Arbeitsrecht

Mindestlohn – Entgeltfortzahlung

Aktenzeichen  10 AZR 191/14

Datum:
13.5.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2015:130515.U.10AZR191.14.0
Normen:
Art 3 EGRL 71/96
§ 98 Abs 6 ArbGG
§ 2 Nr 1 AEntG 2009
§ 5 S 1 Nr 1 AEntG 2009
§ 7 Abs 1 AEntG 2009
§ 8 Abs 1 AEntG 2009
§ 2 Abs 1 EntgFG
§ 3 Abs 1 S 1 EntgFG
§ 4 Abs 1 EntgFG
§ 4 Abs 4 EntgFG
§ 12 EntgFG
§ 7 Abs 4 BUrlG
§ 11 Abs 1 S 1 BUrlG
§ 13 Abs 1 BUrlG
Spruchkörper:
10. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Braunschweig, 17. April 2013, Az: 1 Ca 498/12, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 20. November 2013, Az: 2 Sa 667/13, Urteil

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 20. November 2013 – 2 Sa 667/13 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen sowie Urlaubsabgeltung.
2
Die Klägerin war vom 9. Mai 2012 bis zum 13. Februar 2013 bei der Beklagten als pädagogische Mitarbeiterin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 29,25 Stunden beschäftigt. Das vertraglich vereinbarte Bruttomonatsgehalt betrug 1.350,00 Euro. Auf das Arbeitsverhältnis fanden weder kraft beiderseitiger Tarifbindung noch aufgrund vertraglicher Bezugnahme Tarifverträge Anwendung.
3
Die Beklagte erbringt in ihrem Betrieb in S Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch.
4
Mit der am 1. August 2012 in Kraft getretenen „Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch“ vom 17. Juli 2012 (MindestlohnVO) erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gemäß § 7 AEntG in der im Zeitraum vom 20. April 2009 bis zum 15. August 2014 geltenden Fassung die Rechtsnormen des Tarifvertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15. November 2011 für allgemein anwendbar. In der MindestlohnVO heißt es auszugsweise:
        
„§ 1   
        
Zwingende Arbeitsbedingungen
        
Die in der Anlage zu dieser Verordnung aufgeführten Rechtsnormen des Tarifvertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15. November 2011 (…) finden auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbständige Betriebsabteilung überwiegend Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch durchführt; ausgenommen sind Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation im Sinne des § 35 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Die Rechtsnormen des Tarifvertrags gelten auch für Arbeitsverhältnisse zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seinen im Geltungsbereich der Verordnung beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen.“
5
Der TV Mindestlohn enthält ua. folgende Regelungen:
        
„§ 1   
        
Geltungsbereich
        
Dieser Tarifvertrag gilt
        
…       
        
2.    
sachlich für Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen von Trägern der beruflichen Bildung, soweit diese Betriebe oder selbständigen Betriebsabteilungen überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch des Sozialgesetzbuches erbringen. Ausgenommen sind die Träger der beruflichen Rehabilitation behinderter Menschen;
        
…       
        
§ 2     
        
Regelungsgegenstände
        
1.    
Dieser Tarifvertrag regelt ausschließlich die Mindeststundenvergütung und den jährlichen Urlaubsanspruch. Für andere Regelungsgegenstände ist die Vereinbarung eines tariflichen Anspruchs aus diesem Tarifvertrag ausdrücklich nicht gewollt.
        
2.    
Für die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer günstigere Regelungen bleiben unberührt.
        
§ 3     
        
Entgelt
        
1.    
Die Mindeststundenvergütung (brutto) beträgt – abhängig vom Einsatzort – mindestens
        
        
12,60 €
(Berlin, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg, Bayern)
        
        
11,25 €
(Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen).
        
…       
        
        
        
§ 4     
        
Urlaub
        
Die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer haben unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes Anspruch auf Jahresurlaub; Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Unter Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche beträgt der Urlaubsanspruch 26 Arbeitstage; der volle Urlaubsanspruch entsteht erstmalig nach einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von sechs Monaten.“
6
Die Beklagte nahm eine Nachberechnung des Entgelts der Klägerin für die Monate August 2012 bis Februar 2013 auf Basis der Mindeststundenvergütung von 12,60 Euro brutto vor und erbrachte Nachzahlungen für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und Urlaubsstunden in Höhe von insgesamt 349,20 Euro brutto. Aufgrund von Arbeitsunfähigkeit oder von Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit berücksichtigte sie dabei nicht. Auch die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgte Urlaubsabgeltung für zwei Urlaubstage berechnete die Beklagte auf Grundlage der vertraglich vereinbarten Vergütung.
7
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, gemäß §§ 2, 3 EFZG stehe ihr die Mindeststundenvergütung nach § 3 TV Mindestlohn auch für Arbeitsstunden zu, die wegen Krankheit oder aufgrund von Feiertagen ausgefallen sind. Ebenso sei die Urlaubsabgeltung nach § 11 BUrlG auf dieser Grundlage zu berechnen. Ausgehend von einer Gesamtzahl von 826,17 Arbeits- oder Urlaubsstunden oder wegen Arbeitsunfähigkeit oder Feiertagen ausgefallener Stunden ergebe sich unter Berücksichtigung des Urlaubsabgeltungsanspruchs für den Zeitraum 1. August 2012 bis 13. Februar 2013 unter Anrechnung erhaltener Zahlungen ein Differenzanspruch in Höhe von 1.604,12 Euro brutto.
8
Die Klägerin hat beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.604,12 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz in gestaffelter Höhe zu zahlen.
9
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Mindeststundenvergütung nach § 3 TV Mindestlohn sei nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden zu zahlen, nicht aber im Krankheitsfall oder an Feiertagen.
10
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der wegen Arbeitsunfähigkeit oder aufgrund von Feiertagen ausgefallenen Arbeitsstunden und hinsichtlich der Urlaubsabgeltung in Höhe von insgesamt 1.028,90 Euro brutto stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin eine vollständige Klageabweisung.


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