Arbeitsrecht

Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit – Eingeschränkte Leistungsfähigkeit

Aktenzeichen  B 5 K 17.722

Datum:
12.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21911
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 26 Abs. 1 S. 2
BayBG Art. 65 Abs. 1, Art. 66
SGB IX § 84 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Nach gefestigter Rechtsprechung stellt die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand dar (BVerwG BeckRS 2014, 54341). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Kann aufgrund einer Gesamtschau unter Berücksichtigung des sich über viele Jahre erstreckenden Krankheitsverlaufs, der Schmerzintervalle und der Prognose, dass auch in Zukunft – auch nach Besserung der Grunderkrankung – von einer Wiederholung der Krankheitsepisoden auszugehen ist, lediglich eine sporadische Dienstfähigkeit des Beamten angenommen werden, so ist die Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit bei nicht gegebener anderweitiger Verwendungsmöglichkeit rechtmäßig. (Rn. 48 und 56) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 8. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Versetzung des Klägers in den Ruhestand ist formell rechtmäßig (dazu unten Buchst. a) und unterliegt auch in materieller Hinsicht keinen durchgreifenden Zweifeln (dazu unten Buchst. b).
a) Der Bescheid des Beklagten vom 8. August 2017 ist formell rechtmäßig.
Das Bayer. Landesamt für Steuern war als Ernennungsbehörde für die Entscheidung über die Ruhestandsversetzung zuständig, Art. 66 Abs. 2 Satz 2, Art. 71 Abs. 1 Satz 1, Art. 18 Abs. 1 Satz 3 BayBG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) der Verordnung über dienstrechtliche Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen (ZustV-FM) vom 3. Januar 2011 (i.d.F. der Verordnung vom 19.1.2019).
Der Beklagte hat den Prozessbevollmächtigten des Klägers unter Mitteilung der Gründe für die beabsichtigte Versetzung des Klägers in den Ruhestand mit Schreiben des Bayer. Landesamts für Steuern vom 10. Februar 2017 angehört (Art. 66 Abs. 1 BayBG). Die am 10. März 2017 erhobenen Einwendungen (Art. 66 Abs. 2 Satz 1 BayBG) hat der Beklagte bei der Entscheidung berücksichtigt (Art. 66 Abs. 2 Satz 2 BayBG) und den streitgegenständlichen Bescheid dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ordnungsgemäß zugestellt (Art. 71 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BayBG i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG).
Mit Schreiben vom 4. Juli 2017 hat der Beklagte den Bezirkspersonalrat nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 3 Bayer. Personalvertretungsgesetz (BayPVG) und die Gleichstellungsbeauftragte über die beabsichtigte Ruhestandsversetzung informiert; Einwendungen wurden nicht erhoben (Schreiben vom 6.7.2017 und vom 28.7.2017).
Der Einwand des Klägers der angefochtene Bescheid sei (formell) rechtswidrig, weil der Beklagte es versäumt habe, das betriebliche Eingliederungsmanagement gem. § 84 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) durchzuführen, greift nicht durch. Denn die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements stellt nach gefestigter Rechtsprechung keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand dar (vgl. BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 2 C 22/13 – BVerwGE 150, 1/14 f.; BayVGH, B.v. 11.1.2012 – 3 B 10.346 – juris Rn. 20 m.w.N.; B.v. 10.7.2015 – 3 C 15.1015 – juris Rn. 13; U.v. 28.2.2018 – 3 B 16.1996 – juris Rn. 47; OVG NW, B.v. 15.12.2015 – 6 B 1022/15 – juris Rn. 9). Der Hinweis des Klägers, es seien besondere Verhältnisse gegeben, weil der Beklagte trotz Vorlage des fachärztlichen Attestes vom 24. Januar 2017 unter Bezugnahme auf die amtsärztliche Stellungnahme die Durchführung einer Wiedereingliederungsmaßnahme abgelehnt habe, führt zu keiner anderen Einschätzung. Abgesehen davon, dass der Beklagte die Vorlage des vorgenannten privatärztlichen Attestes gerade zum Anlass genommen hat, eine weitere amtsärztliche Untersuchung in die Wege zu leiten (Schreiben vom 20.3.2017), verkennt die Klägerseite, dass die Zurruhesetzung eines dienstunfähigen Beamten nicht unter dem Vorbehalt einer vorherigen Durchführung einer Wiedereingliederungsmaßnahme steht. Wenn im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt die Tatbestandsvoraussetzungen für eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand vorliegen, sind abweichende Entscheidungen auch dann nicht mehr denkbar, wenn der Dienstherr die Möglichkeiten der präventiven Wiedereingliederung des Beamten nach § 84 Abs. 2 SGB IX versäumt hat (so: OVG NW, B.v. 15.12.2015 – 6 B 1022/15 – juris Rn. 9).
b) Der Bescheid unterliegt auch in materieller Hinsicht keinen durchgreifenden rechtlichen Zweifeln.
Rechtsgrundlage für die Ruhestandsversetzung des Klägers ist § 26 BeamtStG. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift sind Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig können Beamte nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 BayBG auch angesehen werden, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden (BayVGH, U.v. 28.2.2018 – 3 B 16.1996 – juris Rn. 52 m.w.N). Dabei bezieht sich die Dienstunfähigkeit auf die Erfüllung der Dienstpflichten des Amts im abstrakt-funktionellen Sinn, das heißt jenen Aufgabenbereich, der einem bestimmten Amt im statusrechtlichen Sinne bezogen auf die konkrete Behörde zugeordnet ist (vgl. Summer in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand September 2018, § 26 BeamtStG Rn. 14).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Dienstunfähigkeit zwar eine notwendige, aber keine allein ausreichende Voraussetzung für die Ruhestandsversetzung ist; von letzterer soll vielmehr nach dem Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“ nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung durch Übertragung eines anderen Amtes derselben oder einer anderen Laufbahn (§ 26 Abs. 2 BeamtStG) bzw. einer geringerwertigen Tätigkeit (§ 26 Abs. 3 BeamtStG) möglich ist. Von der Versetzung in den Ruhestand soll gemäß § 27 Abs. 1 BeamtStG auch abgesehen werden, wenn der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit). Für danach noch mögliche Verwendungen besteht eine gesetzliche Suchpflicht des Dienstherrn (BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 2 C 22.13 – BVerwGE 150, 1/3; BayVGH, U.v. 28.2.2018 – 3 B 16.1996 – juris Rn. 53).
Gemessen hieran ist der Beklagte vorliegend in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ruhestandsversetzung aufgrund seiner Erkrankung dauernd dienstunfähig war.
aa) Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger infolge seiner Erkrankung in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (st.Rspr. vgl. nur: BVerwG, U.v. 16.10.1997 – 2 C 7.97 – BVerwGE 105, 267/269 f.) – hier also im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 8. August 2017 – zur Erfüllung seiner Dienstpflichten als Finanzbeamter dauernd unfähig war.
Bei der dauernden Dienstunfähigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit eines Beamten kommt dem Dienstherrn deshalb kein der Kontrollbefugnis der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 2 C 37.13 – NVwZ-RR 2015, 625; BayVGH, U.v. 28.2.2018 – 3 B 16.1996 – juris Rn. 56).
Die Beurteilung der Dienstunfähigkeit erfordert eine anhand konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte zu treffende Prognose, dass der Beamte infolge seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten in Zukunft dauernd unfähig sein wird (vgl. BGH, U.v. 4.3.2015 – RiZ (R) 5/14 – NVwZ-RR 2015, 668/669). Dauernde Dienstunfähigkeit i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist dabei zu bejahen, wenn eine Wiedererlangung der Dienstfähigkeit aufgrund einer Erkrankung in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist, wobei dafür, was als dauernd anzusehen ist, die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 BayBG mit heranzuziehen ist (Summer, a.a.O., § 26 BeamtStG Rn. 23). Diese Norm stellt eine die Vorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ergänzende Regelung dar, mit deren Hilfe die Feststellung der Dienstunfähigkeit bei längerdauernden Erkrankungen im Einzelfall erleichtert werden kann (so zur inhaltsgleichen Regelung in § 52 SächsBG a.F.: BGH, U.v. 16.12.2010 – RiZ (R) 2/10 – NVwZ-RR 2011, 373/374). Es muss nicht mit Gewissheit feststehen, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb von sechs weiteren Monaten unwahrscheinlich ist. Es reicht vielmehr aus, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann, dass der Beamte für einen Zeitraum von mindestens sechs weiteren Monaten dienstunfähig sein wird (BGH, U.v. 16.12.2010 – RiZ (R) 2/10 – NVwZ-RR 2011, 373/374). Aufklärungsdefizite gehen zu Lasten des Dienstherrn, den insoweit die materielle Beweislast für die Feststellung der Dienstunfähigkeit trifft (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2018 – 3 B 16.1996 – juris Rn. 57; BayVGH, B.v. 12.8.2005 – 3 B 98.1080 – juris Rn. 37; NdsOVG, B.v. 1.3.2013 – 5 LB 79/11 – juris Rn. 34).
Zur Beurteilung der Dienstfähigkeit müssen deshalb zunächst die gesundheitlichen Leistungsbeeinträchtigungen des Beamten festgestellt und deren voraussichtliche Entwicklung prognostisch bewertet werden. Diese Beurteilung setzt regelmäßig eine medizinische Sachkunde voraus, über die nur ein (Amts-)Arzt verfügt (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2017 – 2 A 5.16 – DRiZ 2018, 148/149). Dementsprechend sieht Art. 65 Abs. 2 BayBG vor, dass der Dienstherr seine Einschätzung zur Dienstunfähigkeit auf der Grundlage eines (amts-)ärztlichen Gutachtens zu treffen hat (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2015 – 3 ZB 13.197 – juris Rn. 8). Das Erfordernis, einen Arzt hinzuzuziehen, bedeutet nicht, dass diesem die Entscheidung für die Beurteilung der Dienstfähigkeit des Beamten übertragen wäre. Vielmehr wird der Arzt nur als Sachverständiger tätig, um es dem Dienstherrn zu ermöglichen, die notwendigen Feststellungen treffen zu können. Dieser muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auf dieser Grundlage selbst ein eigenes Urteil bilden. Dies gilt insbesondere für die Frage, welche Folgen sich aus den ärztlicherseits festgestellten Leistungseinschränkungen des Beamten für dessen amtsbezogene Dienstpflichten ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 2 C 22.13 – BVerwGE 150, 1/5; BayVGH, U.v. 28.2.2018 – 3 B 16.1996 – juris Rn. 58).
Ein im Zurruhesetzungsverfahren verwendetes ärztliches Gutachten darf sich nicht darauf beschränken, nur ein Untersuchungsergebnis mitzuteilen. Es muss auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe enthalten, soweit deren Kenntnis für den Dienstherrn unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. Art. 67 BayBG) für die Entscheidung über die Ruhestandsversetzung erforderlich ist. Ein Gutachten muss, um Grundlage für eine vorzeitige Ruhestandsversetzung sein zu können, daher die medizinischen Befunde und Schlussfolgerungen so plausibel und nachvollziehbar darlegen, dass der Dienstherr auf ihrer Grundlage entscheiden kann, ob der Beamte zur Erfüllung der Dienstpflichten seines Amtes dauernd unfähig ist. Aus diesem Grund muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde, als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, seinen dienstlichen Anforderungen weiter zu genügen, enthalten. Es muss darüber hinaus in medizinischer Hinsicht die erforderlichen tatsächlichen Grundlagen dafür nachvollziehbar darstellen, dass der Dienstherr entscheiden kann, ob der Beamte anderweitig auf einem sonstigen Dienstposten verwendbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 2 C 37.13 – NVwZ-RR 2015, 625/626; BayVGH, U.v. 28.2.2018 – 3 B 16.1996 – juris Rn. 59).
Gemessen daran hat die Kammer keine Zweifel daran, dass der Kläger, wie sich aus den der Ruhestandsversetzung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen ergibt, im maßgebenden Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig und somit dienstunfähig gemäß § 26 Abs. 1 BeamtStG war. Dabei geht die Kammer von folgendem Sachverhalt aus:
Der Kläger weist seit dem Jahr 1998 ganz erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten auf. So war er nach den zwischen den Beteiligten unstreitigen Feststellungen des Beklagten seit dem 1. Januar 1998 wiederholt längerfristig und seit dem 8 Juni 2016 bis zu seiner Ruhestandsversetzung (31.8.2017) ununterbrochen dienstunfähig erkrankt (Fehlzeiten 1998: 47 Arbeitstage; 1999: 29; 2000: 198; 2001: 83; 2002: 65; 2003: 144; 2004: 61; 2005: 78; 2006: 81; 2007: 47; 2008: 194; 2009: 33; 2010: 38; 2011: 56; 2012: 186; 2013: 31; 2014: 103; 2015: 45; 2016: 162).
Bei dem jedenfalls seit der Untersuchung durch den von der Amtsärztin der Regierung von Oberfranken mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragten Facharzt für Orthopädie, Dr. A …, am 17. Mai 2017 und – nach eigenem Bekunden in der mündlichen Verhandlung – auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts beschwerdefreien Kläger sind auf orthopädischem Fachgebiet aufgrund degenerativer Vorschäden Funktionseinschränkungen bzw. Belastungsminderungen im Bereich der Wirbelsäule zu diagnostizieren. So sind im Bereich der Halswirbelsäule muskuläre Verspannungen mit lage- und belastungsabhängigen Cervikobrachialgien links bei Verschleiß und Bandscheibenschäden, d.h. eine deutliche Osteochondrose C5/C6 mit Foramenstenose in diesem Segment sowie Spondylarthrosen C5 bis C7 beidseits festzustellen. Dabei kann es wiederkehrend lage- und belastungsabhängig zu den bereits in der Vergangenheit aufgetretenen linksseitigen Cervikobrachialgien kommen. Im Bereich der Lendenwirbelsäule liegt aufgrund einer degenerativen Schädigung, d.h. einer linkskonvexen Skoliose, Spondylarthrosen L4 bis S1 sowie einer deutlichen Osteochondrose L5/S1 eine Belastungsminderung vor. Trotz dieser Gesundheitsstörungen auf dem orthopädischen Fachgebiet ist zwar insoweit von einer Dienstfähigkeit auszugehen.
Auf dem psychiatrischen Fachgebiet ist jedoch eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41) zu diagnostizieren. Diese Erkrankung liegt dann vor, wenn eine chronische Schmerzsymptomatik, die ihren Ursprung in einer körperlichen Störung hat, über eine Zeitdauer von mindestens sechs Monaten besteht und wenn psychische Faktoren an der Aufrechterhaltung oder Verschlimmerung der Schmerzsymptomatik beteiligt sind. Dabei war zwar anders als beispielsweise im Jahr 2000, als sich bei dem Kläger ein chronifiziertes depressives Bild mit psychovegetativen Störungen zeigte, im Zeitpunkt der Begutachtung keine psychische Beeinträchtigung (z.B. in Gestalt einer Depression oder eine Angststörung) feststellbar. Bei dem Kläger liegen jedoch psychische Faktoren vor, denen „eine wichtige Rolle für Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen beigemessen“ wird (ICD-10 F45.41).
Zu diesen Faktoren zählen u.a. die psychosozialen Belastungsfaktoren, denen der Kläger seit vielen Jahren, d.h. seit Beginn seiner Berufslaufbahn in der Finanzverwaltung durch zum Teil ganz erhebliche Konflikte mit Vorgesetzten und Kollegen an seinem Arbeitsplatz ausgesetzt ist. Diese Arbeitsplatzprobleme haben sich über einen sehr langen Zeitraum auf den verschiedenen Dienstposten, auf denen der Kläger im Bereich des Finanzamts … im Laufe der Jahre eingesetzt war, in unterschiedlicher Weise geäußert.
So lässt sich den Akten entnehmen, dass es bereits beginnend mit dem Konflikt im Hinblick auf die Probezeitbeurteilung im Jahr 1990 – im Rahmen dessen einerseits der Kläger in seiner Gegendarstellung vom 25. Oktober 1990 auf seine „verzweifelte Lage“ hingewiesen, andererseits die Bezirksfinanzdirektion München dem Kläger in ihrer hierzu ergangenen Stellungnahme vom 22. November 1990 u.a. einen „deutlichen und nie verhehlten Mangel an Interesse, Einsatzbereitschaft und fachlicher Eignung“ vorgeworfen und die Eignung als Lebenszeitbeamter abgesprochen hatte – massive Differenzen zwischen dem Kläger und seinem Dienstherrn gab.
Diese Konflikte setzten sich – neben der im Jahr 1999 von Dienstherrn ausgesprochenen Verpflichtung, schon für einzelne Krankheitstage ärztliche Atteste vorzulegen – in dienstlichen Rügen wegen seines allgemeinen dienstlichen Verhaltens bzw. wegen der Qualität und Quantität seiner Arbeitsleistung in den Jahren 1999 und 2002 fort. Dabei kommt der Vorwurf einer kontinuierlich unterdurchschnittlichen Arbeitsleistung nicht nur in den Untersuchungsaufträgen des Finanzamts Bamberg an die Regierung von Oberfranken vom 5. März 2012 und vom 18. November 2016 deutlich zum Ausdruck. Vielmehr fanden diese Auseinandersetzungen um die Quantität und Qualität der vom Kläger erbrachten Arbeitsleistungen ihren Niederschlag in den periodischen dienstlichen Beurteilungen, die der letztmalig im Jahr 1997 beförderte Kläger – nach eigenem Bekunden – als Zurücksetzung empfand: so erhielt er in seiner periodischen dienstlichen Beurteilung von 2008 – bei einem 16-Punkte-Rahmen – nur ein Gesamtergebnis von 3 Punkten und konnte sich in den Beurteilungen von 2011 (Gesamtergebnis 4 Punkte) und 2014 (Gesamtergebnis 5 Punkte) nur leicht steigern.
Begleitet wurden diese mit den Dienstvorgesetzten bestehenden Konflikte von bereits frühzeitig vom Kläger erhobenen Mobbingvorwürfen gegenüber seinen Kollegen, die beispielhaft in dem an ihn gerichteten massiven Vorwurf eines Kollegen, „du bist blöder als ein Anfänger“ zum Ausdruck kamen.
Als weitere psychische Faktoren im vorgenannten Sinne sind zunächst die obengenannten erheblichen krankheitsbedingte Fehlzeiten anzusehen, die – nach amtsärztlicher Feststellung – in den letzten 19 Jahren 43 v.H. ausmachten, und die an sich als erhebliche soziale Konsequenz einzustufen sind. Denn auch nach den Wiedereingliederungen, mit denen ein schonender Wiedereinstieg in den Beruf gefördert werden soll, kam es aufgrund der durch die langen Abwesenheitszeiten verursachten Arbeits- und Fortbildungsrückstände erneut zu Konflikten am Arbeitsplatz und damit zu einem erlebten Versagen.
Hinzu kommen bei dem Kläger weitere Faktoren, die für Schweregrad, Exazerbation bzw. Aufrechterhaltung der Schmerzen, eine große Rolle spielen. In diesem Zusammenhang ist zunächst bei dem Kläger eine unrealistische Selbsteinschätzung des eigenen Leistungsvermögens festzustellen, d.h. der Kläger stuft sich selbst als ausdauernd und belastbar ein und zeigt dadurch eine überhöhte und idealisierte Selbstsicht. Weiterhin ist bei ihm eine Bagatellisierungs- und Leugnungstendenz zu konstatieren. Denn der Kläger negiert die eigenen Leistungsmängel und spielt die mit den o.g. massiven Arbeitsplatzkonflikten einhergehenden Kränkungen bzw. Beeinträchtigungen des Selbstwertgefühls, herunter. Schließlich kommt es aufgrund der bei ihm feststellbaren Leugnungstendenz, d.h. dem Negieren tatsächlich vorhandener Symptome, zu einer unbewussten Wegverlagerung der Ursachen: der Kläger negiert den psychischen Leidensdruck und sieht die Ursache für seine Krankheitsphasen allein in organischen Gründen Folge dieser fortbestehenden Faktoren waren in der Vergangenheit erhebliche gesundheitliche Auswirkungen auch auf dem psychiatrischen Fachgebiet. So wurde bei dem Kläger bereits in den Jahren 1999 und 2000 ein chronifiziertes depressives Bild (Dr. K … vom 6.11.2000) sowie eine eingeschränkte psychische Leistungsfähigkeit diagnostiziert und die Behandlung in einer psychosomatischen Klinik empfohlen (Landratsamt … vom 7.11.2000, Regierung von Oberfranken vom 7.3.2001). Auch im Jahr 2009 konstatierte die Regierung von Oberfranken (22.7.2009) eine Erkrankung auf nervenärztlichem Fachgebiet.
Es mag zwar sein, dass der Kläger aktuell beschwerdefrei ist. Aber anders als die Klägerseite meint, ist nicht von einer Rückentwicklung der psychischen Befunde bzw. Beschwerden auszugehen. Denn der Kläger hat seit Juni 2016 nicht mehr gearbeitet, d.h. er ist seit mehr als zwei Jahren den o.g. psychosozialen Belastungsfaktoren nicht mehr ausgesetzt, so dass zu erwarten ist, dass im Falle einer Reaktivierung die Schmerzepisoden wieder auftreten werden.
In einer Gesamtschau ist unter Berücksichtigung des sich über viele Jahre erstreckenden Krankheitsverlaufs und der Schmerzintervalle, in Anbetracht der degenerativen Schädigung der Wirbelsäule und der bei dem Kläger vorliegenden intrapsychischen Verarbeitungsmechanismen auch in Zukunft und auch nach Besserung der Grunderkrankung von einer Wiederholung der Krankheitsepisoden auszugehen, so dass mithin nur von einer sporadischen Dienstfähigkeit des Klägers auszugehen ist.
Bei dieser Einschätzung stützt sich das Gericht auf die Gesundheitszeugnisse der Amtsärztin Dr. K … (Regierung von Oberfranken) vom 18. Januar 2017, 28. März 2017 und vom 23. Juni 2017, auf das fachorthopädische Gutachten von Dr. A … vom 3. Juni 2017, auf die Gutachten von Dipl. Psych. B … vom 20. Juni 2017 und vom 14. Mai 2018 sowie auf die Erläuterungen der Gutachterinnen B … und Dr. K … (Regierung von Oberfranken) in der mündlichen Verhandlung.
Das schlüssige und in sich widerspruchsfreie fachorthopädische Gutachten von Dr. A …, dessen fachliche Beurteilung auch von der Amtsärztin geteilt wird, haben die Beteiligten nicht in Zweifel gezogen. Das Gericht folgt dieser Einschätzung.
In ihren psychiatrischen Gutachten vom 20. Juni 2017 und vom 14. Mai 2018 verneint die Gutachterin Dipl. Psych. B … auf der Grundlage der erhobenen Befunde wegen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Klägers nach wie vor sowohl dessen uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den Dienst, als auch die Aussicht auf Wiedererlangung dieser Eignung binnen zwei Jahren. Auch dieser von der Amtsärztin geteilten und ebenfalls plausiblen und widerspruchsfreien Einschätzung folgt die Kammer. Die schriftlich niedergelegten Feststellungen haben sowohl die Gutachterin als auch die Amtsärztin in der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2019 plausibel und nachvollziehbar wiederholt.
Das Gericht folgt diesen gutachterlichen Ausführungen und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung. Den genannten Gutachten, insbesondere den Gesundheitszeugnissen der Regierung von Oberfranken vom 18. Januar 2017, 28. März 2017 und vom 23. Juni 2017, mit denen sich die Amtsärztin die gutachterlichen Stellungnahmen der von ihr beauftragten Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie B … vom 20. Juni 2017 und vom 14. Mai 2018 zu eigen macht, kommt als neutrale, unabhängige, in Distanz zu beiden Beteiligten stehende Einschätzung im Verhältnis zu den vorgelegten privatärztlichen Attesten eine vorrangige Bedeutung zu (st.Rspr. vgl. nur: BVerwG, U.v. 9.10.2002 – 1 D 3.02 – juris Rn. 22; BVerwG, U.v. 12.10.2006 – 1 D 2.05 – juris Rn. 35; BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 2 C 22.13 – BVerwGE 150, 1/6 Rn. 20; BVerwG, U.v. 16.11.2017 – 2 A 5/16 – juris Rn. 24)
Die Ausführungen in den genannten Gutachten sind schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Sie liegen im Übrigen auch auf einer Linie mit den sonstigen vorliegenden ärztlichen Befunden und fügen sich zu einem homogenen, widerspruchsfreien Gesamtbild. Die von der Klägerseite unter Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. K … vom 15. März 2018 erhobenen Einwände greifen nicht durch: Zutreffend verweist die Gutachterin B … auf den Umstand, dass Dr. K … weder die langjährige Krankheitsgeschichte des Klägers noch die psychosozialen Belastungsfaktoren, denen der Kläger seit Jahren aufgrund der Konflikte am Arbeitsplatz ausgesetzt war, hinreichend gewürdigt hat (vgl. Gutachten B … vom 14.5.2018, S. 2 ff.). Darüber hinaus ist auch der pauschale und nicht substantiierte Vorwurf von Dr. K … (Gutachten vom 15.3.2018, S. 6), die Kriterien der von der Gutachterin B … festgestellten Dissimulation habe er „jetzt nicht bestätigen“ können, nicht geeignet, die Gutachten von Dipl. Psych. B … vom 20. Juni 2017 und vom 14. Mai 2018 nachhaltig zu entkräften. Denn die Gutachterin hat nicht zuletzt auch durch ihre eingehenden, plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass sie auf der Grundlage des von ihr angewandten, wissenschaftlich anerkannten Testverfahrens (MMPI) zu dem Ergebnis einer nicht authentischen Selbstdarstellung des Klägers gekommen ist. Sie hat auch näher erläutert, dass sie die in ihrem schriftlichen Gutachten erfolgte Bezeichnung dieser Selbstdarstellung als „Dissimulation“ nunmehr als Überinterpretation sehen und eher als „Verleugnungstendenz“ bezeichnen würde. Sie hat ferner nachvollziehbar dargelegt, dass sich die vielfältigen, vom Kläger erlebten Kränkungen am Arbeitsplatz aufgrund dieser Verleugnungstendenz nicht in psychischen Leiden wie einer Depression, sondern in einer Verstärkung der Schmerzsymptomatik niedergeschlagen hätten. Diesen überzeugenden Gegenargumenten ist die Klägerseite nicht entgegengetreten.
Berechtigte Gründe für ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Gutachterinnen sind nicht ersichtlich. Solche Gründe wären nur dann gegeben, wenn der Kläger von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger und objektiver Betrachtung davon hätte ausgehen dürfen, die Amtsärztin bzw. die Sachverständige werde ihr Gutachten nicht unvoreingenommen erstatten. Aspekte, die für eine solche Sichtweise sprechen könnten, sind aber weder ersichtlich noch vorgetragen.
Mithin erfüllte der Kläger im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. des Erlasses des Bescheids am 8. August 2017 nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen zur dauerhaften Erfüllung seiner Dienstpflichten.
bb) Angesichts dieser Sachlage ist auch die Einschätzung des Beklagten, dass eine anderweitige Verwendung nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG nicht in Betracht kommt, nicht zu beanstanden.
2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
3. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.


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