Arbeitsrecht

Schadensersatzanspruch bei Minderung des Anspruchs auf Elterngeld wegen verspäteter Entgeltzahlung

Aktenzeichen  2 Sa 253/20

Datum:
20.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 5313
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249, § 286
BEEG § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 2c, § 2e, § 2f
EStG § 3 Nr. 67 lit. b, § 19 Nr. 1, § 32b Abs. 1 Nr. 1 lit. j
LStR R 39b.2

 

Leitsatz

Führt die verspätete Entgeltzahlung auf Grund gesetzlicher Vorschriften zu einer Minderung des Anspruchs auf Elterngeld, hat der Arbeitgeber den entsprechenden Schaden nach § 286 BGB zu ersetzen. Der Arbeitnehmer muss sich jedoch durch die verspätete Zahlung entstehende Steuervorteile im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen. (Rn. 34 und 38 – 39)

Verfahrensgang

5 Ca 841/19 2020-02-24 Endurteil ARBGBAMBERG ArbG Bamberg

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 24.02.2020, Az. 5 Ca 841/19 aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen.
Während im erstinstanzlichen Urteilsverfahren die Anwendung des § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 2 ArbGG), ist im Berufungsverfahren eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 64 Abs. 6 ArbGG statthaft. Denn im Verweisungskatalog des § 64 Abs. 7 ArbGG fehlt die Bestimmung des § 46 Abs. 2 ArbGG (Schwab/Weth, ArbGG, 5. Aufl., 2017, § 64 ArbGG, Rn 236).
Die Voraussetzungen für die Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO sind erfüllt. Beide Parteien haben schriftsätzlich ihr Einverständnis erklärt (§ 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Dreimonatsfrist des § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist eingehalten. Da im vorliegenden Verfahren nur Rechtsfragen zu entscheiden waren, konnte im Rahmen des dem Gericht nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingeräumten Ermessens auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werden.
B.
Die Berufung ist zulässig.
I.
Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
II.
Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es nicht an der Beschwer der Beklagten.
1. Ein Rechtsmittelverfahren soll dem Rechtsmittelkläger Gelegenheit geben, eine ihm ungünstige vorinstanzliche Entscheidung durch Inanspruchnahme einer weiteren Instanz überprüfen zu lassen. Der Rechtsmittelkläger muss deshalb bei der Einlegung und noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel beschwert sein. Bei einer zur Zahlung verurteilten Partei ist dies nicht (mehr) der Fall, wenn sie den Urteilsbetrag nicht nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil bezahlt, sondern den Klageanspruch aus freien Stücken ohne Vorbehalt endgültig erfüllen will (BAG 28.06.2017 – 5 AZR 263/16 Rn 16 mwN).
2. Eine das Fehlen oder den Wegfall der Beschwer bedingende vorbehaltlose Zahlung des Beklagten hat die Klägerin nicht dargetan. Vorliegend haben die Beklagten nach Verkündung des Ersturteils gezahlt, ohne dass die Klägerin eine Zwangsvollstreckung angekündigt hatte. Der Inhalt des von der Klägerin vorgelegten Kontoauszugs (Verwendungszweck: „Zahlung laut Urteil vom 24.02.“) enthält keine Angaben, die eine Aussage darüber zulassen, ob (lediglich) zur Abwendung einer aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils möglichen Zwangsvollstreckung gezahlt worden ist, oder ob es mit dem Unterliegen in der Berufungsinstanz für die Beklagten sein Bewenden haben soll. Bei dieser Sachlage ist wegen des verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatzes der prozessualen Meistbegünstigung (BVerfGE 49, 220, 226; 77, 275, 284; 84, 366, 369 f.) nicht anzunehmen, dass der Zahlung eine streitbeendende und die Beschwer ausschließende Bedeutung zukommt (BGH 29.01.2016 – V ZR 97/15 Rn 8 mwN; BAG 28.06.2017 – 5 AZR 263/16 Rn 17 für die Zahlung des ausgeurteilten Betrags unter Ankündigung „in Erfüllung des Urteils“; LAG Rheinland-Pfalz, 18.10.2018 – 4 Sa 412/17 Rn 22, juris).
C.
Die Berufung ist begründet.
Die Beklagten haben mit der verspäteten Zahlung des Entgelts für April – Juni 2018 erst im Jahre 2019 zwar ihre Pflichten schuldhaft verletzt. Deswegen hat die Klägerin auch ein um den streitgegenständlichen Betrag niedrigeres Elterngeld erhalten. Der Klägerin ist jedoch kein Schaden entstanden, da die steuerlichen Vorteile den entstandenen Schaden vollständig kompensieren.
I.
Wie das Arbeitsgericht richtig erkannt hat, sind die Beklagten grundsätzlich zum Ersatz der Schäden verpflichtet, die der Klägerin durch die verspätete Entgelt- bzw. Entgeltfortzahlung für die Monate April bis Mai 2018 entstanden sind (§ 286 BGB). Die Zahlungen erfolgten pflichtwidrig und verschuldet erst im Juli 2019. Insoweit wird auf die Gründe im Urteil des Arbeitsgerichts Seiten 16 und 17 Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
II.
Die Klägerin kann von den Beklagten den Ersatz desjenigen Schadens verlangen, der ihr durch die verzögerte Zahlung des Entgelts für die Monate April bis Juni 2018 entstanden ist. Inhalt und Umfang des Verzögerungsschadens richten sich nach §§ 249 ff. BGB. Die Klägerin ist so zu stellen, wie sie bei rechtzeitiger Zahlung stehen würde.
1. Durch die Zahlung des Entgelts für April bis Juni 2018 nach dem arbeitsvertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt und nach Ablauf der ersten drei Kalenderwochen des Jahres 2018 erst im Juli 2019 ist der Klägerin ein Schaden in Form eines verminderten Elterngeldes entstanden, weil die Bezüge für diese drei Monate dadurch lohnsteuerrechtlich als sonstige Bezüge zu behandeln und für die Berechnung des Elterngeldes nicht zu berücksichtigen waren (LAG Düsseldorf 17.05.2020 – 12 Sa 716/19 Rn 89 ff).
a. Gemäß § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG wird für die Berechnung des Elterngeldes der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f BEEG als Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit berücksichtigt. Nicht berücksichtigt werden gemäß § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind.
b. Seit Inkrafttreten des BEEG am 01.01.2007 stellten der Wortlaut und die Begründung des Gesetzes in verschiedenen Fassungen zunächst in § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG und später in § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG durchgehend darauf ab, die lohnsteuerrechtlich als Besonderheit geltenden sonstigen Bezüge bei der Bemessung des Elterngelds auszuschließen. Dieser steuerrechtsakzessorische Ansatz wurde durch die seit 01.01.2015 geltende Fassung des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG vom BEEG-Gesetzgeber fortgeführt und bekräftigt. Demnach sollen alle Lohn- oder Gehaltsbestandteile, die richtigerweise nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind (Hinweis auf LStR R 39b.2 Abs. 2), auch elterngeldrechtlich so behandelt werden (BSG 27.06.2019 – B 10 EG 2/18 R, juris Rn. 22 im Anschluss an die grundlegende Entscheidung BSG 14.12.2017 – B 10 EG 7/17 R, juris). Nach dieser klaren gesetzlichen Regelung kommt es dann, wenn eine Lohn- oder Gehaltsnachzahlung des Arbeitgebers als sonstiger Bezug nach § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG zu bewerten ist und dem Bemessungsentgelt nicht zugeordnet werden kann, nicht darauf an, für welchen Zeitraum der Arbeitgeber die Nachzahlung schuldet oder der Arbeitnehmer diese „erwirtschaftet“ oder „erarbeitet“ – also „erzielt“ – hat (BSG 27.06.2019 a.a.O. Rn. 25).
c. Laufender Arbeitslohn ist nach der LStR R 39b.2 Abs. 1 Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließt, wie z.B. Monatsgehälter (Nr. 1) oder Wochen- und Tageslöhne (Nr. 2). Zum laufenden Arbeitslohn gehören aber auch Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich diese ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume beziehen, die im Kalenderjahr der Zahlung enden (Nr. 6), und Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließt (Nr. 7). Zu den sonstigen Bezügen zählen Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden, oder, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt (LStR R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8). Die in der LStR R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 enthaltene Abgrenzungsregelung ist im Rahmen des § 2c Abs. 1 S. 2 BEEG bei der Bestimmung einer Lohn- oder Gehaltsnachzahlung als sonstiger Bezug zu übernehmen (BSG 27.06.2019 a.a.O. Rn. 28 ff.). Für nach Ablauf des Kalenderjahres zugeflossene Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen konkretisiert die Drei-Wochen-Frist die aus den materiell-rechtlichen Regelungen des EStG abgeleitete Bestimmung des Begriffs des sonstigen Bezugs in seiner zeitlichen Dimension. Hiernach gehören zu den sonstigen Bezügen alle Entgeltzahlungen, deren Zahlungszeiträume von dem als Regel vorgesehenen Zahlungsturnus für Arbeitslohn nicht nur unerheblich abweichen. Dies ist bei Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen für das Vorjahr bei Überschreiten der Drei-Wochen-Grenze des Folgejahres der Fall (BSG 27.06.2019 a.a.O. Rn. 35). Dementsprechend hat das Bundessozialgericht eine im April 2014 erfolgte Gehaltsnachzahlung für die Monate August bis Dezember 2013 lohnsteuerrechtlich als sonstigen Bezug eingeordnet, der für die Bemessung des Elterngeldes nicht heranzuziehen war (BSG 27.06.2019 a.a.O. Rn. 38, 40). Daran ändert der Umstand, dass die verspätete Zahlung auf einem möglicherweise schuldhaften Verhalten des Arbeitgebers beruht, nichts (BSG 27.06.2019 a.a.O. Rn. 41).
2. Genauso liegt der Sachverhalt hier. Die monatliche Vergütung der Klägerin für April bis Juni ist ihr erst nach Ablauf von drei Wochen des Jahres 2018 im Juli 2019 zugeflossen und deshalb lohnsteuerrechtlich zutreffend als sonstiger Bezug eingeordnet worden. Auf die Pflichtverletzung bzw. das Vertretenmüssen des Beklagten kommt es in diesem Zusammenhang für die Bemessung der Berechnungsgrundlage des Elterngeldes nicht an. Die verspätete Entgeltzahlung hat für die Zeit vom 09.02.2018 – 08.02.2020 zu einem um 933,16 € niedrigeren Elterngeld geführt als bei Zahlung des Entgelts bei Fälligkeit. Diese Feststellung des Arbeitsgerichts ist im Berufungsverfahren nicht angegriffen worden. Vielmehr ist nur die Frage der Anrechnung der Steuervorteile von den Beklagten als die „einzige entscheidungserhebliche Frage“ bezeichnet worden (Schriftsatz vom 17.08.2020 unter I.3, Blatt 132 der Akten) und gilt daher als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
3. Die Klägerin muss sich jedoch den Steuervorteil, den sie durch die verspätete Entgeltzahlung der Beklagten im Jahre 2019 erhalten hat, im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen.
a. Durch die verspätete Entgeltzahlung für die Monate April und Mai 2018 erst im Jahre 2019 kam die Klägerin in den Genuss eines Steuervorteils von jeweils 629,92 €, insgesamt also von 1.259,84 €. Die Klägerin hat im Jahre 2019 unstreitig kein steuerpflichtiges Einkommen erzielt. Das bezogene Elterngeld unterliegt nach § 3 Nr. 67 lit b. EStG nicht der Einkommensteuer. Die Beklagten haben daher im Rahmen der verspäteten Abrechnung und Auszahlung des Entgelts für April und Mai 2018 Lohnsteuer nicht in Abzug gebracht. Diese hatte – wie aus der Abrechnung für März 2018 ersichtlich – unstreitig 629,92 € monatlich betragen. Die Klägerin ist dieser Berechnung der Beklagten nicht entgegengetreten.
b. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind ersparte Steuern grundsätzlich im Rahmen der Vorteilsausgleichung auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen. Die Anrechnung ist das spiegelbildliche Gegenstück zur Ersatzpflicht eines Steuerschadens durch verspätete Entgeltzahlung (vgl. BAG 14.05.1998 – 8 AZR 634/96 Rn 24). Eine Anrechnung erfolgt allerdings nicht, wenn die Schadensersatzleistung ihrerseits zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt. Darüber hinaus sind auch die allgemeinen Grundsätze der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen. Danach sind nur solche Vorteile schadensmindernd zu berücksichtigen, die in einem adäquat-ursächlichen Zusammenhang mit dem Schadensereignis stehen und deren Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entspricht sowie weder den Geschädigten unzumutbar belasten noch den Schädiger unbillig entlasten (st. Rspr. z.B. BGH 28.01.2014 – XI ZR 495/12 Rn 11 f mwN).
aa. Die Schadensersatzleistung führt vorliegend nicht ihrerseits zu einer Besteuerung bei der Klägerin. Die Klägerin macht als Schaden entgangenes Elterngeld geltend. Das Elterngeld ist nach § 3 Nr. 67 EStG steuerfrei. Der Ausgleich dieses Schadens unterliegt nicht seinerseits der Besteuerung. Gemäß § 19 Nr. 1 EStG gehören zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung gewährt werden. Elterngeld wird nicht vom Arbeitgeber gewährt, sondern ist eine staatliche Leistung. Sie wird aus familienpolitischen Zwecken als Entgeltersatzleistung für die Nichtbeschäftigung (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG) gewährt. Zwar unterliegt das Elterngeld in voller Höhe dem Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1. Nr. 1 Buchst. j EStG). Die Klägerin hat jedoch nicht geltend gemacht, dass in ihrem Fall der Steuervorteil durch die Progression oder wegen weiterer Einkünfte wieder vermindert worden wäre.
bb. Der Steuervorteil der Klägerin steht in einem adäquat ursächlichen Zusammenhang mit der verspäteten Zahlung des Entgelts. Hätte die Beklagte zu 1) die Entgeltzahlungen für April und Mai 2018 zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt gezahlt, wären 629,92 € Lohnsteuer abgeführt worden. Durch die Zahlung erst im Juli 2019, fiel keine Lohnsteuer an. Dass die Höhe der zu zahlenden Einkommensteuer variiert je nach dem erzielten Einkommen ist regelmäßig die unmittelbare Folge einer verspäteten Zahlung in einem späteren Veranlagungszeitraum.
cc. Die Anrechnung des Steuervorteils auf den Schaden entspricht auch dem Zweck des Schadensersatzes. Der Zweck der Steuervergünstigung, hier der Steuerbefreiung des Elterngelds nach § 3 Nr. 67 EStG, steht einer Entlastung des Schädigers nicht entgegen. Denn die Steuerbefreiung des Elterngeldes dient nicht dazu, dem Geschädigten einen Ausgleich für Benachteiligungen zu gewähren und eine Schlechterstellung zu vermeiden. Vielmehr finden in dieser Steuerbefreiung – jedenfalls auch – sozialpolitische Erwägungen ihren Ausdruck, dem in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmer auch über steuerliche Vergünstigungen finanzielle Hilfe zukommen zu lassen. Sie führt damit – wie das auch für Steuerersparnisse aus Steuerbefreiungen für Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und für das Arbeitslosengeld (BGH 26.02.1980 – VI ZR 2/79 = NJW 1980, 1788), für Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes (BGH 30.05.1989 – VI ZR 193/88 Rn 11 juris) sowie für die günstigere Versteuerung der aus der gesetzlichen Rentenversicherung gewährten Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten (BGH 10.02.1987 – VI ZR 17/86) gilt – zu einer materiellen Besserstellung der Geschädigten, die als solche für den Schadensausgleich zu berücksichtigen ist. Wie auch in anderen Fällen der Steuervergünstigungen nach § 3 EStG reicht deswegen der genannte sozialpolitische Zweck nicht aus, die steuerliche Entlastung unberücksichtigt zu lassen. Solange nicht klar erkennbar ist, dass die steuerliche Entlastung der Vermeidung einer sonst gegebenen Schlechterstellung des Geschädigten dient, ist diese bei der Schadensbemessung zu berücksichtigen (BGH 30.05.1989 – VI ZR 193/88 Rn 11 juris).
dd. Es ist nicht ersichtlich, dass die Anrechnung des Steuervorteils die Klägerin unzumutbar belasten würde. Der Steuervorteil durch die verspätete Zahlung des Entgelts für April und Mai beträgt 1.259,84 €. Bei rechtzeitiger Entgeltzahlung im Jahr 2018 hätte die Klägerin insgesamt ein um 933,16 € höheres Elterngeld erhalten. Die Klägerin steht somit nur bezogen auf diese beiden Monate um 326,68 € besser als bei rechtzeitiger Zahlung. Dass die Beklagten als Schädiger durch die Anrechnung des Steuervorteils unbillig entlastet würden ist ebenfalls nicht erkennbar. Die sozialrechtlichen (niedrigeres Elterngeld) und die steuerrechtlichen (Steuerfreiheit des Elterngelds) Folgen der verspäteten Entgeltzahlung stehen in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und haben daher einen Bezug zur Schädigungshandlung.
III.
Wegen der Anrechnung der Steuervorteile war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
D.
I.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits insgesamt zu tragen, §§ 91, 97 ZPO.
II.
Gesetzliche Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 72 Abs. 2 ArbGG.


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