Arbeitsrecht

Rechtsschutzversicherung: Einordnung und Reichweite einer Deckungszusage; Streitigkeiten wegen Arbeitnehmererfindungen als ausgeschlossene Rechtsangelegenheiten

Aktenzeichen  25 U 3537/16

Datum:
9.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 142668
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ARB § 3 Abs. 2 lit. d, § 4 Abs. 1 lit. c
ArbNErfG § 2, § 39

 

Leitsatz

1. Mit einer Deckungszusage bestätigt der Rechtsschutzversicherer seine Leistungspflicht für einen bestimmten Versicherungsfall. Sie ist als deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu werten und erzeugt einen Vertrauenstatbestand, der es dem Versicherer bei einer fehlerhaften Einschätzung des Sachverhalts verwehrt, sich auf die Fehlerhaftigkeit der Deckungszusage zu berufen (Anschluss an BGH BeckRS 2014, 15885 Rn. 21). (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Wahrnehmung rechtlicher Interessen des Versicherungsnehmers einer Rechtsschutzversicherung im Zusammenhang mit einer Arbeitnehmererfindung unterfällt dem Risikoausschluss gemäß § 3 Abs. 2 lit. d ARB (wie hier auch LG Ansbach BeckRS 2008, 02488; AG Hannover, Urteil vom 1.2.1985 – 515 C 10681/84; entgegen AG Viersen BeckRS 2008, 25117; vgl. auch LG Coburg BeckRS 2012, 04335). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Senat schlägt den Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO folgenden Vergleich vor:
1. Die Beklagte stellt den Kläger von Kosten der Rechtsanwälte in Höhe von weiteren € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22.08.2015 frei.
2. Die Beklagte stellt den Kläger von Kosten der Rechtsanwälte in Höhe von weiteren € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.10.2015 frei.
3. Damit sind sämtliche streitgegenständliche Ansprüche abgegolten.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen der Kläger 29% und die Beklagte 71%, von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 34% und die Beklagte 66%.

Gründe

Der Vorschlag beruht auf folgenden Erwägungen:
1. Nach vorläufiger Auffassung des Senats umfasst die Deckungszusage vom 29.07.2015 (Anlage K 10) die Tätigkeit des Klägervertreters betreffend Wettbewerbsverbot, Zeugnis und betrieblicher Altersvorsorge. Die Deckungszusage ist schon vom Wortlaut her nicht auf eine Beratungsgebühr begrenzt; vielmehr stellt die Beklagte zu dieser Thematik lediglich ihre (unzutreffende) Rechtsauffassung dar, dass eine Beratungsgebühr abzurechnen sein wird. Mit der Deckungszusage bestätigt der Rechtsschutzversicherer seine Leistungspflicht für einen bestimmten Versicherungsfall. Sie stellt die Grundlage für das weitere außergerichtliche und gerichtliche Vorgehen dar und ist daher von wesentlicher Bedeutung. Deshalb wird die Deckungszusage nach allgemeiner Meinung als deklaratorisches Schuldanerkenntnis gewertet mit der Folge, dass dem Versicherer Einwendungen verwehrt sind, die er kennt und mit denen er rechnet. Die Deckungszusage erzeugt einen Vertrauenstatbestand, der es dem Versicherer bei einer fehlerhaften Einschätzung des Sachverhalts verwehrt, sich auf die Fehlerhaftigkeit der Deckungszusage zu berufen (BGH, Urteil vom 16.07.2014 – Az. IV ZR 88/13, NJW 2014, 3030).
Darüberhinaus neigt der Senat auch der Auffassung zu, dass vorliegend ein Versicherungsfall vorlag. Der Kläger nahm nicht lediglich anwaltliche Hilfe beim Aushandeln des Aufhebungsvertrages in Anspruch. Vielmehr war die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots, die Verpflichtung der vormaligen Arbeitgeberin zur Erteilung eines (sehr guten) Zeugnisses, die Frage ob, die betriebliche Altersvorsorge übertragen werden kann und muss und ob der Kläger einen Jahresbeitrag zurückzuzahlen hat, rechtlich streitig. Diese Streitigkeiten über Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis wurden in der abschließenden Vereinbarung (E 3) auch geregelt. Die Rechtslage konnte in Bezug auf die genannten Streitpunkte auch von einem Laien nicht ohne Weiteres beurteilt werden. Dass es sich insoweit um strittige Punkte zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Arbeitgeberin handelte, ist unstreitig.
Außer Streit stehen vorliegend die angesetzten Streitwerte und die mittlere Gebühr von 1,5. Damit spricht viel dafür, dass dem Kläger ein Freistellungsanspruch in Höhe von 4.479,16 € zusteht (zur Berechnung vgl. Anlage K 19).
2. Nach vorläufiger Auffassung des Senats kann der Kläger bezüglich der Tätigkeit -Arbeitnehmererfindung – keine Freistellung beanspruchen. Zum Einen neigt der Senat dazu anzunehmen, dass die diesbezügliche Tätigkeit vom Versicherungschutz ausgeschlossen ist; dafür, dass die Ausschlussklausel des § 3 (2) d der vereinbarten Bedingungen (Anlage E 1) vorliegend Anwendung findet spricht, dass diese Klausel den Versicherungschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die in ursächlichem Zusammenhang mit Rechten aus geistigem Eigentum stehen, ausschließt und dass das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen -für den Versicherungsnehmer ohne Weiteres erkennbar – das geistige Eigentum des Arbeitnehmers schützt und die Rechtslage regelt. So sind für eine Entscheidung über solche Streitigkeiten grundsätzlich nicht die Arbeitsgerichte, sondern die für Patentsachen zuständigen Gerichte berufen (§ 39 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen). Vorliegend trägt der Kläger vor, er habe ca. 10 Erfindungen gemacht. Eine Erfindung im Sinne des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen ist nur eine solche, die patent – oder gebrauchsmusterfähig ist (vgl. § 2). Auf solche Rechte bezieht sich die § 3 (2) d der vereinbarten Bedingungen (Anlage E 1) ausdrücklich.
Zum anderen ist insoweit nicht ausreichend dargelegt, dass ein Versicherungsfall vorlag. Der Versicherungsnehmer muss einen Sachverhalt vortragen, aus dem sich ein fremder Rechtsverstoß ergibt. Daran fehlt es vorliegend. Der Vortrag, die vormalige Arbeitgeberin des Klägers hätte im Rahmen einer Vereinbarung Ansprüche ausschließen wollen, der Kläger sei damit nicht einverstanden gewesen, impliziert keine Pflichtverletzung der Arbeitgeberin, sondern lediglich den Wunsch, einen Vertrag in einer bestimmten Weise zu gestalten, was rechtlich ohne Weiteres zulässig ist. Insoweit wurde auch in der abschließenden Vereinbarung keine Streitigkeit geregelt, sondern nur vereinbart, dass etwaige Ansprüche von der Vereinbarung nicht umfasst sein sollen (Anlage E 3 § 9).
3. Der Senat ist im Anschluss an die Entscheidung BGH IX ZR 186/07 der Auffassung, dass vorliegend – obwohl der Klägervertreter dem vormaligen Arbeitgeber des Klägers gegenüber nicht aufgetreten ist – nicht lediglich eine Beratungsgebühr abzurechnen ist, sondern eine Geschäftsgebühr sowie eine Einigungsgebühr (vgl. auch LG Mönchengladbach 4 S 222/07).
4. Schließlich neigt der Senat der Auffassung zu, dass der Klägervertreter in Bezug auf das Zeugnis sowohl seine Tätigkeit, die dazu geführt hat, dass die vormalige Arbeitgeberin des Klägers sich verpflichtet hat, ein sehr gutes, wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis mit sehr guter Leistungsbeurteilung und Verhaltensbeurteilung zu erteilen, bei dem ein Entwurf des Klägers zu berücksichtigen war (Anlage E 3 § 3), als auch seine Tätigkeit, die dazu geführt hat, dass dem Kläger letztendlich das Zeugnis so erteilt wurde, abrechnen durfte. Bei der Mitwirkung an der Gestaltung des Aufhebungsvertrages wurde der Rechtsgrund für die Erteilung des Zeugnisses geschaffen, anschließend hat der Kläger anwaltliche Unterstützung bei der Durchsetzung seines Anspruchs in Anspruch genommen. Das stellt gebührenrechtlich eine weitere Angelegenheit dar – insoweit hat das Landgericht dem Kläger auch (rechtskräftig) einen Freistellungsanspruch zugesprochen.
5. Unter Abwägung der dargestellten beiderseitigen Risiken erscheint es nach Auffassung des Senats angemessen, wenn die Parteien sich auf den vorgeschlagenen Betrag einigen.
Beide Parteien haben Gelegenheit zur Stellungnahme zum Vergleichsvorschlag und zu den rechtlichen Hinweisen bis 30.01.2017.


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