Arbeitsrecht

Klageerledigung und Entscheidung über die Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  AN 5 K 20.00011

Datum:
30.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23023
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114 S. 1

 

Leitsatz

1. Erfolgt die begehrte Aufnahmezusage vor der Entscheidungsreife über den Prozesskostenhilfeantrag, so ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klage weggefallen und die Rechtsverfolgung kann keinen Erfolg mehr haben. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig erst nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme ein. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Klage auf Erteilung einer Aufnahmezusage als jüdischer Zuwanderer.
Der am … 1980 geborene Kläger ist russischer Staatsangehöriger. Er beantragte am 27. März 2019 bei der Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland in … die Aufnahme als jüdischer Zuwanderer in die Bundesrepublik Deutschland. Er legte hierzu unter anderem seine Geburtsurkunde vom … 1980 vor, in der die Nationalität seines Vaters mit „Jude“ und seiner Mutter mit „Russin“ angegeben ist, die Geburtsurkunde seines Vaters vom … 1997, in der die Nationalität dessen Eltern mit „Jude“ angegeben ist, die Heiratsurkunde der Großeltern vom … 2017, ein Abschlusszeugnis über die allgemeine Grundschulbildung vom 14. Juni 1996, eine Bestätigung über eine sechsmonatige berufliche Ausbildung vom 25. Juli 2003 und einen Auszug aus dem Arbeitsbuch, ausgefüllt am 16. Juli 1999, vor.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 4. Dezember 2019 die Erteilung einer Aufnahmezusage als jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion ab.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger zwar die Zugehörigkeit zum berechtigten Personenkreis gemäß Nr. I 2a) der Anordnung des BMI nachgewiesen habe. Die Voraussetzung einer positiven Integrationsprognose nach Nr. I 1 2b) der Anordnung sei jedoch nicht erfüllt. Für das Lebensalter und das familiäre Umfeld seien insgesamt 17 Punkte vergeben worden, für die Mitgliedschaft in der jüdischen Gemeinde der Stadt … „… …“ weitere 10 Punkt und für die langjährige Berufserfahrung in verschiedenen Berufen seien weitere 10 Punkte berücksichtigt worden. 5 Punkte habe der Kläger für ein Arbeitsplatzangebot in Deutschland erhalten. Für seine berufliche Qualifikation seien jedoch keine Punkte vergeben worden, da der Kläger zwar über verschiedene Qualifikationen/Ausbildungen verfüge, so zum Schlosser für die Kraftfahrzeugreparaturen, Elektroautogenschweißer, Zimmermann und Gabelstaplerfahrer, die aber mit einer Ausbildungsdauer von insgesamt 9 Monaten die für die Punktevergabe erforderliche Mindestausbildungsdauer von 2 Jahren nicht erreichen würden. Der Kläger habe mit insgesamt 42 Punkten daher nicht die notwendige Mindestpunktzahl von 50 Punkten erreicht.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 2. Januar 2020 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. Dezember 2019 zu verpflichten, dem Kläger die Aufnahmezusage als jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion zu erteilen.
Gleichzeitig wurde beantragte,
dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … zu bewilligen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bescheid rechtswidrig sei.
Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2020 teilte die Beklagte mit, dass nach der Änderung der Verfahrensanordnung des BMI die Alterspunkte beim Kläger im Rahmen der Integrationsprognose angehoben würden, so dass die Aufnahmevoraussetzung der Nr. I 2a) der AO des BMI nunmehr erfüllt sei. Vorbehaltlich der Zustimmung der ZWST könnte demnach die Aufnahmezusage erteilt werden.
Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2020 teilte die Beklagte mit, dass am 6. Oktober 2020 ein Abhilfebescheid ergangen sei. Die Kosten dieses Verfahrens seien aber dem Kläger aufzuerlegen. Am 3. Dezember 2020 erklärte sie den Rechtsstreit für erledigt.
Mit Schriftsatz vom 22. März 2021 überreichte der Klägerbevollmächtigte die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Behördensowie die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 VwGO liegt dann vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung spricht.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife (vgl. BayVGH, B.v.10.2.2016 – 10 C 15.2685 – juris Rn. 4). Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme ein (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO sowie BVerwG, B.v. 12.9.2007 – 10 C 39.07 u.a. – juris Rn. 1).
Vorliegend ist mit Erteilung der begehrten Aufnahmezusage am 6. Oktober 2020 das Rechtsschutzbedürfnis der Klage noch vor dem maßgeblichen Bewilligungszeitpunkt weggefallen, nachdem der Klägerbevollmächtigte die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers erst am 22. März 2021 vorgelegt hat. Angesichts der vorherigen Erledigung kann die Rechtsverfolgung daher keinen Erfolg mehr haben.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … ist daher abzulehnen.


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