Arbeitsrecht

Kommunikation zwischen den Parteien als Grundlage für eine Besprechungsgebühr

Aktenzeichen  L 15 SF 91/14 E

Datum:
15.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 70220
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 33 Abs. 3 S. 1, Abs. 8, § 60 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein Gespräch im Sinne eines lediglich mittelbaren Dialogs zwischen den Parteien löst nur dann eine Besprechungsgebühr aus, wenn sich die Rolle des Gerichts auf eine bloße Vermittlertätigkeit beschränkt. Daher muss nach dem Gesamteindruck des prozessualen Geschehens die Kommunikation zwischen den Parteien und nicht zwischen jeder einzelnen Partei und dem Gericht stattgefunden haben.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 13 AS 104/13 2014-03-13 Bes SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 13. März 2014 wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht. Streitig ist, ob dem Beschwerdeführer eine sog. Besprechungsgebühr (Erledigungsgesprächsgebühr – Terminsgebühr) nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG a. F. zusteht.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG), Az.: S 13 AS 104/13, ging es um Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Am 05.02.2013 erhob die Klägerin über ihren Bevollmächtigten, den Beschwerdeführer, Klage und beantragte die Gewährung von PKH. Diesem Antrag wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 01.03.2013 entsprochen, der Beschwerdeführer wurde beigeordnet.
Mit Schreiben vom 06.12.2013 unterbreitete das Gericht den Beteiligten zur Verfahrensbeendigung dieses und der beiden weiteren (andere Zeiträume betreffende) Streitverfahren Az. S 13 AS 1098/13 und S 13 AS 1099/13 einen Vergleichsvorschlag. Laut Aktenvermerk teilte der Beschwerdeführer am 13.12.2013 in einem Telefongespräch mit dem Gericht diesem mit, dass die Klägerin am heutigen Tag in der Kanzlei vorgesprochen und den Vergleichsvorschlag des Gerichts akzeptiert habe; die Unterlagen werde er schnellstmöglich mit der Bitte um Weitergabe an das Jobcenter nachreichen, was im Folgenden dann auch erfolgte. Da auch der Beklagte dem Vergleichsvorschlag zugestimmt hatte, wurde das Verfahren sodann beendet.
Am 14.01.2014 beantragte der Beschwerdeführer, seine Vergütung für das Klageverfahren in Höhe von 690,20 EUR (abzüglich der von der Beklagtenseite anerkannten Kostenerstattung in Höhe von 113,05 EUR) festzusetzen und setzte dabei eine Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 „wegen Besprechung mit Gericht“ in Höhe von 200,00 EUR an.
Mit Entscheidung vom 24.02.2014 setzte der Kostenbeamte des SG die Vergütung in Höhe von 452,20 EUR (abzüglich der von der Beklagtenseite anerkannten Kostenerstattung in Höhe von 113,05 EUR) fest. Eine Terminsgebühr wurde dabei nicht festgesetzt, da, so der Kostenbeamte, eine ledigliche Vorabinformation an das Gericht zur Vergleichsannahme keine Terminsgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG auslöse.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt und vorgetragen, dass die Terminsgebühr nicht wegen der Vorabinformation am 13.12.2013, sondern wegen eines mit dem Vorsitzenden der Kammer geführten Telefonats geltend gemacht werde, als dessen Ergebnis der Vergleichsvorschlag des Gerichts ergangen sei.
Mit Beschluss vom 13.03.2014 hat das SG die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die begehrte Terminsgebühr schon dem Grunde nach nicht entstanden sei, da keine Terminswahrnehmung bei Gericht erfolgt sei. Auch die Ausnahmetatbestände nach Nr. 3106 Abs. 2 VV RVG seien vorliegend nicht einschlägig. Weiter hat es hervorgehoben, dass ein außergerichtlicher verfahrensbeendender Vergleich eine Terminsgebühr nicht auslöse, sondern eine Einigungsgebühr. Eine solche sei jedoch unstreitig antragsgemäß berücksichtigt worden. Für ein- und dieselbe anwaltliche Tätigkeit könne aber nur jeweils eine Gebühr anfallen. Schließlich lägen auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alternative 3 VV RVG entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht vor, denn die Erklärung gegenüber dem Kammervorsitzenden vom 13.12.2013, den gerichtlichen Vergleichsvorschlag anzunehmen, sei keine Besprechung, sondern lediglich eine Mitteilung.
Am 31.03.2014 hat der Beschwerdeführer hiergegen Beschwerde erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen dargelegt, dass der Kammervorsitzende vor seinem Schreiben vom 06.12.2013 den Vergleichsvorschlag mit den Parteien besprochen habe, wodurch letztlich die Anberaumung eines Gerichtstermins habe vermieden werden können. Insoweit sei eine Besprechung mit dem Richter ausreichend, sofern diese die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens zum Ziel habe, was vorliegend der Fall gewesen sei; unerheblich sei, so der Beschwerdeführer, ob die Besprechung in einem persönlichen, mündlichen Gespräch oder telefonisch geführt werde. Anderes könne gelten, wenn in einem Telefonat gerade kein Einigungscharakter gegeben sei. Die Staatskasse (Beschwerdegegner) hat im Schriftsatz vom 10.09.2014 hervorgehoben, dass aus ihrer Sicht eine Besprechungsgebühr nicht entstanden sei und hat auf Entscheidungen des Kostensenats verwiesen. Danach sei bei der Annahme einer Besprechungsgebühr eine eher restriktive Haltung einzunehmen. Dem Vortrag des Beschwerdeführers sei nicht zu entnehmen, dass das Gericht lediglich eine Vermittlerrolle zwischen den Parteien eingenommen hätte. Dabei ist die Staatskasse davon ausgegangen, dass von dem geltend gemachten Telefongespräch ein Vermerk in den Gerichtsakten aufzufinden ist.
Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Beschwerdeverfahren der Beteiligten Az. L 15 SF 92/14 E und L 15 SF 93/14 E, der Erinnerungsverfahren Az. S 10 SF 41/14 E, S 10 SF 42/14 E und S 10 SF 43/14 E sowie der erstinstanzlichen Klageverfahren des SG Az. S 13 AS 104/13, S 13 AS 1098/13 und S 13 AS 1099/13 verwiesen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG.
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall gemäß der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff.) die Regelungen des RVG in der bis 31.07.2013 geltenden Fassung. Denn der unbedingte Auftrag im Sinne der genannten Vorschrift ist dem Beschwerdeführer vor diesem Zeitpunkt erteilt worden.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren ist ausschließlich die Besprechungsgebühr (einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer).
Das SG hat zu Recht keine solche Gebühr angesetzt.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen von Nr. 3106 VV RVG a. F. sind nicht erfüllt. Gleiches gilt für Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alternative 3 VV RVG a. F.; eine Besprechungsgebühr ist nicht entstanden.
a. Eine Besprechung, die gemäß der genannten Vorbemerkung einer regulären Verhandlung gleichstehen würden, hat der Beschwerdeführer nicht, wie §§ 55 Abs. 5 Satz 1 RVG, 104 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung es voraussetzt, glaubhaft gemacht. Es steht nicht mit der für die Glaubhaftmachung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit fest, dass zwischen dem Beschwerdeführer und dem Gericht ein fernmündliches Gespräch vor Abfassung des gerichtlichen Schreibens vom 06.12.2013 geführt worden ist. Aus dem handschriftlichen Vermerk des Kammervorsitzenden im Verfahren Az. S 13 1098/13 (Bl. 31 der Gerichtsakte) „da vergleichsweise Einigung in Aussicht gestellt wurde“ ergeben sich nach Auffassung des Senats allenfalls gewisse Anhaltspunkte für irgendwelche Kontakte mit (einem?) der Beteiligten.
b. Selbst wenn man dies anders sehen würde, hätte ein solches Gespräch nicht den Anforderungen an eine Besprechungsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG a. F. genügt. Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss vom 26.11.2012, Az.: L 15 SF 153/11 B E), ist ein lediglich mittelbarer Dialog zwischen den Parteien nur dann ausreichend, wenn sich die Rolle des Gerichts auf eine bloße Vermittlertätigkeit beschränkt (so auch die „anwaltsfreundliche Ansicht“ von Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., VV Vorbemerkung 3, Rdnr. 194). Nach der Rechtsprechung des Senats bedeutet das, dass nach dem Gesamteindruck des prozessualen Geschehens die Kommunikation zwischen den Parteien und nicht zwischen jeder einzelnen Partei und dem Gericht stattgefunden haben muss. Davon kann vorliegend auch mangels näherer Belege jedoch nicht ausgegangen werden.
Auf den Einigungscharakter des Gesprächs kommt es somit nicht an.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

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