Arbeitsrecht

Topf-im-Topf-Regelung für Besuchsleistungen im ärztlichen Bereitschaftsdienst

Aktenzeichen  S 38 KA 730/16

Datum:
17.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28974
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 87b Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Bildung eines gesonderten Vergütungskontingents im Honorarverteilungsmaßstab für bestimmte Leistungen innerhalb eines bestehenden Honorarkontingents im Sinne einer sogenannten Topf-im-Topf-Regelung ist grundsätzlich zulässig (vgl. BayLSG, Urteil vom 11.5.2016, Az L 12 KA 39/15; BSG, Beschluss vom 28.06.2017, Az B 6 KA 76/16 B). (Rn. 17)
2. Auch eine Topf-im-Topf -Regelung für Besuchsleistungen im ärztlichen Bereitschaftsdienst (GOP 01418 und 01418N) im Honorarverteilungsmaßstab ist bis zum 1.1.2016 (Rechtsänderung durch Einfügung von Satz 3 in § 87b Abs. 1 SGB V) zulässig. Sie ist mit den Vorgaben der K. Bundesvereinigung nach § 87b SGB V, an die die regionalen K. Vereinigungen gebunden sind, vereinbar. (Rn. 17 – 19)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich jedoch als nicht begründet. Es handelt sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 SGG. Die Feststellungsklage, die zusätzlich beantragt wurde, wurde von der Klägerin nicht mehr aufrechterhalten, genauso der geltend gemachte Zinsanspruch.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte ist nach § 87b SGB V zur Verteilung der Gesamtvergütung auf der Basis des Honorarverteilungsmaßstabes befugt, für den das Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen herzustellen ist (§ 87b Abs. 4 S. 1 in Verbindung mit Abs. 1 S. 1 SGB V). Die Beklagte ist allerdings verpflichtet, die Vorgaben der KBV zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung zu beachten (§ 87b Abs. 4 S. 3 SGB V). Die Klägerin begehrt die Honorierung der von ihr erbrachten Besuchsleistungen nach den Gebührenordnungspositionen 01418 und 01418N unquotiert.
Die von der Beklagten vorgenommene Quotierung in Höhe von 98,9546% ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn Grundlage für die in den Bescheiden vorgenommene Quotierung ist Abschnitt B Nr. 3.2 Abs. 1a in Verbindung mit Abs. 5 des Honorarverteilungsmaßstabes.
Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bescheide ist eine sogenannte Inzidenterprüfung vorzunehmen, d.h. inzident gilt es zu prüfen, ob der Honorarverteilungsmaßstab seinerseits rechtmäßig ist, insbesondere, ob er mit den Vorgaben der KBV vereinbar ist. Wäre dies nicht der Fall, wären die Quotierung unzulässig und damit die angefochtenen Bescheide rechtswidrig.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Honorarverteilungsmaßstab in formeller Hinsicht den rechtlichen Erfordernissen genügt. Insbesondere hat eine sogenannte Benehmensherstellung mit den Krankenkassen stattgefunden, was von der Klägerin bezweifelt wurde, aber von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf das Schreiben der AOK Bayern vom 9.3.2015 nachgewiesen wurde. Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte diese Regelung nicht richtig umgesetzt hat.
In materiell-rechtlicher Hinsicht ist vorauszusetzen, dass die Beklagte die Vorgaben der KBV berücksichtigt hat. Nach § 87b Abs. 4 S. 3 SGB V ist die Beklagte daran gebunden.
Die Vorgaben der KBV nach § 87b Abs. 4 SGB V, betreffend den „ärztlichen Bereitschaftsdienst“, sind in Teil B 1.2 und 7 festgelegt. Danach sind hierfür Grundbeträge je Versicherten zu bilden (Teil B 1.2). In Teil B 7 ist bestimmt, wie zu verfahren ist, wenn es in der Quartalsabrechnung zu Unter- bzw. Überschüssen in Bezug auf das Vergütungsvolumen „ärztlicher Bereitschaftsdienst“ kommt. Bei einem Unterschuss erfolgt die notwendige quartalsbezogene Finanzierung entsprechend der Anzahl der Vertragsärzte.
Darauf nimmt der Honorarverteilungsmaßstab, gültig ab 1.1.2014 in der Fassung der Änderungen ab 1.1.2015 (Beschluss der Vertreterversammlung vom 21.3.2015) unter Abschnitt B 3.2 Abs. 3 ausdrücklich Bezug, indem geregelt ist, dass im Falle des Unterschusses das zur Verfügung dieser Leistungen erforderliche Volumen den Rückstellungen nach Abschnitt F Nr. 2 versorgungsbereichsspezifisch nach Maßgabe der KBV-Vorgaben Teil B Nummer 7.2 entnommen wird. Insofern haben die Vorgaben der KBV Eingang in den Honorarverteilungsmaßstab gefunden.
Durch die Vorgaben der KBV war die Beklagte bzw. die Vertreterversammlung nicht gehindert, für die Besuchsleistungen nach den Gebührenordnungspositionen 01418 und 01418N ein gesondertes Vergütungskontingent, eine sog. Topf-im-Topf-Regelung zu schaffen. Derartige Regelungen sind grundsätzlich von der Rechtsprechung für zulässig erachtet worden (vgl. BayLSG, Urteil vom 11.5.2016, Az L 12 KA 39/15; BSG, Beschluss vom 28.06.2017, Az B 6 KA 76/16 B). Bei den Vorgaben handelt es sich um Rahmenvorgaben, die nicht abschließend sind und durch die einzelne K. Vereinigung ausgefüllt und ergänzt werden können. Eine Bindung an die Vorgaben besteht deshalb nur insoweit, als Regelungen, die mit den Vorgaben der KBV unvereinbar sind, im Honorarverteilungsmaßstab nicht getroffen werden können. Eine solche Unvereinbarkeit ist nicht erkennbar. Im Übrigen besitzt die Beklagte bzw. die Vertreterversammlung einen weiten Gestaltungsspielraum, soweit die Regelungen nicht den Vorgaben der KBV widersprechen. Für die Topf-im-Topf Regelung gibt es sachliche Gründe. Wie die Beklagte ausgeführt hat, sei zu befürchten gewesen, dass es durch die Ausgliederung der Besuchsleistungen im organisierten Bereitschaftsdienst zu einer nicht abschätzbaren Steigung dieser Leistungen kommen werde. Um die Dynamik auszuschließen sei innerhalb des Grundbetrages „ärztlicher Bereitschaftsdienst“ ein sog. Topfim- Topf für die genannten Besuche eingeführt worden.
Für die Zulässigkeit der Quotierung im Quartal 3/2015 spricht außerdem, dass durch Gesetz vom 10.12.2015 (BGBl I S. 2229) in § 87b Abs. 1 SGB V S. 3 zum 1.1.2016 eingefügt wurde, wonach für die Leistungen im Notfall und im Notdienst keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen. Auch dies deutet darauf hin, dass vor dem 1.1.2016 eine Quotierung zulässig war. Ansonsten hätte es dieser gesetzlichen Regelung nicht bedurft.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Quotierung dazu führte, dass die Honorierung in Höhe von 98,95 46% erfolgte und es damit zu einer nahezu hundertprozentigen Auszahlung kam. Durch die Regelungen im Honorarverteilungsmaßstab (Abschnitt B Nrn. 2, 3, 4, 5, 6 HVM) ist sichergestellt, dass es bei Ärzten, die im ärztlichen Bereitschaftsdienst Besuchsdienste erbringen, gegenüber dem vorher geltenden Rechtszustand zu keinen Honorareinbußen kommt. Dies spiegelt sich auch bei der Klägerin wider. Während die Klägerin im Vorjahresquartal 3/2014 für den Ansatz der damals gültigen GOP 01411 bzw. 01411N einen Betrag in Höhe von 47,51 € erhalten hat, wurden für die Besuchsleistungen im Quartal 3/2015 79,08 € zur Auszahlung gebracht. Trotz der bei ihr vergleichsweise hohen Zahl an Leistungen im „ärztlichen Bereitschaftsdienst“ führte die Quotierung lediglich zu einer Honorareinbuße in Höhe von 169,60 €.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.


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