Arbeitsrecht

Rückzahlung eines Stipendiums für den Lebensunterhalt in Japan

Aktenzeichen  21 U 787/17

Datum:
5.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 115688
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 305, § 306, § 307, § 308, § 309, § 812
BBIG § 10 Abs. 2, § 26
BUrlG § 1, § 3

 

Leitsatz

1. Bei einem freiwilligen Praktikum besteht gemäß §§ 26, 10 Abs. 2 BBIG iVm §§ 1, 3 BUrlG grundsätzlich ein Anspruch auf Urlaub. Dient das Praktikum vornehmlich dem Kennenlernen von Land, Leuten, Mentalitäten und Erlernen der Sprache, liegt keine Arbeitsleistung wie bei einem Arbeitnehmer vor, so dass ein Urlaubsanspruch ausscheidet. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Klauseln, die gegen §§ 307 bis 309 BGB verstoßen, sind in der Regel insgesamt unwirksam, sofern sie sich nicht sinnvoll in einen zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen lassen. Anstelle der unwirksamen AGB-Bestimmung (kein Urlaubsanspruch) treten in diesem Fall die gesetzlichen Vorschriften. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Zuwendung kann an einen Zweck gebunden werden (Aufenthalt in Japan), der nach dem Willen der Beteiligten für das Behalten der Zuwendung maßgeblich sein soll. Bei Ausbleiben des bezweckten Erfolges kann die Leistung zurückgefordert werden (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

41 O 2525/16 2017-02-01 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 01.02.2017, Az. 41 O 2525/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil des Landgerichts München I vom 01.02.2017, Az. 41 O 2525/16, ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.910 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Rückzahlung von im Rahmen eines Stipendiums erbrachten Leistungen für den Lebensunterhalt in Japan.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Änderungen oder Ergänzungen im Sachverhalt haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben. Im Übrigen gilt § 313 a ZPO analog.
II.
Wie bereits im Hinweisbeschluss des Senats vom 17.05.2017 angekündigt, vgl. Bl. 128 ff.d.A., übt der Senat sein eingeschränktes Ermessen (“soll“) dahingehend aus, dass er die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückweist.
Die Voraussetzungen einer endgültigen Sachbehandlung nach § 522 Abs. 2 ZPO liegen weiterhin vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch nicht geboten ist, § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Auf die zutreffenden Gründe des landgerichtlichen Urteils sowie den Hinweisbeschluss des Senats wird Bezug genommen, § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO.
Die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 23.06.2017 führen zu keiner abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Im Einzelnen ist dazu Folgendes auszuführen:
1. Entgegen der Auffassung des Beklagten verbleibt der Senat bei seiner bereits geäußerten Überzeugung, dass es sich bei dem vorliegenden Stipendium der Klägerin um eine wirksame Schenkung unter einer Auflage handelt und der Beklagte keinen Rechtsgrund für ein Behalten der empfangenen Gelder, die hier noch streitig sind, hat.
Bei den von der Klägerin verwendeten Klauseln in der Stipendienvereinbarung handelt es sich zwar um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. §§ 305 ff. BGB, soweit hier entscheidungserheblich sind die getroffenen Bestimmungen aber AGB-rechtlich nicht zu beanstanden und von einer wirksamen Auflage auszugehen.
a) Ein Verstoß gegen das BUrlG ist nicht ersichtlich. Für einen Absolventen eines freiwilligen Praktikums besteht zwar gemäß §§ 26, 10 Abs. 2 BBIG i.V.m. §§ 1, 3 BUrlG grundsätzlich ein Anspruch auf Urlaub, während dies für Schüler und Studenten, die ein Pflichtpraktikum absolvieren, nicht gilt. Bei diesen steht die Tätigkeit als Schüler oder Student im Vordergrund, so dass sie nicht als „normale“ Arbeitnehmer angesehen werden. Betrachtet man aber hier die Verpflichtungen der Stipendiaten der Klägerin, insbesondere des Beklagten, so besteht keine Vergleichbarkeit mit einem „normalen“ Arbeitnehmer, weil Inhalt des Praktikums – wie der Beklagte selbst vorträgt – vornehmlich das Kennenlernen von Land, Leuten, Mentalitäten und das Erlernen der Sprache ist. Das Sammeln von Erfahrung im Ausland bringt aber dem Unternehmen keinen wirtschaftlichen Mehrwert, so dass ein (anteiliger) Urlaubsanspruch ausscheidet. Dies ergibt sich auch aus dem Leitfaden „Praktika des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales“, in dem ausdrücklich erwähnt wird, dass ein Urlaubsanspruch bei sehr kurzen Aufenthalten in einem Betrieb oder bei nur passiven Betriebsaufenthalten ohne Einbindung in den Arbeitsprozess nicht gegeben werden soll. Eine Arbeitsleistung wie bei einem Arbeitnehmer liegt in diesen Fällen nicht vor.
Selbst wenn der in Ziffer II 2 c) der Vereinbarung, Anlage K 1, ausgeschlossene Urlaub gegen die §§ 307 ff. BGB verstoßen sollte, so wäre hier ausnahmsweise eine sog. Teilaufrechterhaltung der Klausel ohne die Regelung des Urlaubsanspruchs möglich und geboten. Klauseln, die gegen §§ 307 bis 309 BGB verstoßen, sind zwar in der Regel insgesamt unwirksam und eine geltungserhaltende Reduktion auf den Rest nicht möglich. Anders verhält es sich jedoch, wenn sich – wie hier – die betreffende Klausel sinnvoll in einen zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt, vgl. Palandt, 76. Auflage, Rdnr. 6 ff. zu § 306 BGB. Anstelle der unwirksamen AGB-Bestimmung (kein Urlaubsanspruch) würden dann die gesetzlichen Vorschriften treten, ohne dass dies die Wirksamkeit der übrigen Bedingungen, insbesondere der Regelung in Ziffer III der Vereinbarung berührt.
b) Die Rückzahlungsverpflichtung ist auch ausreichend bestimmt, vgl. Ziffer III. der Vereinbarung, Anlage K 1. Ein Teilnehmer, der seinen Verpflichtungen aus der Programmvereinbarung nicht nachkommt, kann ausgeschlossen werden und hat die für ihn erbrachten finanziellen Aufwendungen zurückzuzahlen. Es besteht kein Zweifel, dass es sich bei den von der Klägerin verauslagten Lebenshaltungskosten um solche für den Beklagten erbrachten finanziellen Aufwendungen handelt.
Schließlich gilt auch hier, dass bei einem angenommenen AGB-Verstoß zwar die betreffende Klausel unwirksam wäre, an deren Stelle jedoch die gesetzlichen Vorschriften, §§ 812 ff., treten würden. Die Klägerin hat die Leistungen an den Beklagten ohne Rechtsgrund erbracht, weil die Zuwendung zweifelsfrei an einen bestimmten Zweck gebunden war, nämlich den Aufenthalt in Japan. Dabei genügt jeder Zweck (d.h. bezweckte Erfolg), der nach dem Willen der Beteiligten für das Behalten der Zuwendung maßgeblich sein soll. Bei Ausbleiben des bezweckten Erfolges kann die Leistung zurückgefordert werden, vgl. Palandt, Rdnr. 30 ff zu § 812 BGB.
c) Ob die von der Klägerin an den Beklagten ausgezahlten Beträge von der H.-N.-Stiftung stammen, kann dahinstehen, denn dies ändert nichts an einem Rückforderungsanspruch im Vertragsverhältnis der Parteien. Das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten“ hat lediglich im Rahmen der Nichtleistungskondiktion Bedeutung. Bei der Leistungskondiktion gilt dagegen der Grundsatz der Rückabwicklung innerhalb des Leistungsverhältnisses (vgl. Palandt, Rn. 5, 13 zu § 812 BGB). Die Beträge, die zurückzuerstatten sind, hat der Beklagte ausweislich der vertraglichen Vereinbarung (vgl. Ziff. I des Vertrages) durch Leistung der Klägerin erlangt, mithin ist sie auch diejenige, die Rückzahlung verlangen kann. Woher die finanziellen Mittel stammen, die die Klägerin den Stipendiaten zur Verfügung stellt, ist damit irrelevant.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO bestimmt.


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