Arbeitsrecht

Nachversicherung, Ruhegehaltsansprüche, Versorgungsabfindung, Beamtenverhältnis, Verwaltungsgerichte, Nachteilsausgleich, Versorgungsanwartschaft, Dienstherrenwechsel, Anspruch auf Prozesszinsen, Befähigung zum Richteramt, Versorgungsleistung, Ansprüche auf Versorgungsbezüge, Vordienstzeiten, Rentenanwartschaft, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Widerspruchsbescheid, Altersversorgung, Rechtsmittelbelehrung, Unterschiedsbetrag

Aktenzeichen  W 1 K 20.399

Datum:
8.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39840
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 99a
AEUV Art. 45
BGB analog § 291

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 25.08.2017 und der Widerspruchsbescheid vom 13.02.2018 werden aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine ergänzende Versorgungsabfindung gemäß Art. 99a BayBeamtVG mit der Maßgabe zu gewähren, dass der Abschlag gemäß Art. 99a Abs. 3 S. 1 BayBeamtVG zu unterbleiben hat und der Unterschiedsbetrag bezogen auf den Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze zu berechnen ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten trägt der Kläger 1/3 und der Beklagte 2/3.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Nachteilsausgleich für den Verlust in der Altersvorsorge, der ihm durch seine wegen seines Wechsels auf eine österreichische Professorenstelle erfolgte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zum Freistaat Bayern zum 31.03.2003 und die danach erfolgte Nachversicherung in der Deutschen Rentenversicherung entstanden ist. Weitergehende Ansprüche wie im Klageantrag gefordert bestehen dagegen nicht, so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war.
1. Rechtsgrundlage für einen solchen Nachteilsausgleich ist Art. 99a BayBeamtVG, der allerdings nach Maßgabe der Entscheidung des EuGH vom 13.07.2016 (C-187/15 – Rechtssache P. – bei juris) nur modifiziert anzuwenden ist. Nach Art. 99a BayBeamtVG erhalten nachzuversichernde Beamte auf Lebenszeit, die nach Erfüllung einer Wartezeit nach Art. 11 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG (i.d.R. 5 Jahre) auf Antrag entlassen wurden, dann eine ergänzende Versorgungsabfindung, wenn sie im unmittelbaren Anschluss eine im Inland herkömmlich in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ausgeübte Beschäftigung im öffentlichen Dienst eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union aufnehmen.
Art. 99a BayBeamtVG ist auf den Fall des Klägers grundsätzlich anwendbar, auch wenn dieser schon vor Inkrafttreten der Norm aus dem bayerischen Beamtenverhältnis entlassen wurde (vgl. dazu VG Würzburg, Urteile vom 10.12.2019 – W 1 K 19.523 und vom 26.05.2020 – W 1 K 20.306). Dies stellt der Beklagte auch nicht (mehr) in Frage.
Die Voraussetzungen Art. 99a BayBeamtVG liegen beim Kläger vor. Insbesondere hat er die Leistungen auch mit Schreiben vom 28.05.2017 beantragt, da er die Gewährung „einer Altersversorgung durch den Freistaat Bayern nach Maßgabe beamtenrechtlicher Vorschriften“ begehrte. Dass er mit der Klage eine monatliche Leistung beantragt und eine Leistung nach Art. 99a BayBeamtVG als nicht ausreichend ansieht, hindert die Kammer nicht daran, den Beklagten zu Leistungen nach Art. 99a zu verpflichten, da es sich insoweit nicht um ein aliud, sondern lediglich um ein Weniger gegenüber den vom Kläger geforderten Leistungen handelt. Diese Ansicht hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung geteilt.
Der Kläger ist im unmittelbaren Anschluss an seine Beamtenlaufbahn in Bayern nach Österreich gewechselt, wo er ein Professorenamt an der Universität W. angetreten hat.
Der Kläger hat damit bei unmodifizierter Anwendung des Art. 99a Abs. 3 BayBeamtVG Anspruch auf eine ergänzende Versorgungsabfindung, die sich nach dem Unterschiedsbetrag der um einen Abschlag von 15 v.H. verminderten Versorgungsanwartschaft und der durch Nachversicherung begründeten Anwartschaft zum Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses bemisst. Angerechnet werden als Dienstzeiten gemäß Art. 99a i.V.m. Art. 97 BayBeamtVG die Zeiten, die beim abgebenden Dienstherrn in einem Beamtenrechtsverhältnis i.S.d. Art. 1 Abs. 1 und 2 BayBeamtVG zurückgelegt werden, sofern sie ruhegehaltsfähig sind, beim Kläger also 11 Jahre 239 Tage. Hieraus errechnet sich eine rechnerische Versorgungsanwartschaft zum Austrittszeitpunkt (31.03.2003) von 1.344,56 € abzüglich des 15%-igen Abschlags 1.142,88 €. Hierauf wird die Rentenanwartschaft aus der Nachversicherung angerechnet, mithin 581,33 €, so dass ein abzufindender Monatsbetrag in Höhe von 543,50 € verbleibt. In der Folge muss der gefundene Betrag dynamisiert werden, was auf der Grundlage der in der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat vom 28.05.2019 (Ergänzungsabfindungsbekanntmachung) festgelegten Faktoren geschieht. Unter Berücksichtigung des pauschalen Aufschlags von 40 v.H. hat das Landesamt daraus einen Betrag von 107.554,00 € errechnet.
2. Da ein solches Ergebnis aus mehreren Gründen gegen die Grundsätze verstößt, die der EuGH in seiner Entscheidung vom 13.07.2016 (a.a.O.) aufgestellt hat, ist Art. 99a BayBeamtVG indes modifiziert anzuwenden.
Der EuGH hat in dieser Entscheidung unter anderem ausgeführt, dass die europäischen Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Bürgern der Europäischen Union die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern und Maßnahmen entgegenstehen, die die Unionsbürger benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als ihrem Herkunftsmitgliedstaat eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen. Zwar könne das Unionsrecht einem Versicherten nicht garantieren, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat im Hinblick auf die soziale Sicherheit neutral sei, doch sei nach ständiger Rechtsprechung eine nationale Regelung für den Fall, dass ihre Anwendung weniger vorteilhaft sei, nur mit dem Unionsrecht vereinbar, soweit unter anderem diese nationale Regelung den betreffenden Erwerbstätigen im Vergleich zu Personen, die ihre gesamte Tätigkeiten in einem Mitgliedstaat ausüben würden nicht benachteilige. Eine Regelung, nach der ein Beamter eines deutschen Bundeslandes, wenn er vor dem Eintritt in den Ruhestand aus dem Dienst ausscheide um eine Beschäftigung im einem anderen Mitgliedstaat auszuüben und deshalb auf seinen Beamtenstatus verzichten müsse, woraus sich der Verlust der Ruhegehaltsansprüche aus der Beamtenversorgung und die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ergebe, die erheblich niedriger als die verlorenen Ansprüche seien, stelle eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar. Nach gefestigter Rechtsprechung könnten nationale Maßnahmen, die geeignet seien, die Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, nur dann zugelassen werden, wenn mit ihnen einem Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt werde, wenn sie geeignet seien dessen Erreichung zu gewährleisten und wenn sie nicht über das hinausgingen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich sei. Ein legitimes Ziel sei dabei die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung sicherzustellen. Eine Beschränkung müsse allerdings geeignet sein, die Erreichung dieses Ziels zu gewährleisten und dürften nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich sei. Es sei letztlich Sache des nationalen Gerichts, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts sowie für die Auslegung des nationalen Rechts zuständig sei, zu bestimmen, ob und inwieweit eine Regelung diesen Anforderungen entspreche. Die Regelung, wonach sich ein Beamter im Falle seiner Versetzung innerhalb Deutschlands Ansprüche auf ein Ruhegehalt erwerben könne, das höher sei als die Altersrente, die ihm aufgrund der Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung zustünde, wenn er ausscheide, sei unter Umständen geeignet, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung in Deutschland allgemein sicherzustellen, gehe aber über das hinaus, was hierzu erforderlich sei. Deshalb stehe einer nationalen Regelung, die einer verbeamteten Person bei Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis, um eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, ihre Ansprüche auf Ruhegehalt aus der Beamtenversorgung entziehe und auf Altersrentenansprüche, die niedriger als die Ruhegehaltsansprüche seien, verweise, das Unionsrecht entgegen. Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts finde seine Schranke dann, wenn er als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts führen würde. Wenn eine europarechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts nicht möglich sei, sei das nationale Gericht verpflichtet, das Unionsrecht im vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräume zu schützen, indem es notfalls jede Bestimmung unangewendet lasse, deren Anwendung im konkreten Fall zu einem unionsrechtswidrigen Ergebnis führen würde.
Damit ist klargestellt, dass ein Beamter, der ins europäische Ausland wechselt, nicht schlechter gestellt werden darf als derjenige, der innerhalb Deutschlands zu einem anderen Dienstherrn wechselt. Da der bayerische Gesetzgeber mit der Bestimmung des Art. 99a BayBeamtVG ein gewolltes und gültiges Bezugssystem geschaffen hat, ist diese Bestimmung auch grundsätzlich anzuwenden, wobei die erkennende Kammer die Bestimmung unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH in unionsrechtkonformer Auslegung anzuwenden bzw. eventuell in Teilen unangewendet zu lassen hat. Eine monatliche Ausgleichszahlung wie vom Kläger beantragt und in seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf die mit Schriftsatz vom 06.12.2020 vorgelegten handschriftlichen Berechnungen nochmals dargelegt hat, verbietet sich vor diesem Hintergrund einer Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, die vom Gericht schon aufgrund der Grundsätze der Gewaltenteilung zunächst hinzunehmen ist (vgl. i.ü. unten 2.3 und 2.4).
2.1 Unter Anwendung der vom EuGH aufgezeigten Grundätze sieht sich die Kammer allerdings gezwungen, die Bestimmung des Art. 99a Abs. 3 BayBeamtVG unangewendet zu lassen, wonach der Kläger einen 15%-igen Abschlag bei der Berechnung der der ergänzenden Versorgungsabfindung zugrunde zu legenden Versorgungsanwartschaft (Diktion des Gesetzgebers) hinnehmen muss. Diese Vorschrift verstößt gegen Art. 45 AEUV, weil sie Unionsbürger benachteiligt, die als Beamte eines deutschen Bundeslandes eine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedsland der europäischen Union ausüben wollen und deshalb einen Nachteil gegenüber solchen Personen erleiden, die ihren Dienstherrn innerhalb Deutschlands wechseln, da diese ihre Versorgungsanwartschaften erhalten würden, während die ins europäische Ausland wechselnden Personen auf aus der Nachversicherung folgende Rentenansprüche verwiesen würden, die unbestritten erheblich niedriger sind als die erworbenen Versorgungsanwartschaften. Der 15%-ige Abschlag würde dazu führen, dass die ergänzende Versorgungsabfindung, die das Ziel hat, die Unterschiede, die sich aus der Nachversicherung für solche in das europäische Ausland wechselnde Personen ergeben, auszugleichen, erheblich niedriger ausfallen würde als ohne den Abschlag und deshalb auch die Ausgleichswirkung der ergänzenden Versorgungsabfindung nicht mehr geeignet wäre, die Benachteiligung der ins Ausland wechselnden Bürger auszugleichen.
Der 15%ige Abschlag kann auch nicht mit dem Schutz eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. Der EuGH hat bereits in der grundlegenden Entscheidung vom 13.07.2016 (aaO., juris-Rn. 37) darauf verwiesen, dass der Zweck, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung eines Bundeslandes sicherzustellen, nicht in kohärenter und systematischer Weise verfolgt wird, wenn bei einer Versetzung in ein anderes Bundesland oder zum Bund kein vergleichbarer Nachteil entstünde wie bei einem Wechsel ins europäische Ausland. Genau dies ist aber mit der vorliegenden Bestimmung des Art. 99a Abs. 3 BeamtVG der Fall, da dieser Abschlag einem innerhalb Deutschlands den Dienstherrn wechselnden Beamten gerade nicht träfe.
Ein erheblicher Abschlag bei der Altersversorgung würde auch über das hinausgehen, was erforderlich wäre um das Ziel, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung in Deutschland insgesamt sicherzustellen, zu erreichen. Soweit der BayVGH in einer Entscheidung vom 25.04.2019 (14 BV 17.2353 – bei juris) in einem obiter dictum ausgeführt hat, der Abschlag in § 7 Abs. 1 S. 1 AltGG, der dem hier in Streit stehenden Abschlag vergleichbar ist, sei wegen des Lebenszeitprinzips des Art. 33 Abs. 5 GG sowie, um übermäßige Anreize für eine vorzeitige Entlassung aus dem Dienst zu vermeiden und die für das vorzeitige Ausscheiden für den Dienstherrn entstehenden Kosten zu kompensieren gerechtfertigt, steht dem die zitierte Rechtsprechung des EuGH entgegen. Das Lebenszeitprinzip ist auch bei einem Wechsel innerhalb Deutschlands nicht gewahrt, weil die Dienst- und Treuepflicht sowie der spiegelbildliche Fürsorgegrundsatz immer zwischen dem konkreten Dienstherrn und dem Beamten zum Tragen kommt, es also kein abstraktes “deutsches“ Beamtenverhältnis gibt. Auch die Kosten, die einem Dienstherrn bei einem Wechsel des Beamten dadurch entstehen, dass er neues Personal gewinnen, gegebenenfalls ausbilden und einarbeiten muss, können in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen, weil diese Kosten auch dann anfallen, wenn der Beamte innerhalb Deutschlands wechselt. Soweit der BayVGH in der genannten Entscheidung die Vermeidung übermäßiger Anreize für eine vorzeitige Entlassung aus dem Dienst anspricht, kann dieses Argument nicht nachvollzogen werden, weil dadurch, dass der wegziehende Beamte keinen Nachteil erleidet, noch kein übermäßiger Anreiz entstehen kann; ein solcher könnte allenfalls dann eintreten, wenn der ins europäische Ausland wechselnde Beamte besser gestellt würde als der innerhalb Deutschlands wechselnde bzw. der bei seinem Dienstherrn verbleibende. Dieser Gesichtspunkt wird unter 2.3 noch zu behandeln sein.
2.2 Einer modifizierten Anwendung bedarf die Bestimmung des Art. 99a Abs. 3 S. 1 BayBeamtVG im Falle des Klägers insoweit, als maßgebend für die Berechnung des Unterschiedsbetrages zwischen der (fiktiven) Versorgungsanwartschaft und der durch die Nachversicherung begründeten (Renten-)Anwartschaft nicht der Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses sein kann, sondern sinnvoll nur der Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze durch den Kläger. Auch insoweit würde der Kläger nämlich bei Anwendung des Gesetzes dem Wortlaut nach dadurch benachteiligt, dass bei ihm das Ausscheiden aus dem Bayerischen Beamtenverhältnis zum 31.03.2003 bei Inkrafttreten des Art. 99a BayBeamtVG bereits eine Reihe von Jahren zurücklag, so dass bei Anwendung von Anpassungs- und Diskontierungsfaktoren gemäß Ziff. 1.3 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat vom 28.05.2019 (Berechnungsgrundlagen für die ergänzende Versorgungsabfindung nach Art. 99a BayBeamtVG – Ergänzungsabfindungsbekanntmachung) eine Reduzierung von ca. 56% des für den Nachteilsausgleich an sich notwendigen Kapitalstockes bei Erreichen der Altersgrenze eintreten würde (konkret: statt 139.816,00 EUR nur 76.824,00 EUR). Hintergrund ist, dass die wörtlich genommene Regelung des Art. 99a Abs. 3 S. 1 BayBeamtVG allein für die Fälle eine sinnvolle Regelung darstellt, in denen der Beamte unmittelbar bei Ausscheiden aus dem bayerischen Beamtenverhältnis eine ergänzende Versorgungsabfindung erhält, die dann bis zum Erreichen der Altersgrenze und damit bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich die Versorgungslücke an sich erst bemerkbar machen würde, abzuzinsen ist. Die Regelung enthält mithin insoweit eine Regelungslücke für die Fälle, in denen das Ausscheiden eben schon vor mehreren Jahren stattgefunden hat. In diesen Fällen hat der ausscheidende Beamte keine Möglichkeit, das Kapital durch entsprechende Anlagen zu vermehren, so dass der von Art. 99a BayBeamtVG an sich beabsichtigte Nachteilsausgleich nicht in vollem Umfang eintreten würde. Die Regelungslücke kann sinnvoll nur dadurch geschlossen werden, dass in einem Fall, in dem das Ausscheiden bereits wie hier 14 Jahre zurückliegt und die gesetzliche Altersgrenze bei Antragstellung nach Art. 99a BayBeamtVG (hier 28.05.2017) bereits erreicht ist, der Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze maßgebender Zeitpunkt ist. Der Kläger hat die Altersgrenze gemäß Art. 62 i.V.m. Art. 143 BayBG am 31.03.2017 erreicht, so dass auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist.
2.3 Soweit der bayerische Gesetzgeber durch den Verweis in Art. 99a Abs. 3 S. 2 BayBeamtVG (nur) auf Art. 97 BayBeamtVG dem Kläger die Möglichkeit genommen hat, auch andere Dienstzeiten bei der Berechnung der ergänzenden Versorgungsabfindung berücksichtigt zu bekommen, etwa Ausbildungszeiten (Art. 20 BayBeamtVG), Zeiten im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst (Art. 18 BayBeamtVG), sonstige Zeiten (Art. 19 BayBeamtVG) oder wissenschaftliche Qualifikationszeiten (Art. 22 BayBeamtVG), kann dagegen kein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit angenommen werden. Diesen genannten Zeiten ist gemeinsam, dass sie im Normalfall der Ruhestandsversetzung eines bayerischen Beamten als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten berücksichtigt werden können bzw. sollen. Nach einer in der Literatur vertretenen Meinung (vgl. Ruland, Das Ende der herkömmlichen Nachversicherung von Beamten, NVwZ 2017, 422, 427) ist eine solche Regelung unproblematisch, wenn sie sich auf alle Beamten bezieht, die den Dienstherrn wechseln, da der neue Dienstherr diese Dienstzeiten ja in eigener Verantwortung als Vordienstzeiten anerkennen kann. Dies gilt natürlich auch für einen Dienstherrn außerhalb Deutschlands, hier für die Republik Österreich. Diese sieht auch in §§ 6, 53 Pensionsgesetz 1965 (PG) ruhegenussfähige Bundesdienstzeiten und zusätzlich Ruhegenussvordienstzeiten vor; zu letzteren zählen u.a. Zeiten des Studiums (§ 53 Abs. 2 lit. i PG), Zeiten selbständiger Erwerbstätigkeit und Zeiten, die im Ausland im öffentlichen oder privaten Dienst zurückgelegt werden (§ 53 Abs. 3 lit. a und b). Unter welchen Voraussetzungen diese Zeiten im Rahmen des österreichischen Pensionsgesetzes berücksichtigt werden, kann im Einzelfall keine Rolle spielen, da der abgebende deutsche Dienstherr die jeweiligen ausländischen Regeln nicht nachvollziehen muss. Da nicht nur Art. 97 BayBeamtVG, sondern auch der Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag vom 06.50.2010 (GVBl. 2010,206) die bei einem Dienstherrnwechsel innerhalb Deutschlands fällig werdende Abfindungszahlen gemäß § 6 nur auf die abgeleisteten Dienstzeiten bezieht und alle anderen Vordienstzeiten dann nach dem Recht des aufnehmenden Dienstherrn von diesem zu berücksichtigen sind, wird der ins europäische Ausland wechselnde Beamte im Ergebnis von der Regelung nicht belastet.
Der Kläger hält hingegen einen Vergleich mit den Beamten, die bis zu ihrer Ruhestandsversetzung im bayerischen Dienst verbleiben für angebracht mit der Folge, dass sich eine anzurechnende Dienstzeit von 28 Jahren und 1 Monat ergebe (im Unterschied zu den 11 Jahren 239 Tagen, die der Beklagte seiner Berechnung zugrunde legt). Der Kläger möchte dabei 3 Jahre Hochschulstudium, 2 Jahre für die Promotion und 2 Jahre für die Habilitation sowie 7 Jahre 7 Monate förderliche hauptberufliche Tätigkeiten anerkannt haben. Dazu ist festzustellen, dass dem Kläger laut dem Bescheid der Universität W. vom 31.08.2007 insgesamt 27 Jahre 4 Monate Ruhegenussvordienstzeit angerechnet wurden, die sich zumindest teilweise mit den Zeiten decken, die der Kläger vorliegend geltend macht.
Eine Anerkennung dieser Zeiten würde indes zu einer Besserstellung des Klägers gegenüber den in Deutschland verbleibenden Beamten führen, da ihm dann gewisse Vordienstzeiten gleich zweifach angerechnet würden bzw. werden könnten. Bei der Berechnung der österreichischen Versorgung wurde dem Kläger letztlich eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit (§ 6 PG) von 42 Jahren 4 Monaten zugrunde gelegt. Dies zeigt, dass eine nochmalige Berücksichtigung wesentlicher Zeiten auch bei der ergänzenden Versorgungsleistung zu einer Bevorzugung des Klägers gegenüber dem Beamten, der bis zu seinem Ausscheiden im bayerischen Dienst geblieben wäre, entstehen würde, die jedenfalls nicht aus einer Verletzung des Art. 45 AEUV zu rechtfertigen wäre.
2.4 Soweit der Kläger moniert, durch die Barwertabfindung des Art. 99a BayBeamtVG würden zentral bedeutsame individuelle Verhältnisse wie eine höhere Lebenserwartung nicht berücksichtigt sowie sämtliche zukünftigen Versorgungserhöhungen wegfallen, außerdem entstünden steuerliche Nachteile, verkennt er den Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.
Ausgangspunkt ist dabei letztlich, dass der Kläger als entlassener Beamter gegenüber einem innerhalb Deutschlands wechselnden Beamten nicht gleichheitswidrig belastet werden darf. Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber allerdings einen weit reichenden Entscheidungsspielraum, wobei auch in größerem Umfang Typisierungen und Pauschalierungen gerechtfertigt sein können (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerfG, B.v. 18.07.2019 – 1 BvR 807/12, 1 BvR 2917/13). Dies zugrunde gelegt ist es nicht zu beanstanden, wenn der bayerische Gesetzgeber eine Regelung getroffen hat, die einen Nachteilsausgleich pauschalierend gewährleistet und dabei künftige Entwicklungen wie die Entwicklung der Besoldungs- bzw. Versorgungsbezüge nicht in vollem Umfang nachzeichnet. Auch nach den Vorgaben des EuGH im Fall P. erscheint es nicht notwendig, dass der bisherige Dienstherr verpflichtet wäre, den Kläger auch nach der Entlassung (die vom EuGH als solche nicht kritisiert wurde) weiterhin wie einen Beamten zu behandeln, so wie der Kläger zu meinen scheint wenn er moniert, die ergänzende Versorgungsabfindung wäre im Beamtenrecht systemfremd. Auch ist der bisherige Dienstherr nicht gezwungen, eine weitere monatliche Zahlungsverpflichtung einzugehen wie dies mit dem AltGG des Bundes geschehen ist. Den inländischen steuerlichen Nachteil einer Zahlung in einem Betrag hat der Gesetzgeber durch den pauschalen Aufschlag von 40 v.H. (Art. 99a Abs. 3 S. 4 BayBeamtVG) berücksichtigt. Darüber hinaus würde es die Verpflichtungen des Dienstherrn erheblich übersteigen, wenn dieser auch noch die jeweiligen steuerrechtlichen Regelungen in dem Staat, in den der Beamte wechselt, berücksichtigen müsste. Insoweit wäre fraglich eine Verpflichtung auch des aufnehmenden Staates aus Art. 45 AEUV, einen Wechsel nicht zu erschweren. Darüber hinaus gilt im Rahmen der Beamtenbesoldung und-versorgung das Bruttoprinzip (vgl. VG Würzburg, U.v. 16.01.2018 – W 1 K 17.465 – juris, m.w.N.; VG Düsseldorf, U.v. 26.02.2018 – 23 K 6871/13 – juris-Rn. 72).
Der bayerische Landesgesetzgeber konnte somit im Ergebnis auch im Sinne der Verwaltungsvereinfachung den Weg der ergänzenden Versorgungsabfindung beschreiten. Inwieweit das im Einzelfall für den Beamten einen Vorteil oder einen Nachteil darstellt, ließe sich ohnehin erst in einer ex-post Betrachtung klären. Keinesfalls ist der vom bayerischen Landesgesetzgeber gewählte Weg einseitig zu Lasten des entlassenen Beamten negativ und nicht mehr hinnehmbar.
3. Ein Anspruch auf Prozesszinsen besteht nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 291 Satz 1 BGB im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar, wenn das einschlägige Fachgesetz keine gegenteilige Regelung enthält (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.1998 – 2 C 28/97 – juris m.w.N., st.Rspr.). Das Bayerische Beamtenversorgungsgesetz als das einschlägige Fachgesetz enthält keine Bestimmung, die die Zahlung von Prozesszinsen ausschließt. Zwar besteht gemäß Art. 5 Abs. 2 BayBeamtVG kein Anspruch auf Verzugszinsen, wenn Versorgungsbezüge nach dem Tag der Fälligkeit gezahlt werden. Der Anspruch auf Prozesszinsen bleibt hiervon indessen unberührt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der vorgenannten Vorschrift, der sich ausdrücklich auf Verzugszinsen beschränkt. Diese umfassen nicht gleichsam als „Unterfall“ die Prozesszinsen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Die Voraussetzungen des § 291 BGB sind jedoch im vorliegenden Falle nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, § 291 Satz 2, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vom 1.1.2020 bis 30.6.2020: 4,12%). Da im Verwaltungsprozess anders als in zivilgerichtlichen Verfahren vielfach nicht unmittelbar auf Leistung des Geldbetrages, sondern mittels der Verpflichtungsklage auf Erlass eines Verwaltungsakts geklagt werden muss, der seinerseits die Auszahlung eines Geldbetrages anordnet, können Prozesszinsen auch verlangt werden, wenn die Verwaltung zum Erlass eines die Zahlung unmittelbar auslösenden Verwaltungsakts verpflichtet worden ist. Diese Verpflichtung muss allerdings in der Weise konkretisiert sein, dass der Umfang der zugesprochenen Geldforderung feststeht – die Geldforderung also eindeutig bestimmt ist. Zwar braucht die Geldforderung nach Klageantrag und Urteilsausspruch nicht in jedem Falle der Höhe nach beziffert zu sein. Ausreichend ist, dass die Geldschuld rein rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann (vgl. BVerwG, a.a.O.).
Daran fehlt es hier, denn nach dem – nicht bezifferten – Verpflichtungsausspruch ist eine weitere Rechtsanwendung erforderlich, um die exakte Höhe der ergänzenden Versorgungsabfindung zu ermitteln. Das steht dem Anspruch auf Prozesszinsen entgegen. Dabei ist nicht entscheidend, ob die weitere rechtliche Beurteilung aufgrund von Ermessensvorschriften erfolgt oder auf der Grundlage zwingenden Rechts. Im Hinblick auf die Prozesszinsen wäre das Gericht hier zu einer Prüfung veranlasst, die über die Entscheidung in der Hauptsache hinausginge. Zudem kann auch bezüglich der Höhe der ergänzenden Versorgungsabfindung noch Streit entstehen, dessen Ausgang erst den Umfang der Geldforderung abschließend bestimmt. Danach fehlt es hier an einer Geldschuld, die rein rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann (vgl. wiederum BVerwG, a.a.O.; VG Düsseldorf, U.v. 26.2.2018 – 23 K 6871/13 – juris).
4. Der Klage war daher nur in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen bzw. Unterliegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vorliegen.


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