Arbeitsrecht

Kostenfestsetzung nach Erledigung der Hauptsache – Bemessung der erstattungsfähigen Umsatzsteuer – Beendigung des Rechtszugs

Aktenzeichen  5 Ko 561/21

Datum:
25.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt 5. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 1 S 2 RVG
§ 12 Abs 1 UStG 2005
§ 13 Abs 1 Nr 1 Buchst a UStG 2005
§ 28 Abs 1 UStG 2005 vom 29.06.2020
§ 138 FGO
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Spruchkörper:
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Tenor

Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 08. Juni 2021 (Aktenzeichen: 5 K 5000/19) wird wie folgt neu gefasst:
Die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 448,15 Euro (in Worten: vierhundertachtundvierzig und 15/100) festgesetzt. Der festgesetzte Betrag ist ab dem 15. Januar 2021 mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu verzinsen (§ 155 FGO, § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Kostenerstattung im Klageverfahren 5 K 5000/19.

Die Erinnerungsführerin erhob mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28. Juni 2019 – dem Gericht am selben Tage per Fax übermittelt – Klage gegen den Bescheid der Erinnerungsgegnerin vom 10. Januar 2019. Das Prozessverfahren wurde unter dem gerichtlichen Aktenzeichen 5 K 5000/19 geführt.

Nachdem der angefochtene Bescheid geändert wurde und die Prozessbeteiligten übereinstimmend erklärt hatten, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe, sprach das Gericht mit Beschluss (Aktenzeichen: 5 K 5000/19) vom 16. November 2020 aus, dass die Erinnerungsgegnerin [Beklagte] die Kosten des Prozessverfahrens zu tragen hat.

Am 20. November 2020 erstellte die Serviceeinheit des 5. Senates beglaubigte Abschriften des Beschlusses vom 16. November 2020. Die Versendung des Beschlusses erfolgte mittels Brief auf dem Postweg. Die Briefe an die Verfahrensbeteiligten wurden ausweislich des Absendevermerks, der sich in der Prozessakte befindet, am 20. November 2020 zur Post gegeben.

Am 16. Dezember 2020 fragte die Erinnerungsgegnerin fernmündlich an, ob die Erinnerungsführerin (Klägerin) den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt habe. In dem Gespräch teilte sie der Mitarbeiterin der Serviceeinheit des 5. Senates mit, dass ihr kein Beschluss des Gerichts [zum Verfahrensabschluss] vorliege bzw. zugegangen sei. Die Mitarbeiterin der Serviceeinheit kündigte daraufhin die nochmalige Übersendung des Beschlusses vom 16. November 2020 an.

Am 08. Januar 2021 versandte die (Mitarbeiterin der) Serviceeinheit nochmals Abschriften des Beschlusses vom 16. November 2020 an alle Verfahrensbeteiligten.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14. Januar 2021 beantragte die Erinnerungsführerin die Kostenfestsetzung gegen die Erinnerungsgegnerin unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Beschluss vom 16. November 2020, zu dem sie angab, dass ihr der Beschluss am 14. Januar 2021 bekanntgegeben worden sei. Sie legte der Berechnung der geltend gemachten Gebühren einen Gegenstandswert von 2.328,00 Euro zugrunde. Auf dieser Grundlage machte sie unter anderem eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in Höhe von 355,20 Euro geltend. Dem sich zusammen mit den übrigen Positionen errechneten Gesamtbetrag der geltend gemachten Aufwendungen (410,20 Euro) setzte sie unter Hinweis auf Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 19% Umsatzsteuer (77,94 Euro) hinzu. Insgesamt wurde die Festsetzung von 488,14 Euro beantragt.

Die hierzu angehörte Erinnerungsgegnerin erhob mit Schreiben vom 25. Februar 2021 Einwände gegen die Höhe des der Gebührenberechnung zugrunde gelegten Streitwertes.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die der Erinnerungsführerin von der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten mit am 16. Juni 2021 zur Post gegebenen und am 18. Juni 2021 zugegangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 08. Juni 2021 (Aktenzeichen: 5 K 5000/19) auf 342,20 Euro fest. Gleichzeitig sprach sie antragsgemäß aus, dass der Erstattungsbetrag ab dem 15. Januar 2021 mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu verzinsen sei. Die Abweichung des festgesetzten Erstattungsbetrages von dem gestellten Kostenfestsetzungsantrag ergibt sich zum einen daraus, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle dem Einwand der Erinnerungsgegnerin gegen die Höhe des der Gebührenberechnung zugrunde zu legenden Streitwertes gefolgt ist und unter Zugrundelegung eines Streitwertes von 1.940,00 Euro eine 1,6-fache Verfahrensgebühr in Höhe von 240,00 Euro ansetzte. Dazu teilte sie mit, dass das im Zeitpunkt der Klageerhebung geltende Gebührenrecht maßgebend sei. Zum anderen sah die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle lediglich 16% Umsatzsteuer (47,20 Euro) als erstattungsfähig an. Dazu führte sie in dem Kostenfestsetzungsbeschluss aus, maßgebend für die Höhe der Umsatzsteuer sei der Zeitpunkt der Fälligkeit der Vergütung (§ 8 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz). Im gerichtlichen Verfahren werde die Vergütung fällig, wenn eine Kostenentscheidung ergangen sei. Die Kostenentscheidung sei ergangen, wenn sie wirksam geworden sei.

Die Erinnerungsführerin hat mit Schriftsatz vom 30. Juni 2021 Erinnerung eingelegt.

Sie verfolgt mit der Erinnerung ihr Begehren weiter. Hierzu führt sie an, ihrer Meinung nach sei die Höhe der ihr zu erstattenden Kosten nach dem beantragten Streitwert (2.328,00 Euro) zu ermitteln und der zu erstattenden Umsatzsteuer ein Steuersatz von 19% zugrunde zu legen.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat am 02. August 2021 entschieden, der Erinnerung nicht abzuhelfen, und diese dem Senat zur Entscheidung vorzulegen.

Das Prozessgericht hat den Streitwert für das Prozessverfahren 5 K 5000/19 mit Beschluss vom 21. September 2021 (Aktenzeichen: 5 K 5000/19) auf 2.328,00 Euro festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die diesem Beschluss des Einzelrichters beigefügte Begründung Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

II.
1. Über die Erinnerung entscheidet nach § 79a Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der Berichterstatter.

2. Die zulässige Erinnerung ist begründet.

Nach § 149 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 104 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) und § 155 Satz 1 FGO setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die zu erstattenden Kosten fest. Der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten kann gemäß § 103 Abs. 1 ZPO nur auf Grund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden, der vorliegend in Gestalt des Beschlusses (Aktenzeichen: 5 K 5000/19) vom 16. November 2020 gegeben ist. Danach kann die Erinnerungsführerin von der Erinnerungsgegnerin die ihr entstandenen Kosten erstattet verlangen.

a. Für die Berechnung der Höhe der zu erstattenden Kosten ist, soweit sog. Wertgebühren zur Erstattung angemeldet sind, nach § 32 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) – RVG – der gerichtlich festgesetzte Streitwert maßgebende Berechnungsgrundlage. Eine solche gerichtliche Festsetzung des Streitwertes erfolgte mit Beschluss vom 21. September 2021 (Aktenzeichen: 5 K 5000/19), so dass der Berechnung der Wertgebühren ein Streitwert von 2.328,00 Euro zugrunde zu legen ist.

b. Bei der Berechnung der (berechtigter Weise geltend gemachten) Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) ist – neben dem genannten Streitwert – weiterhin § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG zu beachten.

Danach ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erteilt worden ist.

Der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin hat die Klage zum Aktenzeichen 5 K 5000/19 am 28. Juni 2019 erhoben. Die mit der Klageschrift eingereichte Prozessvollmacht wurde von der Erinnerungsführerin am 11. Juni 2019 unterzeichnet. Da der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin im Einspruchsverfahren – soweit ersichtlich – nicht mandatiert war, ist davon auszugehen, dass der „unbedingte Auftrag“ im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG im II. Quartal 2019 erteilt wurde. Nach § 13 Abs. 1 RVG in der vom 01. August 2013 bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes errechnet sich bei einem Streitwert von 2.000,01 Euro bis zu 3.000,00 Euro eine 1,0-fache Verfahrensgebühr von 201,00 Euro. Bei einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr errechnet sich mithin ein Betrag von 321,60 Euro.

Hiervon abweichend beruht der von dem Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin im Rahmen des Kostenfestsetzungsantrages vom 14. Januar 2021 angemeldete Betrag einer 1,6-fache Gebühr in Höhe von 355,20 Euro offenkundig darauf, dass die seit dem 1. Januar 2021 geltende Gesetzesfassung des § 13 RVG zugrunde gelegt wurde. Danach beträgt die 1,0-fache Gebühr (bei einem Streitwert von 2.328,00 Euro) 222,00 Euro, so dass sich eine 1,6-fache Gebühr von 355,20 Euro errechnet. Diese Regelung ist jedoch wegen § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht anwendbar und die Erinnerung insoweit – d.h. hinsichtlich des über 321,60 Euro hingehenden Teilbetrages und des hierauf entfallenden Umsatzsteuerbetrages – zurückzuweisen.

c. Zu den zu erstattenden Kosten gehört gemäß Nr. 7008 VV RVG auch die Umsatzsteuer auf die Vergütung. Die nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO notwendige Erklärung, dass die Beträge nicht als Vorsteuer zum Abzug gebracht werden können, ist im Rahmen des Kostenfestsetzungsantrages vom 14. Januar 2021 (am Ende des Schreibens) abgegeben worden.

Erstattungsfähig ist eine Umsatzsteuer in Höhe von 19%, denn die Umsatzsteuer beträgt nach § 12 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes – UStG – für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19% der Bemessungsgrundlage.

Dem steht nicht entgegen, dass die Umsatzsteuer gemäß § 28 Abs. 1 UStG, der durch Art. 3 Nr. 3 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise – Zweites Corona-Steuerhilfegesetz – vom 29. Juni 2020 [BGBl. I 2020, S. 1512 (1514)] eingeführt wurde, für den Zeitraum vom 01. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 von 19% auf 16% herabgesetzt wurde, denn die Umsatzsteuer ist erst danach – im Januar 2021 – entstanden.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a UStG entsteht die Umsatzsteuer regelmäßig, wenn die Leistung des Rechtsanwaltes ausgeführt ist, also nicht schon bei Erteilung des Mandates. Umfasst die Tätigkeit des Rechtsanwaltes von vornherein die Beratung (und Vertretung) durch mehrere Instanzen, wäre hiernach die Leistung an sich erst mit Abschluss der letzten Instanz erbracht [Henke, Anwaltsgebührenrechnung und Mehrwertsteuererhöhung ab 1. Januar 2007, AnwBl 2006, S. 754]. Im gerichtlichen Verfahren wird die Vergütung des Rechtsanwaltes aber nach § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG bereits fällig, wenn der Rechtszug beendet oder eine Kostenentscheidung ergangen ist oder das Verfahren länger als drei Monate ruht. Die abzurechnende (Teil-) Leistung ist die Prozessvertretung zur Durchsetzung des Klageanspruches und daher regelmäßig dann erbracht, wenn der Rechtsstreit in der jeweiligen Instanz in der Hauptsache (durch Urteil, Gerichtsbescheid, Beschluss mit Kostenentscheidung) beendet ist. Dieser Zeitpunkt bestimmt, welcher Umsatzsteuersatz anzuwenden ist [OVG NRW, Beschluss vom 23. Oktober 2008 – 19 E 504/07 – NJW 2009, S. 933].

aa. Ein Anwendungsfall des § 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 RVG ist im Streitfall nicht gegeben, denn der Senat hat keinen Beschluss nach § 251 ZPO in Verbindung mit § 155 Satz 1 FGO gefasst und damit das Ruhen des Prozessverfahrens 5 K 5000/19 angeordnet. Ebenso wenig erfolgte eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO.

bb. Ein Anwendungsfall des § 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 RVG ist insofern nicht gegeben, als die Beendigung des Rechtsstreites erst mit dem Ergehen der Kostenentscheidung eintrat und nicht schon vorher. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 RVG und des § 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 RVG traten deshalb zeitgleich ein.

Ob ein Rechtszug beendet ist, bestimmt sich nach den jeweiligen verfahrensrechtlichen Bestimmungen [Schneider, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage, Baden-Baden 2021, § 8 RVG RdNr. 14].

Für das finanzgerichtliche Verfahren ist diese Bestimmung relevant im Falle der Klagerücknahme, denn die Rücknahme einer Klage bewirkt, dass der Rechtszug unabhängig von einer eventuell noch nachfolgenden gerichtlichen Kostenentscheidung mit der Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung beendet ist [Herbert, in: Gräber, FGO, 9. Auflage, München 2019, § 72 FGO RdNr. 29 f.]. Die Kostenfolge ergibt sich in diesem Fall unmittelbar aus den Gesetz, nämlich aus § 136 Abs. 2 FGO, weshalb ein eventuell nachfolgender gerichtlicher Beschluss, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, nur deklaratorische Bedeutung hat.

Anders verhält es sich indes im Streitfall, denn das Prozessverfahren 5 K 5000/19 wurde durch übereinstimmende Erklärungen der Verfahrensbeteiligten beendet, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.

Haben die Verfahrensbeteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, findet das Klageverfahren in der Hauptsache damit sein Ende. Die Erledigungserklärungen sind konstitutiv [BFH, Beschluss vom 10. Mai 2013 – IX B 145/12 – BFH/NV 2013, S. 1452], d.h. sie führen unmittelbar zur Beendigung des Rechtsstreites in der Hauptsache [BFH, Urteil vom 16. November 2000 – XI R 28/99 – BStBl. II 2001, S. 303 (304)]; ein gerichtlicher Ausspruch hierüber ist nicht erforderlich [BFH, Urteil vom 14. Juni 2017 – I R 38/15 – BStBl. II 2018, S. 2 (3 f.)].

Im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärungen entfällt die Rechtshängigkeit jedoch nur in Bezug auf den Rechtsstreit in der Hauptsache. Anhängig bleibt der Rechtsstreit wegen der Kosten, über die das Gericht durch Beschluss entscheiden muss [BFH, Beschluss vom 10. Mai 2013 – IX B 145/12 – BFH/NV 2013, S. 1452; Ratschow, in: Gräber, FGO, 9. Auflage, München 2019, § 138 FGO RdNr. 25]. Dies bedeutet für die Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 RVG, dass der Rechtszug erst mit Ergehen der Kostenentscheidung vollständig beendet ist [Gierl, in: Mayer/Kroiß, RVG, 5. Auflage, Baden-Baden 2012, § 8 RVG RdNr. 47; Schneider, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage, Baden-Baden 2021, § 8 RVG RdNr. 15].

cc. Die Beendigung des Rechtsstreites im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 RVG ist (erst) im Januar 2021 eingetreten.

Die Norm setzt lediglich eine Kostenentscheidung voraus, ohne an diese besondere Anforderungen zu stellen. § 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 RVG begründet deshalb auch bei einer (noch) nicht rechtskräftigen bzw. nur vorläufig vollstreckbaren Kostenentscheidung die Fälligkeit der Vergütung des Rechtsanwaltes [Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage, München 2021, § 8 RVG RdNr. 14].

Im Übrigen lässt es § 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 RVG allerdings nicht genügen, dass das Prozessgericht die Kostenentscheidung „gefasst“ hat, also einen unterschriebenen Beschluss zur Geschäftsstelle gegeben hat. Die Vorschrift verlangt vielmehr, dass diese „ergangen“ ist. Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die Kostenentscheidung gegenüber den Verfahrensbeteiligten kundgetan sein muss. Die Kostenentscheidung muss mithin für die Parteien dergestalt „benutzbar“ sein, dass diese – etwa in Gestalt eines Kostenfestsetzungsantrages – von ihr Gebrauch machen können [vgl. zu § 16 BRAGO: OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. Dezember 1998 – 24 U 247/97 – juris (RdNr. 14)]. Voraussetzung ist mithin, dass die Kostenentscheidung den Verfahrensbeteiligten zugestellt oder bekannt gegeben worden ist [Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage, München 2021, § 8 RVG RdNr. 14]. Eine Kostenentscheidung ist mithin erst dann im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG „ergangen,“ wenn sie nach der maßgeblichen Verfahrensordnung wirksam ist [Toussaint, Kostenrecht, 51. Auflage, München 2021, § 8 RVG RdNr. 19 (Stichwort „Wirksamkeit“)].

Hiernach ist die Kostenentscheidung in dem Prozessverfahren 5 K 5000/19 nicht schon im November 2020 ergangen.

Aus der Prozessakte ergibt sich zwar, dass der Brief an den Prozessbevollmächtigten, mit dem der Beschluss vom 16. November 2020 übersandt und damit bekannt gegeben werden sollte, am 20. November 2020 zur Post gegeben wurde. Damit ist jedoch nicht belegt, dass die Bekanntgabe mittels der Versendung per Post zu diesem Zeitpunkt auch erfolgreich war und die gerichtliche Kostenentscheidung damit wirksam geworden ist.

Von einer wirksamen Bekanntgabe kann im Streitfall gerade nicht ausgegangen werden, jedenfalls nicht im November 2020 oder Dezember 2020. Der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin hat ausdrücklich erklärt, er habe den Beschluss des Gerichts vom 16. November 2020 erst mit dem Übersendungsschreiben des Gerichts vom 08. Januar 2021 erhalten. Diese Postsendung sei am 14. Januar 2021 bei ihm eingegangen, so dass erst seit diesem Zeitpunkt eine wirksame Kostenentscheidung vorliegt.

Der Streitakte sind im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin nicht zutreffen könnte.

Zum einen hat er schon im Kostenfestsetzungsantrag – ungefragt – deutlich gemacht, dass ihn der gerichtliche Beschluss vom 16. November 2020 erst mit Verzögerungen erreicht hat, nämlich am 14. Januar 2021. Dies Erklärung enthält implizit die Aussage, dass ihn die Ende November 2020 versandte Post des Gerichts nicht erreicht hat. Abgesehen davon, dass die Erinnerungsführerin auch nicht die Beweislast dafür trifft, das am 20. November 2020 zur Post gegebene Schreiben nicht erhalten zu haben, deutet die fernmündliche Mitteilung der Erinnerungsgegnerin vom 16. Dezember 2020 nachhaltig darauf hin, dass die Übersendung tatsächlich misslungen sein könnte/dürfte.

Damit lässt sich zumindest nicht positiv feststellen, dass die mit Beschluss vom 16. November 2020 getroffene gerichtliche Kostenentscheidung noch vor Ablauf des 31. Dezember 2020 wirksam geworden ist. Da nur festgestellt werden kann, dass der Beschluss vom 16. November 2020 am 14. Januar 2021 bekannt gegeben und damit zu diesem Zeitpunkt wirksam geworden ist, steht damit zugleich fest, dass die Fälligkeit gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 RVG (erst) am 14. Januar 2021 eingetreten ist.

Konsequenz dessen ist, dass die Umsatzsteuer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1a UStG zu diesem Zeitpunkt entstanden ist und nach § 12 Abs. 1 UStG 19% beträgt.

d. Im Ergebnis errechnet sich hiernach der zu erstattende Betrag unter Einbeziehung der „unstreitigen“ Positionen wie folgt:
1,6-facheVerfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG, § 13 RVG(1,6 x 201,00 Euro)
321,60 Euro
Dokumentenpauschale (Nr. 7000 Ziffer 1 VV RVG)
1,00 Euro
Pauschale für Post und Telekommunikation(Nrn. 7001, 7002 VV RVG)
20,00 Euro
Fahrtkosten gemäß Nr. 7003 VV RVG
9,00 Euro
Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 Ziffer 1 VV RVG
25,00 Euro
Zwischensumme:
376,60 Euro
Umsatzsteuer in Höhe von 19%auf die Zwischensumme nach Nr. 7008 VV RVG
71,55 Euro
Gesamtbetrag der zu erstattenden Aufwendungen:
448,15 Euro


3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 2 FGO und beruht auf der Erwägung, dass die Erinnerung nur teilweise Erfolg hat und Gerichtsgebühren für das Erinnerungsverfahren nicht anfallen.


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