Arbeitsrecht

Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchsetzung von zunächst auf die Agentur für Arbeit übergegangene, dann aber rückübertragene Ansprüche

Aktenzeichen  3 Ta 8/21

Datum:
16.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 13408
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 114, § 127
SGB II § 33 Abs. 4
SGB X § 115
SGB XII § 94 Abs. 5
BGB § 669, § 670

 

Leitsatz

Will eine Partei ein fremdes Recht, für das ihr eine Einziehungsermächtigung erteilt wurde, durchsetzen, gilt dasselbe wie bei einer gewillkürten Prozessstandschaft: Grundsätzlich muss Bedürftigkeit in Person der Partei und des Ermächtigenden vorliegen. Prozesskostenhilfe ist zu verweigern, wenn die Partei mit der Einziehung beauftragt wurde und gegen ihren Auftraggeber einen durchsetzbaren Anspruch nach §§ 670, 669 BGB auf einen Vorschuss gegen die Prozesskosten hat. Diese Wertung ist auch auf das Arbeitslosengeld I zu übertragen. Es ist grundsätzlich Aufgabe der Bundesagentur, die auf sie übergegangenen Ansprüche selbst durchzusetzen.  (Rn. 14) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

12 Ca 1098/20 2020-12-14 Bes ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg

Tenor

Die Beschwerde des Klägers vom 04.01.2021 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg vom 14.12.2020, Az.:12 Ca 1098/20, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Mit seiner Klage vom 20.07.2020 hat der Kläger Klage auf Vergütung erhoben und mit Schriftsatz vom 19.11.2020 abgeändert. Für diesen Antrag hat der Kläger Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Beschluss vom 14.12.2020 hat das Arbeitsgericht Würzburg Prozesskostenhilfe bewilligt, aber die auf die Arbeitsagentur übergegangenen Ansprüche ausgenommen (vgl. Beschluss vom 14.12.2020, Bl. 72 d.A.). Dieser Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21.12.2020 zugestellt worden.
Mit seiner sofortigen Beschwerde vom 04.01.2021 begehrt der Kläger Prozesskostenhilfe für die gesamten im Schriftsatz vom 19.11.2020 geltend gemachten Ansprüche. Er macht geltend, dass er mittlerweile durch Rückübertragung der Ansprüche durch die Bundesagentur für Arbeit für die geltend gemachten Ansprüche aktiv legitimiert sei. Die Agentur für Arbeit Würzburg hat mit Schreiben vom 04.12.2020 (Anlage K1, Bl. 61 d.A.) mitgeteilt, dass „die Bereitschaft besteht, die Aktivlegitimation hinsichtlich des gezahlten Arbeitslosengeldes auf Herrn F… zu übertragen“.
Mit Beschluss vom 11.01.2021 hat das Arbeitsgericht Würzburg der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.
Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass trotz Rückübertragung Prozesskostenhilfe über den bereits bewilligten Betrag hinaus nicht bewilligt werden könne. Denn der Kläger sei in Höhe der Kosten, die auf den ursprünglich übergegangenen Betrag entfielen, nicht bedürftig. Sollte eine Rückübertragung auf den Kläger wirksam vereinbart worden sein, stünde ihm analog § 33 Abs. 4 Satz 2 SGB II ein Anspruch auf Erstattung der insoweit entstandenen Kosten gegenüber der Bundesagentur zu.
Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme zum Nichtabhilfebeschluss. Er macht geltend, dass er keine Leistungen nach dem SGB II erhalten habe, sondern Leistungen nach dem SGB III. Es bestünde daher kein Anspruch auf Erstattung der Kosten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, was sich aus dem Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom 18.01.2021 ergebe.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
1. Das Rechtsmittel ist statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt worden, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO.
2. Die sofortige Beschwerde ist sachlich nicht begründet, denn die Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die gesamten Klageanträge sind nicht gegeben.
Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Das Arbeitsgericht Würzburg hat zutreffend entschieden, dass Prozesskostenhilfe für die rückübertragenen Ansprüche nicht gewährt werden kann. Es ist insoweit nicht entscheidungserheblich, ob dem Kläger gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 SGB II ein Kostenerstattungsanspruch gegen die Bundesagentur zusteht.
Wie sich aus dem Schreiben der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Würzburg, vom 01.10.2020 (Bl. 17 d.A.) ergibt, gehen die Ansprüche, die der Kläger eventuell noch aus dem Arbeitsverhältnis hat, in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes aufgrund gesetzlicher Regelung auf die Bundesagentur für Arbeit über (§ 115 SGB X). Damit stand dieser Anspruch dem Kläger nicht mehr zu, er war nicht mehr aktiv legitimiert. Mit Schreiben vom 04.12.2020 (Anlage K1, Bl. 61 d.A.) hat die Agentur für Arbeit Würzburg mitgeteilt, dass „die Bereitschaft besteht, die Aktivlegitimation hinsichtlich des gezahlten Arbeitslosengeldes auf Herrn F… zu übertragen“. Es ist unklar, ob damit eine gewillkürte Prozessstandschaft („Aktivlegitimation zu übertragen“) oder eine Abtretung gemeint ist. Dem Wortlaut nach besteht auch nur die „Bereitschaft“, es ergibt sich aus dem Schreiben nicht die Übertragung. Der zweite Absatz könnte auf eine Abtretung hindeuten, weil „der angemeldete Anspruchsübergang nur in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes eintreten“ werde, wenn sich im Gerichtsverfahren ergäbe, dass der ehemalige Arbeitgeber noch Zahlungen leisten müsste.
Der BGH hat in früherer Rechtsprechung die treuhänderische Rückabtretung gesetzlich übergegangener Unterhaltsansprüche an den Leistungsberechtigten zum Zweck der Prozessführung – ebenso wie die Einziehungsermächtigung und die gewillkürte Prozessstandschaft – für unwirksam gehalten (Beschluss vom 02.04.2008 – XII ZB 266/03; juris). Aufgrund der gesetzlichen Klarstellung in § 91 Abs. 4 Satz 1 BSHG a. F. (seit 01.01.2005 § 94 Abs. 5 Satz 1 SGB XII) ist nunmehr ermöglicht, dass der Sozialhilfeträger dem kraft Gesetzes übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit dem Leistungsempfänger auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltenden gemachten Unterhaltsanspruch wieder abtreten lassen kann. Eine inhaltsgleiche Regelung findet sich in § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II für Ansprüche nach der Gewährung von Arbeitslosengeld II.
Eine solche Regelung fehlt aber in § 115 SGB X, der auch grundsätzlich einen Anspruchsübergang zu Gunsten des Leistungsträgers regelt. Damit ist in diesem Bereich eine Rückübertragung nicht gesetzlich geregelt, das erkennende Gericht greift auf die Rechtsprechung des BGH vor der gesetzlichen Regelung der Rückübertragung bei Unterhaltsansprüchen zurück. Es bestehen nach wie vor Bedenken bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe nach der Rückübertragung.
Wenn die Übertragung der Aktivlegitimation durch die Bundesagentur eine gewillkürte Prozessstandschaft nach einer Einziehungsermächtigung darstellen soll, scheidet grundsätzlich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus, denn § 114 ZPO soll die Durchsetzung eigener Rechtspositionen ermöglichen, aber nicht fremdnützige Prozesse finanzieren (Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 114 Rn. 7 m.w.N.). Will die Partei ein fremdes Recht, für das ihr eine Einziehungsermächtigung erteilt wurde, durchsetzen, gilt dasselbe wie bei gewillkürter Prozessstandschaft: Grundsätzlich muss Bedürftigkeit in Person der Partei und des Ermächtigenden vorliegen (Zöller, a.a.O., Rn. 8). Prozesskostenhilfe ist zu verweigern, wenn die Partei mit der Einziehung beauftragt wurde und gegen ihren Auftraggeber einen durchsetzbaren Anspruch nach §§ 670, 669 BGB auf einen Vorschuss gegen die Prozesskosten hat. Insoweit regelt § 33 Abs. 4 SGB III genau diesen Sachverhalt (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07.03.2018 – 1 Ta 16/18). Die gesetzliche Wertung ist auch auf das hier vorliegende Arbeitslosengeld I zu übertragen. Es ist grundsätzlich Aufgabe der Bundesagentur, die auf sie übergegangenen Ansprüche selbst durchzusetzen. Wie sich aus der Auflistung des Arbeitsgerichts Würzburg im Beschluss vom 14.12.2020 ergibt, verdoppelt sich der Streitwert durch die Rückübertragung der Ansprüche. Nachdem die Klage ohne weiteres durch Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen auf die dem Kläger zustehenden Ansprüche begrenzt werden kann, besteht kein billigenswertes Interesse des Klägers, unter Gewährung von Prozesskostenhilfe die Ansprüche der Bundesagentur durchzusetzen.
Sollte trotz des Wortlautes des Schreibens vom 04.12.2020 eine Abtretung gewollt gewesen sein, gilt nichts Anderes. Nimmt man entgegen der oben geäußerten Bedenken eine Rückübertragbarkeit zum Zweck der gerichtlichen Geltendmachung an, kann dafür keine Prozesskostenhilfe gewährt werden. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 02.04.2008 – XII ZB 266/03; juris), nach der der Leistungsberechtigte an der Geltendmachung nach § 94 Abs. 5 Satz 1 SGB XII rückübertragener Ansprüche kein eigenes schutzwürdiges Interesse hat (a.a.O. Rn. 15). Daher übernimmt der Leistungsempfänger unentgeltlich die Besorgung eines Geschäftes des Sozialhilfeträgers. Der Anspruch auf Kostenübernahme aus § 94 Abs. 5 Satz 2 SGB XII ist deshalb vor dem Hintergrund der Prinzipien des Auftragsrechtes zu sehen. Mit diesem Anspruch will der Gesetzgeber sicherstellen, dass dem Leistungsberechtigten durch die Rückübertragung und die damit verbundene treuhänderische Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben keine Nachteile entstehen. Es liefe dieser Intention indessen zuwider, interpretierte man § 94 Abs. 5 Satz 2 SGB XII als eine dem allgemeinen Vorschussanspruch nach § 669 BGB verdrängende spezialgesetzliche Regelung (a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). Damit steht dem Kläger jedenfalls der allgemeine Vorschussanspruch nach § 669 BGB zu, will man nicht § 94 Abs. 5 Satz 2 SGB XII oder § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II hier für das Arbeitslosengeld analog anwenden.
In beiden Fällen ist der Kläger nicht bedürftig i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO, er hat seinen allgemeinen Vorschussanspruch gegen die Agentur durchzusetzen. Wenn man die Regelung des § 94 Abs. 5 SGB XII nicht auf das Arbeitslosengeld anwendet, wäre die Abtretung mangels ausdrücklicher gesetzlicher Zulassung rechtsmissbräuchlich (vgl. MüKoZPO/Wache, 6. Auflage 2020, ZPO § 114 Rn. 49).
Daher war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
III.
1. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.
2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann ohne Hinzuziehen der ehrenamtlichen Richter erfolgen, § 78 Satz 3 ArbGG.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben