Arbeitsrecht

Rechtsanwaltsvergütung – Mehrvergleich – Prozesskostenhilfebewilligung

Aktenzeichen  4 Ta 41/22

Datum:
17.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt 4. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:LAGST:2022:0517.4TA41.22.00
Normen:
§ 48 Abs 1 RVG
§ 321 ZPO
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Gemäß § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts nach dem Beschluss, durch den die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist.(Rn.10)

2. Auch wenn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich konkludent beantragt war, erfasst der Bewilligungsbeschluss den Mehrvergleich nur dann, wenn sich dies aus dem Tenor oder den Gründen des Beschlusses ergibt.(Rn.12)

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Magdeburg, 19. November 2021, 8 Ca 861/21, Beschluss

Tenor

Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin vom 27.12.2021 wird unter Zurückweisung der Erinnerung der Klägervertreterin vom 17.09.2021 der Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 19.11.2021 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 10.03.2022 – 8 Ca 861/21 – aufgehoben.

Gründe


A.
Mit seiner beim Arbeitsgericht Magdeburg am 06.05.2021 per Fax eingegangenen Klageschrift hat der Kläger sich gegen eine fristlose Arbeitgeberkündigung zur Wehr gesetzt und gleichzeitig Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin beantragt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen sind mit dem Originalschriftsatz vom 06.05.2021 am 10.05.2021 bei dem Arbeitsgericht Magdeburg eingegangen.
Im Gütetermin am 25.05.2021 haben die Parteien den Kündigungsschutzstreit im Wege eines Vergleichs erledigt und darüber hinaus in Z. 3 des Vergleichs eine Einigung erzielt, dass an der vom Lohn einbehaltenen Vertragsstrafe nicht mehr festgehalten wird und die Beklagte den diesbezüglich einbehaltenen Lohn an den Kläger zurück überweist. Mit Beschluss vom 29.07.2021 hat das Arbeitsgericht dem Kläger mit Wirkung vom 06.05.2021 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin in vollem Umfang bewilligt.
Der Kläger hat diesen PKH-Beschluss nicht angefochten.
Auf den Prozesskostenhilfekostenerstattungsantrag des Klägervertreters vom 26.08.2021 i.H.v. zunächst 412,34 € hat das Arbeitsgericht durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mit Verfügung vom 13.09.2021 die aus der Landeskasse an die beigeordnete Rechtsanwältin auszuzahlenden Vergütung auf 263,59 € festgesetzt und zur Begründung mitgeteilt, dass der Mehrvergleich (Z. 3 des Vergleichs) unberücksichtigt geblieben ist, da diesbezüglich Prozesskostenhilfe weder beantragt noch bewilligt worden ist.
Gegen diese Vergütungsfestsetzung hat die Klägervertreterin mit am 21.09.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 17.09.2021 Erinnerung eingelegt und diese im Wesentlichen damit begründet, dass lange nach Abschluss des Mehrvergleichs Prozesskostenhilfe in vollem Umfang bewilligt worden sei und daher sich die PKH-Bewilligung auch auf die im Zusammenhang mit dem Abschluss des Mehrvergleichs entstandenen Rechtsanwaltsgebühren erstreckt habe. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH und des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt hat sie nunmehr Gebühren in Höhe von 453,39 € zur Zahlung beantragt.
Mit Vermerk vom 21.09.2021 hat das Arbeitsgericht durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle der Erinnerung der Klägervertreterin nicht abgeholfen und der Richterin zur Entscheidung vorgelegt. Das Arbeitsgericht hat auf die Erinnerung die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung der bewilligten Prozesskostenhilfe des Klägers im ersten Rechtszug „antragsgemäß auf 412,34 €“ festgesetzt und die Beschwerde zugelassen.
Gegen den der Bezirksrevisorin am 23.12.2021 zugegangenen Beschluss hat diese am 27.12.2021 Beschwerde eingelegt und die Beschwerde unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 30.04.2014 (10 AZB 13/14) damit begründet, dass sich zur Vermeidung von Unklarheiten die Erstreckung der Bewilligung auf den Mehrvergleich entweder aus dem Tenor oder der Begründung des Bewilligungsbeschlusses eindeutig ergeben müsse. Mit Beschluss vom 10.03.2021 hat das Arbeitsgericht zunächst den Beschluss vom 19.11.2021 dahingehend berichtigt, dass die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 453,39 € festgesetzt wird und im weiteren der Beschwerde des der Bezirksrevisor nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt.
B.
I.
Die Beschwerde der Bezirksrevisorin ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG statthaft auch im Übrigen zulässig. Zwar wird der Beschwerdegegenstand von 200,- € nicht erreicht, jedoch ist die Beschwerde mit Beschluss vom 19.11.2021 für diesen Fall ausdrücklich zugelassen worden. Die Beschwerde ist auch innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt worden, §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG.
II.
Die Beschwerde ist auch begründet. Die Vergütungsfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 13.09.2021 ist zu Recht nur in Höhe von 263,59 € erfolgt.
Gemäß § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts nach dem Beschluss durch den die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist.
Der PKH-Beschluss des Arbeitsgerichts vom 29.07.2021 umfasst nicht den Mehrvergleich.
Zugunsten des Klägers kann noch mit dem Bundesarbeitsgericht (30.04.2014 – 10 AZB 13/14, Rn. 16 ff.) angenommen werden, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich jedenfalls konkludent beantragt war. Dennoch erfasst der Beschluss vom 29.07.2021 nicht den Mehrvergleich. Voraussetzung hierfür ist, dass sich dies aus dem Tenor oder – falls vorhanden – aus den Gründen ergibt. Die erforderliche ausdrückliche Bewilligung für den Mehrvergleich (BAG 30.04.2014 – 10 AZB 13/14, Rn. 21) liegt nicht vor. Der Tenor verhält sich nicht zu dem Mehrvergleich. Da der Beschluss eine Begründung nicht enthält, kann aus dieser ebenfalls nicht entnommen werden, dass der Mehrvergleich von der Bewilligung mitumfasst werden sollte.
Die Klägervertreterin kann sich zur Begründung ihrer Auffassung auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm Prozesskostenhilfe ausweislich des Bewilligungsbeschlusses „in vollem Umfang“ bewilligt worden sei. Der von dem Arbeitsgericht angezogene Fall des Landesarbeitsgerichts Hamm (12.03.2018 – 14 Ta 668/17) weicht von dem vorliegenden Fall deutlich ab. In dem dortigen Fall hat der Kläger zunächst zeitgleich mit der Erhebung seiner Befristungskontrollklage die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und zudem zeitlich noch vor dem PKH-Beschluss des Arbeitsgerichts ausdrücklich Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Mehrvergleichs. In diesem Fall kann sich der Wortlaut „Prozesskostenhilfe in vollem Umfang“ ausnahmsweise auf den Abschluss eines Mehrvergleichs beziehen, weil anzunehmen ist, dass sich der PKH-Beschluss zumindest auf alle ausdrücklich gestellten PKH-Anträge beziehen soll. Hier liegt ein ausdrücklicher Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Mehrvergleichs und damit ein entsprechender Fall nicht vor.
Im Ergebnis hat das Arbeitsgericht den konkludent gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich – unbeabsichtigt – übergangen. Eine Ergänzung des Beschlusses gemäß § 321 ZPO, der auch auf Beschlüsse entsprechend anzuwenden ist (BAG 30.04.2014 – 10 AZB 13/14, Rn. 22) ist jedoch nicht mehr möglich, da die 2-Wochen-Frist ab der am 19.08.2021 erfolgten Zustellung des Bewilligungsbeschlusses (EB Bl. 24 des PHK-Hefts) verstrichen ist.
Letztlich ergibt sich auch kein anderes Ergebnis aus den beiden von der Klägervertreterin im Schriftsatz vom 17.09.2021 angezogenen Entscheidungen des BGH (17.01.2018 – XII ZB 248/16) und der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 14.01.2019 (5 Ta 67/18). In beiden Entscheidungen geht es um die konkrete Berechnung der Höhe Gebühren für den Mehrvergleich, nicht um die hier zu entscheidende Frage, ob für einen solchen überhaupt Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.
Durch die Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 19.11.2021 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 10.03.2022 verbleibt es daher bei der durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle am 13.09.2021 vorgenommene Festsetzung der zu erstattenden Gebühren und Auslagen i.H.v. 263,59 €.
C.
Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei, § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG.
D.
Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG) sind nicht gegeben.


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