Arbeitsrecht

Übernahme in das Beamtenverhältnis – Ausnahme von der Höchstaltersgrenze

Aktenzeichen  M 5 K 17.629

Datum:
26.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 153545
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 23 Abs. 1 S. 2
BayHO Art. 48
BeamtStG § 10

 

Leitsatz

1 Eine Ausnahme der Höchstaltersgrenze für die Übernahme in das Beamtenverhältnis zur Gewinnung von qualifizierten Spezialkräften kommt nicht in Betracht, wenn der Bewerber bereits als Arbeitnehmer im Dienst des Landes steht. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2 Da der Gesetzgeber mit der Festlegung der Altersgrenzen bereits eine abstrakte Entscheidung getroffen hat, bedarf es keiner konkreten Berechnung der bei Verbeamtung älterer Bewerber zu erwartenden Versorgungslasten. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3 Über die bestehenden Regelungen nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 BayBG iVm Art. 48 BayHO hinaus bedarf es keiner ausdrücklichen gesetzlichen Härtefallregelung zur Anwendung der Höchstaltersgrenzen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Den in der Klageschrift vom … Dezember 2012 gestellten Antrag Nr. III hat die Klagepartei in der mündlichen Verhandlung am 26. September 2017 zurückgenommen. Gemäß § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) war das Verfahren daher insoweit mit der Kostenfolge nach § 155 Abs. 2 VwGO einzustellen.
2. Die Klage im Übrigen ist zulässig, insbesondere war der gegen den Bescheid vom … Juni 2011 erhobene, auf Begründung eines Beamtenverhältnisses gerichtete Widerspruch nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) fakultativ statthaft.
3. Die Klage ist aber sowohl im Hauptantrag als auch im Hilfsantrag unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder einen Anspruch auf Berufung in ein Beamtenverhältnis (zunächst auf Probe, § 10 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG), noch auf Neubescheidung des dahingehenden Antrags (der Fakultät) vom … Februar 2011 (dem sich die Klägerin mit Schreiben vom …5.2011 „angeschlossen“ hatte), § 113 Abs. 5 VwGO. Vielmehr erweisen sich der Bescheid vom … Juni 2011 und der Widerspruchsbescheid vom … November 2012 jeweils der …U als ebenso rechtmäßig wie die Verweigerung des Einvernehmens zu einer Ausnahme von der Altersgrenze für die Berufung durch das StMF mit dessen Schreiben vom … April 2011 und … Juli 2012.
a) Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) darf nicht in das Beamtenverhältnis berufen werden, wer bereits das 45. Lebensjahr vollendet hat. Ausnahmen kann nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayBG die oberste Landesbehörde zulassen (Halbsatz 1). Hierfür ist nach Halbsatz 2 bei Beamten und Beamtinnen des Staates das Einvernehmen des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat (zuvor: Staatsministerium der Finanzen – StMF) erforderlich.
Ergänzend bedürfen nach Art. 48 Haushaltsordnung des Freistaates Bayern (BayHO) Einstellung und Versetzung von Beamten in den Staatsdienst der Einwilligung des für Finanzen zuständigen Staatsministeriums, wenn der Bewerber bereits das 45., bei Hochschullehrern das 52. Lebensjahr vollendet hat.
Damit wurde bereits eine Ausnahme von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayBG für Hochschullehrer gesetzlich geregelt. Im Übrigen haben die Ausnahmeentscheidungen, also die der jeweils zuständigen obersten Landesbehörde und die des Einvernehmens des StMF, jeweils nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu ergehen.
Geleitet wird dieses Ermessen durch die Verwaltungsvorschrift (VV) zu Art. 48 BayHO. Diese lautet (auszugsweise):
„1. Hauptzweck des Art. 48 ist es, den Staat vor unbilligen Versorgungslasten zu schützen. Soweit nichts Anderes bestimmt ist, ist die Einwilligung des Staatsministeriums der Finanzen deshalb im Einzelfall erforderlich. Sie kann grundsätzlich nur zur Gewinnung von qualifizierten Spezialkräften erteilt werden, wenn bei einem außerordentlichen Mangel an geeigneten jüngeren Bewerbern unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch der entstehenden Versorgungslasten, die Übernahme offensichtlich einen erheblichen Vorteil für den Staat bedeutet oder die Ablehnung der Übernahme zu einer erheblichen Schädigung der Staatsinteressen führen könnte.
1.1 Eine Übernahme von Arbeitnehmern des Freistaates Bayern in das Beamtenverhältnis nach Vollendung des 45. Lebensjahres kann danach grundsätzlich nicht in Betracht kommen.“
b) Auf dieser rechtlichen Grundlage ist die hier letztlich maßgebliche Verweigerung des Einvernehmens durch das StMF nicht zu beanstanden.
aa) Zur Begründung wird zunächst auf die umfangreichen rechtlichen Ausführungen unter „II. Rechtliche Würdigung“ im Widerspruchsbescheid vom 9. November 2012 verwiesen, denen das Gericht folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Hierzu ist hinsichtlich des im Widerspruchsbescheid zur Rechtmäßigkeit von Altersgrenzen für die Berufung in ein Beamtenverhältnis zitierten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 23. Februar 2012 (2 C 76.10 – juris) anzumerken, dass eine Parallelentscheidung vom selben Tag (2 C 79.10 – juris) vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwar mit Beschluss vom 21. April 2015 (2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 – juris) aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das BVerwG zurückverwiesen wurde. Dies erfolgte jedoch im Kern deswegen, weil die festgelegten Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe in der Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen mit dem Grundgesetz nicht vereinbar waren, weil es an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage fehlte. Das BVerfG gab jedoch umfangreiche Hinweise zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Einstellungshöchstaltersgrenzen (a.a.O., juris Rn. 74 ff.). Die Revision in der zurückverwiesenen Sache wurde dann nach zwischenzeitlichem Inkrafttreten der nunmehr gesetzlichen Regelung in § 14 Gesetz über die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtengesetz – LBG NRW) mit Urteil vom 11. Oktober 2016 (2 C 11/15 – juris) zurückgewiesen. Die Einstellungshöchstaltersgrenzen in § 14 Abs. 3 LGB NRW, nach welcher die Ernennung zum Beamten auf Probe grundsätzlich nicht nach der Vollendung des 42. Lebensjahres erfolgen könne, sei mit dem Grundgesetz und mit Unionsrecht vereinbar (a.a.O., juris Rn. 17 und 20). Eine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze unter der Voraussetzung eines erheblichen dienstlichen Interesses begründe schon keine subjektiven Rechte der Bewerber (a.a.O., juris Rn. 25).
bb) Ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen:
(1) Mit der VV zu Art. 48 BayHO wird der Rahmen, innerhalb dessen das Ermessen über das Einvernehmen vom StMF überhaupt ausgeübt werden darf, bestimmt. So kann es grundsätzlich nur zur „Gewinnung“ von qualifizierten Spezialkräften erteilt werden. Hintergrund ist das vorrangig maßgebliche dienstliche Interesse an einer Wahrung der Staatsinteressen und damit den Interessen der Allgemeinheit. Diesen Interessen ist jedoch gedient, wenn der Bewerber bereits als Arbeitnehmer in Diensten des Beklagten steht (VV Nr. 1.1 zu Art. 48 BayHO). So verhält es sich auch bei der Klägerin, die bereits am 11. März 2011 und damit vor allen hier ergangenen Entscheidungen des StMF und der …U mit der …U einen ab … April 2011 unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat. Eine Ausnahme vom Grundsatz der „Gewinnung“ und damit eine Erweiterung des Rahmens für die Ermessensausübung könnten demgegenüber nur in einer Fallgestaltung liegen, in der das dienstliche Interesse offenkundig ist, sich also jedermann geradezu aufdrängen muss. Solches ist bei der Klägerin nicht der Fall. Mithin war für das StMF ein Ermessen gar nicht mehr eröffnet, so dass auch keine Ermessensfehler vorliegen können.
(2) Daher kann auch offen bleiben, ob die Klägerin – unbeschadet ihrer unbestrittenen beruflichen Qualifikation – überhaupt als „qualifizierte Spezialkraft“ im Sinne der VV Nr. 1 zu Art. 48 BayHO anzusehen wäre. Als solche müsste sie tatsächlich im Sinne des Staatsinteresses unentbehrlich sein. Das wurde vorliegend weder von der Fakultät noch von der Klägerin selbst hinreichend substantiiert dargetan, so dass der Beklagte mit seiner gegenteiligen Auffassung durchdringt.
Es wurde zwar versucht darzustellen, dass die Klägerin für die ausgeschriebene und ab 1. April 2011 zu besetzende Stelle „Akademische/r Rat/Rätin als Lehrkraft für besondere Aufgaben“ quasi die einzige qualifizierte Wissenschaftlerin gewesen wäre. Aus der Stellenausschreibung selbst geht jedoch hervor, dass die Stelle durchaus auch auf Arbeitsvertragsbasis besetzt werden kann. Jedenfalls die …U ging also nicht davon aus, dass der Stelleninhaber zwingend verbeamtet werden müsste. Vielmehr wurde nur auf die Möglichkeit einer Verbeamtung „bei Vorliegen der beamtenrechtlichen Voraussetzungen“ hingewiesen.
Aus dem Schreiben der Fakultät vom 11. Februar 2011 geht auch hervor, dass es immerhin insgesamt sieben Bewerber/innen um die Stelle gegeben hat. Damit ist auch nicht offenkundig, dass die weitere Voraussetzung eines außerordentlichen Mangels an geeigneten jüngeren Bewerbern überhaupt vorgelegen hätte. Jedenfalls den Schreiben der Fakultät an die …U ist gerade solches nicht zu entnehmen. Diese stellen im Wesentlichen nur die Klägerin in den Vordergrund.
(3) Es bedurfte keiner konkret auf den Einzelfall der Klägerin vorgenommenen Berechnung der für den Beklagten zu erwartenden Versorgungslasten. Denn unabhängig von der Tatsache, dass eine konkrete Berechnung angesichts vieler Unwägbarkeiten (z.B. mögliche zukünftige Teilzeitbeschäftigung, eingeschränkte Dienstfähigkeit, vorzeitige Entlassung wegen Dienstunfähigkeit) rein hypothetisch und damit nicht belastbar wäre, liegt in der Altersgrenze bereits selbst eine entsprechende abstrakte Bewertung.
(4) Einer weitergehenden gesetzlichen Härtefallregelung im Sinne einer gebundenen Entscheidung bedurfte es nicht, weil es bei der Frage der Berufung in ein Beamtenverhältnis nicht um einen Eingriff in bestehende Rechtspositionen geht, sondern um die erstmalige Vermittlung einer Rechtsposition. Dass das LBG NRW insoweit in § 14 Abs. 5 in einem gewissen Rahmen quasi – ohne es als solche zu benennen – eine gebundene Härtefallregelung trifft, z.B. in Bezug auf Zeiten der tatsächlichen Betreuung eines minderjährigen Kindes (§ 14 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 LBG NRW), ist für den Beklagten nicht maßgeblich. Dabei ist zu beachten, dass § 14 Abs. 3 LBG NRW die Altersgrenze auf die Vollendung des 42. Lebensjahres festsetzt, die sich nach § 14 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 LBG NRW um insgesamt höchstens sechs Jahre erhöhen kann, also bis zum 48. Lebensjahr. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayBG setzt die Altersgrenze von vorn herein bei der Vollendung des 45. Lebensjahres an. Die unterschiedlichen Regelungen haben also jeweils rechtlich nicht zu beanstandende Vor- und Nachteile.
(5) Aber auch eine ausdrückliche Härtefallregelung mit der Folge eines Ermessens – wie etwa in § 14 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW für einzelne Fälle, wenn sich nachweislich der berufliche Werdegang aus von der Bewerberin oder dem Bewerber nicht zu vertretenden Gründen in einem Maß verzögert hat, welches die Anwendung der Höchstaltersgrenze unbillig erscheinen ließe – ist rechtlich nicht zwingend geboten. Denn solchen Fällen kann mit den bestehenden Regelungen nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayBG i.V.m. Art. 48 BayHO in atypischen Konstellationen ausreichend Rechnung getragen werden. Diese Regelungen stehen nicht ausschließlich im Staatsinteresse, was zur Folge hätte, dass für einen Bewerber schon kein subjektives öffentliches Recht begründet würde (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2016 – 2 C 11.15 – juris Rn. 25). Allein bei der Klägerin ist eine solche Unbilligkeit schon deswegen nicht erkennbar, weil sich ihr beruflicher Werdegang aufgrund der von ihr selbst getroffenen Entscheidungen – wie u.a. die späte Aufnahme des Psychologie-Studiums – gestaltet hat.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.


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