Arbeitsrecht

Vergütung für Hebammenhilfe

Aktenzeichen  S 6 KR 191/15

Datum:
31.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V SGB V § 24d, § 134a, § 301a Abs. 1 S. 1
SGG SGG § 54 Abs. 5, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Die Vergütung weiterer Hebammenleistungen setzt eine Leistungsabrechnung einschließlich Zeitangabe voraus. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 295,36 Euro.
1. Die Klage ist zulässig.
1.1 Streitgegenstand ist der Anspruch eines Leistungserbringers (hier: einer Hebamme) gegen eine Krankenkasse auf Zahlung der Vergütung für Hebammenhilfe, die die Klägerin gegenüber einer Versicherten der Beklagten erbracht habe. Ihren Zahlungsanspruch hat die Klägerin zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend gemacht. Denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Kosten für Hebammenhilfe gerichteten Klage einer Hebamme gegen eine Krankenkasse um einen sog. Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (vgl. BSG, Urteil vom 10.04.2008 – B 3 KR 19/05 R – zitiert nach juris, m. w. N.).
1.2 Seitens der Klägerin ist auch die bei Zahlungsklagen grundsätzlich erforderliche Bezifferung des Anspruchs erfolgt. Betrifft ein Zahlungsanspruch einen abgeschlossenen Vorgang aus der Vergangenheit, ist er zur Vermeidung eines ansonsten im Raum stehenden zusätzlichen Streits über die Höhe des Anspruchs konkret zu beziffern; es muss also grundsätzlich ein bestimmter (bezifferter) Zahlungsantrag gestellt und dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt (BSG, a. a. O.). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.
1.3 Die Klage ist somit zulässig.
2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung weiterer Hebammenhilfe.
2.1 Streitgegenstand ist vorliegend der Betrag in Höhe von 295,36 Euro. Dieser betrifft die Position aufsuchende Wochenbettbetreuung bei der Wöchnerin nach der Geburt, die Zulage für die erste aufsuchende Wochenbettbetreuung, das Wegegeld als ambulante hebammenhilfliche Leistung und die Materialpauschale bei Beginn der aufsuchenden Wochenbettbetreuung später als vier Tage nach der Geburt. Auch wenn die Beteiligten das nicht besonders problematisiert haben, ist die Leistung der Mutterschaftsvorsorge und Schwangerenbetreuung in Form der Beratung am 30. September 2013 sowie die Beratungen der Wöchnerin mittels Kommunikationsmedium am 16. und 22. November 2013 sowie am 12., 15., 18. und 20. Dezember 2013 nicht Streitgegenstand, weil die Beklagte diese Leistungen bezahlt hat.
2.2 Der Anspruch von Versicherten auf Hebammenhilfe ist in § 24d SGB V geregelt. Regelungen zum Verhältnis der Leistungserbringer zu den Krankenkassen enthält § 134a SGB V, der entsprechende vertragliche Vereinbarungen vorsieht, sowie § 301a SGB V, der die Übermittlung von Leistungsdaten regelt. Die Berufsverbände der Hebammen haben mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen den „Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V“ geschlossen. § 12 des Vertrages regelt die Vergütung und verweist hierzu auf Anlage 1, die die Hebammen-Vergütungsvereinbarung (vorliegend in der Fassung ab 01.01.2013) enthält. Die Hebammen-Vergütungsvereinbarung wiederum verweist unter anderem auf Anhang A, der die Modalitäten zur Versichertenbestätigung regelt.
2.3 Die Klägerin als zugelassene Hebamme ist grundsätzlich zur Leistungserbringung von Hebammenhilfe gegenüber Versicherten der Beklagten berechtigt. Mit der Erbringung der Hebammenhilfe erwirbt sie einen Vergütungsanspruch, den sie gegenüber der Beklagten abrechnen kann. Grundvoraussetzung der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs auf Vergütung ist aber eine formal ordnungsgemäße Abrechnung. Eine formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und ggf. -pflichten voraus (vgl. für den Bereich der Krankenhausabrechnung: BSG, Urteil vom 21.04.2015 – B 1 KR 10/15 R – zitiert nach juris, m. w. N.).
2.4 Die Klägerin hat keinen fälligen Anspruch auf Vergütung weiterer Hebammenhilfe. Denn insoweit ist eine ordnungsgemäße Abrechnung der Hebeammenhilfe nicht erfolgt.
2.4.1 Die Hebammen-Vergütungsvereinbarung sieht in § 5 Abs. 1 vor, dass gesonderte Positionsnummern nach dem Leistungsverzeichnis abrechenbar sind, wenn Leistungen der Hebamme zur Nachtzeit, an Samstagen ab 12 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen erbracht werden. Damit einher geht die Positionsnummer 1800 „Aufsuchende Wochenbettbetreuung bei der Wöchnerin nach der Geburt als ambulante hebammenhilfliche Leistung“, die hierfür 31,28 Euro aufweist, und die Positionsnummer 1810 „Aufsuchende Wochenbettbetreuung bei der Wöchnerin nach der Geburt gemäß § 5 Abs. 1 als ambulante hebammenhilfliche Leistung“, die hierfür 37,51 Euro ausweist. Daher wird die aufsuchende Wochenbettbetreuung bei der Wöchnerin nach der Geburt abhängig von der Zeit der Leistungserbringung abgerechnet. Somit erfordert eine Abrechnung der aufsuchenden Wochenbettbetreuung zwingend die Angabe der Zeit. Andernfalls kann die korrekte Vergütungshöhe gar nicht beziffert werden. Auch datenschutzrechtliche Regelungen stehen dem nicht entgegen. Nach § 301a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V hat die Datenübertragung den Tag der Leistungserbringung zu benennen, nach Nummer 3 sind Zeit und die Dauer der erbrachten Leistungen, soweit dies für die Höhe der Vergütung von Bedeutung ist, zu übertragen. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob sich der Halbsatz „soweit dies für die Höhe der Vergütung von Bedeutung ist“ auf Zeit und Dauer oder nur auf Dauer bezieht. Denn – wie dargestellt – ist vorliegen die Zeit der Leistungserbringung für die Höhe der Vergütung von Bedeutung. Daher hat eine Abrechnung entsprechende Angaben zu enthalten. Demnach hat die Klägerin keinen fälligen Anspruch wegen der aufsuchende Wochenbettbetreuung. Gleiches gilt für die Zulage für die erste aufsuchende Wochenbettbetreuung in Höhe von 6,42 Euro. Mangels Hauptleistung kann auch ein Vergütungsanspruch auf Zulage nicht fällig sei.
2.4.2 Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Wegegeld. Nach § 301a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V sind bei der Abrechnung von Wegegeld Datum, Zeit und Ort der Leistungserbringung sowie die zurückgelegte Entfernung zu übermitteln. Die Klägerin hat die Zeit der Leistungserbringung nicht übermittelt. Damit ist keine Fälligkeit eingetreten. Die Argumentation der Klägerin, bezüglich des Wegegeldes sei die gesetzliche Regelung einschränkend auszulegen, greift nicht durch. Die Klägerin wendet zutreffend ein, dass § 301a SGB V Vorschriften zur Datenübermittlung enthält. Diese dienen aber vorwiegend dem Schutz der Versicherten und nicht der Leistungserbringer. Auch unter Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und weiterer verfassungsrechtlicher Vorgaben kann das Gericht keine Umstände erkennen, die eine einschränkende Auslegung der für Versicherte getroffenen Datenschutzbestimmungen erfordert. Einer Wöchnerin sowie dem Neugeborenen ist es gleichgültig, ob der Krankenkasse nur das Datum der Leistungserbringung oder auch die Uhrzeit übermittelt wird. Ein Schutzinteresse der Versicherten ist für das Gericht daher nicht im Ansatz ersichtlich. Von daher setzt – der gesetzlichen Regelung entsprechend – die Abrechnung von Wegegeld zur Fälligkeit voraus, dass auch die Zeit der Leistungserbringung angegeben wird. Da dies nicht erfolgt ist, hat die Klägerin keinen fälligen Anspruch auf Wegegeld.
2.4.3 Die Klägerin hat auch keinen fälligen Anspruch auf Materialpauschale bei Beginn der aufsuchenden Wochenbettbetreuung später als vier Tage nach der Geburt. Der Anspruch auf die Materialpauschale ist akzessorisch zur Hauptleistung. Mangels fälligen Vergütungsanspruchs der Hauptleistung scheidet auch ein fälliger Vergütungsanspruch auf die Materialpauschale aus.
2.5 Demnach fehlt es an einer fälligen Abrechnung bezüglich des Betrages in Höhe von 295,36 Euro. Daher hat die Klägerin keinen Anspruch auf weitere Vergütung.
Die Klage ist somit abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197 a SGG i. V. m. §154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Berufung bedarf der Zulassung, weil die Klage eine Geldleistung betrifft, die 750 Euro nicht übersteigt, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nicht vorliegen, § 144 Abs. 2 SGG.
Rechtsmittelbelehrung: Dieses Urteil kann nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen ist und vom Sozialgericht nicht zugelassen wurde. Die Nichtzulassung der Berufung kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der „Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit – ERVV SG“ an die elektronische Gerichtspoststelle des Bayer. Landessozialgerichts oder des Sozialgerichts Würzburg zu übermitteln ist. Über das Internetportal des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn a) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, b) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder c) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.


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