Arbeitsrecht

Sozialhilfe, Grundsicherung, Bescheid, Leistungen, Lebensunterhalt, Streitwert, Gerichtsbescheid, Auskunftsanspruch, Beschwerde, Anfechtungsklage, Anspruch, Auffangstreitwert, Wohnung, Forderung, Bedeutung der Sache, wirtschaftliche Bedeutung, Hilfe zum Lebensunterhalt

Aktenzeichen  L 18 SO 148/19 B

Datum:
21.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38199
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

S 5 SO 50/18 2019-04-15 GeB SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

Die Beschwerden des Beschwerdeführers zu 1) und des Beschwerdeführers zu 2) gegen Ziffer III des Gerichtsbescheids vom 15.04.2019 werden zurückgewiesen.

Gründe

I.
Gegenstand des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG) war die Überleitung eines Rückforderungsanspruchs des Vaters des Beschwerdeführers zu 1), K. A. (M), aus einer Schenkung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück mit Haus an den Beschwerdeführer zu 1) auf den Beschwerdegegner gemäß § 93 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der Beschwerdegegner gewährte M anlässlich eines Heimaufenthalts im Seniorenzentrum K. seit dem 25.09.2014 Grundsicherung, sonstige Hilfe zum Lebensunterhalt als Barbetrag zur persönlichen Verfügung sowie Hilfe zur Pflege. Eigentümer des Grundstückes A-Straße in M-Stadt war M. Am 22.02.2006 ließ M das Haus in zwei Eigentumswohnungen (EG und 1. Stock) mit Teilungserklärung nach § 8 WEG aufteilen (URNr. …/2005). Hierbei umfasste die Wohnung im Erdgeschoss einen Anteil in Höhe von 65/100, bestehend aus der Wohnung im Erdgeschoss, beiden Räumen im Kellergeschoss, den Räumen im Dachgeschoss sowie beiden Garagen nebst Abstellräumen. Mit Überlassungsvertrag (URNr. …/2011) vom 06.06.2011 überließ M dem Beschwerdeführer zu 1) unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den Miteigentumsanteil in Höhe von 65/100 betreffend die Wohnung im Erdgeschoss. Es wurde vereinbart, dass der Beschwerdeführer zu 1) keine Gegenleistung zu erbringen habe. Das Eigentum wurde von M lastenfrei an den Beschwerdeführer zu 1) übergeben, der seiner Mutter ohne rechtliche Verpflichtung ein Wohnrecht im Haus gewährte. Sie hat lediglich Nebenkosten in Höhe von 170,00 EUR monatlich zu zahlen.
Mit Bescheid vom 10.11.2017 (Widerspruchsbescheid vom 06.03.2018) leitete der Beschwerdegegner den Rückforderungsanspruch des M gegen den Beschwerdeführer zu 1) aus der am 06.06.2011 getätigten Schenkung (Immobilienübergabe) ab 01.01.2015 über. Der Herausgabeanspruch bestehe bis zur Höhe des Schenkungswertes von 74.936,00 EUR. Eine Schenkung sei nicht auszuschließen, die vorgebrachten Argumente beträfen ausschließlich den zivilrechtlichen Charakter der Schenkung. Die Ermessensausübung habe ergeben, dass ein verbleibender Anspruch in Höhe bis zu 74.936,00 EUR übergeleitet werde, da den Eltern bzw. der Mutter des Beschwerdeführers zu 1) u.a. ein mietfreies Wohnen gewährleistet werde.
Die am 09.04.2018 hiergegen erhobene Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 15.04.2019 abgewiesen (Ziff. I), die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdeführer zu 1) auferlegt (Ziff. II) und den Streitwert auf 5.000,00 EUR festgesetzt (Ziff. III). Bei einer Überleitung nach § 93 SGB XII bestünden in aller Regel keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts; vielmehr sei nach § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) der sogenannte Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen. Für Streitfälle um einen Auskunftsanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 117 SGB XII sei die regelmäßige Annahme des Auffangstreitwerts anerkannt (vgl. BSG, Beschluss vom 14.05.2012 – B 8 SO 78/11 B). Zwar diene die sog. Überleitung (Übergang von Ansprüchen) nach § 93 SGB XII – anders als ein Auskunftsanspruch nach § 117 SGB XII – nicht allein der Vorbereitung einer Herstellung des Nachrangs der Sozialhilfe. Die Überleitung stelle den Nachrang der Sozialhilfe vielmehr selbst her. Ebenso wie beim Auskunftsanspruch könne jedoch auch im Fall der Überleitung (noch) nicht festgestellt werden, ob bzw. in welcher Höhe der übergeleitete Anspruch tatsächlich bestehe oder durchsetzbar sei. Denn ebenso wie bei einem Auskunftsanspruch sei eine Überleitungsanzeige nur dann rechtswidrig, wenn das Bestehen des (übergeleiteten) Anspruchs evident ausgeschlossen sei (sog. Grundsatz der Negativevidenz; vgl. z.B. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 93 Nr. 13 und § 117 Rn. 16 m. w. N.; ferner BSG, Beschluss vom 25.04.2013 – B 8 SO 104/12 B). Die Überleitung bewirke für den (möglichen) Anspruch deshalb lediglich einen Wechsel der Gläubigerstellung weg vom ursprünglichen Inhaber hin zum Sozialhilfeträger. Hingegen stehe mit der Überleitung nicht zugleich fest, dass der Anspruch auch tatsächlich überhaupt oder in der konkret angegebenen Höhe bestehe.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers zu 1) für diesen und aus eigenem Recht als Beschwerdeführer zu 2) Streitwertbeschwerden eingelegt, die am 14.05.2019 beim SG und am 20.05.2019 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingegangen sind. Zur Beschwerdebegründung wird insbesondere vorgetragen, dass der Beschwerdegegner vom 01.01.2015 bis 31.10.2017 Sozialhilfemittel in Höhe von 43.294,19 EUR erbracht habe. M (Hilfeempfänger) sei auch über den 31.10.2017 hinaus bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf Leistungen des Beschwerdegegners angewiesen, welche weiterhin in der Zukunft auf den Beschwerdegegner übergingen. Bei Gesamtaufwendungen von 43.294,19 EUR über einen Zeitraum von 30 Monaten ergebe sich damit ein monatlicher Kostenaufwand für M in Höhe von 1.443,14 EUR. Bis einschließlich April 2019 seien damit weitere 14 Monate mit mindestens diesem Aufwand zugrunde zu legen, also insgesamt 20.203,96 EUR. Die tatsächlichen Kosten ab November 2017 würden im Hinblick auf realistische Kostensteigerungen im Pflegebereich wohl auch noch höher anzusetzen sein. Für das Verfahren werde damit aber bei Einreichung der Klage tatsächlich bereits mehr als 43.294,19 EUR zu veranschlagen sein. Aus den angegriffenen Bescheiden ergebe sich der Wert von 74.936,00 EUR, weswegen die Anspruchsüberleitung erfolgt sei. Dieser Wert sei bezogen auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage für die Wertberechnung maßgeblich und bilde so den Streitwert für das Verfahren.
Im Gerichtsbescheid vom 15.04.2019 werde auf Seite 7 festgestellt, dass die angegriffene Überleitungsanzeige des Beschwerdegegners dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entspreche, indem ein Rückforderungsrecht aus einer Schenkung betreffend eine Immobilie mit einem Betrag bis zu 74.936,00 EUR übergeleitet worden sei. Daher ergäben sich auch hieraus ausreichende Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts. Die übergeleitete Forderung gegen den Beschwerdeführer zu 1) sei auch bereits hinreichend konkret und bestimmbar. Ansonsten hätte das Erstgericht nicht die Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 SGB XII, § 33 Abs. 1 SGB X annehmen können. Dementsprechend sei im Überleitungsbescheid des Beschwerdegegners auch festgeschrieben worden, dass der Rückforderungsanspruch des Schenkers M bis zur Höhe des Schenkungswertes von 74.936,00 EUR auf den Beschwerdegegner übergeleitet werde, also der Beschwerdegegner zur Sicherung seiner Ausgaben maximal 74.936,00 EUR beanspruchen können solle. Ferner habe der Beschwerdegegner im Bescheid vom 10.11.2017 auf Seite 2 festgestellt: „Vom 01.01.2015 bis 31.10.2017 sind insgesamt 43.294,19 EUR an Sozialhilfemitteln erbracht worden.“ Eine Überleitung in Höhe von 43.294,19 EUR sei damit bereits sicher. Außerdem sei sich der Beschwerdegegner seiner Forderungen betreffend der von ihm geleisteten Sozialhilfeaufwendungen derart sicher, dass er dem Beschwerdeführer zu 1) – unabhängig vom erstinstanzlichen Verfahren vor dem SG – angedroht habe, gegen ihn ein zivilrechtliches Mahnverfahren einzuleiten. In diesem Schreiben seien damals bereits 45.794,65 EUR gefordert worden. In dieser Höhe sei der Beschwerdegegner klagebereit. Mindestens in dieser Höhe sei sich der Beschwerdegegner daher seines zivilrechtlichen Anspruchs sicher, was die Schlussfolgerung rechtfertige, dass der Beschwerdegegner den übergeleiteten Betrag von 74.936,00 EUR vollständig ausschöpfen werde. Tatsächlich würden die Leistungen des Beschwerdegegners in Kürze auch diesen zur Überleitung gestellten Anspruch durch die fortwährende Leistungserbringung für M über den 31.10.2017 hinaus andauern. Da sich M weiterhin in der Heimunterbringung befinde, würden auch zukünftig monatliche Kosten auflaufen. Die übergeleitete Forderung sei damit hinreichend beziffert, so dass wegen ausreichender Anhaltspunkte nicht vom Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG ausgegangen werden könne.
Der Beschwerdeführer zu 1) erstrebe mit der Klage ein Unterbleiben der Überleitung als Ganzes. Daher bewirke die Überleitung nicht nur einen Wechsel der Gläubigerstellung. Vielmehr gehe es im laufenden Verfahren um die Prüfung der Frage, ob der Beschwerdegegner zur Anspruchsüberleitung im Rahmen der Ermessensausübung berechtigt gewesen sei und ob überhaupt ein überleitungsfähiger Anspruch bestehe. Ergänzend werde auf den Beschluss des BSG vom 19.09.2006 (B 6 KA 30/06 B) und auf die Beschlüsse des LSG Baden-Württemberg vom 18.07.2008 (L 7 SO 1336/08 W-A und L 7 SO 3383/08 AK-A) Bezug genommen. Hinzuweisen sei noch darauf, dass der Beschwerdegegner sogar ein Sachverständigengutachten zur Bestimmung der Höhe des Grundstückswerts in Auftrag gegeben habe. Das entsprechende Zahlenmaterial sei dann in die Bescheide des Beschwerdegegners eingeflossen.
Es gehe im vorliegenden Fall auch nicht um einen Auskunftsanspruch wie in der Entscheidung des LSG Bayern vom 23.10.2014 (L 8 SO 212/12). Die Rechtsnatur eines Auskunftsanspruchs sei auch von der Rechtsnatur eines Forderungsübergangs wesentlich verschieden: Der Auskunftsanspruch sei im Leistungsanspruch als Vorstufe mitenthalten und deshalb weniger hoch zu gewichten. Im vorliegenden Fall gehe es zivilrechtlich nicht um Auskunftsansprüche, sondern um Ansprüche wegen der Verarmung des Schenkers nach § 528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Hierbei seien weitere Auskünfte für den Beschwerdegegner nicht erforderlich, da er seinen Anspruch bereits berechnet habe.
Im Verfahren vor dem BSG mit dem Az. B 8 SO 104/12 B sei nicht ein konkreter Geldbetrag übergeleitet worden, sondern allgemein sämtliche Ansprüche der Beigeladenen gegen die Klägerin. Im vorliegenden Fall verhalte es sich aber so, dass im angegriffenen Überleitungsbescheid ein konkreter Zahlbetrag und auch im Bescheid selbst ein konkreter Zahlbetrag von ca. 43.294,19 EUR genannt seien. Damit ergebe sich aus dem Überleitungsbescheid des Beschwerdegegners bereits ein konkretes wirtschaftliches Interesse. Im Verfahren vor dem BSG mit dem Az. 8 SO 78/11 B sei es um eine Nichtzulassungsbeschwerde und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Zusammenhang mit einer unterhaltsrechtlichen Auskunftsverpflichtung gemäß § 117 Abs. 1 SGB XII gegangen. Rechtsfragen der Überleitung von Ansprüchen nach dem SGB XII seien nicht Gegenstand dieser Entscheidung gewesen.
Auch vorliegend liege keine Überleitung dem Grunde nach vor, sondern eine solche hinsichtlich eines konkreten Betrags, den der Beschwerdegegner sogar selbst errechnet habe. Das Interesse des Beschwerdeführers zu 1) gehe daher dahin, diesen Betrag nicht zahlen zu müssen. Das LSG Berlin-Brandenburg habe in seinem Urteil vom 09.03.2017 (L 23 SO 288/14) den Streitwert für ein Berufungsverfahren auf 5.175,86 EUR festgesetzt, weil Gegenstand des Verfahrens ein übergeleiteter Anspruch auf Rückforderung einer Schenkung wegen Verarmung in Höhe von 5.175,86 EUR gewesen sei. Das Sozialgericht Aachen habe in seiner Entscheidung mit dem Az. S 19 SO 64/09 ausgeführt, dass auch dann, wenn das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs nicht zu prüfen sei und der Ausgang eines auf Durchsetzung dieses Anspruchs gerichteten zivilgerichtlichen Verfahrens noch offen sei, es sachgemäß erscheine, das wirtschaftliche Interesse bei der Hälfte der Forderung anzusetzen, die der Beschwerdegegner geltend mache (so auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.07.2008 – L 7 SO 1336/08 W-A). In dieser Entscheidung habe das LSG Baden-Württemberg geurteilt, dass sich aus der konkreten Höhe der übergeleiteten Forderung hinreichende Anhaltspunkte für die Bemessung der sich für den Kläger ergebenden Bedeutung der Sache bei der Festsetzung des Streitwerts ergäben. Lediglich wegen des auf die sog. Negativevidenz beschränkten Prüfungsumfangs und einer sich ggf. anschließenden zivilrechtlichen Klärung sei in der Regel ein Abschlag von 50% von der Höhe der übergeleiteten Forderung geltend zu machen. Auch die vom Beschwerdegegner zitierte Entscheidung des OVG Bremen (2 S 169/04) gebiete keine abweichende Beurteilung, da im vorliegenden Fall die Dauer des Sozialhilfebezugs des M weiter andauere und für den Beschwerdeführer zu 1) klar sei, in welcher Höhe er hier – betreffend die übergeleitete Forderung – in Anspruch genommen werde.
Mit der Rechtsauffassung des Beschwerdegegners sei außerdem eine durch nichts gerechtfertigte Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses im abgestuften System des Streitwertkataloges für die Sozialgerichtsbarkeit verbunden. Deshalb komme die Annahme eines Auffangstreitwertes in zivilrechtlichen Angelegenheiten auch fast nur bei nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten (Schmerzensgeld usw.) in Betracht. Bei dem vorliegenden erstinstanzlichen Verfahren handele es sich um ein Verfahren, bei welchem die Vergütung des Rechtsanwalts nach dem Gegenstandswert bestimmt werde. Hierbei werde der Prozessstoff durch die Bescheide des Beschwerdegegners bestimmt. Diese Bescheide seien damit nicht nur im Hinblick auf den Tenor, sondern auch im Hinblick auf die hierzu gegebene Begründung für die Bemessung des Streitwerts heranzuziehen.
Die Beschwerdeführer beantragen, Ziffer III. des Gerichtsbescheides vom 15.04.2019 aufzuheben und den Streitwert auf 74.936,00 EUR festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Beschwerdebegründung nimmt der Beschwerdegegner insbesondere dahingehend Stellung, dass die Überleitung eines Anspruchs nach § 93 SGB XII den Nachrang der Sozialhilfe herstelle. Im Fall der Überleitung könne jedoch noch nicht festgestellt werden, ob und in welcher Höhe der übergeleitete Anspruch tatsächlich bestehe oder überhaupt durchsetzbar sei. Die Überleitung bewirke lediglich einen Wechsel der Gläubigerstellung hin zum Sozialhilfeträger, damit stehe aber nicht zugleich fest, dass der Anspruch auch tatsächlich und in der konkret angegebenen Höhe bestehe. Auch wenn im vorliegenden Fall im Bescheid ein konkreter Überleitungsbetrag genannt sei, ergebe sich daraus nicht zwangsläufig, dass der Beschwerdeführer zu 1) auch in dieser Höhe tatsächlich in Anspruch genommen werde. Im Regelfall werde bei Überleitungen durch den Beschwerdegegner, wie im vorliegenden Fall, ein konkreter Betrag im Tenor aufgenommen. Wenn sich daraus im sozialgerichtlichen Verfahren für den Beschwerdeführer zu 1) die wirtschaftliche Bedeutung der Sache ergeben würde, müsste regelmäßig der im Tenor eines Überleitungsbescheids genannte Betrag als Streitwert festzusetzen sein. Dies sei aber regelmäßig nicht der Fall. Die wirtschaftliche Bedeutung einer Anfechtungsklage gegen eine Überleitungsanzeige bestimme sich nur dann nach der Höhe des übergeleiteten Anspruchs, wenn dieser vom Sozialhilfeträger nach bewirkter Überleitung geltend gemacht werde (vgl. auch OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.07.1993 – 24 E 413/93; BVerwG, Beschluss vom 11.08.1997 – 5 B 158/96). Das Bestehen der übergeleiteten Forderung sei zwischen den Beteiligten vorliegend streitig und zivilrechtlich zu klären. Die benannte Höhe der übergeleiteten Forderung entspreche nicht zwangsläufig der wirtschaftlichen Bedeutung der Überleitung für den Beschwerdeführer zu 1). Diese hänge vielmehr davon ab, in welcher Höhe er aus der übergeleiteten Forderung in Anspruch genommen werde. Aus dem vorliegenden Bescheid lasse sich das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers zu 1) nicht hinreichend sicher beziffern (vgl. auch OVG Bremen, Beschluss vom 10.06.2004 – 2 S 169/04). Ergänzend sei noch auf den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 09.01.2007 (L 20 B 137/06 SO) hinzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten des Beschwerdegegners (Band I und II) sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) ist gemäß § 68 GKG zulässig.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2) ist gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) (in der Fassung vom 05.05.2004) zulässig. Die Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwer ist auch beim Beschwerdeführer zu 2) gegeben. § 32 Abs. 2 S. 1 RVG (a.a.O.) ermöglicht es ihm, aus eigenem Recht Rechtsmittel gegen die Festsetzung des Streitwerts einzulegen, wenn er den festgesetzten Streitwert – wie vorliegend – als zu gering erachtet. Denn seine Vergütung steigt bei einem höheren Streitwert (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.02.2015 – L 9 KA 7/14 B).
Die Beschwerden sind jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG mit zutreffender Begründung in Ziffer III. des Gerichtsbescheids vom 15.04.2019 den Streitwert auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Besteht in einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Gerichtskostenpflicht, finden die Vorschriften des GKG Anwendung (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert – soweit nichts anderes bestimmt ist – nach der sich aus dem Klageantrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Maßgeblich ist insoweit in der Regel das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der erstrebten Entscheidung und deren Auswirkungen (vgl. BSG SozR 4-1920 § 52 Nr. 2; BSG SozR 4-1930 § 8 Nr. 1). Nur dann, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Ein Rückgriff auf den Auffangstreitwert kommt somit nur dann in Betracht, wenn ausreichende Ansätze für die Bewertung des Streitgegenstandes nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers fehlen (BSG, st. Rspr.; vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 19.09.2006 – B 6 KA 30/06 B).
Im vorliegenden Fall bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine genügenden Anhaltspunkte, so dass das SG zu Recht nach § 52 Abs. 2 GKG einen Streitwert von 5.000,00 EUR festgesetzt hat. Die Überleitung gemäß § 93 SGB XII bewirkt nämlich lediglich für einen (möglichen) Anspruch einen Wechsel der Gläubigerstellung vom Hilfeempfänger als Gläubiger eines Schenkungsrückforderungsanspruchs gemäß § 528 BGB hin zum Sozialhilfeträger. Mit der Überleitung steht jedoch – worauf das SG zutreffend hinweist – nicht zugleich fest, dass der Anspruch dem Grunde nach und ggf. in welcher Höhe er besteht. Auch die benannte Höhe der übergeleiteten Forderung entspricht nicht zwangsläufig der wirtschaftlichen Bedeutung der Überleitung für den Beschwerdeführer zu 1)
(LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.01.2007 – L 20 B 137/06 SO). Denn eine Überleitungsanzeige ist rechtmäßig, wenn das Bestehen des (übergeleiteten) Anspruchs nicht offensichtlich ausgeschlossen ist (Grundsatz der sog. Negativevidenz; BSG, Beschluss vom 25.04.2013 – B 8 SO 104/12 B -, juris Rn. 8; BSG, Beschluss vom 20.12.2012 – B 8 SO 75/12 B; BVerwGE 49, 311ff.; 56, 300ff.; 87, 217ff.; vgl. ferner Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 93 Nr. 13 und § 117 Rn. 16 m.w.N.). Aus den dargelegten Gründen bestehen vorliegend für die wirtschaftliche Bedeutung der Überleitung eines möglichen Anspruchs (hier nicht unterhalb von 5.000,00 EUR) keine genügenden Anhaltspunkte, so dass auf den Auffangstreitwert abzustellen ist (BSG, a.a.O., juris Rn. 11).
Die Einwendungen der Beschwerdeführer sind allesamt unbegründet.
Soweit die Beschwerdeführer die Höhe des festzusetzenden Streitwerts „aus dem im Bescheid vom 10.11.2017 festgestellten Wert von 74.936,00 EUR, weswegen die Anspruchsüberleitung erfolgt“ sei, ableiten, wird verkannt, dass in diesem Bescheid lediglich festgestellt wurde, dass der Herausgabeanspruch bis zur Höhe des Schenkungswertes von 74.936.00 EUR besteht und im Verwaltungs- und Klageverfahren, in denen jeweils Verfahrensgegenstand die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige ist, gerade nicht darüber entschieden wird, ob der übergeleitete Anspruch überhaupt besteht und ggf. in welcher Höhe er besteht. Vielmehr wird lediglich darüber entschieden, ob das Bestehen dieses Anspruchs nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdeführer ist in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Relevanz, dass es hier auch um die Aktivlegitimation für einen zivilrechtlichen Anspruch geht. Denn für die Bestimmung des Streitwerts ist nach § 52 Abs. 1 GKG der Klageantrag rechtlich relevant, der sich – ggf. nach Auslegung im Hinblick auf eine sachdienliche Antragstellung (§ 1123 Sozialgerichtsgesetz – SGG) – nur auf den Verfahrensgegenstand beziehen kann.
Daher vermag der Senat auch der Argumentation der Beschwerdeführer, die Überleitung bewirke nicht nur einen Wechsel der Gläubigerstellung, vielmehr gehe es hier um die Prüfung der Frage, ob überhaupt ein überleitungsfähiger Anspruch bestehe und ob der Beschwerdegegner zur Anspruchsüberleitung im Rahmen der Ermessensausübung berechtigt gewesen sei, somit sei nicht der Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen, nicht zu folgen: Diese Begründung legt als rechtlichen Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige gerade nicht den – jedoch auch vorliegend anzuwendenden – Grundsatz der sog. Negativevidenz (s.o.) zugrunde. Die von den Beschwerdeführern angesprochene Verpflichtung des Beschwerdegegners zur Ermessensausübung, ob ein Anspruch übergeleitet werden soll, vermag schon von vornherein nicht zu begründen, warum sich daraus genügend Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts ergeben sollen.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdegegner zur Bestimmung der Höhe des Grundstückswert ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben hat. Die vom Beschwerdegegner insoweit angestellten Ermittlungen rechtfertigen nicht die Annahme, dass bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige – abgesehen von der Prüfung der sog. Negativevidenz – auch das tatsächliche Bestehen und ggf. die Höhe des übergeleiteten Anspruchs Gegenstand dieser Prüfung ist.
Die Beschwerdeführer können sich für ihre Rechtsauffassung auch nicht darauf berufen, dass die streitgegenständliche Überleitungsanzeige dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X entspreche und sich daraus genügend Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts ergäben.
Eine Überleitungsanzeige gemäß § 93 SGB XII ist im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn sich aus ihr der überzuleitende Anspruch ergibt, die Anzeige folglich erkennen lässt, dass der Übergang dieses Anspruchs des Hilfeempfängers in Höhe der ihm gewährten Sozialhilfeleistungen auf den Sozialhilfeträger bewirkt werden soll. Ferner ist die Angabe von Zeitraum und Höhe der gewährten Sozialhilfe erforderlich, wegen der die Überleitung erfolgt (BSG, Urteil vom 24.08.1988 – 7 RAr 74/86; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.12.2012 – L 9 SO 22/09). Die Angabe der Höhe des überzuleitenden Anspruchs ist hingegen nicht zur Erfüllung des Bestimmtheitsgebots erforderlich. Zum einen unterscheidet sich vorliegend der Prüfungsgegenstand der Bestimmtheit der Überleitungsanzeige im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X vom Prüfungsgegenstand der Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige. Zum anderen ist die Angabe der Höhe des überzuleitenden Anspruchs nicht erforderlich, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen, und auch nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdeführer kommt es auch nicht darauf an, ob der Beschwerdegegner sich seiner Forderungen wegen geleisteter Sozialhilfeaufwendungen sicher gewesen ist und Zweifel an der zivilrechtlichen Durchsetzbarkeit der übergeleiteten Ansprüche nicht zu erkennen gewesen sind; daraus folgern die Beschwerdeführer, dass das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers zu 1) in der Abwehr eines Anspruchs in Höhe von 74.936,00 EUR bestehe. Dabei verkennen die Beschwerdeführer, dass über die Rechtmäßigkeit des überzuleitenden Anspruchs unabhängig von der subjektiven Rechtsauffassung des Beschwerdegegners zu entscheiden ist.
Schließlich vermag der Senat auch nicht der Rechtsauffassung des LSG Baden-Württemberg in seinen Beschlüssen vom 18.07.2008 (L 7 SO 1336/08 W-A, L 7 SO 3383/08 AK-A, juris Rn. 5; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.03.2017 – L 23 SO 288/14 und SG Aachen, Urteil vom 23.09.2009 – S 19 SO 64/09) zu folgen, dass wegen des auf die sog. Negativevidenz beschränkten Prüfungsumfangs und einer sich ggf. anschließenden zivilrechtlichen Klärung in der Regel ein Abschlag von 50% von der Höhe der übergeleiteten Forderung zu machen sei.
Zwar führt das LSG Baden-Württemberg (a. a. O.) in der Rn. 5 zunächst zutreffend aus: ” …Das Interesse des Klägers am Unterbleiben der Überleitung ist indes nicht gleichzusetzen mit einem Interesse an der Abwehr der Forderung überhaupt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. Juni 2008 – L 7 SO 1561/08 W-A und vom 15. Oktober 2007 – L 7 SO 2561/07 W-B; BVerwG FEVS 48, 97; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 20. Dezember 1999 – 12 C 99.3410 – (juris); LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Januar 2007 – L 20 B 137/06 SO – (juris)). Denn angesichts des auf die sog. Negativevidenz beschränkten Prüfungsumfangs der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit hinsichtlich der übergeleiteten Forderung kommt einer sich ggf. anschließenden zivilrechtlichen Auseinandersetzung über Bestehen und Höhe der Forderung in der Regel die größere wirtschaftliche Bedeutung zu …“
Soweit das LSG Baden-Württemberg daraus jedoch den Schluss zieht, dass – insbesondere wenn das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs noch streitig sei, die Einleitung eines zivilrechtlichen Verfahrens aber noch offen sei -, es in der Regel angemessen erscheine, von der Höhe der übergeleiteten Forderung einen Abschlag in Höhe von 50% zu machen, vermag der Senat dem nicht zuzustimmen. Das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers zu 1) hängt nämlich vielmehr davon ab, in welcher Höhe er aus der übergeleiteten Forderung letztlich in Anspruch genommen wird. Das Bestehen der übergeleiteten Forderung ist zwischen den Beteiligten streitig und ggf. zivilrechtlich zu klären. Darüber hinaus bietet § 52 GKG keine Rechtsgrundlage für einen Abschlag in Höhe von 50%. Der Abschlag wird auch nicht dem Grundsatz der sog. Negativevidenz gerecht, wonach lediglich geprüft wird, ob der übergeleitete Anspruch nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, d.h. es ist trotz Vorliegens dieser Voraussetzung u.a. denkbar, dass der übergeleitete Anspruch überhaupt nicht besteht bzw. nicht in der Höhe, die vom Beschwerdeführer geltend gemacht wird. Zudem kann für die Streitwertfestsetzung für das sozialgerichtliche Verfahren nicht von rechtlicher Relevanz sein, ob ein zivilrechtliches Verfahren bereits eingeleitet worden ist. Maßgeblich für das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers zu 1) (und damit auch des Beschwerdeführers zu 2)) ist vielmehr nach § 52 Abs. 1 GKG der Klageantrag, der im Rahmen des Verfahrensgegenstandes auszulegen ist und somit auf die Prüfung der sog. Negativevidenz des übergeleiteten Anspruchs beschränkt ist.
Die Entscheidung ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 68 Abs. 3 GKG) und ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 S. 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG; § 177 SGG).


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