Arbeitsrecht

Verfahrenseinstellung nach übereinstimmender Erledigungserklärung – Erfolgloser Prozesskostenhilfeantrag

Aktenzeichen  M 12 K 16.2032

Datum:
14.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 92 Abs. 3, § 161 Abs. 2 S. 1, § 166
ZPO ZPO § 114

 

Leitsatz

Nach übereinstimmender Erledigungserklärung entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Behörde aufzuerlegen, wenn sie wegen Kenntnis einer bereits eingereichten Räumungsklage bei der Vormerkung für eine Sozialwohnung eine höhere Dringlichkeit hätte festsetzen müssen. (redaktioneller Leitsatz)
Da die Bewilligung von Prozesskostenhilfe der beabsichtigten Rechtsverfolgung dient, kommt sie in der Regel nicht in Betracht, wenn die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Eine ausnahmsweise rückwirkende Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass der Antragsteller bereits alles hierfür Erforderliche getan hat. Daran fehlt es, wenn keine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen abgegeben wurde. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrte die Festsetzung einer höheren Dringlichkeit im Rahmen der Vormerkung für eine Sozialwohnung sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Am … Februar 2016 beantragte sie die Registrierung für eine geförderte Wohnung, weil ihre jetzige Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt worden sei. Zu dem Vorgang finden sich eine nicht unterschriebene Kündigung vom … November 2014, ein anwaltlicher Schriftsatz vom … Januar 2016 betreffend ein Verfahren am Amtsgericht München wegen Räumung und Herausgabe der Wohnung der Klägerin sowie eine Terminierung dieses Verfahrens auf … April 2016 in den Akten. Auf Anfrage der Beklagten erklärte ihre interne Mietberatung mit Schreiben vom 18. März 2016, dass die Kündigung der gerichtlichen Klärung bedürfe. Nach Aktenalge finde der Gerichtstermin am … April 2016 statt.
Mit Bescheid vom 29. März 2016 wurde die Klägerin als Einzelperson für eine Sozialwohnung registriert. Die Dringlichkeit des Antrags wurde mit insgesamt 45 Punkten in Rangstufe III festgesetzt. Ihr wurden 30 Grundpunkte zuerkannt, weil sie nachgewiesen habe, dass der Mietvertrag durch den Vermieter gekündigt worden sei. Bei amtsinterner mietrechtlicher Überprüfung sei festgestellt worden, dass die Kündigung nicht rechtswirksam sei oder der gerichtlichen Klärung bedürfe.
Am 29. April 2016 legte die Klägerin bei der Beklagten den Beschluss des Amtsgerichts München vom … April 2016 vor, wonach die sie verpflichtet ist, die von ihr derzeit bewohnte Wohnung bis zum 31. Juli 2016 herauszugeben.
Gegen den Bescheid vom 29. März 2016 hat die Klägerin am … Mai 2016 Klage erheben lassen mit dem Antrag,
den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2016 hinsichtlich Nr. 4 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Festsetzung der Dringlichkeit des Wohnungsantrags vom 24. Februar 2016 neu zu entscheiden.
Außerdem beantragt die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse liegt nicht vor.
Mit weiterem Bescheid vom 3. Mai 2016 wurde die Klägerin als Einzelperson für eine Sozialwohnung registriert. Die Dringlichkeit des Antrags wurde mit insgesamt 156 Punkten in Rangstufe I festgesetzt. Ihr wurden aufgrund des im Vergleich mit den weiteren Wohnungssuchenden besonders hohen sozialen Gewichts ihrer Wohnungssuche 97 Grundpunkte zuerkannt.
Mit Schriftsatz vom … Mai 2016, eingegangen bei Gericht am 19. Mai 2016, erklärte der Bevollmächtigte der Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Mit Schreiben vom 30. Mai 2016, bei Gericht eingegangen am 1. Juni 2016, stimmte die Beklagte der Erledigung in der Hauptsache zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Nach § 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist der Berichterstatter zur Entscheidung zuständig.
2. Die Klägerin und die Beklagte haben wirksame übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben. Daher ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
3. Über die Kosten ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Unabhängig davon, ob dabei – wie die Klägerin vorträgt – allein auf die zum Zeitpunkt des Erledigungseintritts vorhandenen Erfolgsaussichten der Klage oder – wie die Beklagte implizit geltend macht – auf den Rechtsgedanken des § 156 VwGO abzustellen ist, entspricht es vorliegend billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen.
Denn auch ohne Vorlage des Räumungstitels hätte die Klage Aussicht auf Erfolg gehabt. Der Antrag der Klägerin wäre schon zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung statt mit 30 jedenfalls mit 74 Grundpunkten zu bescheiden gewesen (Nr. 74.04 der Punktetabelle), da eine Räumungsklage eingereicht war. Dieser Umstand war der Beklagten bei Bescheiderlass auch bekannt, da zu diesem Zeitpunkt der anwaltliche Schriftsatz vom … Januar 2016 und eine gerichtlichen Terminsverfügung vorlagen, die beide die Räumung und Herausgabe der von der Klägerin bewohnten Wohnung betreffen. Auch im Schreiben der internen Mietberatung vom 18. März 2016 wird auf den am … April 2016 stattfindenden Gerichtstermin hingewiesen.
4. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen.
Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) auf Antrag zu gewähren, wenn die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in der Regel voraus, dass die Rechtsverfolgung noch beabsichtigt i. S. d. § 114 Abs. 1 ZPO ist (Zimmermann-Kreher in BeckOK, VwGO, Stand 1.4.2016, § 166 Rn. 48). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt vorliegend nicht in Betracht, da es an der Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse i. S. d. § 117 Abs. 2 ZPO fehlt und daher die Klägerin und ihr zurechenbar ihr Prozessbevollmächtigter nicht alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan haben.
Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht nicht die Tatsache entgegen, dass ein ordnungsgemäßer, rechtzeitiger und vollständiger Prozesskostenhilfeantrag nach Eintritt der Wirkung der beiderseitigen Erledigungserklärungen noch nicht verbeschieden war. Denn eine Partei hat es nicht in der Hand, wann über einen Prozesskostenhilfeantrag entschieden wird und kann eine rasche Entscheidung hierüber nicht erzwingen (zu dem Ganzen BayVGH, B.v. 6.8.1996 – 8 C 96.536 – NVwZ-RR 1997, 500; vgl. BVerwG, B.v. 1.7.1991 – 5 B 26/91 – juris). Damit kommt eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Verfahrensabschluss ausnahmsweise in Betracht, wenn der Bewilligungsantrag während des Verfahrens gestellt, aber nicht verbeschieden worden ist und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat. Dies ist aber nicht der Fall, wenn eine den Anforderungen des § 166 VwGO i. V. m. § 117 Abs. 2 ZPO genügende Erklärung erst nach Abschluss der Instanz vorgelegt wird. Eine nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die bereits abgeschlossene Instanz scheidet in diesem Fall aus (zu dem Ganzen Zimmermann-Kreher in BeckOK, VwGO a. a. O. m. w. N.).
Vorliegend wurde keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse i. S. d. § 117 Abs. 2 ZPO vorgelegt, so dass nicht alles Erforderliche für die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe veranlasst wurde. Eine rückwirkende Gewährung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss des Verfahrens kommt daher nicht in Betracht.


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