Arbeitsrecht

Ruhegehaltsfähigkeit von Vordienstzeiten im Angestelltenverhältnis

Aktenzeichen  B 5 K 17.69

Datum:
18.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24041
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 10 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Eine Beschäftigung hat iSv § 10 S. 1 BeamtVG zur Ernennung geführt, wenn und soweit während der Beschäftigungszeit Fähigkeiten und Erfahrungen erworben worden sind, die ein wesentlicher Grund – nicht notwendigerweise der ausschlaggebende Grund – für die Übernahme in das Beamtenverhältnis gewesen sind. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die für eine Laufbahn erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse im Vorbereitungsdienst erworben und durch die Laufbahnprüfung nachgewiesen werden. Kenntnisse und Erfahrungen, die vor Beginn des Vorbereitungsdienstes erworben wurden, treten dann regelmäßig in den Hintergrund und stehen nicht im erforderlichen funktionellen Zusammenhang zu dem maßgeblichen Beamtendienst. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn die Vortätigkeit gewissermaßen eine Bedingung für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst gewesen ist. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Vorbereitungsdienst vornehmlich Angehörigen des öffentlichen Dienstes offen steht, die als Angestellte über bestimmte Vorerfahrungen verfügen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
2. Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Zeit vom … 1978 bis zum … 1979 als ruhegehaltfähig. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 3. Januar 2017 ist deshalb rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Nach § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG sollen Zeiten einer für die Laufbahn des Beamten förderlichen Tätigkeit, in denen er vor der Berufung in das Beamtenverhältnis im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ohne von ihm zu vertretende Unterbrechung tätig war, als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden, sofern diese Tätigkeit zur Ernennung geführt hat.
Danach sind die Voraussetzungen für die von dem Kläger begehrte Anerkennung seiner Tätigkeit vom … 1978 bis … 1979 beim Postamt L. als ruhegehaltfähige Dienstzeit nicht gegeben. Selbst wenn die Tätigkeit des Klägers dort für seine Laufbahn förderlich im Sinne von § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG gewesen war, so hat sie nicht zu seiner Ernennung geführt, was für eine Anerkennung zusätzlich erforderlich ist.
Tätigkeiten sind nach § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG als für die Laufbahn des Beamten förderlich anzusehen, wenn sie mit der ersten Verwendung im Beamtenverhältnis in einem inneren Zusammenhang gestanden haben. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur „Förderlichkeit für die Laufbahn des Beamten“ entschieden, dass die in § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG geforderte Förderlichkeit der Tätigkeit für die Laufbahn des Beamten die Förderlichkeit der Tätigkeit für das konkrete Amt im funktionellen Sinn einschließt (vgl. BVerwG, U.v. 11.11.1986 – BVerwG 2 C 4.84 – NVwZ 1987, 807). Eine Tätigkeit ist „förderlich“, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich ist, also wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird. Ob diese Voraussetzung vorliegt, beurteilt sich nach den inhaltlichen Anforderungen mehrerer Ämter einer Fachrichtung oder nach den Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens (BVerwG, U.v. 14.3.2002 – 2 C 4/01 – NVwZ-RR 2002, 667/668).
Zwar ist nicht ersichtlich, dass die Angestelltenzeit des Klägers seine Dienstausübung erst ermöglicht hätte. Es mag aber sein, dass die Tätigkeit des Klägers bei Postamt L. für seine Laufbahn förderlich im Sinne von § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG gewesen ist dahingehend, dass sie für die Dienstausübung nützlich gewesen ist, die Dienstausübung jedenfalls erleichtert hat. Der Kläger erhielt die erste praktische Ausbildung im praktischen Postdienst im Rahmen seines Vorbereitungsdienstes als Postinspektoranwärter im Postamt L. (Bl. 28 d. Beiakte), mithin dort wo er zuvor im streitgegenständlichen Zeitraum als Arbeitnehmer tätig war. Die aus der Tätigkeit als Arbeiter im Postamt Lichtenfels in der Zeit vom … 1978 bis zum … 1979 gewonnenen Erfahrungen mögen für den späteren Einsatz des Klägers einen wertvollen Grundstock gebildet haben. Ob diese Tätigkeit auch im Sinne des § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG als förderlich zu qualifizieren ist, kann im Übrigen jedoch dahinstehen, denn die Angestelltenzeit des Klägers hat jedenfalls nicht zu der Ernennung des Klägers i.S.v. § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG geführt.
Unter Ernennung im Sinne des § 10 BeamtVG ist die Ernennung zu verstehen, durch die ein Beamtenverhältnis auf Probe begründet wird. Erst in einem solchen Beamtenverhältnis nimmt der Beamte dienstliche Aufgaben wahr, für deren Erledigung ihm die Kenntnisse und Erfahrungen zugutekommen, die er durch die vordienstliche Tätigkeit erworben hat. Die Ernennung zum Beamtenanwärter unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf wird von § 10 BeamtVG nicht erfasst, weil dieses Beamtenverhältnis seit jeher der Ausbildung in einem Vorbereitungsdienst dient. Dieser soll den Beamtenanwärtern die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Dienstausübung erst vermitteln, die für die Wahrnehmung eines Amtes der jeweiligen Laufbahn erforderlich sind. Dementsprechend endet das Beamtenverhältnis auf Widerruf kraft Gesetzes mit dem Bestehen oder endgültigen Nichtbestehen der abschließenden Laufbahnprüfung (BVerwG, B.v. 5.12.2011 – 2 B 103/11 – juris Rn. 8). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall maßgeblich, ob die Angestelltentätigkeit des Klägers zu seiner Ernennung zum Beamten auf Probe, und zwar zur Ernennung zum Postinspektor z.A. am … 1982 geführt hat.
Dass die vordienstliche Tätigkeit zur Ernennung geführt hat, setzt voraus, dass zwischen der Tätigkeit im Arbeits- oder Angestelltenverhältnis und der Ernennung ein funktioneller Zusammenhang bestehen muss. Dieser ist gegeben, wenn die Ernennung wesentlich auf die Fähigkeiten und Erfahrungen zurückzuführen ist, die der Beamte durch die vordienstliche Tätigkeit erworben hat (stRspr, siehe u.a. BVerwG, B.v. 5.12.2011 – 2 B 103/11 – juris Rn. 8 m. w. N.). Diese Tätigkeit stellt einen wesentlichen Grund für die Ernennung dar, wenn sie die spätere Dienstausübung als Beamter entweder ermöglicht oder doch erleichtert und verbessert hat. Indes reicht nicht jede Erleichterung der Dienstausübung durch die Vortätigkeit aus, weiterhin ist für eine Anerkennung als ruhegehaltfähige Dienstzeit erforderlich, dass die Vordiensttätigkeit – auch wenn sie von Nutzen gewesen ist – darüber hinaus ein wesentlicher Grund für die Ernennung war (BVerwG, B.v. 5.12.2011 – 2 B 103/11 – juris Rn. 8; NdsOVG, U.v. 20.3.2012 – 5 LB 198/10 – juris Rn. 44 ff.).
Das Tatbestandsmerkmal „zur Ernennung geführt“ verlangt eine Kausalität der Vortätigkeit für die Ernennung und dass das Kausalitätserfordernis nicht immer schon dann erfüllt ist, wenn eine Förderlichkeit der Vortätigkeit zu bejahen ist (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.1998 – 2 C 12.97 – juris, U.v. 16.5.1961 – II C 192.58- juris; VGH BW, U.v. 28.1.2008 – 4 S 444/06 – juris Rn. 27; OVG NRW, B.v. 9.8.2006 – 1 A 53/05 – juris Rn. 6). Die Vortätigkeit muss deshalb zumindest mitursächlich gewesen sein (vgl. VGH BW, U.v. 28.1.2008 – 4 S 444/06 – juris Rn. 19 m. w. N.). Dass der Dienstherr von den mit der Vortätigkeit erworbenen Fähigkeiten und Erfahrungen im späteren Dienst profitiert hat und diese dem Beamten nützlich waren, reicht nach dieser Rechtsprechung nicht als Nachweis des funktionellen Zusammenhangs aus (vgl. OVG NRW, B.v. 9.8.2006 – 1 A 53/05 – juris Rn. 7). Die Voraussetzung, dass eine Beschäftigung nach § 10 Satz 1 BeamtVG zur Ernennung geführt hat, ist demnach als erfüllt anzusehen, wenn und soweit während der Beschäftigungszeit Fähigkeiten und Erfahrungen erworben worden sind, die ein wesentlicher Grund – nicht notwendigerweise der ausschlaggebende Grund – für die Übernahme in das Beamtenverhältnis gewesen sind.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Angestelltentätigkeit des Klägers in der Zeit vom … 1978 bis zum … 1979 nicht als wesentlicher Grund zu seiner Ernennung zum Postinspektor z. A. und später zum Postinspektor geführt. Der erforderliche funktionelle Zusammenhang zwischen der während der streitbefangenen Vordienstzeiten ausgeübten Tätigkeit und der späteren Ernennung zum Postinspektor z. A. hat nicht bestanden. Die dem einfachen Dienst entsprechende Arbeit des Klägers im Ladedienst hat nicht zur Ernennung im gehobenen Dienst führen können, so dass die Ernennung jedenfalls nicht wesentlich auf die beim Postamt Lichtenfels im streitgegenständlichen Zeitraum erworbenen Fähigkeiten und gemachten Erfahrungen zurückzuführen sind. Der Ladedienst stellt nur einen sehr kleinen Ausschnitt des Postbetriebes dar. Der Kläger hat dabei höchstens teilweise Einblicke in das unmittelbare Betriebsgeschehen erhalten. Ein tieferer Einblick des Klägers in die Abläufe des Postbetriebes ist nicht nachgewiesen. Der gehobene Dienst umfasst jedoch ein größeres Aufgabenspektrum und ist höherwertiger.
Unerheblich ist zudem, ob die Arbeitertätigkeit für die Entscheidung des Klägers zum Eintritt in den Vorbereitungsdienst relevant war. Da nur der Dienstherr ernennen kann, kann nur dann eine Tätigkeit zur Ernennung führen, wenn sie für den Dienstherrn eine Bedingung für die Ernennung dargestellt hat. Dies ist jedoch auszuschließen, da der Kläger die für die Laufbahn des gehobenen Dienstes erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse im Vorbereitungsdienst erworben hat.
Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die für eine Laufbahn erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse im Vorbereitungsdienst erworben und durch die Laufbahnprüfung nachgewiesen werden. Kenntnisse und Erfahrungen, die vor Beginn des Vorbereitungsdienstes erworben wurden, treten dann regelmäßig in den Hintergrund und stehen nicht im erforderlichen funktionellen Zusammenhang zu dem maßgeblichen Beamtendienst (vgl. OVG NRW, U.v. 9.5.2011 – 1 A 88/08 – juris Rn. 43; HessVGH, U.v. 6.11.1996 – 1 UE 327/95 – juris Rn. 23). So liegt der Fall hier. Der Kläger ist mit Wirkung vom … 1979 in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen Postdienstes eingetreten und hat den Vorbereitungsdienst mit der Laufbahnprüfung abgeschlossen. Nach bestandener Laufbahnprüfung ist er zum Postinspektor z. A. ernannt worden. Die hierfür maßgeblichen Kenntnisse und Erfahrungen hat er demnach im dreijährigen Vorbereitungsdienst erlangt. Seine Angestelltenzeit tritt demgegenüber als wesentlicher Grund zurück. Es ergibt sich aus den Verwaltungsvorgängen nicht, dass der Kläger (auch) wegen des Umstands des voranggegangenen halbjährigen Ladedienstes im Postamt L. im Angestelltenverhältnis zum Postinspektor z. A. ernannt worden wäre.
Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn die Vortätigkeit gewissermaßen eine Bedingung für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst gewesen ist. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Vorbereitungsdienst vornehmlich Angehörigen des öffentlichen Dienstes offen steht, die als Angestellte über bestimmte Vorerfahrungen verfügen (OVG NRW, U.v. 9.5.2011 – 1 A 88/08 – juris Rn. 44; HessVGH, U.v. 6.11.1996 – 1 UE 327/95 – juris Rn. 24). Für die Behauptung, die Angestelltentätigkeit des Klägers sei für seine Übernahme in den Vorbereitungsdienst mitbestimmend gewesen, finden sich in der Personalakte des Klägers jedoch keine Anhaltspunkte.
Nichts anderes ergibt sich aus der Berücksichtigung der streitgegenständlichen Zeit bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters sowie der Jubiläumsdienstzeit des Klägers. Sowohl das Besoldungsdienstalter mit seiner Regelung in § 28 des Bundesbesoldungsgesetzes als auch die Jubiläumsdienstzeit mit normativer Regelung in der Verordnung über die Gewährung von Dienstjubiläumszuwendungen werden in eigenständigen Normen geregelt. Die Berücksichtigung der streitgegenständlichen Arbeiterzeiten im Rahmen dieser ermöglicht daher keinen Rückschluss auf die Berücksichtigungsmöglichkeit der streitgegenständlichen Zeit im Rahmen der Festsetzung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit gemäß §§ 6 ff. BeamtVG.
3. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 1 VwGO als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Angesichts der allenfalls geringen Höhe der von der Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung einer Abwendungsbefugnis nicht angezeigt.


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