Arbeitsrecht

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Aktenzeichen  S 3 R 151/16

Datum:
17.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet, weil die Beklagte zutreffend nur die vom Kläger selbst getragenen Beitragsanteile zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erstattet hat, nicht jedoch die Arbeitgeberanteile.
1. Die rechtlichen Grundlagen:
a) Werden Leistungen nach durchgeführter Beitragserstattung begehrt, so sind folgende Fallgruppen und anzuwendenden Rechtsnormen im Hinblick auf den zeitlichen Geltungsbereich gegeneinander abzugrenzen:
Beitragserstattung durchgeführt vor 01.01.1992 Beitragserstattung durchgeführt nach 31.12.1991 Beantragt wird Erstattung der Arbeitgeberanteile
Anzuwendende Rechtsnorm:
§ 1303 Abs. 1 Satz 1 RVO
Anzuwendende Rechtsnorm:
§ 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI
Beantragt wird Versicherten- oder Hinterbliebenenrente
Anzuwendende Rechtsnorm:
§ 1303 Abs. 7 RVO
Anzuwendende Rechtsnorm:
§ 210 Abs. 6 Sätze 2 u. 3 SGB VI
b) Die einschlägigen Vorschriften lauten:
§ 1303 Abs. 1 Satz 1 RVO
„Entfällt die Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung, ohne dass das Recht zur freiwilligen Versicherung besteht, oder endet die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung aus einem anderen Grunde als dem Entstehen einer Versicherungspflicht in einem Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung, so ist dem Versicherten auf Antrag die Hälfte der für die Zeit nach dem 20.06.1948 im Bundesgebiet, für die Zeit nach dem 24.06.1948 im Land Berlin und für die Zeit nach dem 19.11.1947 im Saarland entrichteten Beiträge zu erstatten.“
§ 1303 Abs. 7 RVO
„Die Erstattung schließt weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung aus.“
§ 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI
„Beiträge werden in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben.“
§ 210 Abs. 5 Sätze 2 und 3 SGB VI
„Mit der Erstattung wird das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung nach Absatz 1 zurückgelegten Zeiten bestehen nicht mehr.“
c) Folgende Grundsätze sind zu beachten:
Vor dem 01.01.1992 durchgeführte Beitragserstattungen richten sich in ihren Auswirkungen nach den bis dahin geltenden §§ 1303 RVO, 82 AVG (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht SGB VI § 210 Rd.-Nr. 28 unter Hinweis auf BT-Drucks 12/405 S. 121).
Die Begrenzung der Beitragserstattung durch § 1303 Absatz 1 Satz 1 RVO auf die Hälfte der gesetzlichen Beiträge ist verfassungsgemäß (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34 = NJW 1988/250, auch Bayer. Landessozialgericht vom 25.11.1988 (Az.: L 7 B 250/87 Ar).
Der Ausschluss weiterer Ansprüche nach § 1301 Abs. 7 RVO verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 16.06.1981, Az.: BvR 445/81). Auch ein Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Eigentum (Art. 14 GG) liegt nicht vor, weil einerseits die Begrenzung der Beitragserstattung auf die Hälfte der gesetzlichen Beiträge verfassungsgemäß ist (vgl. BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34 = NJW 1988/250) und hinsichtlich der anderen Hälfte durch die freiwillige Entscheidung eine Beitragserstattung zu beantragen das Eigentumsrecht gerade realisiert worden ist (Volenti non fit iniuria).
Ebenso wenig verstößt die Beschränkung der Beitragserstattung auf die Höhe der Beiträge, in der der Versicherte sie getragen hat gegen die Verfassung (Urteil des Bundessozialgericht vom 29.06.2000, Az.: B 4 RA 57/98 R).
Aus § 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI ergibt sich daher, dass der sogenannte Arbeitgeberanteil nicht (mit) zu erstatten ist.
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Nachfolgeregelung zu § 1303 Abs. 7 RVO, nämlich § 210 Abs. 6 Sätze 2 und 3 SGB VI, gelten dieselben Erwägungen wie zu § 1303 Abs. 7 RVO.
2. Die Beklagte hat zutreffend nach § 210 Abs. 3 S. 1 SGB VI im Rahmen der Beitragserstattung nur die vom Kläger getragenen Beträge erstattet. Die gesetzliche Regelung ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. bereits oben).
Darüber hinaus gehende Erstattungsansprüche, etwa auf Erstattung der bisher beim Versicherungsträger verbliebenen Hälfte der entrichteten Beiträge oder der vom Arbeitgeber getragenen Beiträge bestehen nicht.
Auch eine Weiterleitung der vom Arbeitgeber getragenen Beiträge an einen anderen Versicherungsträger kommt nicht in Betracht.
3. Durch diese Regelung wird auch nicht gegen Diskriminierungsverbote oder den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, auch nicht gegen das deutsch-türkische Assoziationsrecht. Nämlich ist § 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem Aufenthaltsort des berechtigten anzuwenden.
Wenn zum Beispiel ein deutscher Staatsangehöriger, der noch niemals in seinem Leben ein ausländisches Territorium betreten hat, die Beitragserstattung beantragt, zum Beispiel weil er nach einem Beschäftigungsverhältnis im Angestelltenverhältnis zum Beamten auf Lebenszeit ernannt worden ist und die Voraussetzungen von § 210 Abs. 1 a Satz 1 SGB VI erfüllt und Antrag auf Erstattung der Beiträge stellt, erhält er nach § 210 Abs. 3 Satz 1 SGB V”I nur die von ihrem getragenen Beiträge erstattet.
4. Auch der Vergleich mit einem Arbeitsverhältnis mit Nettolohnvereinbarung führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach § 210 Abs. 3 Satz 2 SGB VI würden in diesem Falle nicht die von den Arbeitgebern getragenen Beitragsanteile erstattet, sondern die Beitragsanteile der Arbeitnehmer, die von den Arbeitnehmern getragen worden waren.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


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