Arbeitsrecht

Mitbestimmung des Personalrats bei Dienstverträgen

Aktenzeichen  M 20 P 17.4071

Datum:
6.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 54415
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 75 Abs. 4 S. 1 Nr. 4, Art. 77 Buchst. a

 

Leitsatz

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Festlegung allgemeiner Kriterien für die Vergabe von Leistungsprämien an Beamte des … … * der Mitbestimmung nach Art. 75 Abs. 4 Ziff. 4 Bayerisches Personalvertretungsgesetz unterfällt.
II. Der Gegenstandswert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Im Antragsschriftsatz vom 25. August 2017 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers aus, dass das Haushaltsgesetz 2017/2018 für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz Mittel für Leistungsbezüge vorsehe. Nach Aufteilung zwischen Justizvollzug und den übrigen Bereichen seien diese auf die unterschiedlichen Organisationseinheiten bzw. Gerichte weiter aufgeteilt worden. Für die Beamtinnen und Beamten stünden dem … … * für 2017 damit 9.200,00 Euro zu.
Der Personalrat sei darüber offiziell am 7. Juni 2017 informiert worden. Bei den Beamten würden seit Jahren Leistungsprämien bezahlt.
Mit E-Mail vom 18. April 2017 habe der Antragsteller der Dienststelle einen Entwurf einer Dienstvereinbarung „Kriterien zur Vergabe von Leistungsprämien“ überlassen.
Die Dienststelle habe mit E-Mail vom 5. Mai 2017 geantwortet, man sehe kein Bedürfnis zur Erstellung einer Dienstvereinbarung. Art. 77 a Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) dürfte lex specialis zu Art. 75 Abs. 4 Nr. 4 BayPVG sein.
Im Monatsgespräch vom 26. Juni 2017 habe die Dienststelle die Ansicht vertreten, dass Art. 75 Abs. 4 Nr. 4 BayPVG nur für den Arbeitnehmerbereich gelte und für den Beamtenbereich Art. 77 a BayPVG.
Mit E-Mail vom 29. Juni 2017 habe der Personalrat nochmals seine Auffassung erläutert, die Kommentierung von Ballerstedt/Schleicher/Faber stütze die Auffassung, dass die Mitbestimmung sich nur auf den Arbeitnehmerbereich beziehe. Anderes werde vertreten im Basiskommentar von Aufhauser/Warga/Schmitt-Moritz. Danach sei die Begrifflichkeit der Lohngestaltung in der Dienststelle weiter zu fassen und „als Gesamtregelung aller in der Dienststelle Beschäftigten und damit auch der Besoldung für die Gruppe der Beamten zu erkennen“. Für die Auffassung von Aufhauser spreche im Übrigen, dass der Zweck des Mitbestimmungsrechts eine angemessene und durchsichtige Gestaltung des Lohngefüges und die Wahrung der betrieblichen Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit sei. Gegenstand dabei könne weder im Arbeitnehmer- noch im Beamtenbereich die Entlohnung oder Besoldung sein, da dies jeweils tarifvertraglich oder gesetzlich geregelt sei. Für beide Bereiche bestehe jedoch ein Regelungsspielraum bei der Vergabe von Leistungsprämien, bei dem Verteilungsgerechtigkeit und Transparenz eine Rolle spielten.
Auch das Erörterungs- und Informationsrecht nach Art. 77 a BayPVG beziehe sich sowohl auf Beamte als auch auf Arbeitnehmer.
Die Norm des BayPVG entspreche der Formulierung im Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG). Diese wiederum stimme nahezu wörtlich mit § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) überein und habe den gleichen Regelungsinhalt. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates solle die Arbeitnehmer von einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers ausgerichteten Lohngestaltung schützen, für ein angemessenes und durchsichtiges Lohngefüge sorgen und die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit gewährleisten. Dies gelte auch für das Mitbestimmungsrecht des Personalrats.
Die Frage, ob auch Beamte vom Mitbestimmungstatbestand des Art. 75 Abs. 4 Ziff. 4 BayPVG umfasst seien, werde zwischenzeitlich von der herrschenden Auffassung bejaht. Für den Bereich des Bundesrechts werde dies zwischenzeitlich selbst von Kaiser in Richardi, § 75 BPersVG, Rn. 296 so gesehen. Art. 77 a BayPVG schließe weder generell noch im Fall der Beamten die Mitbestimmung des Art. 75 BayPVG aus. Das neu eingeführte Erörterungsrecht sei nach Art. 77 BayPVG verortet und evident bezogen auf die Durchführung der einzelnen Maßnahmen, stehe daher unabhängig neben der ggf. bestehenden Mitbestimmung bei der Festsetzung von Regeln genereller Art. Die Gesetzesbegründung erkläre ausdrücklich, dass eine Erweiterung der Rechte der Personalvertretung beabsichtigt sei.
Selbst Ballerstedt gestehe zu, dass Art. 77 a BayPVG sich nur auf die personelle Einzelmaßnahme beziehe und sehe Art. 77 a BayPVG nur als lex specialis zu Mitbestimmungstatbeständen aus Art. 75 Abs. 1, nicht Abs. 4 BayPVG.
Art. 77 a BayPVG schränke Art. 75 Abs. 4 Ziff. 4 BayPVG nicht ein.
Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2018 führte der Beteiligte aus, ob und inwieweit die Festlegung von allgemeinen Kriterien für die Vergabe von Leistungsprämien an Beamte von der Mitbestimmung des Personalrats abhängig sei, sei bestritten und soweit ersichtlich bislang auch noch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Die einschlägige Norm beziehe sich schon nach dem Wortlaut („Lohngestaltung“) nur auf Arbeitnehmer und nicht auf Beamte (vgl. VG Ansbach, B.v. 07.04.2012, Az: AN 8 P 11.02408). Außerdem seien Leistungsprämien für Beamte der Besoldungsgruppen A und B durch Gesetz (Art. 67 f BayBesG) eingeführt worden. Die Ausschüttung der Leistungsprämien im Einzelfall sowohl bei den Arbeitnehmern als auch bei den Beamten sei in jedem Fall mit dem örtlichen Personalrat nur zu erörtern (Art. 77 a BayPVG). Ein Mitbestimmungsrecht bestehe insoweit nicht.
Mit weiterem Schriftsatz vom 22. März 2018 wies der Bevollmächtigte des Antragsstellers darauf hin, dass die Ausgestaltung der Leistungsprämien auch hinsichtlich der Beamtinnen und Beamten nicht durch Gesetz abschließend normiert sei. Der Gesetzesvorbehalt des Art. 75 BayPVG greife nur soweit, wie das Gesetz verbindliche Regeln aufstelle. Dort, wo Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume blieben, bleibe Raum für Mitbestimmung.
Das Gericht hat die Beteiligten am 6. November 2018 mündlich angehört.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 22. März 2018:
Es wird festgestellt, dass die Festlegung allgemeiner Kriterien für die Vergabe von Leistungsprämien an Beamte des … … * der Mitbestimmung nach Art. 75 Abs. 4 Ziff. 4 BayPVG unterfällt.
Die Beteiligte beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Auf die Niederschrift der mündlichen Anhörung wird ebenso Bezug genommen wie für die weiteren Einzelheiten auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Der zulässig erhobene Antrag ist begründet.
Die Festlegung allgemeiner Kriterien für die Vergabe von Leistungsprämien an Beamte des … … * unterfällt der Mitbestimmung nach Art. 75 Abs. 4 Ziff. 4 BayPVG.
Art. 77 a BayPVG regelt ein Erörterungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen, z. B. der Vergabe von Leistungsprämien an bestimmte Personen, aber nicht die Mitbestimmung bei abstraktgenerellen Grundsätzen der Entgeltbestimmung (Schleicher, Kommentar zum BayPVG, 24. Aufl. 2018, Art. 77 a Rn. 3).
Demnach ist Art. 77a BayPVG insoweit nicht lex specialis zu Art. 75 Abs. 4 Ziff. 4 BayPVG.
Die Festlegung allgemeiner Kriterien für die Vergabe von Leistungsprämien an Beamte ist nach Art. 75 Abs. 4 Ziff. 4 BayPVG mitbestimmungspflichtig.
Zwar wird zum Teil vertreten, dass der Wortlaut des Art. 75 Abs. 4 Ziff. 4 BayPVG (Fragen der Lohngestaltung) sich nur auf Arbeitnehmer und nicht auf Beamte beziehen könne (Ballerstedt/Schleicher/Faber, Kommentar zum BayPVG, Art. 75 Rn. 464; VG Ansbach, B.v. 17.04.2012, Az: AN 8 P 11.02408).
Jedoch spricht die historische Entwicklung des Art. 75 Abs. 4 Ziff. 4 BayPVG dafür, dass der Gesetzgeber auch Beamte in diese Regelung einbezogen hat.
Das Betriebsrätegesetz vom 25. Oktober 1950 (GVBl. 1950, 227) war das Vorgängergesetz zum Bayerischen Personalvertretungsgesetz.
In § 2 Abs. 1 wurde definiert, dass Arbeitnehmer Arbeiter, Angestellte und Beamte sind.
Unter dem Abschnitt „C. Besondere Bestimmungen für Betriebsräte der Verwaltungen“ gab es unter I. Allgemeine Rechte und Pflichten des Betriebsrats. Nach § 107 Abs. 1 e hatte er die Aufgabe, mitzuwirken u.a. bei Versetzungen, die geeignet sind, die Arbeiter und Angestellten zu benachteiligen … bei der Einteilung des Urlaubs der Arbeitnehmer … bei der Festsetzung der Akkord- und Stücklohnsätze oder der für ihre Festsetzung maßgebenden Grundsätze und bei der Einführung neuer Löhnungsmethoden, soweit eine tarifvertragliche Regelung nicht besteht.
In § 107 Abs. 2 wurde geregelt, der Betriebsrat führt seine Aufgaben in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und Beamtenorganisationen durch.
Demnach bezog sich § 107, sofern nicht ausdrücklich nur die einzelnen Beschäftigungsgruppen erwähnt wurden (z. B. Abs. 1 e Versetzung von Arbeitern und Angestellten), auf alle Arbeitnehmer.
Erst unter II. wurde die Mitwirkung in personellen Angelegenheiten der Beamten extra geregelt.
Das Nachfolgegesetz, das Bayerische Personalvertretungsgesetz vom 21. November 1958 (GVBl. 1958, 333), regelte in Art. 3 Abs. 1, dass Bedienstete Beamte, Angestellte und Arbeiter sind.
Unter 3. „Beteiligung an sozialen Angelegenheiten“ wurde in Art. 67 Abs. 1 f geregelt, dass der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, ggf. durch Abschluss von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen hat über die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und Festsetzung der Akkordlohnsätze.
Erst unter 4. „Beteiligung an Personalangelegenheiten“ wurde in Art. 70 Abs. 1 a nach Personalangelegenheiten der Beamten und in Art. 70 Abs. 1 b nach Personalangelegenheiten der Angestellten und Arbeiter unterschieden.
Demnach sollte Art. 67 Abs. 1 f für alle Bediensteten gelten.
Mit dem Bayerischen Personalvertretungsgesetz vom 1. Mai 1974 wurde unter dem 3. Abschnitt „Angelegenheiten, in denen der Personalrat zu beteiligen ist“ in Art. 75 ff. die Unterteilung in Abschnitte für Beamte und Angestellte/Arbeiter ganz aufgegeben.
Art. 75 Abs. 3 lautete: „Der Personalrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, ggf. durch Abschluss von Dienstvereinbarungen, mitzubestimmen über Nr. 4 „Fragen der Lohngestaltung … Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden … Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte“.
Daher bezog sich Art. 75 Abs. 3 Nr. 4 auch auf Beamte.
Heute gilt Art. 75 Abs. 4 Ziff. 4 BayPVG, wonach der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen hat bei Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen, die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden … Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte … Aufgrund dieser historischen Entwicklung bezieht sich Art. 75 Abs. 4 Ziffer 4 BayPVG auch auf Beamte.
Das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) hingegen differenziert heute noch nach Angelegenheiten der Angestellten und Arbeiter (§ 75) und der Beamten (§ 76).
Es gibt auch keine abschließenden gesetzlichen Regelungen nach Art. 75 Abs. 4 Ziffer 4 BayPVG. Daher bleibt Raum für die Mitbestimmung des Personalrats z. B. im Rahmen einer Dienstvereinbarung.
Zwar regelt Art. 67 Abs. 1 BayBesG, dass bei herausragenden besonderen Einzelleistungen eine Leistungsprämie an Beamte gewährt werden kann, die Kriterien für die Vergabe werden jedoch weder durch Gesetz noch Rechtsverordnung geregelt.
Die durch Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 22. Dezember 2010, Az: 23 – P 1502/1 – 022 – 16997/10 (FMBl. 2011, S. 9) erlassenen Verwaltungsvorschriften sind keine abschließenden gesetzlichen Regelungen im Sinne von Art. 75 Abs. 4 Ziff. 4 BayPVG (Ballerstedt/Schleicher/Faber, Art. 75 Rn. 229 ff., 299 ff.).
Die Gegenstandswertfestsetzung orientiert sich mit Zustimmung der Beteiligten an § 52 Abs. 2 GKG.


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