Arbeitsrecht

Straßenausbaubeitragsrecht, Ablösungsvertrag, Ablösungsvereinbarung, Öffentlich-rechtlicher Vertrag, Kündigung, Nachträgliche Änderung der Rechtslage, Gesetzliches Verbot der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen, Stichtagsprinzip

Aktenzeichen  6 BV 20.2301

Datum:
22.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12547
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG a.F. Art. 5 Abs. 1 Satz 3
KAG Art. 5 Abs. 9
BayVwVfG Art. 60 Abs. 1

 

Leitsatz

Verträge über die Ablösung eines Straßenausbaubeitrags, die eine Gemeinde mit einem Anlieger bis zum 31. Dezember 2017 in Übereinstimmung mit der damaligen Rechtslage geschlossen hat, bleiben auch nach der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018 durch Gesetz vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 44) wirksam. Sie können von dem Anlieger nicht wegen der Gesetzesänderung gekündigt werden.

Verfahrensgang

Au 2 K 19.1007 2020-06-25 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 25. Juni 2020 – Au 2 K 19.10079 – wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
Die Klägerin beantragt mit ihrer Klage nach Klarstellung in der mündlichen Verhandlung festzustellen, dass sie die mit der Beklagten am 4./6. Oktober 2017 geschlossenen Ablösungsverträge über Straßenausbaubeiträge wirksam gekündigt hat, und die Beklagte zu verurteilen, die geleisteten Ablösungsbeträge in Höhe von 27.435 € zurückzuzahlen. Diese Klage ist als Feststellungs- und allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ergibt sich aus der gesetzlichen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018 für die Klägerin kein Kündigungsrecht nach Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Die vor der Gesetzesänderung geschlossenen Ablösungsverträge sind weiterhin wirksam. Die Klägerin hat dementsprechend keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Beträge.
1. Die Beklagte und die Klägerin haben in den Verträgen vom 4./6. Oktober 2017 nach der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Rechtslage wirksam die Ablösung der künftigen Beiträge für den Ausbau der Straßen „S* … II“, „S* … III“ und „S* …gasse/S* …“ vereinbart.
Die Beklagte hat auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 3 KAG a.F. und ihrer Straßenausbaubeitragssatzung Beiträge für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erhoben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet (zur Beitragserhebungspflicht nach damaliger Rechtslage BayVGH, U.v. 9.11.2016 – 6 B 15.2732 – BayVBl 2017, 200). Die Beitragspflicht entstand, wenn die Baumaßnahme abgeschlossen war (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 SABS). War die Erneuerung oder Verbesserung einer Straße demnach grundsätzlich von der Beklagten vorzufinanzieren, so konnte diese nach Maßgabe von Art. 5 Abs. 5 KAG schon vor Entstehung der Beitragspflicht Vorauszahlungen auf den Ausbaubeitrag erheben. Alternativ hierzu eröffnete Art. 5 Abs. 9 KAG und § 10 Abs. 3 SABS der Beklagten – als Ausnahme vom gesetzlichen Verbot vertraglicher Vereinbarungen über die Erhebung von Abgaben – die vertragliche Ablösung des Beitrags vor Entstehung der Beitragspflicht gegen eine angemessene Gegenleistung, die nach der Höhe des voraussichtlich entstehenden Beitrags zu bestimmen war. Ein solcher öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinn von Art. 54 BayVwVfG bewirkte, dass die sachliche Beitragspflicht gar nicht erst entstand‚ indem schon zuvor zu einem Zeitpunkt‚ in dem die Verbesserungs- oder Erneuerungsmaßnahmen noch gar nicht begonnen haben mussten und daher auch die Höhe des dafür anfallenden Aufwands nicht bekannt war‚ eine abschließende Regelung über die Belastung eines Grundstücks mit Ausbaukosten getroffen wurde (BayVGH, B.v. 22.3.2018 – 6 ZB 18.123 – juris Rn. 5 f.; vgl. auch BVerwG, U.v. 21.1.2015 – 9 C 1.14 – BVerwGE 151, 171 Rn. 10 zum Erschließungsbeitragsrecht).
Solche Ablösungsverträge hat die beklagte Stadt mit der Klägerin am 4./6. Oktober 2017 zur Ablösung der auf die beiden klägerischen Grundstücke entfallenden Beiträge für die im Wesentlichen 2017 durchgeführten Ausbaumaßnahmen an den Straßen „S* … II“, „S* … III“ und „S* …gasse/S* …“ geschlossen. Dass ihr Inhalt den damaligen gesetzlichen Anforderungen genügt hat, insbesondere die vereinbarten Ablösungsbeträge nach der Höhe der voraussichtlichen Beiträge bestimmt waren, steht außer Streit. Anders als für durch Bescheid auferlegte Vorauszahlungen (vgl. Art. 5 Abs. 5 Satz 1, 3 KAG a.F.) enthielt das Gesetz keine Vorgaben dazu, wann die Vereinbarung frühestens geschlossen werden kann und wie die Straßenausbaumaßnahme nach Vertragsabschluss voranschreiten muss.
2. Die Ablösungsverträge vom 4./6. Oktober 2017 sind nicht durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) nichtig geworden.
Durch dieses Änderungsgesetz, das gemäß seinem § 2 mit Rückwirkung zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist, wird den Gemeinden die Erhebung von Beiträgen für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen, beschränkt-öffentlichen Wegen, in der Baulast der Gemeinden stehenden Teilen von Ortsdurchfahrten und der Straßenbeleuchtung verboten (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 KAG n.F.). Dieses gesetzliche Beitragserhebungsverbot schließt nicht nur die hoheitliche Festsetzung von entsprechenden Beiträgen oder Vorauszahlungen durch Verwaltungsakt aus, sondern steht auch vertraglichen Vereinbarungen über eine Beitragsablösung entgegen. Deshalb sind nach seinem Inkrafttreten am 1. Januar 2018 abgeschlossene Ablösungsverträge ausnahmslos kraft Gesetzes nichtig (geworden) und rückabzuwickeln. Vor dem Inkrafttreten, also bis zum 31. Dezember 2017, nach alter Rechtslage wirksam abgeschlossene Ablösungsverträge werden hingegen durch die Gesetzesänderung nicht berührt und behalten auch nach dem 31. Dezember 2017 ihre Wirksamkeit (vgl. Mann in Mann/Sennekamp/ Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 59 Rn. 54). Das ergibt sich nicht nur aus der allgemeinen Inkraftsetzung der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2018, sondern wird auch durch die besonderen Übergangsregelungen des Art. 19 Abs. 7 und 8 KAG n.F. bestätigt. Denn dort ist für die hoheitliche Abgabenerhebung ausdrücklich der Grundsatz festgelegt, dass die bis 31. Dezember 2017 geltende Rechtslage weiter anzuwenden ist, wenn die Beiträge oder die Vorauszahlungen vor dem 1. Januar 2018 festgesetzt worden sind. Vor dem Stichtag erlassene Beitrags- und Vorauszahlungsbescheide haben demnach auch für die Zukunft Bestand.
3. Die Klägerin hat die Ablösungsverträge durch Schreiben vom 14. Februar 2019 nicht wirksam gekündigt. Entgegen ihrer Ansicht begründet die gesetzliche Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018 kein Kündigungsrecht nach dem allein in Betracht kommenden Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG als einfachgesetzliche Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben.
Nach dieser Vorschrift kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen, wenn die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert haben, dass dieser Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
a) Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist zwar auf Ablösungsvereinbarungen anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre wesentlichen vertraglichen Leistungsverpflichtungen (Zahlung der vereinbarten Ablösungsbeträge) bereits – noch vor dem 1. Januar 2018 – erfüllt hat. Schon wegen der fortdauernden Rechtswirkungen der Schuldverhältnisse im weiteren Sinn insbesondere als Rechtsgrund für das Behaltendürfen der empfangenen Leistungen bleibt weiter Raum für eine Vertragsanpassung oder -kündigung (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2012 – 8 C 4.11 – BVerwGE 143, 335 Rn. 48).
b) Es beregnet jedoch bereits Zweifeln, ob in der gesetzlichen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018 eine wesentliche Änderung der für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebenden Verhältnisse zu erblicken ist.
Freilich können zur Geschäftsgrundlage nicht nur tatsächliche, sondern auch rechtliche Umstände zählen, wie der unveränderte Fortbestand der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Gesetzeslage. Allerdings sind die Risiken von Fehlvorstellungen über die Rechtslage nicht prinzipiell anders als Fehlvorstellungen über andere äußere Umstände zu bewerten. Daher haben die Parteien auch das Risiko von Änderungen der Rechtslage grundsätzlich jeweils selbst zu tragen. Eine Anpassung des Vertrags kann nur dann gefordert werden, wenn der (Fort-)Bestand einer bestimmten Rechtslage von den Parteien ausnahmsweise zur gemeinsamen Geschäftsgrundlage ihres Vertrags gemacht worden ist. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Änderung der Rechtslage bei Vertragsschluss nicht bereits absehbar war. Gesetzesänderungen kündigen sich in der allgemeinen politischen Diskussion und durch entsprechende Gesetzesinitiativen meist frühzeitig an und sind damit schon geraume Zeit vor ihrem Inkrafttreten vorhersehbar. Insbesondere bei Verträgen über den einmaligen Austausch von Leistungen können die Parteien daher die Risiken einer anstehenden Gesetzesänderung bei Vertragsschluss selbst berücksichtigen, sodass eine Vertragsanpassung regelmäßig nicht in Betracht kommt (Martens in BeckOGK BGB § 313, 268 f. m.w.N.).
Es sprechen durchaus gewichtige Gründe dafür, dass bei Abschluss der Ablösungsvereinbarungen im Oktober 2017 eine Änderung der Rechtslage bereits – objektiv – absehbar war und deshalb in die Risikosphäre der Vertragsparteien fällt. Spätestens seit Einführung der wiederkehrenden Beiträge für Verkehrsanlagen durch das Änderungsgesetz vom 8. März 2016 (GVBl S. 36) stand die gesetzliche Ausgestaltung der Straßenausbaubeiträge in der Diskussion. Daher mag sogar ein gesetzliches Erhebungsverbots vorhersehbar gewesen sein, noch bevor im November 2017 Abgeordnete der Freien Wähler im Landtag einen entsprechenden Gesetzentwurf eingereicht haben (LT-Drs. 17/19093). Das kann jedoch dahinstehen. Selbst wenn bei Abschluss der Ablösungsverträge Anfang Oktober 2017 die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge nicht absehbar gewesen sein sollte und der (Fort-)Bestand der damaligen Rechtslage von den Vertragsparteien ausnahmsweise zur gemeinsamen Geschäftsgrundlage ihres Vertrags gemacht worden sein sollte, scheidet ein Kündigungsrecht wegen Änderung der Rechtslage gleichwohl aus, weil es an einer weiteren Voraussetzung des Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG fehlt.
c) Der Klägerin ist – bei unterstelltem Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen der Gesetzesänderung – das Festhalten an den Ablösungsverträgen vom 4./6. Oktober 2017 nicht unzumutbar, wie das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden hat.
(1) Eine Unzumutbarkeit im Sinn von Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG liegt nicht bereits dann vor, wenn sich für eine Partei das normale Vertragsrisiko realisiert. Es reicht weiter nicht aus, dass eine Vertragspartei nach ihrer gegenwärtigen Interessenlage in den Vertragsschluss vernünftigerweise nicht mehr einwilligen würde. Vielmehr muss die Änderung der für den Vertragsinhalt maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu schwerwiegenden, bei Vertragsschluss nicht absehbaren Nachteilen für die Vertragspartei geführt haben, denen die Vertragspartner billigerweise Rechnung getragen hätten, wenn sie die Entwicklung vorhergesehen hätten. Die Folgen der nachträglichen Änderung müssen also den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden der Vertragspartei abzustellen, sondern ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen. Andernfalls hätte es eine Vertragspartei entgegen dem – für die Gewährleistung von Rechtssicherheit unverzichtbaren – Grundsatz „pacta sunt servanda“ in der Hand, über die Eigendefinition der Unzumutbarkeit die Notwendigkeit einer Vertragsanpassung weitgehend selbst zu bestimmen (BVerwG, U.v. 18.7.2012 – 8 C 4.11 – BVerwGE 143, 335 Rn. 64 m.w.N.).
Die rechtliche Würdigung, ob sich aus der wesentlichen Änderung der gemeinsam vorausgesetzten Grundlagen des Vertrags unzumutbare Folgewirkungen für eine Vertragspartei ergeben, ist auf der Grundlage aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Das Festhalten an dem unveränderten ursprünglichen Vertragsinhalt ist jedenfalls dann unzumutbar, wenn – bei Annahme der Gleichwertigkeit der gegenseitig versprochenen Leistungen bei Vertragsschluss – durch die nachträgliche tatsächliche Entwicklung oder eine nachträgliche Rechtsänderung ein eklatantes Missverhältnis zwischen ihnen entstanden ist. Denn bei gegenseitigen Verträgen ist in der Regel die Vorstellung von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung Geschäftsgrundlage. Die Ausgleichsfunktion der beiderseitigen Leistungen muss im Hinblick auf Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG so stark gestört sein, dass es dem benachteiligten Vertragspartner nach Treu und Glauben unmöglich wird, in der bisherigen vertraglichen Regelung seine Interessen auch nur annähernd noch gewahrt zu sehen (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2012 – 8 C 4.11 – BVerwGE 143, 335 Rn. 65 m.w.N.).
(2) Nach diesen Grundsätzen hat das Festhalten an den Ablösungsverträgen nach der gesetzlichen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge für die Klägerin keine unzumutbaren Folgewirkungen. Bei Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände sind dafür insbesondere zwei Gesichtspunkt ausschlaggebend:
Zum einen entspricht das Festhalten an einem vor dem 1. Januar 2018 wirksam geschlossenen Ablösungsvertrag, wie oben ausgeführt, der gesetzlichen Stichtagsregelung, die in Art. 19 Abs. 7 und 8 KAG n.F. für die hoheitliche Abgabenerhebung durch (Beitrags- und Vorauszahlungs-) Bescheid näher ausgestaltet ist. Auch wenn jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt, ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen (etwa BVerfG, B.v. 19.5.2015 – 2 BvR 1170/14 – juris – Rn. 41 m.w.N.). Auf solche, aus einer Stichtagsregelung resultierende Härten beruft sich die Klägerin letztlich. Es ist indes kein überzeugender Grund ersichtlich, warum demjenigen, der vor dem Stichtag freiwillig einen wirksamen Ablösungsvertrag über Straßenausbaubeträge abgeschlossen hat, unzumutbar sein soll, was der Gesetzgeber dem Adressaten eines vor dem Stichtag erlassenen (Beitrags- oder Vorauszahlung-) Bescheids – verfassungsgemäß – zumutet.
Zum anderen betrifft die Gesetzesänderung zum 1. Januar 2018 beide Vertragsparteien spiegelbildlich in gleicher Weise, was regelmäßig für die Zumutbarkeit der Auswirkungen spricht (vgl. Bonk/Neumann/Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 60 Rn. 25). Während die Klägerin ab dem 1. Januar 2018 nicht mehr zu Beiträgen oder Vorauszahlungen für die in Rede stehenden Straßenbaumaßnahmen herangezogen werden darf, wird der Beklagten die nach alter Rechtslage bestehende Finanzierungsquelle verschlossen. Könnte sich die Klägerin von dem vor dem Stichtag nach alter Rechtslage wirksam geschlossenen Vertrag lösen, wäre der Beklagten der bis zum Stichtag eröffnete Weg über die hoheitliche Beitrags- oder Vorauszahlungserhebung nunmehr versperrt, ohne dass eine staatliche Erstattung der Beitragsausfälle nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 9 KAG sichergestellt wäre. Bei einer solch einseitigen Lösung zugunsten der Klägerin wäre das auf der Beklagtenseite stehende öffentliche Interesse nicht ausreichend berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund kann im Übrigen die hypothetische Erwägung nicht überzeugen, die Klägerin hätte bei Kenntnis der späteren Gesetzesänderung die Ablösungsverträge nicht geschlossen; die Bereitschaft zur freiwilligen Wahl der Vertragslösung dürfe nicht durch das Festhalten am Vertrag auch nach Abschaffung der Straßenausbaubeiträge bestraft werden. Denn die Klägerin hätte sich bis zum 31. Dezember 2017 nicht gegen die hoheitliche Heranziehung zu Vorauszahlungen als alternativem Vorfinanzierungsinstrument wehren können, welche die Beklagte auch nach dem Stichtag nach Maßgabe der Überleitungsregelung des Art. 19 Abs. 8 KAG n.F. hätte behalten dürfen, obwohl die endgültigen Beitragspflichten nicht mehr entstehen können.
Das Festhalten an den Ablösungsvereinbarungen ist der Klägerin schließlich auch nicht deshalb unzumutbar, weil einige Anlieger in den Abrechnungsgebieten mit der Beklagten keine Ablösungsverträge abgeschlossen haben und nach der Gesetzesänderung nicht mehr im Beitragswege herangezogen werden dürfen. Zwar kommen diese nun beitragsfrei in den Genuss desselben Sondervorteils (Möglichkeit zur Inanspruchnahme der erneuerten und verbesserten Fußgängerzone), den die Klägerin und die anderen zum Vertragsabschluss bereiten Anlieger bereits anteilig vorfinanziert haben. Darin liegt aber kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das darin verankerte Gebot der Abgabengerechtigkeit. Denn angesichts der Freiwilligkeit der vertraglichen Regelung fehlt es an einem vergleichbaren Sachverhalt (vgl. BVerwG, U.v. 21.1.2015 – 9 C 1.14 – BVerwGE 151, 171 Rn. 16).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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