23 BeamtStG Rn. 7, 214), hätte erlassen können. Vielmehr bewertete das Staatliche Gesundheitsamt am Landratsamt … den bei der Untersuchung am 9. Oktober 2017 festgestellten Gesundheitszustand einmal dahingehend, dass eine Erledigung der erforderlichen Tätigkeiten im Vorbereitungsdienst in angemessener Form und angemessener Zeit aufgrund der aktuellen Erkrankung auf absehbare Zeit nicht möglich sein werde, und zum anderen am 21. Februar 2018 dahingehend, dass die volle Dienstfähigkeit nicht innerhalb von sechs Monaten seit der Begutachtung am 9. Oktober 2017 wiederhergestellt werden könne.
Unklar bleibt auch, weshalb das Staatliche Gesundheitsamt im Gutachten vom 23. Mai 2016 weitere ärztliche Befunde für eine Prognose über die weitere Entwicklung der gesundheitlichen Eignung für erforderlich gehalten hat, dann aber in dem Gutachten vom 21. Februar 2018 über die weitere Krankheitsdauer aufgrund eigener Fachkunde entscheiden konnte. Insoweit wäre nach Überzeugung des Gerichts hinsichtlich der Feststellung einer dauernden Dienstunfähigkeit, insbesondere hinsichtlich des weiteren Krankheitsverlaufes, ein fachärztliches Gutachten – wie vom Staatlichen Gesundheitsamt ursprünglich vorgesehen – erforderlich gewesen, das jedoch nicht eingeholt worden ist.
Da für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist (OVG NRW, B.v.12.6.2017 – 6 B 1450/16 – juris Rn. 10), war das Gericht auch nicht gehalten, im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes ein ergänzendes Gutachten einzuholen.
Im Übrigen würde bei Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG eine Auseinandersetzung mit alternativen Einsatzmöglichkeiten gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 26 Abs. 2 BeamtStG fehlen.
Der Klage war daher stattzugeben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.


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