Arbeitsrecht

Rückforderung von Aufstiegsfortbildungsförderung;, Frage des Abbruchs bei Wechsel der Kurszeiten und Wiederholung eines Teils der Maßnahme;, regelmäßige Teilnahme;, ausdrückliche Erklärung des Abbruchs/der Unterbrechung durch den Teilnehmer gegenüber der Behörde

Aktenzeichen  AN 2 K 20.02358

Datum:
17.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 39830
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AFBG § 16 Abs. 3
AFBG § 7 Abs. 4a

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 27. August 2019 in Form des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2020 sind rechtmäßig, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Sofern der Übergang des Klägers im Mai 2019 in einen Fortbildungskurs mit anderen Kurszeiten einen Abbruch im Sinne des Gesetzes zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – AFBG) der ursprünglich begonnenen Fortbildungsmaßnahme darstellt – so die Rechtsauffassung der Beklagtenseite -, folgt die Rückzahlungsverpflichtung aus § 16 Abs. 2, 3 AFBG (nachfolgend Ziff. 2). Indes kann hier offenbleiben, ob insoweit tatsächlich von einen Maßnahmeabbruch im Sinne des AFBG auszugehen ist. Denn auch wenn unterstellt wird, dass lediglich ein Wechsel in einen anderen Kurs unter Fortführung der ursprünglichen Fortbildungsmaßnahme erfolgt ist oder davon ausgegangen wird, dass es zwar zu einem Wechsel der Fortbildungsmaßnahme gekommen ist, der Kläger Entsprechendes aber nach dem AFBG beanspruchen konnte, ergibt sich die Rückforderung ebenfalls aus § 16 Abs. 2, 3 AFBG (nachfolgend Ziff. 3). Denn auch bezogen auf die dann anzunehmende Gesamtmaßnahme wäre die Teilnahmequote von 70% nicht erreicht.
1. Anwendbar sind die vorliegend relevanten Vorschriften des AFBG in ihrer bis zum 31. Juli 2020 geltenden Fassung (nachfolgend: AFBG a.F.). Denn die ursprünglich bewilligte Maßnahme war bis zum Ablauf des 31. Juli 2020 abgeschlossen, § 30 Abs. 1 AFBG. Auch bei Abstellen auf eine hypothetische Gesamtmaßnahme von September 2018 bis September 2020 gilt für die vorliegend einschlägigen Vorschriften nichts anderes, § 30 Abs. 2 AFBG. Im Übrigen stimmen die hier entscheidungserheblichen Vorschriften, insbesondere die des § 16 Abs. 3 AFBG a.F. und § 16 Abs. 3 Satz 1 und 2 AFBG n.F., was den Grundsatz angeht, auch inhaltlich überein.
2. Sofern in dem Übergang des Klägers im Mai 2019 in einen Fortbildungskurs mit anderen Kurszeiten ein Abbruch im Sinne des AFBG liegt, folgt die streitgegenständliche Rückforderung aus § 16 Abs. 2, 3 AFBG a.F. Bei dieser Betrachtungsweise war die geleistete Fortbildungsförderung insgesamt zurückzufordern, da der Kläger die geforderte Teilnahmequote von 70% gemäß § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG a.F. nicht erreicht hatte, auch nicht bis zum Zeitpunkt der rechtlichen Wirksamkeit des Abbruchs, bzw. nicht mehr erreichen konnte. Im Übrigen bestehen zur Überzeugung der Kammer Zweifel, dass der Kläger die Maßnahme aus wichtigem Grund abgebrochen hat, so dass dem Kläger auch aus diesem Grund die bis zum Abbruch geleistete Förderung nicht zu belassen war.
a) § 16 Abs. 3 AFBG a.F. regelt, dass der Bewilligungsbescheid aufzuheben ist und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin die erhaltenen Leistungen zu erstatten hat, wenn der Teilnehmer oder die Teilnehmerin in einem Nachweis des Bildungsträgers nicht die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme nachweist und die regelmäßige Teilnahme bis zum Ende der Maßnahme nicht mehr erreicht werden kann, es sei denn, er oder sie hat die Maßnahme aus wichtigem Grund abgebrochen und bis zum Abbruch regelmäßig an der Maßnahme teilgenommen.
Nach § 9a Abs. 1 Satz 1 AFBG a.F. hat der Teilnehmer oder die Teilnehmerin regelmäßig an der geförderten Maßnahme teilzunehmen. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift müssen die Leistungen des Teilnehmers oder der Teilnehmerin erwarten lassen, dass er oder sie die Maßnahme erfolgreich abschließt. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass es nicht darauf ankommt, ob Auszubildende die Fortbildungsmaßnahme tatsächlich erfolgreich abschließen oder aber eine etwaige Abschlussprüfung nicht bestehen (OVG NW, B.v. 12.4.2012 – 12 A 236/12 – BeckRS 2012, 51121). Bewusst bürdet der Gesetzgeber Teilnehmern einer Förderungsmaßnahme nicht das Risiko des (endgültigen) Nichtbestehens einer Prüfung etwa am Ende einer mehrjährigen Ausbildung auf, um die mit dem AFBG verfolgte Anreizwirkung nicht zu konterkarieren und keine Hemmschwelle für Fortbildungsinteressierte aufzubauen (so BT-Drs. 18/7055 S. 38). Nach § 9a Abs. 1 Satz 3 AFBG a.F. wird regelmäßig von der Möglichkeit des erfolgreichen Abschlusses der Maßnahme ausgegangen, solange Teilnehmer diese zügig und ohne Unterbrechung absolvieren und sich um einen erfolgreichen Abschluss bemühen. Nach § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG a.F. liegt eine regelmäßige Teilnahme vor, wenn die Teilnahme an 70% der Präsenzstunden und bei Fernunterrichtslehrgängen an 70% der Leistungskontrollen nachgewiesen wird. Hierdurch wird das Tatbestandsmerkmal der regelmäßigen Teilnahme im Rahmen einer Pauschalierung gesetzlich definiert (Schaumberg/Schubert in Pdk Bu-J-6a, AFBG, Stand November 2020, § 9a Ziff. 2.1).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze – wie dargestellt unter Annahme eines Maßnahmeabbruchs – war die geleistete Förderung in vollem Umfang zurückzufordern, ohne dass der Beklagten Ermessen eingeräumt gewesen wäre.
aa) Hier stand die gesamte geleistete Aufstiegsfortbildungsförderung gemäß § 9a Abs. 1 Satz 5, § 16 Abs. 2 und 3 AFBG a.F. unter dem Vorbehalt der Rückforderung. So erging der Bewilligungsbescheid unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung der Leistungen, dass der Kläger insbesondere zum 30. September 2019 einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbringt.
bb) Der Kläger kann gemäß § 16 Abs. 3 AFBG a.F. in einem Nachweis des Bildungsträgers die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme nicht nachweisen. Denn aufgrund des hier unterstellten Maßnahmeabbruchs kann der Kläger zum 30. September 2019 keinen Nachweis des Bildungsträgers erbringen, aus dem seine regelmäßige Teilnahme bezogen auf die Gesamtmaßnahme hervorginge. Vielmehr hat der Kläger bis zum Abbruch der Maßnahme am 22. Mai 2019 ausweislich des Formblatts F vom 9. September 2020 an 278 Präsenzstunden teilgenommen. Dies entspricht bezogen auf die Gesamtmaßnahme, die je nach Mitteilung des Maßnahmeträgers aus 516 oder 520 Unterrichtsstunden besteht, einer Teilnahmequote von allenfalls 53,9%, sofern zugunsten des Klägers von 516 Gesamtstunden ausgegangen wird. Entsprechend ist die pauschalierte Teilnahmequote aus § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG a.F. von 70% unterschritten.
cc) Der Kläger kann die geforderte Teilnahmequote von 70% auch nicht mehr im Sinne von § 16 Abs. 3 AFBG a.F. erreichen. Denn aufgrund des Maßnahmeabbruchs – wie hier unterstellt – ist es dem Kläger nicht möglich, an weiteren Unterrichtsstunden teilzunehmen, so dass eine Erhöhung der Teilnahmequote in der Zukunft ausscheidet.
dd) Die Frage, ob auch bei einer Rückforderung nach § 16 Abs. 3 AFBG a.F. ein „Warnschuss“ i.S.v. § 16 Abs. 4 Satz 2 AFBG a.F. erforderlich ist (vgl. OVG NW, U.v. 6.11.2019 – 12 A 2611/19 – juris; BVerwG, U.v. 8.4.2020 – 5 B 2/20 – juris), kann hier dahinstehen, da ein solcher vorliegend mit Schreiben vom 22. Mai 2019 erfolgte.
ee) Schließlich kann hier auch nicht von einer regelmäßigen Teilnahme bis zum Maßnahmeabbruch ausgegangen werden, die dem Kläger mit der Rückforderungsausnahme nach § 16 Abs. 3 Halbs. 2 AFBG a.F. die Förderung jedenfalls bis zum Maßnahmeabbruch erhalten hätte.
(1) Die Rückforderungsausnahme nach § 16 Abs. 3 Halbs. 2 AFBG a.F. ist hier bereits deswegen nicht einschlägig, weil der Kläger im Zeitpunkt der rechtlichen Wirksamkeit des Maßnahmeabbruchs die erforderliche Teilnahmequote von 70% nicht erreicht hatte. Denn auch im Rahmen von § 16 Abs. 3 AFBG a.F. ist für die Bestimmung des Abbruchzeitpunkts nicht auf den tatsächlichen Abbruch, sondern auf die entsprechende Erklärung des Teilnehmers gegenüber der Förderungsbehörde abzustellen.
(aa) Gemäß § 7 Abs. 4a Satz 1 AFBG a.F. bedürfen der Abbruch und die Unterbrechung einer Maßnahme der ausdrücklichen Erklärung. Die Erklärung wirkt gemäß § 7 Abs. 4a Satz 2 AFBG a.F. nur insoweit auf einen vor dem Eingang bei der zuständigen Behörde liegenden Zeitpunkt zurück, wie sie ohne schuldhaftes Zögern erfolgt ist. Insofern geht bereits aus der Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 4a AFBG a.F. hervor, dass grundsätzlich „sowohl die Unterbrechung als auch der vorzeitige Abbruch aus wichtigem Grund mit den jeweils weiteren begünstigenden Rechtsfolgen nach § 7 erst zum Zeitpunkt der Erklärung des Teilnehmers oder der Teilnehmerin gegenüber der Behörde“ (BT-Drs. 18/7055 S. 34) eintreten. Nach Gesetzeswortlaut und Gesetzesbegründung tritt daher der Abbruch erst mit der Erklärung ein. Vor diesem Hintergrund erscheint es nur konsequent, auch für § 16 Abs. 3 AFBG a.F. auf den Zeitpunkt der Erklärung abzustellen. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Zeitpunkt des Abbruchs für § 7 AFBG a.F. und § 16 AFBG a.F. unterschiedlich regeln wollte. Vielmehr ist in der Gesetzesbegründung ausgeführt, es ergäben sich insbesondere die Rechtsfolgen aus § 16 AFBG, sofern die Erklärung unterbleibe (BT-Drs. 18/7055 S. 34). Zudem nimmt § 16 AFBG a.F. auch auf andere Begrifflichkeiten Bezug, die bereits in den §§ 1 ff. AFBG a.F. definiert sind. So ist, wie bereits dargelegt, auch der Begriff der regelmäßigen Teilnahme in § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG a.F. definiert. Dass auf diese Definition im Rahmen von § 16 AFBG a.F. zurückzugreifen ist, ist unstrittig. Nichts anderes ist danach hinsichtlich § 7 Abs. 4a AFBG a.F. ersichtlich. Die Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 4a AFBG a.F. spricht zudem ausdrücklich von einer Erklärung „des Teilnehmers oder der Teilnehmerin gegenüber der Behörde“ (BT-Drs. 18/7055 S. 34). Daneben ist der Maßnahmeträger selbst nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AFBG a.F. verpflichtet, Änderungen, wie den Abbruch einer Maßnahme, der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(bb) Danach hat der Kläger hier im Zeitpunkt der rechtlichen Wirksamkeit der Abbrucherklärung die geforderte Teilnahmequote von 70% nicht erreicht. Denn nicht der Kläger selbst, sondern lediglich der Maßnahmeträger hat der Beklagten zunächst den Wechsel mitgeteilt. Der Kläger äußerte sich gegenüber der Beklagten erst im Rahmen der nachfolgenden Stellungnahmen zum erfolgten Wechsel. Aber selbst bei Abstellen auf den Zeitpunkt der Mitteilung des Maßnahmeträgers an die Behörde hätte der Kläger zu diesem Zeitpunkt die Teilnahmequote nicht erreicht. Denn dann wäre auf den 14. Juni 2019 als entscheidenden Abbruchszeitpunkt abzustellen. Eine Rückwirkung der Erklärung auf einen vorherigen Zeitpunkt käme nicht in Betracht, da das Ausbleiben einer früheren Erklärung auf schuldhaftes Zögern des Klägers zurückgeht. So hat der Kläger selbst mit Schreiben vom 1. Juli 2019 mitgeteilt, er sei lediglich davon ausgegangen, dass die Mitteilung durch den Maßnahmeträger in seinem Namen erfolge. Mit Schriftsatz vom 22. November 2019 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers zwar dar, dass der Kläger mit der Schulleitung abgestimmt habe, dass diese die weiteren Einzelheiten mit der Beklagten direkt abstimme. Ob und wann die Weitermeldung seitens der Schulleitung erfolgt sei, sei dem Kläger jedoch nicht bekannt. Jedenfalls weil der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht einmal Kenntnis davon hatte, ob die Weiterleitung tatsächlich erfolgt war, und er diese im Übrigen auch nicht sichergestellt hat, kann nicht von mangelndem Verschulden für eine verzögerte Weitermeldung ausgegangen werden. Laut Bescheinigung des Maßnahmeträgers vom 10. September 2020 hat der Kläger bis zum 14. Juni 2019, dem Zeitpunkt der Mitteilung durch den Maßnahmeträger, an 278 von 425 angefallenen Stunden der Maßnahme teilgenommen. Dies entspricht einer Teilnahmequote von 65,41%, mithin unter 70%.
(2) Darüber hinaus bestehen zur Überzeugung der Kammer Zweifel, dass der Kläger die Maßnahme aus wichtigem Grund abgebrochen hat, sodass auch aus diesem Grund die Ausnahme nach § 16 Abs. 3 Halbs. 2 AFBG a.F. vom Grundsatz der vollständigen Rückforderung nicht greifen kann.
(aa) Anerkannt ist, dass mit der Gesetzesbegründung zu § 7 AFBG a.F., wonach die BAföG-Verwaltungsvorschriften für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „wichtiger Grund“ herangezogen werden (vgl. BT-Drs. 14/7094 S. 16), auch die Rechtsprechung zur Frage des wichtigen Grunds im Sinne von § 7 Abs. 3 BAföG auf das AFBG übertragen werden kann (vgl. Schaumberg/Schubert in PdK, Bu J-6a, Stand November 2020, § 7 AFBG Ziff. 2.4). Im Rahmen von § 7 Abs. 3 BAföG ist hinsichtlich des wichtigen Grunds darauf abzustellen, ob dem Auszubildenden die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nach verständigem Urteil unter Berücksichtigung aller im Rahmen des BAföG erheblichen Umstände und der beiderseitigen, die Förderung berührenden Interessen nicht mehr zugemutet werden kann (BVerwG, U.v. 12.2.1976 – V C 86.74 – BeckRS 1976, 30430044). Im Rahmen einer Interessenabwägung ist insbesondere wesentlich, ob der Auszubildende die vom Gesetz vorausgesetzte Obliegenheit zur verantwortungsbewussten, vorausschauenden und umsichtigen Planung sowie zur zügigen, zielstrebigen Durchführung seiner Ausbildung ausreichend erfüllt hat (vgl. hierzu im Ganzen Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Auflage 2020 Rn. 133 f.). Bereits nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Teilnehmer einer Fortbildungsmaßnahme die materielle Beweislast bzw. Feststellunglast für das Vorliegen eines wichtigen Grunds.
(bb) Nach diesen Grundsätzen bestehen zur Überzeugung der Kammer in tatsächlicher Hinsicht Zweifel an dem Vorliegen eines wichtigen Grunds, so dass mit der materiellen Beweislast bzw. Feststellungslast nicht von einem wichtigen Grund auszugehen war.
Zwar hat der Kläger im Widerspruchsverfahren ausgeführt, in seinem damaligen Arbeitsverhältnis starker psychischer Belastung ausgesetzt gewesen zu sein. Das Abendprogramm sei für ihn eine echte Alternative gewesen, damit er sich das Wochenende zur Erholung habe freihalten können. Dagegen hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 22. November 2019 sowie im Rahmen der Klagebegründung sinngemäß vorgebracht, der Maßnahmewechsel gehe auf einen Arbeitsplatzwechsel bzw. neue Arbeitszeiten zurück. In der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2021 gab der Kläger hingegen an, dass er nicht lediglich in den Abendkurs gewechselt sei, sondern an Stunden bzw. Kurstagen teilgenommen habe, wann immer ihm das gepasst habe. So gab der Kläger etwa an, Unterricht auch an Samstagen, zusätzlich zu Stunden unter der Woche, besucht zu haben. Daraufhin befragt, warum er gewechselt sei bzw. was er sich von dem Wechsel erhofft habe, gab er an, er sei gewechselt, um zuvor entstandene Defizite aufzuholen und neuen Stoff dazuzulernen. Erst die Nachfrage der Prozessbevollmächtigten, ob der Wechsel auch dadurch bedingt gewesen sei, dass er sich die Samstage habe freihalten wollen, beantwortete der Kläger mit „Genau“.
Danach bestehen im Rahmen einer Gesamtschau aller relevanten Umstände zur Überzeugung der Kammer Zweifel, dass der fragliche Wechsel tatsächlich wegen einer psychischen Belastungssituation erfolgt ist. Denn in diesem Fall wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger dies im Termin zur mündlichen Verhandlung so hätte darlegen und vertiefen können, nicht aber, dass er – wie geschehen – den Wechsel mit dem Nachholen von versäumtem Unterrichtsstoff begründet. Dieser Umstand wird zur Überzeugung der Kammer auch nicht ausreichend dadurch relativiert, dass der Kläger die Frage seiner Prozessbevollmächtigten nach dem Freihalten der Samstage letztlich bejaht hat. Denn insoweit ist er der in der Fragestellung enthaltenen Suggestion gefolgt, so dass der Antwort geringe Aussagekraft zukommt. Hinzu kommt, dass er im Termin insbesondere erklärt hat, teilweise auch weiterhin samstags Unterrichtsstunden besucht zu haben, was dem Ziel des Freihaltens der Wochenenden von Unterrichtsstunden gerade widerspricht. Darüber hinaus hat der Kläger kein ärztliches Attest o.Ä. vorgelegt, um die geltend gemachte psychische Ausnahmesituation zu belegen. Hinzu kommt, dass er den Wechsel der Fortbildungsmaßnahme teilweise mit einem Arbeitsplatzwechsel bzw. geänderten Arbeitszeiten begründet hat, sein Vortrag im Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren also nicht konstant war, obwohl dies für den Kernbereich des geltend gemachten Wechselgrunds zu erwarten gewesen wäre.
Im Übrigen liegt in dem Wunsch nach Wiederholungsstunden kein wichtiger Grund i.S.v. § 7 AFBG a.F. Auch etwaige geänderte Arbeitszeiten können hier mangels substantiierten Vortrags keinen wichtigen Grund darstellen. So hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29. Juni 2021 lediglich pauschal angegeben, der Wechsel sei für ihn notwendig gewesen, da er bei seinem damaligen Arbeitgeber neue Arbeitszeiten gehabt habe. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger jedoch an, dass er bis zum 31. Juli 2019 beim Unternehmen … beschäftigt gewesen sei und der betreffende Arbeitgeberwechsel erst zum 1. August 2019, mithin nach dem geltend gemachten Zeitpunkt des Wechsels, erfolgt sei.
ff) Bei der Entscheidung über die Rückforderung der gewährten Förderung gemäß § 16 Abs. 3 AFBG a.F. handelt es sich um eine gebundene Entscheidung.
gg) Die Höhe der Rückforderung begegnet keinen Bedenken und ist im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig. So hat die Beklagte dem Kläger unstreitig Aufstiegsfortbildungsförderung i.H.v. 3.425,00 EUR bewilligt und gewährt, wobei hiervon 1.370,00 EUR als Zuschuss gewährt wurden. Der gewährte Zuschussanteil entspricht der Höhe der streitgegenständlichen Rückforderung.
hh) Schließlich weckt die Neuregelung des AFBG mit dem Abstellen auf pauschalierte Teilnahmequoten keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. So ist dem Gesetzgeber schon nach allgemeinen Grundsätzen auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein beträchtlicher Spielraum eingeräumt, um abstrakt-generelle und insoweit regelmäßig pauschalierende und typisierende Normen zu schaffen (Greszick in Maunz/Dürig, GG, Stand Januar 2021, Lfg. 48, Art. 20 Rn. 122). Dies gilt umso mehr im Bereich der hier einschlägigen Leistungsverwaltung. Etwaige Härten sind zudem dadurch abgemildert, dass eine vergleichsweise hohe Fehlzeitenquote von bis zu 30% förderungsrechtlich unschädlich ist und es Teilnehmern an Fortbildungsmaßnahmen offensteht und ohne weiteres zumutbar ist, ausdrücklich den Abbruch bzw. die Unterbrechung der Maßnahme aus wichtigem Grund zu erklären.
3. Auch sofern angenommen wird, dass kein Abbruch im Sinne des AFBG, sondern lediglich ein Wechsel in einen anderen Kurs unter Fortführung der ursprünglichen Fortbildungsmaßnahme erfolgt ist, oder davon ausgegangen wird, dass es zwar zu einem Wechsel der Fortbildungsmaßnahme gekommen ist, der Kläger Entsprechendes aber nach dem AFBG beanspruchen konnte, ergibt sich die Rückforderung aus § 16 Abs. 2, 3 AFBG a.F. Denn auch bezogen auf die dann anzunehmende Gesamtmaßnahme wäre die Teilnahmequote von 70% nicht erreicht.
a) Als Gesamtmaßnahme wäre in diesem Fall der Zeitraum vom 7. September 2018 bis zum 7. September 2020 mit einer Gesamtstundenzahl von 860 Stunden anzunehmen. Denn sofern kein Abbruch im Sinne des AFBG, sondern lediglich ein Kurswechsel angenommen wird, hatte der Kläger nach den Angaben des Maßnahmeträgers die Möglichkeit, an insgesamt 860 Stunden teilzunehmen. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sind diese 860 Stunden der hypothetischen Gesamtmaßnahme zu Grunde zu legen, und nicht etwa eine Stundenzahl von 516 bzw. 520 Stunden. Anderenfalls erhielte der Kläger einen ungerechtfertigten Vorteil. Er könnte faktisch an 860 Stunden der Maßnahme teilnehmen, um seine Teilnahmequote bezogen auf 516 bzw. 520 Stunden zu erfüllen. Er würde daher etwa die Teilnahmequote erfüllen, wenn er an 361 bzw. 364 Stunden teilgenommen hätte, obwohl er in diesem Fall lediglich 41,98 bzw. 42,33% der ihm zur Verfügung stehenden Stunden besucht hätte.
b) Bezogen auf diese hypothetische Gesamtmaßnahme wäre die erforderliche Teilnahmequote von 70% nicht erreicht. Denn der Kläger hat bis zum Ende einer solchen Gesamtmaßnahme im September 2020 lediglich 422 von 860 Stunden besucht. Dies entspricht einer Teilnahmequote von 49,07%.
Auch hier kann nicht von einem Maßnahmeabbruch aus wichtigem Grund ausgegangen werden, der dem Kläger die Förderung jedenfalls bis zum Maßnahmeabbruch für den Fall der regelmäßigen Teilnahme bis dahin erhalten hätte. Genauso wenig kann von einer rechtlich wirksamen Maßnahmeunterbrechung vor dem Ende der hypothetischen Gesamtmaßnahme ausgegangen werden.
Bereits ausgeführt ist, dass Abbruch und Unterbrechung nach § 7 Abs. 4a AFBG a.F. erst mit der entsprechenden Erklärung gegenüber dem Maßnahmeträger wirksam werden. Nach Aktenlage hat allein der Maßnahmeträger mit E-Mail vom 23. März 2020 gegenüber der Beklagten angezeigt, dass der Kläger die Maßnahme unterbrochen habe. Dagegen fehlt eine vom Kläger abgegebene Erklärung. Auch wurde die Erklärung des Maßnahmeträgers nicht etwa im Namen des Klägers abgegeben. Dass der Kläger das Attest vom 20. Februar 2020 auch persönlich bei der Beklagten eingereicht hat, wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, ist zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend belegt. Insofern trug der Kläger zwar vor, er habe das Attest persönlich im 4. Stock der Behörde eingereicht. Der Beklagtenvertreter jedoch erwiderte, dass dies nicht sein könne, da zu diesem Zeitpunkt die Beklagte wegen der Corona-Pandemie keinen Publikumsverkehr mehr gehabt habe. Solchen habe es im Jahr 2020 lediglich dreimal gegeben, wobei er diesen selbst übernommen und die betreffenden Personen einbestellt habe. Nach seiner Erinnerung habe er den Kläger jedoch nicht einbestellt. Zwar erscheint es fraglich, ob die Beklagte tatsächlich bereits im Februar 2020 pandemiebedingt Publikumsverkehr grundsätzlich ausgeschlossen hatte. Allerdings wäre zu erwarten, dass das Attest, hätte es der Kläger persönlich übergeben, zur Akte gelangt wäre und sodann ggf. an die Widerspruchsbehörde weitergeleitet worden wäre. Hierzu ist es indes nicht gekommen.
Im Übrigen hat der Kläger auch bis zum faktischen Abbruch im Februar 2020 lediglich an 422 von 646 Stunden teilgenommen, also eine Teinahmequote von 65,3% erzielt. Damit hätte er auch bis dahin nicht regelmäßig an der hypothetischen Gesamtmaßnahme teilgenommen.
c) Schließlich führt ein etwaiger Austausch der Begründung der Rückforderung vorliegend nicht dazu, dass sich die Ausgangsbescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheids in ihrem Wesen ändern würden. Eine Wesensänderung eines Verwaltungsakts liegt nach überwiegender Ansicht vor, wenn die von der Behörde ursprünglich angestellten tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen nachträglich ausgewechselt oder neue Tatsachen nachgeschoben werden, sodass in den Kern, die Identität des Verwaltungsakts, eingegriffen wird und der Sache nach ein neuer, anderer Verwaltungsakt entsteht. Mithin wird der Regelungsgegenstand des Verwaltungsakts in seinem Wesen und damit der Streitgegenstand geändert (vgl. hierzu im Ganzen Riese in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2021, § 113 Rn. 38 f.). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Widerspruchsbehörde hat in ihrem Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2020, unter dem Gesichtspunkt der Förderung der „neuen“ Maßnahme, zur Frage der Unterbrechung bzw. eines Abbruchs im Februar 2020 Stellung genommen und ausgeführt, dass es an einer Erklärung fehle.
d) Nichts anderes gilt, wollte man die hypothetische Gesamtfortbildungsmaßnahme um solche Unterrichtsstunden bereinigen, bei denen es sich um Wiederholungsstunden handelt. Hierfür könnte sprechen, dass eine Fortbildungsmaßnahme im Sinne des AFBG grundsätzlich keine wiederholenden Unterrichtseinheiten vorsieht, während die Voraussetzungen mit Blick auf die Wiederholung einer Maßnahme in § 7 Abs. 5 AFBG geregelt sind. Auch beim „Herausrechnen“ der Stunden, die der Kläger nach Angaben des Maßnahmeträgers nach seinem Wechsel wiederholte, hätte der Kläger bis zum Ende der mangels Erklärung rechtlich nicht unterbrochenen Maßnahme die erforderliche Teilnahmequote nicht erreicht. Denn im Zeitpunkt des faktischen Wechsels im Mai 2019 hatte der Kläger 278 Stunden besucht. Bezogen auf die Gesamtstundenzahl des Samstags-Intensivkurses fehlten ihm, je nachdem ob von 516 oder 520 Gesamtstunden auszugehen ist, lediglich 123 bzw. 127 Stunden. Bis zum Zeitpunkt der faktischen Unterbrechung im Februar 2020 hatte er die Möglichkeit insgesamt an 646 von 860 Stunden teilzunehmen, sodass dem Kläger im Zeitpunkt der faktischen Unterbrechung noch 214 Stunden fehlten. Der Kläger hatte daher auf Grundlage der Angaben des Maßnahmeträgers bis zum Zeitpunkt der faktischen Unterbrechung lediglich Stunden wiederholt. Damit ergäbe sich unter Nichtberücksichtigung des „Wiederholungsteils“ eine Teilnahme an 278 von 516 bzw. 520 Stunden, mithin eine Teilnahmequote von 53,88 bzw. 53,46%.
Nach alledem war die Klage abzuweisen, da sich die streitgegenständliche Rückforderung unter allen rechtlichen Gesichtspunkten als rechtmäßig erweist. Spiegelbildlich bestand im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auch kein Anspruch des Klägers auf Fortbildungsförderung, auch nicht für die Zeit nach dem 1. Juli 2019. Einen entsprechenden Verpflichtungsantrag hatte der Kläger im Übrigen auch nicht gestellt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, §§ 711, 713 ZPO.


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