Arbeitsrecht

Prozesskostenhilfe für in der Hauptsache für erledigt erklärtes Verfahren

Aktenzeichen  B 6 K 19.794

Datum:
6.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40901
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 161 Abs. 2, § 166
ZPO § 114
AufenthG § 4 Abs. 3 S. 1, § 60a Abs. 2 S. 1, Abs 6 S. 1, § 60d Abs. 1, § 98 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5

 

Leitsatz

1. Die nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Hauptsacheerledigung ist möglich, wenn die Rechtsschutz begehrende Partei vor Abschluss des Verfahrens alles zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat und das Gericht trotz Bewilligungsreife nicht über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden hat, bevor das die Hauptsache erledigende Ereignis eingetreten ist. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da die Voraussetzungen für die Erlaubnis der Beschäftigung eines gem. § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG geduldeten Ausländers und für die Erteilung einer Beschäftigungsduldung gem. § 60d Abs. 1 AufenthG iVm § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG unterschiedlich sind, entfaltet die Beschäftigungsduldung keine Sperrwirkung zulasten einer Beschäftigungserlaubnis auf Grundlage der allgemeinen Duldung. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin …, …, wird abgelehnt.
2. Das Verfahren wird eingestellt.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts für ein inzwischen von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärtes Verfahren, mit dem er erreichen wollte, dass der Beklagte verpflichtet wird, ihm die (Weiter-) Beschäftigung als Wartungshelfer zu gestatten, bzw. hilfsweise. nach der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis erneut zu entscheiden. Außerdem ist über die Kostentragung nach der Einstellung des Verfahrens zu befinden.
Der Kläger, iranischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 02.10.2011 ohne Visum und ohne iranischen Reisepass erstmals ins Bundesgebiet ein und stellte am 19.10.2011 einen Asylantrag. Er wurde dem Landkreis H** zugewiesen und erhielt zur Durchführung des Asylverfahrens vom Landratsamt H**, das ab 22.11.2011 für ihn ausländerrechtlich zuständig war, zunächst fortlaufend Aufenthaltsgestattungen.
Am 20.03.2012 legte der Kläger dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ein Taufzeugnis des Evangelisch-Lutherischen Pfarramtes M. vom 26.02.2012 vor.
Mit Bescheid vom 11.06.2012 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Feststellung von Abschiebungsverboten ab (Ziffern 1-3). Zugleich forderte die Behörde den Kläger auf, das Bundesgebiet spätestens 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Sollte er diese Frist nicht einhalten, wurde ihm die Abschiebung in den Iran angedroht (Ziff. 4).
Die dagegen am 26.06.2012 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 05.12.2012 ab (* …*). Das Urteil wurde am 08.02.2013 rechtskräftig. Daraufhin erhielt der nunmehr vollziehbar ausreisepflichtige Kläger beginnend ab 25.02.2013 fortlaufend Duldungen. Am 02.12.2013 stellte er einen Asylfolgeantrag.
Wie er später vor dem Strafgericht gestand, beging der Kläger am 15.06.2015, am 09.07.2015 und am 21.02.2016, jeweils im alkoholisierten Zustand einen sexuellen Übergriff auf jeweils die gleiche deutsche Studentin, die in einer … Wohnanlage neben der dortigen Wohnung seiner iranischen Frau, die er am … (nur) kirchlich geheiratet hatte, ein Appartement bezogen hatte.
Nachdem das Opfer am 07.03.2016 Strafantrag gestellt hatte, nahm die Kriminalpolizeiinspektion (KPI) B* … die Ermittlungen auf. Am 07.04.2016 übermittelte die KPI einen abschließenden Ermittlungsbericht, den sie im Abdruck der Ausländerbehörde überließ, wo er am 12.04.2016 einging.
Bereits am 07.04.2016 hatte der Kläger beim Landratsamt H** beantragt, ihm die Beschäftigung als Wartungshelfer bei der Firma N.- GmbH in G. (Landkreis B.) zu gestatten. Laut Arbeitsvertrag vereinbarten der Kläger und sein Arbeitgeber eine Probezeit von drei Monaten. Der Beklagte holte die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ein und gab dem Antrag am 19.04.2016 statt. Anschließend wurde auf der Duldungsbescheinigung die Erlaubnis der Beschäftigung bis 07.07.2016 (= Ende der Probezeit) eingetragen.
Am 21.04.2016 erhob die Staatsanwaltschaft B.  Anlage gegen den Kläger wegen sexuellem Missbrauch in Tateinheit mit Hausfriedensbruch. Die Anklageschrift ging in Abdruck am 27.04.2016 bei der Ausländerbehörde ein.
Am 07.07.2016 beantragte der Kläger die Verlängerung seiner Beschäftigungserlaubnis. Nachdem die Bundesagentur für Arbeit ihre Zustimmung erteilt hatte, erlaubte das Landratsamt H** am 20.07.2016 die Beschäftigung des Klägers bei seinem bisherigen Arbeitgeber vom 18.07.2016 bis 17.07.2019. Am 20.07.2016 teilte der Beklagte dem Kläger die positive Entscheidung dem Kläger mit, ohne auf das laufende Strafverfahren einzugehen. Die Erlaubnis wurde fortan in die jeweiligen Duldungsbescheinigungen eingetragen.
In der Folgezeit setzte sein Arbeitgeber den Kläger für die Reinigung von Industrieanlagen eines Vliesherstellers in S. (Landkreis H.) ein und betraute ihn mit dem Hol- und Bringdienst für den Firmentransporter. Der Kläger erhielt dafür ein Monatsgehalt von ca. 950 – 1.000 € netto und arbeitete laut einem Zwischenzeugnis zur vollen Zufriedenheit seines Arbeitgebers.
Nachdem seine Frau 2017 eine Green Card gewonnen hatte, siedelte sie nach Angaben des Klägers in die USA über, wo sie bis heute lebt und in einem Labor arbeitet.
Mit Bescheid vom 12.04.2017 lehnte das Bundesamt den Folgeantrag als unzulässig ab (Ziff. 1). Der Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 11.06.2012 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG wurde abgelehnt (Ziff. 2). Dem Kläger wurde die Abschiebung in den Iran angedroht, wenn er nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung die Bundesrepublik Deutschland verlasse (Ziff. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 4). Dagegen ließ der Kläger am 25.04.2017 Klage erheben (* …*) und einen Eilantrag stellen (* …*). Den Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit unanfechtbarem Beschluss vom 09.05.2017 ab Am 21.06.2017 verurteilte das Amtsgericht B* … den Kläger gem. § 177 Abs. 1, § 177 Abs. 2 Nr. 1, §§ 123, 52, 53, 21 StGB wegen sexuellem Übergriffs in Tateinheit mit Hausfriedensbruch und in Tatmehrheit in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde (Az. …*). Das Urteil wurde am gleichen Tag rechtskräftig. Konsequenzen für die dem Kläger am 20.07.2016 erteilte Beschäftigungserlaubnis zog der Beklagte daraus nicht.
Am 01.07.2017 zog der Kläger in eine Privatwohnung in M. (Landkreis H**) um, wo er bis heute wohnt.
Am 31.07.2017 forderte die Ausländerbehörde den Kläger, der bereits zuvor und auch danach wiederholt, auch in seiner Landessprache, über seine Mitwirkungspflichten, darunter auch die Pflicht zur Vorlage eines Passes, belehrt wurde, sich bis 31.08.2017 einen Pass zu beschaffen. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach. Vielmehr machte er gegenüber der Ausländerbehörde geltend, zwei Vorsprachen bei der iranischen Auslandsvertretung sam 20.09.2017 und am 28.05.2018 seien erfolglos geblieben.
Am 05.02.2019 erklärte sich die Regierung von … – Zentrale Ausländerbehörde, Dienststelle … (ZAB) für ausländerrechtlich zuständig. Bei einer Vorsprache präzisierte der Kläger, am 20.09.2017 habe er keinen Antrag auf Erteilung eines Reisepasses stellen können, weil er seine Wehrentlassungsbescheinigung, die noch im Iran sei, nicht habe vorlegen können. Am 03.04.2019 beantragte der Kläger, seine Beschäftigungserlaubnis über den 17.07.2019 hinaus zu verlängern. Bei einer weiteren Vorsprache am 29.05.2019 wurde er auf Nachfrage darüber informiert, dass er sich wegen Urkundenunterdrückung strafbar mache, wenn er einen Reisepass besitze und nicht vorlege. Daraufhin übergab er dem Beklagten einen seit 16.10.2017 gültigen, vom Iranischen Generalkonsulat in München ausgestellten, echten iranischen Reisepass. Am 31.05.2019 erhielt der Kläger eine weitere, bis 31.08.2019 gültige Duldung.
Nach vorheriger Anhörung lehnte die ZAB mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 07.08.2019 die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis ab.
Zur Begründung der Ermessensentscheidung berief sich der Beklagte darauf, das öffentliche Interesse daran, dass ihm die Erlaubnis versagt werde, überwiege das Interesse des Klägers, dass sie ihm erteilt werde.
Zugunsten des Klägers spreche, dass der Kläger mit der Beschäftigung und dem damit verbundenen Einkommen unabhängig von Sozialleistungen werden wolle, dass er ausreichend Deutsch spreche und dass sein Arbeitgeber mit der von ihm geleisteten Arbeit zufrieden sei. Außerdem habe er sich laut der örtlichen Kirchengemeinde gut in Deutschland integriert. Grundsätzlich sei auch positiv zu würdigen, dass nunmehr ein iranischer Reisepass im Original vorliege, so dass die Identität des Klägers jetzt geklärt sei.
Negativ falle aber ins Gewicht, dass der Reisepass auf seine Vorsprache bei der Auslandsvertretung vom 20.09.2017 bereits am 16.10.2017 ausgestellt worden war, er beteuert hatte, der Reisepass, sei ihm nicht ausgestellt worden, und das ausgestellte Dokument nicht vorgelegt habe. Dieser Verstoß gegen seine ausländerrechtlichen Mitwirkungspflichten habe sich erst bei der Vorlage des Ausweises am 29.05.2019 herausgestellt. Da dieser Umstand bei der Erteilung der bisherigen Beschäftigungserlaubnis am 20.07.2016 (noch) nicht bekannt gewesen sei, dürfe er jetzt zu seinen Lasten berücksichtigt werden.
Ein weiterer negativer Ermessensgesichtspunkt von besonderem Gewicht, der bei der vorherigen Erlaubniserteilung nicht bekannt gewesen sei, sei die rechtskräftige Verurteilung wegen Sexualstraftaten zu elf Monaten auf Bewährung.
Gegen die Erteilung spreche auch die fehlende Bleibeperspektive des vollziehbar ausreisepflichtigen Klägers.
Mit Schriftsatz vom 06.09.2019 hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erheben und beantragen lassen, den Bescheid der ZAB aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Weiterbeschäftigung als Wartungshelfer bei der
N.- GmbH in G. zu gestatten, hilfsweise über den Antrag des Klägers, ihm die Weiterbeschäftigung zu gestatten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Zugleich hat er, ebenfalls am 06.09.2020 beantragen lassen,
1. ihm für die erste Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen und
2. ihm Rechtsanwältin … beizuordnen.
Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse samt den erforderlichen Belegen wurden dem Antrag beigefügt.
Zur Begründung wird ausgeführt, zugunsten des Klägers sei bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen, dass er Vertrauensschutz genieße. Ohne dass daraus negative Konsequenzen gezogen worden seien, sei dem Landratsamt H** bei der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis am 20.07.2016 zwar nicht die Verurteilung des Klägers am 21.06.2017, aber die Anklageschrift vom 21.04.2016 bekannt gewesen. Die (bislang einzige) Verurteilung des Klägers, der seit der Strafaussetzung auf Bewährung nicht wieder straffällig geworden sei, dürfe deshalb nicht als zusätzlicher negativer Ermessensaspekt angesehen werden, so dass, wie in Ziff. 2.2.2.2. der Vollzugshinweise des Bayerischen Ministeriums, für Sport und Integration v.04.03.2019 nachzulesen sei, auch die erneute Ermessensabwägung zu seinen Gunsten auszufallen habe. Hinzu komme, dass der Kläger nach der Verurteilung zwei Jahre lang habe unbeanstandet weiterarbeiten können, ohne dass allem Anschein nach ein Widerruf der Beschäftigungserlaubnis in Erwägung gezogen sei. Deshalb habe er nicht mehr damit rechnen müssen, dass die Verurteilung nun doch zu seinen Lasten berücksichtigt werde.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 04.10.2019, der am 07.10.2019 bei Gericht einging, Klageabweisung beantragt.
Zur Begründung führt er aus, die Verurteilung des Klägers nahezu ein Jahr nach der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis, sei eine bei der Entscheidung über die Weiterbeschäftigung berücksichtigungsfähige neue Tatsache.
Mit rechtskräftigen Urteil vom 12.02.2020 hob das Verwaltungsgericht Bayreuth im Asylfolgeverfahren Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes vom 12.04.2017 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt. Das seit 15.07.2020 für den Kläger wieder zuständige Landratsamt H** erteilte dem Kläger daraufhin eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG.
Mit Schriftsatz vom 28.07.2020, der am 30.07.2020 bei Gericht eingegangen ist, gab die Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Hauptsacheerledigungserklärung ab und regte an, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen, weil die Klage nach dem bisherigen Sach- und Streitstand mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zum Erfolg geführt hätte. Mit Telefax vom 19.10.2020 erteilte der Beklagte die Zustimmung zur Hauptsacheerledigungserklärung und regte an, die Kosten gegeneinander aufzuheben.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die auf elektronischem Wege vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin …, …, wird abgelehnt.
a) Gemäß § 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Wird Prozesskostenhilfe bewilligt, so ist in Verfahren ohne Anwaltszwang nach § 121 Abs. 2 ZPO ein Anwalt beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich ist.
Prozesskostenhilfe kann nicht mehr bewilligt werden, wenn die Partei, die sie beantragt, den Rechtsstreit zuvor für erledigt erklärt hatte, die Gegenseite dem zustimmte, und das Verfahren eingestellt wird, weil die antragstellende Partei dann keine Rechtsverfolgung mehr beabsichtigt. Die nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist allerdings dann möglich, wenn die Rechtsschutz begehrende Partei vor Abschluss des Verfahrens alles zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat und das Gericht trotz Bewilligungsreife nicht über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden hat, bevor das die Hauptsache erledigende Ereignis eingetreten ist.
Bewilligungsreif ist ein Prozesskostenhilfeantrag, wenn er mit einer Begründung versehen ist, gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m.§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegt und die Gegenseite mit einer angemessenen Frist zur Stellungnahme angehört wurde (BayVGH in st. Rspr. vgl. nur BayVGH, B. v. 28.02.2020 – 10 C 20.32 – juris Rn.13).
Nach diesen Grundsätzen ist eine nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe hier nicht von vornherein ausgeschlossen. Denn die rechtsschutzbegehrende Partei hat vor Abschluss des Verfahrens alles zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe Erforderliche getan, weil sie am 06.09.2019 einen mit einer Begründung versehenen begründeten Klage- und Prozesskostenhilfeantrag gestellt und gleichzeitig die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers eingereicht hat. Die Gegenseite hat dazu mit Schriftsatz vom 04.10.2019, der am 07.10.2019 bei Gericht einging, Stellung genommen. Damit war der Prozesskostenhilfeantrag am 07.10.2019 bewilligungsreif.
b) Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin … versprach zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife keinen Erfolg (aa). Auch danach hat sich die Sach- und Rechtslage nicht zugunsten des Klägers geändert (bb).
aa) Weder der Haupt- noch der Hilfsantrag bot zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife am 07.10.2019 Aussicht auf Erfolg. Der Bescheid vom 07.08.2019 war nach der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung zu diesem Zeitpunkt nicht rechtswidrig. Der Kläger hatte weder einen Anspruch auf Erteilung der Beschäftigungserlaubnis, weil nur diese Entscheidung pflichtgemäßem Ermessen entsprochen hätte, noch zumindest einen Anspruch auf eine erneute Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG i.d. F. v. 12.05.2017, die zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife galt, durften Ausländer eine Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn ihr Aufenthaltstitel sie dazu berechtigte. Besaß der Ausländer keinen Aufenthaltstitel i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, sondern nur eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG, durfte er eine Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn die Ausländerbehörde sie ihm im Wege des Ermessens gestattet hatte (§ 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG, § 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG, § 32 Abs. 1 Satz 1 BeschV). Die Erlaubnis war zwingend abzulehnen, wenn zu seinen Lasten ein absolutes Erwerbstätigkeitsverbot gem. § 60a Abs. 6 AufenthG eingriff.
aaa) Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass die Beschäftigungserlaubnis nicht zwingend zu versagen war.
Gem. § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG durfte die Ausübung einer Erwerbstätigkeit einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hatte, nicht vollzogen werden können. Zu vertreten hatte ein Ausländer die Gründe insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführte (§ 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG).
Falsche Angaben, die dazu führen, dass bei ihm aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, macht ein Ausländer dabei auch dann, wenn er, obwohl er über seine Pflicht gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, seinen Pass der Ausländerbehörde vorzulegen und auszuhändigen zu überlassen, belehrt worden ist, wahrheitswidrig behauptet, nicht im Besitz eines Nationalpasses zu sein und deshalb wegen fehlender Reisedokumente geduldet wird, weil die Abschiebung rechtlich unmöglich ist (OVG Bautzen, B. v.10.4.2018 – 3 B 8/18 – juris Rn.8; Röder in: BeckOK MigR, Stand: 01.10.2020 § 60a AufenthG Rn.120).
Wie der Wortlaut von § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG deutlich macht („das Abschiebungshindernis herbeiführt“ und nicht: „herbeigeführt hat“), greift das Erwerbstätigkeitsverbot aber nur ein, wenn die falsche Angabe die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch gegenwärtig noch verhindert. Hat der Ausländer deshalb inzwischen einen Reisepass vorgelegt, liegt § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr.2 AufenthG nicht länger vor (BayVGH, B. v. 22.01.2018 -19 C E 18.51 – NVwZ-RR 2018, 588 Rn.26 a. E.; Röder a. O. Rn. 124).
Nachdem das Bundesamt seinen Folgeantrag mit Bescheid vom 10.04.2017 als unzulässig abgelehnt hatte und auch keine Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 festgestellt hatte und das Verwaltungsgericht Bayreuth den dagegen gerichteten Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 09.05.2017unanfechtbar abgelehnt hatte, wurde der Kläger mehrfach, auch in seiner Landessprache, darüber belehrt und auch dazu aufgefordert, einen Pass zu beschaffen und vorzulegen. Daraufhin legte er der Ausländerbehörde zwei Bescheinigungen vor, dass er am 20.09.2017 und am 28.05.2018 bei der Iranischen Auslandsvertretung gewesen sei. Bei einer Vorsprache am 28.03.2019 behauptete er, weil er keine Wehrentlassungsbescheinigung habe vorlegen können, habe ihm kein Reisepass ausgestellt werden können. Erst bei einer weiteren Vorsprache am 29.05.2019 legte er einen echten iranischen Reisepass vor, der ihm bereits am 16.10.2017 vom Iranischen Generalkonsulat in München ausgestellt worden war. Eine Erklärung, warum er das Dokument erst nach mehr als 19 Monaten vorlegte und zuvor behauptet hatte, ihm habe kein Reisepass ausgestellt werden können, bleib er schuldig. Deshalb ist, zumal im Prozesskostenhilfeverfahren, davon auszugehen, dass er falsche Angaben gemacht hat, um zu verhindern, dass die Ausländerbehörde aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchführt und zu erreichen, dass sie ihm weiter Duldungen wegen Passlosigkeit erteilt.
Da der Kläger seinen Reisepass jedoch am 29.05.2019 der Ausländerbehörde ausgehändigt hatte, war die falsche Angabe bei Erlass des Bescheides am 07.08.2019 nicht mehr zu beachten.
bbb) Der Beklagte hat, wie das Gericht gem. § 114 Satz 1 VwGO alleine zu prüfen hat, von seinem damit eröffneten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechender Weise Gebrauch gemacht und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten.
aaaa) Der Beklagte hat von dem ihm eingeräumten Ermessen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend Gebrauch gemacht. Insbesondere hat die Ausländerbehörde in ihre Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers, seiner Erwerbstätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber weiter nachgehen zu dürfen und dem öffentlichen Interesse an einer Versagung der Beschäftigungserlaubnis alle zu berücksichtigenden Gesichtspunkte eingestellt, nicht auf sachfremde Erwägungen zurückgegriffen und anschließend nachvollziehbar das Für und Wider der Erteilung abgewogen.
Insbesondere durfte der Beklagte gegen den Kläger auch ins Feld führen, dass das Amtsgericht B* … ihn am 21.06.2017 rechtskräftig wegen dreier sexueller Übergriffe und Hausfriedensbruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung verurteilt hatte.
Denn der Gesetzgeber hatte bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für qualifiziert Geduldete und der Erteilung einer Ausbildungsduldung vorgesehen, dass weder die Aufenthaltserlaubnis noch die Duldung erteilt werden können, wenn der Ausländer zu mehr als einer Freiheitsstrafe von mehr als 50 Tagessätzen verurteilt wurde (§ 18a Abs. 1 Nr. 7 AufenthG, § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG). Darin kommt zum Ausdruck, dass eine Erwerbstätigkeit oder eine berufliche Ausbildung nicht zu erlauben ist, wenn der Ausländer zuvor strafgerichtlich verurteilt wurde. Nichts Anderes hat deshalb für (nur) geduldete Ausländer, die einer geringqualifizierten Erwerbstätigkeit nachgehen wollen, und dafür eine Beschäftigungserlaubnis benötigen, zu gelten.
bbbb) Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens hat der Beklagte ebenfalls nicht überschritten.
Als gesetzliche Grenzen des Ermessens kommen hier der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung, der Vertrauensschutz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Betracht.
aaaaa) Der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung gebot hier nicht, die Beschäftigung des Klägers als Wartungshelfer bei seinem bisherigen Arbeitgeber weiter zu erlauben.
Durch eine ständige gleichmäßige Übung der Verwaltungspraxis tritt gem. Art. 3 Abs. 1 GG eine Selbstbindung ein, wenn dem behördlichen Handeln Verwaltungsvorschriften zugrunde, an denen sich das behördliche Handeln tatsächlich orientiert. Eine von den Vollzugshinweisen abweichende Entscheidung ist dann mit dem Gleichhandlungsgebot nicht vereinbar (BVerwG, B. v. 29.01.2013 – 1 WB 30/12 – BVerwGE 145, 326 = DVBl 2013,1261 jew. Rn. 39 zu Beurteilungsrichtlinien; Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018 Rn. 105).
Gem. Ziff. 3.4.2.2 der Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration v. 04.03.2019 (Gz. F3-2081-1-64), die einschlägig ist, weil sie die hier vorliegende Fallgestaltung betrifft, dass ein geduldeter Ausländer eine Beschäftigungserlaubnis besitzt und erneut einen Antrag auf Beschäftigungserlaubnis stellt, wird die Beschäftigungserlaubnis erneut erteilt, wenn im Vergleich zur Sachverhaltslage bei der – ja positiven Vorentscheidung – keine zusätzlichen negativen Ermessensaspekte hinzugetreten sind bzw. sofern solche durch neu hinzugetretene positive Ermessensaspekte aufgewogen werden.
Mit ihrer Ablehnung der Beschäftigungserlaubnis, die wesentlich von der Erwägung getragen wird, mit der Verurteilung es sei ein zusätzlicher negativer Ermessensgesichtspunkt hinzugekommen, handelte die Ausländerbehörde im Einklang mit ihrer ständigen Vollzugspraxis.
Das Landratsamt H. hatte dem Kläger am 19.04.2016, als der Ausländerbehörde bereits der Ermittlungsbericht der KPI B. bekannt war, eine Beschäftigungserlaubnis für die Probezeit bis 07.07.2016 erteilt, und sie anschließend am 20.07.2016 bis 19.07.2019 verlängert, obwohl die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft B. vom 21.04.2016 am 27.04.2016 bei der Ausländerbehörde eingegangen war.
Zu diesen bei der Erteilung der bisherigen Beschäftigungserlaubnisse bereits bekannten Umständen war bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheides die rechtskräftige Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung hinzugetreten. Dabei handelt es sich um einen zusätzlichen negativen Ermessensgesichtspunkt.
Denn während es z.B. nicht erforderlich ist, dass der Ausländer rechtskräftig verurteilt worden ist, um einen vereinzelten und nicht nur geringfügigen Rechtsverstoß i.S. v. § 54 Abs. 2 Nr.9 AufenthG anzunehmen (Bauer in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020,§ 54 AufenthG Rn. 93), setzten die die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder einer Ausbildung betreffenden § 18a Abs. 1 Nr. 7 AufenthG und § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG die Verurteilung des Ausländers voraus. Im Übrigen werden im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Angeklagte nach der Durchführung einer Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nicht selten nicht verurteil, so dass es für eine Verwertbarkeit im Aufenthaltsrecht auf eine Verurteilung und nicht auf die Anklage ankommt.
bbbb) Der ablehnenden Ermessensentscheidung stand weiter kein Schutz des Vertrauens des Klägers darauf entgegen, dass ihm der Beklagte, nachdem er ihm zuvor zweimal eine Beschäftigungserlaubnis ausgestellt hatte, erneut die Erwerbstätigkeit gestatten würde.
Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisten als subjektiv-rechtliche Grundrechtsverbürgung den allgemeinen Vertrauensschutz, der den spezifischen Vertrauensschutz ergänzt, der sich aus besonderen Freiheitsrechten wie Art. 12 oder Art. 14 GG ableitet (BVerfG, U. v. 30.06.2020 – 1 BvR 1679/17, 1 BvR 2190/17 – juris Rn. 122). Den Grundsatz des Vertrauensschutzes haben auch die Behörden im Rahmen der Entscheidung des Einzelfalls zu beachten. Die Bürger müssen staatliche Entscheidungen zu einem gewissen Grad vorhersehen können, um sich darauf einzustellen und einzurichten (BVerfG-K, B.v.10.06.2009 – 1 BvR 571/07 – NVwZ-RR 2009, 705/707; st.Rspr.). Auf Vertrauensschutz können die Bürger sich aber nur mit Erfolg berufen, wenn die Behörde einen schützenswerten Vertrauenstatbestand geschaffen hat, den die Behörde nicht außer Acht lassen kann, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, sie handle willkürlich oder treuwidrig. Dazu reicht es aber nicht aus, dass die Behörde, und sei es auch längere Zeit, einen Sachverhalt lediglich duldet ohne einzuschreiten (Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl.2018, § 40 VwVfG Rn. 122).
Aus dem Verhalten des Beklagten gegenüber dem Kläger ist kein schützenswerter Vertrauenstatbestand erwachsen, der dazu führte, dass er im Wege des Ermessens die begehrte Beschäftigungserlaubnis erneut zu erteilen hatte.
Zum einen bestand kein Vertrauensschutz, weil der Beklagte dem Kläger am 19.04.2016 eine Beschäftigungserlaubnis erteilt hatte, die er am 20.07.2016 befristet bis 17.07.2019 verlängert hatte. Denn allein deshalb durfte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass ihm auch weiter die Beschäftigung erlaubt werden würde. Nach dem Aufenthaltsgesetz ist, anders als nach der zuvor geltenden Rechtslage, die Aufnahme der Erwerbstätigkeit für geduldete Ausländer grundsätzlich ausgeschlossen und kann nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt werden. Deshalb gab es für den Kläger gerade keine Garantie, weiter erwerbstätig sein zu dürfen (VG Augsburg, B. v. 18.09.2013 – Au 6 E 13.1295 – juris Rn.20).
Zum zweiten kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen, weil der Beklagte, nachdem er Kenntnis von der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers am 21.06.2017 erhalten hatte, die erteilte Beschäftigungserlaubnis bis zum Ablauf ihrer Geltungsdauer am 17.07.2019 nicht aufgehoben hat, sondern es geduldet hat, dass der Kläger weiterhin mit Erlaubnis erwerbstätig war. Allein die Hinnahme dieses rechtswidrigen Zustandes begründet kein schützenswertes Vertrauen des Klägers darauf, dass der Beklagte nicht mit der Ablehnung des erneuten Antrages auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis den rechtswidrigen Zustand beendet.
Zum dritten hatte der Beklagte nicht anderweitig einen Vertrauenstatbestand geschaffen, insbesondere, weil er dem Kläger die Verlängerung während der Geltungsdauer der bisherigen Beschäftigungserlaubnis nicht zugesichert hat (vgl. dazu Stelkens, a.O. Rn. 121).
cccc) Schließlich hat der Beklagte auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet, als er bei der Abwägung dem öffentlichen Interesse den Vorrang vor dem privaten Interesse einräumte und dabei der fehlenden Rechtstreue des Klägers gegenüber seinen Integrationsleistungen den Vorrang einräumte.
Zwar stellte die Ablehnung der Beschäftigungserlaubnis dem Kläger gegenüber einen Eingriff von erheblichem Gewicht dar. Das öffentliche Interesse verdiente aber nicht zuletzt auch deshalb den Vorzug, weil der Kläger zwar in das Leben am Arbeitsplatz und Kirchengemeinde gut integriert scheint, es bei ihm aber an der für eine gelungene Integration unverzichtbare Achtung der Rechtsordnung fehlt. Außer durch seine Sexualdelikte hat der Kläger auch dadurch Rechtsvorschriften verletzt, dass er über viele Monate seinen Reisepass vorsätzlich der Ausländerbehörde nicht vorgelegt hat und mit diesem Verhalten die Grenze zwischen rechtlich nicht vorwerfbarem „Taktieren“ gegenüber den Behörden und einer mit einem Bußgeld von bis zu 3.000 € bewehrten Ordnungswidrigkeit (§ 98 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 AufenthG) überschritten hatte.
bb) Die Erfolgsaussichten der Klage haben sich seit der Bewilligungsreife nicht zugunsten des Klägers geändert.
aaa) Zwar wurde inzwischen die Beschäftigung geduldeter Ausländer im Aufenthaltsgesetz neu geregelt. Der Gesetzgeber hat mit Wirkung ab 01.01.2020 in § 60d AufenthG die Beschäftigungsduldung neu eingeführt und die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis jetzt in § 4a Abs. 4 AufenthG, § 42 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG normiert. Außerdem hat das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration am 13.07.2020 die bisherigen Vollzugshinweise aufgehoben und neue Verwaltungsvorschriften für den Vollzug erlassen (Gz. F3-2081-3-64). Nunmehr finden sich in Ziff. 4.4.2.2 Hinweise zur Verlängerung einer Beschäftigungserlaubnis.
bbb) Durch die Neuregelungen hat sich die Rechtslage aber nicht zugunsten des Klägers geändert.
aaaa) Die die Voraussetzungen für die Erlaubnis der Beschäftigung eines gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG geduldeten Ausländers und für die Erteilung einer Beschäftigungsduldung gem. § 60d Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG unterschiedlich sind, entfaltet die neue für 30 Monate zu erteilende Beschäftigungsduldung allerdings keine Sperrwirkung zulasten einer Beschäftigungserlaubnis auf Grundlage der allgemeinen Duldung (VGH Mannheim, B. v. 14.01.2020 – 11 S 2956/19 – InfAuslR 2020, 154 Rn. 25).
Deshalb ist die vom Kläger begehrte Beschäftigungserlaubnis nicht bereits deshalb dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde und deshalb gem. § 60d Abs. 1 Nr. 7 AufenthG keine Beschäftigungsduldung beanspruchen konnte.
bbbb) Da in den neuen gesetzlichen Vorschriften und in den aktuellen Vollzugshinweisen die bisherigen Regelungen inhaltsgleich übernommen wurden, hat sich nichts daran geändert, dass die Klage auch nach dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife keinen Erfolg verspricht.
Ist der Prozessostenhilfeantrag damit abzulehnen, kann auch Rechtsanwältin … nicht gem. § 166 VwGO, § 121 Abs. 2 ZPO beigeordnet werden.
2. Die Beteiligten haben die Hauptsache mit den am 30.07.2020 und am 19.10.2020 bei Gericht eingegangenen Erklärungen für erledigt erklärt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
3. Nach § 161 Abs. 2 VwGO ist über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.
In der Regel entspricht es der Billigkeit, demjenigen die Kosten zu überbürden, der gemessen am Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Darüber hinaus ist jedoch auch zu berücksichtigen, inwieweit die Erledigung durch einen Beteiligten herbeigeführt worden ist. Wer sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begibt, dem dürfen ohne nähere Prüfung der Erfolgsaussichten die Kosten auferlegt werden (Rechtsgedanke des § 155 Abs. 2 VwGO). Es gibt allerdings keinen allgemeinen Grundsatz, dass der klaglos stellenden Behörde die Verfahrenskosten aufzuerlegen seien, vor allem dann nicht, wenn sie darauf beruht, dass sich das Rechtslage später geändert oder dass der Kläger neues Tatsachenmaterial beigebracht hat. Nur wenn die Behörde trotz im Wesentlichen unveränderter Sach- und Rechtslage erkennbar ihren Rechtsstandpunkt räumt, hat sie die Kosten zu tragen. (Clausing in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2020, § 162 VwGO Rn. 24).
a) Bei Verpflichtungsbegehren tritt die Erledigung ein, wenn der erstrebte Ausspruch des Gerichts aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich oder sinnvoll ist und die Klage daher wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen werden müsste. (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 VwGO Rn. 131).
Erledigung ist somit hier dadurch eingetreten, dass das Landratsamt H** dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erteilt hat. Als Inhaber dieser Aufenthaltserlaubnis ist dem Kläger gem. § 4a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gestattet, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, so dass er, anders als in der Zeit, als er nur geduldet war, keiner Beschäftigungserlaubnis mehr bedarf.
b) Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
aa) Da das Landratsamt H** als Kreisverwaltungsbehörde auf Betreiben der ZAB als Behörde des Beklagten dem Kläger die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erteilt hat, hat der Beklagte mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis außerhalb des streitgegenständlichen Verfahrens die Erledigung auch im vorliegenden Verfahren herbeigeführt.
Da der Beklagte damit nicht trotz unveränderter Sach- und Rechtslage im vorliegenden, die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis betreffenden Verfahren seinen Rechtsstandpunkt geräumt hat, sondern darauf reagiert hat, dass das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 12.02.2020 die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet hat festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich des Iran vorliegt, sind dem Beklagten nicht ohne weitere Prüfung die Kosten aufzuerlegen. Stattdessen sind die Erfolgsaussichten, die die Klage unmittelbar vor dem Eintritt des erledigenden Ereignisses gehabt hätte, mit einzubeziehen.
bb) Stellt man deshalb darauf ab, wer voraussichtlich unterlegen wäre, hätte das Gericht unmittelbar vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 s Abs. 3 AufenthG im Herbst 2020 entschieden, ist es ermessensgerecht, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen, weil die Klage, wie unter Ziff. II, 1 dieses Beschlusses im Zusammenhang mit dem Prozesskostenhilfeantrag ausgeführt wurde, weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG (BayVGH in st.Rspr. vgl. z.B. BayVGH, B. v. 30.04.2019 – 10 C 18.1997 – juris Rn. 17: Auffangstreitwert bei Klage auf Beschäftigungserlaubnis).


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