Arbeitsrecht

Verfahren wegen zutreffender Eingruppierung einer Partei

Aktenzeichen  8 Sa 741/19

Datum:
6.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 57537
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TVöD/VKA § 12
Teil B Abschitt XI Vergütungsordnung zum TVöD/VKA

 

Leitsatz

1. Erfolglose Berufung des Klägers; auch nach seinem Vortrag ist er als Funktionsleiter
2. Anästhesie “nur” Leiter einer großen Station, nicht aber einer Abteilung/eines Bereichs im tariflichen Sinne.

Verfahrensgang

5 Ca 350/19 2019-10-15 Endurteil ARBGROSENHEIM ArbG Rosenheim

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 15.10.2019 – 5 Ca 350/19 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Das Rechtsmittel des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. a) ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 11 Abs. 4, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO).
II.
Die Berufung ist jedoch vollumfänglich unbegründet. Die zweitinstanzlich verfolgten Klageanträge sind zwar zulässig, aber nicht begründet.
1. Hauptantrag:
1.1 Der Hauptantrag ist zulässig.
1.1.1 § 533 ZPO steht dem Hauptantrag nicht entgegen. Denn der Kläger hat mit seinen erstinstanzlichen Anträgen erkennbar das Begehren verfolgt, ab dem 01.01.2017 gemäß Teil B Abschnitt XI Nr. 2 der Entgeltordnung zum TVöD/VKA nach Entgeltgruppe P14 vergütet zu werden. Zwar ist in seinen erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträgen von Entgeltgruppe 14 (statt P14) und Abschnitt IX (statt XI) die Rede; aus der Klagebegründung und seinem gesamten erstinstanzlichen Vorbringen ergibt sich jedoch, dass es sich hierbei um Schreibversehen handelt.
Vor diesem Hintergrund weicht der zweitinstanzlich gestellte Hauptantrag von den beiden zuletzt erstinstanzlich gestellten Anträgen nur insoweit ab, als hinsichtlich der Nachzahlungen vom Leistungsauf den Feststellungsantrag übergegangen wurde. Diese Änderung ist nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen, womit § 533 ZPO schon nicht zur Anwendung gelangt (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, § 533 ZPO Rn. 11).
1.1.2 Auch weitere Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht.
Die Feststellungsklage ist als sog. Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig (vgl. hierzu nur GMP/Germelmann/Künzl, § 46 ArbGG, Rn. 106 m. w. Nachw. aus der Rspr. des BAG).
Es fehlt auch nicht an dem von § 256 Abs. 1 ZPO geforderten Feststellungsinteresse, weil der Kläger nunmehr vollständig nach § 38 BetrVG freigestellt ist. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt; auf die Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe des Ersturteils wird Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
1.2 Der Hauptantragt ist nicht begründet.
Das Vorbringen des Klägers, das im Rahmen des Hauptantrags im Wesentlichen dahin geht, dass sich aus seiner Verantwortung für den Zentral-, den Gyn- und den Uro-OP sowie den Aufwachraum die Funktion eines Bereichs- bzw. Abteilungsleiters im Sinne der tariflichen Normen herleiten lässt und sich so sein Vergütungsanspruch nach Entgeltgruppe P14 ergibt, ist nicht schlüssig. Auch nach den von ihm vorgetragenen Tatsachen war er bis zu seiner Freistellung als Leiter einer (großen) Station eingesetzt, womit er der Entgeltgruppe P13 unterfällt, mithin tarifgerecht vergütet wird.
Im Einzelnen:
1.2.1 Zutreffend geht der Kläger davon aus, dass sich die Eingruppierung nach § 12 TVöD/VKA richtet. Unausgesprochen nimmt er auch zutreffend an, dass seine Leitungstätigkeit als einheitlicher Arbeitsvorgang aufzufassen ist. Nicht verkennen dürfte der Kläger schließlich, dass es bei der Prüfung der Eingruppierung nicht auf die Bezeichnung ankommt, wie sich der Vorbemerkung Nr. 2 entnehmen lässt.
1.2.2 Dem Kläger oblag die Leitung einer (großen) Station, jedoch nicht eines Bereichs bzw. einer Abteilung im tariflichen Sinne.
a) Der Leiter eines Funktionsbereichs, wie hier der Kläger als Funktionsleitung der Anästhesie, ist als Leiter einer Station im tariflichen Sinne anzusehen, wenn der Funktionsbereich wie eine Station organisiert ist und damit die kleinste organisatorische Einheit im Sinne der Vorbemerkung Nr. 1 Buchst. b) zum Teil B Abschnitt XI Ziff. 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA darstellt. Dass in den Entgeltgruppen P12 und P13 TVöD/VKA nur der Begriff der „Stationsleiterinnen oder Stationsleiter“ verwendet wird, ist wegen der Vorbemerkung Nr. 2 unbeachtlich. Entscheidend ist vielmehr allein, dass eine entsprechende organisatorische Einheit geleitet und Pflegepersonen fachlich unterstellt sind. Die Berufungskammer folgt insoweit dem überzeugend begründeten Beschluss des BAG vom 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, juris, Rn. 29.
Unter „Station“ ist nach dem allgemeinen Sprachverständnis und der genannten Vorbemerkung die kleinste organisatorische Einheit im Krankenhaus zu verstehen (BAG, a.a.O., Rn. 19). Danach ist ein Funktionsbereich als Station im tariflichen Sinne anzusehen, wenn seinem Leiter keine Pflegepersonen unterstellt sind, die ihrerseits Weisungsbefugnisse für Teilbereiche des Funktionsbereichs auszuüben haben, die über die einer Teamleitung im Sinne der Vorbemerkung Nr. 1 lit. a) der Anlage 1 zum TVöD/VKA hinausgehen. Denn eine organisatorische Einheit wird durch eine Leitung, die die Erledigung der anfallenden Aufgaben koordiniert und verantwortet, konstituiert. Dies entspricht nicht nur dem allgemeinen Verständnis, sondern folgt auch aus den Fallgruppen der Vormerkung Nr. 1; die dort beschriebene regelmäßige Organisationsstruktur sieht für jede Organisationsebene das Vorhandensein einer Leitung vor (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 25).
b) Da unterhalb der Leitung des Funktionsbereichs Anästhesie bei der Beklagten unstreitig keine Leitungsebene bestanden hat oder besteht, handelt es sich bei diesem Funktionsbereich um die kleinste organisatorische Einheit im tariflichen Sinne, was zur Qualifikation des Klägers als Stationsleitung führt.
c) Die Art der dem Kläger vor seiner Freistellung obliegenden Aufgaben bestätigt dieses Ergebnis.
Mit dem für die vorliegenden Tarifvorschriften maßgeblichen, allgemeinen berufskundlichen Begriff der Stationsleitung ist ein bestimmtes Berufsbild verbunden. Die Stationsleitung koordiniert die pflegerischen Aufgaben in ihrem Bereich, hat die Personalführung einschließlich der Dienstplangestaltung inne, wirkt an der Personalentwicklung und der praktischen Ausbildung von Nachwuchskräften mit, ist für die Qualitätssicherung zuständig und führt Mitarbeiterschulungen durch. Darüber hinaus wirkt sie in der Betriebsführung mit (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 22). Die dem Kläger nach seinem eigenen Vortrag übertragenen Aufgaben entsprechen diesem Berufsbild. So war er bis zu seiner Freistellung umfassend für die Dienstplanerstellung und -anpassung zuständig. Die Pflegekräfte der Anästhesie waren ihm unstreitig fachlich unterstellt. Wie der Kläger in seinem Schreiben an die Beklagte vom 22.08.2017 (vgl. Anlage K 3; Bl. 8 d. A.) ausgeführt hat, wurden in seinem Verantwortungsbereich verschiedenste Weiterbildungen durchgeführt und Praktikanten eingesetzt.
d) Insgesamt ergibt sich, dass der Kläger bis zu seiner Freistellung als Stationsleitung im tariflichen Sinne eingesetzt war.
1.2.3 Dem Kläger kann danach nicht in der Auffassung gefolgt werden, der Zentral-OP, der Gyn-OP und der Uro-OP sowie der Aufwachraum seien jeweils als eigene Stationen anzusehen. Damit fehlt die Grundlage für den von ihm gezogenen Schluss, dass ihm insgesamt die Leitung eines Bereichs bzw. einer Abteilung im tariflichen Sinne übertragen war. Der Kläger verkennt, dass (Teil-)Einheiten nur angenommen werden können, wenn insoweit jeweils eine Leitung eingesetzt worden ist. Wie bereits erwähnt, bestand und besteht hier unstreitig keine Leitungsebene für Anästhesie-Pflegekräfte unterhalb der vom Kläger ausgeübten Funktionsleitung; damit existiert auch keine – wie immer ausgestaltete – Leitung der Anästhesie-Pflegekräfte des jeweiligen OP-Bereichs oder des Aufwachraums. Entgegen seiner Auffassung ergibt sich eine organisatorisch abgrenzbare Einheit nicht allein aus der Zuordnung von OP-Sälen zu medizinischen Fachgebieten, ihrer Verteilung auf mehrere Stockwerke des Klinikgebäudes und das Vorhalten benötigter Materialen an verschiedenen Stellen im Krankenhaus (so im Ergebnis auch die 2. Kammer des LAG München im Urteil vom 30.04.2020 – 2 Sa 748/19, Seite 11).
1.2.4 Wenn der Kläger darauf hinweist, dass ein Bereich bzw. eine Abteilung im tariflichen Sinne nur „in der Regel“ und damit nicht zwingend mehrere Stationen umfasst, ist dies zwar richtig, führt aber nicht zum Erfolg seines Antrags. Denn sein Vorbringen rechtfertigt es nicht, einen solchen Ausnahmefall anzunehmen.
Die Tarifvertragsparteien sind von einer Organisationsstruktur ausgegangen, die aus drei Ebenen besteht. Diesen ist gemeinsam, dass dort Leitungsaufgaben ausgeübt werden. Einem solchem mehrstufigen Leitungskonzept ist immanent, dass Leitungsebenen gleichzeitig und nebeneinander mit unterschiedlichen Kompetenzen bestehen (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 24 f.). Daraus folgt, dass der klagende Arbeitnehmer, dem nicht die Verantwortung für mehrere Stationen im tariflichen Sinne übertragen worden ist, darzulegen hat, dass ihm Kompetenzen übertragen wurden, die für die dritte Ebene des tariflichen Modells („Bereich/Abteilung“) kennzeichnend sind. Derartigen Vortrag hat der Kläger aber nicht unterbreitet. Vielmehr ergibt sich, wie oben ausgeführt, aus seinen Behauptungen, dass er als Stationsleitung anzusehen war. Sein Hinweis auf die Zahl der ihm unterstellten Mitarbeiter reicht nicht hin, um den qualitativen Unterschied der Kompetenzen auf den unterschiedlichen Leitungsebenen darzustellen.
1.2.5 Dem Hauptantrag musste daher der Erfolg versagt bleiben.
2. Auch der zweitinstanzlich gestellte Hilfsantrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
2.1 Der Antrag fiel zur Entscheidung an, da er erkennbar unter der Bedingung erhoben wurde, dass der Kläger mit seinem Hauptantrag erfolglos bleibt.
2.2 Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht; sie folgen insbesondere nicht aus § 533 ZPO, da der Antrag jedenfalls sachdienlich ist und seine Prüfung nicht die Berücksichtigung neuer Tatsachen erfordert.
2.3 Vom Hauptantrag unterscheidet sich der Hilfsantrag nach den Darlegungen des Klägers neben der zeitlichen Begrenzung allein durch den Umstand, dass er das Vorliegen eines Bereichs bzw. einer Abteilung im tariflichen Sinne ergänzend mit dem Umstand begründen möchte, dass die bis 30.11.2018 bestehende Zuständigkeit auch für das ambulante OP-Zentrum die Annahme einer Abteilung rechtfertige, weil dieses eigenständig organisiert gewesen sei.
Auch dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden. Wiederum gilt, dass es auch hinsichtlich des ambulanten OP-Zentrums keine Leitungsebene unterhalb des Klägers gegeben hat. Der Umstand, dass nach seinem Vorbringen dort auch Mitarbeiter im Aufnahme- und Verwaltungsbereich ihm untergeordnet waren und nicht nur Anästhesie-Pflegekräfte, ändert nichts an dem Umstand, dass sich eine organisatorische Einheit durch eine Leitung konstituiert. Eine für die tariflichen Vorschriften relevante organisatorische Verselbständigung kann damit nicht angenommen werden.
2.4 Nach alldem konnte auch der Hilfsantrag keinen Erfolg haben.
3. Die Berufung des Klägers war mithin insgesamt zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
V.


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