Arbeitsrecht

Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter während eines Vollzeit-Masterstudiums als sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeit (verneint), Fehlen des Tatbestandsmerkmals der Hauptberuflichkeit

Aktenzeichen  B 5 K 20.279

Datum:
22.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 46878
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 31 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Dienstantritt des Klägers nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG um den Zeitraum vom 16.05.2016 bis 28.02.2017 sowie vom 01.03.2017 bis 28.02.2018 fiktiv vorzuverlegen oder darüber neu zu entscheiden. Zu Recht hat der Beklagte die Anerkennung der Zeiträume im Bescheid vom 25.07.2019 und im Widerspruchsbescheid vom 14.02.2020 abgelehnt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG kann der Zeitpunkt des Dienstantritts mit Wirkung vom Ersten des Antragsmonats um sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten fiktiv vorverlegt werden.
Während in Art. 31 Abs. 1 BayBesG diejenigen Zeiträume aufgeführt sind, um die bei Vorliegen der Voraussetzungen der Dienstantritt zwingend fiktiv vorzuverlegen ist, betrifft Absatz 2 Zeiträume, um die fakultativ und nur auf Antrag eine Vorverlegung vorgenommen werden kann. Tatbestandlich erforderlich für diese Ermessensnorm ist, dass sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten vorliegen, die nicht aus rechtlichen Gründen unberücksichtigt bleiben müssen. Die Vorverlagerung dies Dienstantritts nach Art. 31 Abs. 2 BayBesG bedarf als Ausnahmeregelung vom Grundsatz des Art. 30 Abs. 1 BayBesG einer besonderen Rechtfertigung (vgl. LT-Drs. 16/3200, S. 382).
Hinsichtlich der seitens des Klägers geltend gemachten Beschäftigungszeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Umfang von zehn (16.05.2016 bis 28.02.2017) bzw. 19 Wochenstunden (01.03.2017 bis 28.02.2018) fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal der Hauptberuflichkeit.
Nach der Gesetzesbegründung zu Art. 31 Abs. 2 BayBesG (LT-Dr. 16/3200, S. 381 f.) ist Voraussetzung für eine hauptberufliche Tätigkeit, dass die Beschäftigung im fraglichen Zeitraum den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen dargestellt hat, entgeltlich ausgeübt und mindestens in dem nach den beamtenrechtlichen Vorschriften zur Zeit dieser Tätigkeit zulässigen Umfang abgeleistet wurde (vgl. BVerwG, U.v. 25.5.2005 – 2 C 20.04 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 11.6.2019 – 3 ZB 17.976 – juris Rn. 24).
Die hauptberufliche Tätigkeit ist durch die vorgenannten Merkmale von einer Tätigkeit abzugrenzen, die die Arbeitskraft nur nebenbei beansprucht oder neben einer beruflichen Tätigkeit nur als Nebentätigkeit, Nebenamt oder Nebenbeschäftigung ausgeübt werden kann. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sieht die Voraussetzung einer hauptberuflichen Beschäftigung deshalb bereits dann als erfüllt an, wenn die Tätigkeit ihrem Umfang nach mindestens die Hälfte der regulären Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten einnimmt, ohne dann weitere Kriterien in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 18.9.1997 – 2 C 38.96 – Buchholz 239.1 § 10 BeamtVG Nr. 11 m.w.N.). Aufgrund der Akzessorietät zu dem zur Zeit der Tätigkeit geltenden Arbeitszeitrecht kann jedoch auch eine Tätigkeit geringeren Umfangs („unterhälftige“ Beschäftigung) nach höchstrichterlicher Rechtsprechung hauptberuflich ausgeübt werden, wenn sie nach den Lebensumständen des Betroffenen dessen Tätigkeitsschwerpunkt bildet. Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der besoldungsrechtlichen Stufenregelung in Art. 31 Abs. 2 BayBesG, vordienstlich erworbene, als förderlich angesehene Erfahrungen, die dem Beamten bei der künftigen Ausübung seines Dienstes zugutekommen und die dem öffentlichen Dienstherrn nützen, auch besoldungsrechtlich zu honorieren und damit im Wettbewerb um gutes Personal mit der Privatwirtschaft besser konkurrieren zu können (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.2008 – 2 C 5.07 – juris Rn. 13; U.v. 25.5.2005 – 2 C 20/04 – juris Rn. 19 ff.; BayVGH, U.v. 13.12.2020 – 3 B 19.1558 – juris Rn. 30).
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das seitens des Klägers im fraglichen Zeitraum absolvierte Masterstudium wie auch die strittigen Beschäftigungszeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Informatiklehrstuhl der Universität nicht für den Qualifikationserwerb erforderlich waren. Für die Zulassung zu einer Fachlaufbahn mit fachlichem Schwerpunkt mit technischer Ausrichtung mit Einstieg in der dritten Qualifikationsebene ist als Vorbildung lediglich ein Bachelorstudium erforderlich (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Leistungslaufbahngesetzes – LlbG -, Ziffer 31.1.1.5 BayVwVBes). Letzteres hatte der Kläger bereits vor den nunmehr geltend gemachten Zeiträumen abgeschlossen.
Auch überschreiten die begehrten Beschäftigungszeiten von zehn bzw. 19 Wochenstunden den zulässigen Teilzeitumfang im Zeitpunkt der fraglichen Tätigkeiten, der nach Art. 89 Abs. 1 Satz 1 BayBG bei acht Wochenstunden lag.
Streitig ist damit allein, ob die Beschäftigung des Klägers als wissenschaftlicher Mitarbeiter den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit bildete. Soweit die Beklagtenseite diesbezüglich auf Ziffer 31.1.1.9 Beispiel 2 BayVwVBes verweist, wonach im Falle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters, dessen Umfang der Arbeitszeit ein Drittel einer Vollzeitstelle betrug und der nebenher seine Doktorarbeit fertigte, nicht davon auszugehen sei, dass die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit darstelle, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diesbezüglich keine Bindungswirkung für das Gericht besteht. Die Gerichte sind bei ihrer Kontrolltätigkeit gegenüber der Verwaltung mangels normativer Wirkung an norminterpretierende Verwaltungsvorschriften grundsätzlich nicht gebunden (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes – GG -). Sie dürfen ihren Entscheidungen vielmehr nur materielles Recht, zu dem Verwaltungsvorschriften nicht gehören, zugrunde legen und sind lediglich befugt, sich einer Gesetzesauslegung, die in einer Verwaltungsvorschrift vertreten wird, aus eigener Überzeugung anzuschließen (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2002 – 8 C 30.01 – juris Rn. 23; U.v. 22.10.1989 – 5 C 33.88 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 3 CE 19.1896 – juris Rn. 20).
Auch kann allein aus dem Umstand, dass die in Rede stehende Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter hochschulrechtlich nur als Nebenbeschäftigung ausgeübt werden kann, nicht geschlossen werden, dass es an der für eine Anerkennung als förderliche Beschäftigungszeit für die Beamtentätigkeit erforderlichen Hauptberuflichkeit fehlt (in diese Richtung: VG Düsseldorf, U.v. 11.2.2016 – 26 K 1035/15 – juris Rn. 24 ff.). Maßgeblich ist vielmehr die Frage, ob die Tätigkeit nach den Lebensumständen des Betroffenen dessen Tätigkeitsschwerpunkt bildete (vgl. OVG NW, U.v. 9.4.2019 – 1 A 740/16 – juris Rn. 57; BVerwG, U.v. 25.5.2005 – 2 C 20/04 – juris Rn. 19 ff.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe bildeten die Beschäftigungszeiten des Klägers als wissenschaftlicher Mitarbeiter nicht den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit. Die streitigen Zeiten wurden während eines Masterstudiums, das für den Qualifikationserwerb nicht erforderlich war, abgeleistet. Während dieser Zeiten stand die persönliche Aus- und Weiterbildung des Klägers, also das Masterstudium, und nicht die berufliche Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Vordergrund (vgl. dazu BayVGH, B.v. 15.2.2021 – 3 ZB 20.774). Dafür spricht nicht zuletzt der Umstand, dass der Kläger sein Masterstudium ausweislich seines Lebenslaufes von 10/2015 bis 03/2018 und damit in fünf Semestern absolvierte. Die … bietet ausweislich der Informationen auf ihrer Homepage zwar auch ein Teilzeit-Masterstudium Informatik an (vgl. …, zuletzt abgerufen am 15.07.2021), in diesem wird die Regelstudienzeit aber von vier auf acht Semester erhöht. Die Tatsache, dass der Kläger seinen Masterabschluss bereits nach fünf Semester erlangte, spricht dafür, dass er sich im Zeitraum 10/2015 bis 03/2018 vorwiegend auf die Erlangung seines Studienabschlusses konzentrierte. Darüber hinaus erklärte er im Verhandlungstermin selbst, dass er sich jedenfalls im Zeitraum von Mai 2016 bis Februar 2017 hauptsächlich seinem Masterstudium gewidmet und die Tätigkeit am Lehrstuhl vor allem deshalb ausgeführt habe, um sich seine Wohnung zu finanzieren. Soweit er geltend macht, dass dies in den höheren Semestern nicht mehr der Fall gewesen sei und sich auch seine Masterstudienarbeit passend zu seiner Tätigkeit am Lehrstuhl dargestellt habe, wird diese Behauptung, die erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde, bereits nicht durch Belege untermauert. Zwar behauptet der Kläger weiter, dass er von Herbst 2017 bis Frühjahr 2018 eine Tätigkeit am Lehrstuhl in einem größeren Umfang angestrebt habe, jedoch aus haushaltsrechtlichen Gründen lediglich ein Vertrag über 19 Wochenstunden möglich gewesen sei. Auch diesbezüglich werden jedoch keine Nachweise vorgelegt. Zudem verblieb dem Kläger – ausgehend von einer 40-Stunden-Woche – auch im Zeitraum von Herbst 2017 bis Frühjahr 2018, in welchem er in einem Umfang von 19 Wochenstunden am Lehrstuhl beschäftigt war, ein überwiegender Teil seiner Arbeitskraft, die er entweder zu Aus- und Fortbildungsbildungszwecken oder – im Falle fehlenden Interesses hieran – zu Erwerbszwecken hätte nutzen können. Insoweit weist die Beklagtenseite zu Recht darauf hin, dass jede andere Betrachtung dazu führen würde, dass wissenschaftliche Hilfskräfte, welche – wie der Kläger – parallel zu dieser beruflichen Tätigkeit ein Vollzeitstudium und trotz der gegenüber der beruflichen Tätigkeit für das Studium zur Verfügung stehenden überwiegenden Zeit das Studium „schleifen lassen“, also für dieses weniger Zeit als für die berufliche Tätigkeit aufwenden, in den Genuss der Anerkennung einer hauptberuflichen Tätigkeit kommen könnten, während mit hohem zeitlichen Einsatz ihren Studienabschluss verfolgenden wissenschaftlichen Hilfskräften dieser Genuss verweigert bliebe. Dies gilt erst recht angesichts dessen, dass der zeitliche Aufwand für ein Studium nicht überprüfbar ist. Mithin ist davon auszugehen, dass das Masterstudium in den geltend gemachten Zeiträumen den Tätigkeitsschwerpunkt des Klägers bildete.
II.
Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung – ZPO -. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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